Während der „Buch-Wien“ kann man Zug fahren, das heißt, sich in einen solchen setzten von sich von den Autoren der gleichnahmigen soeben bei „Residenz“ erschienenen Anthologige „Geschichten übers Bahnfahren“ vorlesen lassen.
Herr Blaha wird das vielleicht tun, wie er mir auf meinen Geburtstagsfest erzählte, ich bin in den Messenhallen verblieben, denn der Verlag hat mir das Buch freundlicherweise nach Hause geschickt, in dem sich unveröffentlichte, wie veröffentlichte Geschichten in alter und in neuer Rechtschreibung von mehr oder weniger Bekannten befinden und das Thema Zugfahren ist für mich auch ein bewegendes.
Jetzt fahre ich ja kaum mehr mit einem und kenne mich mit den Unterschieden zwischen „Westbahn“ und ÖBB“ auch nicht so aus. Gibt es das Bahnmonopol ja nicht und auch keinen Südbahnhof mehr und früher bin ich manchmal zu Weihnachten oder anderen Festtagen, meist vom Westbahnhof nach Amsterdam, Hamburg etc gefahren, einmal sogar nach Kopenhagen und kann mich noch gut an die etwas füllige Rumänin erinnern, die mir erzählte, wie schön das Leben unter Ceaucescau sei.
Das gibt es auch nicht mehr und zwischen 1992 und 1998 wahrscheinlich, bin ich von St. Pölten nach Wien gependelt und von dort wieder zurück, gearbeitet, meinen Vater betreut und dazwischen was übers Bahnfahren geschrieben.
„Ich reise jeden Tag“, das in der Zeitschrift „Morgen“ veröffentlicht wurde. In den neuen Zuggeschichten veröffentlichen andere.
Karl-Markus Gauß zum Beispiel, der ein großer Reisender ist und „Bartok-Bela-Express, Ungarn“ schon in den „Wirtshausgesprächen“ bei „Otto Müller“ veröffentlicht hat.
Da berichtet er von einem Gyula, der in Wirklichkeit anders heißt, aber sonst schwört Gauß, ist alles wahr, der einmal in der Woche von München, seiner neuen Heimat, zurück nach Budapest zu seiner inzwischen geschiedenen Frau und seinen Kinder fährt und sich schämt, wenn die deutschen Fußballfans im Speisewagen Radaux machen und alle Kellner „Imre“ nennen.
Der heurige Bachmannpreisträger Tex Rubinowitz, ist am 24. Dezember 1984 mit seiner Freundin mit der Transib gefahren. Das heißt, er hat am Westbahnhof den Zug bestiegen, wurde von einem russischen Schaffner mit Goldzähnen begrüßt. Das Ganze war spottbillig, ein dreistelliger Eurobetrag und ich kann mich erinnern, daß mir in den Siebzigerjahren Adi Pfaffinger, der inzwischen lange schon gestorben ist, erzählte, man könne um sech- oder achthundert Schilling nach Peking fahren.
Das hätte ich damals gerne, mich aber nicht getraut. War wahrscheinlich auch nicht so einfach, mußte man sich doch Visen besorgen. In Moskau mußte man aussteigen, im Hotel Kosmos übernachten, dann in einen anderen Zug, wo einen eine andere Schaffnerin erwartete, einem ständig Tee aus ihrem Samowar nachgoß und dazu „Wollen Sie ein Buskuit?“, fragte, auch wenn Tex in seinem Abteil Disco machte oder seine Freundin küßte. Die Beziehung überstand auch nicht den Peking Aufenthalt, China war eben viel zu fremd und Tex fuhr über Shanghai mit einer Fähre ohne sie wieder zurück.
Daniel Kehlmann, der berühmte hat, kann ich mich erinnern, 2003 „Ich und Kaminski“ geschrieben, da war ich bei einigen Lesungen. Einen Auszug gibt es in dem Buch. Da fährt der Erzähler ein Unsympathler, der eine Biografie über den Maler Kaminski schreiben will, mit mehreren Zügen in das kleine Örtchen, wo der lebt, beleidigt dabei die Menschen, die er in den Zügen trifft und ärgert sich, daß er sich auf den Toiletten nicht rasieren kann.
