Literaturgefluester

2015-02-01

Die Reinheit des Mörders

Filed under: Uncategorized — jancak @ 00:26

Von der 1966 in Belgien geborenen Autorin  Amelie Nothomb findet man öfter Bücher im Bücherschrank.

„Im Namen des Lexikons“ habe ich vor einem Jahr gelesen, jetzt stand „Die Reinheit des Mörders“, Nothombs Erstlingswerk, 1992 erschienen, auf meiner Leseliste, mit dem sie ihren Ruhm begründet hat und es ist, wie man in den Rezensionen lesen kann, kein üblicher Krimi, sondern eine sehr überhöhte Satire auf den Literaturbetrieb.

Da gibt es einen über achtzigjährigen, fettleibigen und äußerst unsympathischen Nobelpreisträger, Pretexat Tach mit Namen, der nur mehr ein paar Monate zu Leben hat, weil er an einem seltsamen Krebs leidet, den außer ihm nur Sträflinge auf einer Insel hatten und der beschließt, in seinen letzten Tagen ein paar Interviews an ausgewählten Journalisten zu geben.

Sein Sekretär sucht die aus und so erscheinen an vier Tagen, im Jänner 1991, als gerade der Golfkrieg beginnt, ein paar solche bei ihm und blitzen ab.

Der Erste betrinkt sich beim Interview, dem Zweiten kommt das Kotzen, ob der Schilderung, des vielen Fetts, das der Fettleibige, der im Rollstuhl sitzt und von einer Pflegerin einmal am Tag gebadet wird, täglich verzehrt, der Dritte bekommt daraus, daß die zweiundzwanzig Bücher des Nobelpreisträgers, der schon vor einigen Jahren zu schreiben aufgehört hat, ohnehin nicht gelesen werden, beziehungsweisen haben das die Journalisten nicht, die ihn besuchen, der vierte, daß er noch Jungfrau oder eigentlich Jungmann, wie es meiner Meinung nach, korrekter heißten sollte, ist oder vielleicht war es umgekehrt.

Die Journalisten treffen sich jedenfalls nach den Interviews immer in einem Cafe und spielen sich gegenseitig die Tonbänder vor.

Am fünften Tag erscheint eine junge Frau und o Gott, Pretexat Tach, ist doch ein Frauenfeind und so schmeißt er sie zuerst hinaus, sie geht aber nicht, sondern bringt ihn dazu, daß er sich bei ihr entschuldigt „Ich bitte um Verzeihiung, Mademoiselle!“, muß er sogar im richtigen Tonfall sagen. Dann bekenn sie ihm, daß sie alle seine Bücher Zeile für Zeile gelesen hat, sie zählt sie ihm und die Frauenfiguren, die darin vorkommen, auch auf.

Ein Buch fehlt dabei und das ist das, um das es geht, denn die Journalistin, Nina mit Namen hat auch, über was man nichts weiß, seine Kindheit recherchiert. Er war bis siebzehn ein schlanker schöner Jüngling, ist in einem Schloß aufgewachsen, bei den Großeltern, nachdem seine Eltern gestorben sind und hatte mit seiner schönen Cousine Leopoldine, ein Liebesverhältnis und ihr den Schwur abgenommen, daß sie nie erwachsen werden, sondern sich umbringen, wenn es soweit ist.

Das tut er dann bei ihr, als die Regel das Wasser, in dem sie baden, färbt. Er erwürgt sie, zündet das Schloß an und beginnt zu freßen, schreibt seine zweiundzwanzig Bücher, das letzte „Die Reinheit des Märders“ bleibt unvollendet, aber jetzt kann Tach es ja weiterschreiben, ihm ein Ende geben und ist auch entsetzt, daß es zwischen ihm und Nina keine persönliche Verbindung gibt, die sie recherchieren ließ, wie ja sonst in den Romanen üblich.

Sie ist nicht die Enkeltochter des Hausmädchens oder des Verwalters, sondern offensichtlich nur an Literatur interessiert und hat mit ihm auch eine Wette abgeschlossen, daß er vor ihr kriechen muß, wenn er sie verliert.

Das hat er getan, so stößt sie ihn auf den Boden, er spürt Erstickungsgefühle und hat, als er wieder am Rücken liegt oder sitzt, nur mehr das unbändige Verlangen, das Nina, zu der er nun in Liebe verfallen ist, dasselbe an ihm vollzieht, wie damals er an Leopoldine.

Sie tut es, bespricht ihr Tonband danach mit sachlich ruhigen Worten und „Die Wege, die zu Gott führen, sind unerforschlich. Noch unerforschlicher sind die Wege, die zum Erfolg führen. Im Anschluß an diesen Vorfall riß man sich um die Werke von Pretexat Tach. Zehn Jahre später war er ein Klassiker“, lauten die letzten Sätze.

Ob dieser dann auch gelesen wurde, steht nicht mehr in dem Buch, wir können darüber rätseln und auch, was es wirklich ist, daß die Bücher der widerlichsten Menschen, die nur das Negative und Entsetzliche schreiben, so erfolgreich werden und warum wir uns am Bösen ergötzen, Krimis lesen und die Autoren alles so erhöhen müssen, damit es uns als Literatur und Lesenswert erscheint, wenn wir das wirklich tun.

Ich muß mich da auch an meiner eigenen Nase nehmen, denn ich lese und sammle ja all die Bücher, obwohl ich  eigentlich gegen Gewalt und gegen den Negativismus beispielsweise eines Thomas Bernhards bin, selbst ganz anders und viel weniger erfolgreich schreibe, aber das offenbar immer noch ergründen und herausfinden möchte.

2 Kommentare »

  1. nothombs bestes buch fand ich „die mtaphysik der röhren“, erst dachte ich, das sei ihr erstling, es ist aber erst nach der „reinheit des mörders“ erschienen. habe es in einem französichkurs gelesen.

    Kommentar von ilse — 2015-02-11 @ 00:56 | Antworten

  2. Spannend, spannend, was du alles liest, dachte ich ja, du machst einen Bogen um die Mainstreamliteratur. Ob ich die „Metaphysik der Röhren“ bei meinen Bücherbergen war, weiß ich jetzt gar nicht, das Buch war aber durch seine doch sehr scharfe Abrechnung des Literaturbetriebs, der zeigte welche Ekeln die Topschriftsteller sind und welche schwarzen Geheimnisse sie zu verbergen haben, doch sehr spannend und beeindruckend und habe erst gestern bei der Betty Paoly Vorlesung von Marlen Schachinger daran gedacht.

    Kommentar von jancak — 2015-02-11 @ 07:15 | Antworten


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