„Mein Leben in vollen Zügen und die Wandlung der Grenze“ von Julya Rabinowich ist eine Geschichte, die wahrscheinlich nicht aus „Spaltkopf“ kommt, aber einen ähnlichen Inhalt hat. Eva Rossmann hat keinen Krimi geschrieben, sondern ein Gespräch zwischen zwei Bahnreisenden, wo es um einen Affen geht, den der eine gesehen hat.
In „Wohin die Reise geht“ erinnert sich der „Residenz Autor“ Peter Rosei an seine Reisen, er ist ein Vielreisender und mit H. C. einmal von Berlin irgendwohin gefahren und erinntert sich, daß der Schaffner zu ihm sagte „Nehmen Sie die Beine von der Bank herunter!“, worauf H.C. antwortete „Ich bin kriegsgeschädigt.“
Dazu habe ich auch eine Erinnerung aus meinen Pendlerleben, an die Zeit, wo die Flüchtlinge aus dem Krieg in Ex-Jugolsawien nach Österreich kamen, traumatisiert und empfindlich waren und ein Bosnier empfand es als persönliche Beleidigung, als ich meine Füße auf die Sitzreihe gegenüber legte, obwohl ich das fast immer tat und sich niemand darüber aufregte.
Ilija Trojanow, ebenfalls ein Vielreisender hat einen Auszug aus einem „Afrika-Buch“ in dem er über das Bahnfahren dort berichtet, das noch einmal ganz anders ist und Anna Weidenholzer, die junge Star-Autorin des Verlags berichtet von „Franz“ beziehungsweise einem Lokal am Bahnhof Linz, das es nicht mehr gibt, was viele Erinnerungen und Assoziationen auslöst.
Michael Köhlmeiers Text hatte ich schon gelesen und Susanne Scholls „Leere Worte“ waren sehr beeindruckend. Da fährt ein frustriertes graues Mäuschen von Bozen nach Wien zurück, ärgert sich über die Männer und darüber, daß eine alte Emanze mit zwei Teenagern an ihrem Tisch im Speisewagen Platz nimmt. Die erzählt etwas von den Demonstrationen ihres Lebens. Dann kommt plötzlich Grenzkontroole. Haben wir nicht Schengen? Für die Illegallen, die nach Deutschland zu ihren Onkeln wollen gilt das nicht.
„Nix Deutschland, zurück, du nicht weiterfahren!“ und sie fängt zu schreien an.
Am Naschmarkt ist mir vor kurzem etwas Ähnliches passiert.
Alois Brandtstetter und Julian Schutting sind zwei „Residenz Autoren“ deren letzte Bücher ich, wie „Emmas Schweigen“ lesen durfte. Von der ehemaligen Burg-Schauspielerin Erika Pluhar, die eine Begegnung im Speisewagen von zwei nicht mehr jungen Menschen, schildert, kenne ich auch schon einiges.
Von Gerhard Roth gibts einen Auszug aus der „Winterreise“. Da fährt einer mit seiner Frau im Schlafwagen nach Italien, läßt sein Leben Reuvue passieren, dann besucht ihn auch noch der Tod…
„Das Leben in vollen Zügen geniessen“ rät uns Kurt Palm, auch ein „Residenz Autor“, was den Vorteil hat, daß ich die meisten Bücher kenne und er hat, als Kind in Bahnnähe aufgewachsen, schon einiges mit und in den Zügen erlebt, ärgert sich nicht über die bei „Mc Donald“ essen, denn die Bahn ist eine demokratische Angelegenheit, da dürfen auch die „Fastfoodfresser“ fahren und auch nicht über die schlechten Englischkenntnisse der Durchsagensprecher, sondern findet es einen Traum, daß es einmal einen Zug mit Namen „6O Jahre Katholische Frauenbewegung gab und findet, daß man „Züge mit solchen Namen unter Denkmalschutz stellen sollte.“
Das mit dieser Anthologie zu tun, wäre wohl zu überhöht. Man sollte sie aber lesen, weil man dann einen guten Eindruck der österreichischen Gegenwartsliteratur erhält, da diese aber, wie ich immer schreibe, sehr reichhaltig ist, kann man, wenn man außerhalb Wiens wohnt, im November noch etwas anderes tun, nämlich mit dem Zug dorthinfahren und dann im KHM spazierengehen, wenn man sich nicht, die Texte, wie schon erwähnt in Zug anhören will. Vielleicht läßt sich beides auch verbinden.
2014-11-16
Am Zug
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