Den Historiker und Leiter der VHS Hietzing,Robert Streibel, kenne ich, glaube ich, von einigen Exil-Literaturveranstaltungen, habe ihn bei der letzten Sommerakademie des Instituts für jüdische Geschichte in der WU gehört und er hat auch einmal im Kremser Literaturhaus anläßlich einer Kramer-Preisverleihung einen Vortrag über einen Widerstandskämpfer gehalten, nach dem in Stein eine Straße benannt ist, nun hat er ein Buch über das Häftlingsmassaker, das am 6. April 1945 in der Justizstrafanstalt Krems/Stein stattgefunden hat, geschrieben, das vor kurzem bei „Residenz“ erschien und heute in der Alten Klosterkirche der Justizanstalt vorgestellt wurde.
In dem Vorwort beschreibt der Historiker, der in Krems aufgewachsen ist, zwei Erlebnisse, die ihn, den 1959 geborenen mit der NS-Zeit verbinden.
Zu Beginn, 1938 wurde der jüdische Rechtsanwalt Dr. Brüll, bei dem Streibels Großmutter Hausgehilfin war, vor seiner Praxis zusammengeschlagen und das Kind oder der Jugendliche ging jeden Tag am Schulweg vor dem Haus vorbei und am Ende im April 19445 fand dieses Häftlingsmassaker statt, daß sein Vater als Dreizehnjähriger miterlebte und offenbar auch dabei war, als einer der Häftlinge erschlagen wurde.
Jedenfalls schildert Robert Streibel in seinem Dokumentarroman, zu dem der von Erich Hackl ermuntert wurde und der auf Interviews passiert, die er mit Zeitzeugen, die davon betroffen waren, führte, den dreizehnjährigen Josef Streit, Namen sind, steht in dem Vorwort zum Großteil abgeändert, Sohn einer Tabakarbeiterin, der in einer Traumwelt des Comichelden Rolf Torring lebt, Lebensmittel klaut, von einer Patronenkugel verwundet , aber auch Zeuge wird, wie einer der Häftlinge auf der Straße angeschossen wird und verblutet.
Was ist passiert?
In der Justizanstalt Stein, waren in der NS-Zeit, sowohl normale Gesetzesbrecher, als auch Kommunisten, Widerstandskämpfer, etc, inhaftiert.
Am 6. April, als der Krieg schon verloren und die Russen nahen, bekam der Gefängnisdirektor einen Befehl, alle Gefangenen freizulassen, was zu einem Massaker führte, weil sowohl die SS, die SA, aber auch die Bevölkerung, Jagd auf die Entlassenen machte und fast dreihundert Personen dabei ums Leben kamen.
Robert Streibel versuchte nun aus seinem Interviewmaterial, wie auch vor drei Jahren Manfred Wieninger, einen Dokumentationsroman zu machen, in dem er die Geschichte der einzelnen Gefangenen in zweiundfünfzig Kapitel, die spannende narratrive Überschriften haben, erzählt.
Da gibt es den dreizehnjährigen Josef, der mit seinem Freund den Kriegsalltag erlebt, es gibt Szenen, wo die Gefangenen, aber auch die Wächter und alle anderen, bei einem Eisenbahnzug liegen, wo aus einem Waggon Wein fließt und sich betrinken, Schokolade wird gestohlen und Fleisch von einem toten Pferd herausgeschnitten.
Griechische Häftlinge bzw. Zwangsarbeiter gibt es auch und die Geschichte von einem Lied aus dem Zigeunerbaron, das immer für einen Häftling vor dem Gefängnis gesungen wurde, damit er sich nicht alleine fühlt.
Der Gefängnisdirektor und einige Angestellten wurden nach dem Massaker exekutiert, einige Häftlinge sind in Hadersdorf erschossen worden, anderen ist die Flucht gelungen.
Einer der griechischen Häftlinge ist nach dem Krieg in Krems geblieben und Robert Streibel schildert fiktiv, daß er auf einer Bank beim Friedhof saß und mit einem der Verantwortlichen des Massakers, der sich 1995 vor dem Massengrab, der 386 Toten erschossen hat, ein Gespräch führte.
Im Anhang gibt es ein Personenverzeichnis, das die Lebensläufe, der in dem Buch vorkommenden Personen schildert. Ein Glossar gibt es auch und in der Galerie Kultur Mitte, in der wir auch schon einige Male waren, wird am zehnten April die Ausstellung „Stein 1945“ eröffnet.
Am Abend ging es dann in die Steiner Landstraße, wo die Strafanstalt, bzw. die alte Kirche, genau gegenüber dem niederösterreichischen Literaturhaus gelegen ist und ich habe diese Kirche, obwohl ich schon einige Male im Niederösterreichischen Literaturhaus war, noch nie gesehen.
Es gab aber eine Tafel, die auf die Veranstaltung hinwies und im Foyer standen Justizwachebeamten in blauen Uniformen, die mich sowohl an die Bahn, als auch an den ersten Weltkrieg erinnerten, hakten die Namen ab und man konnte in die Kirche, wo mich sogleich Barbara Rett, die Ohrenschmaus-Moderatorin, die diesen Abend moderierte, begrüßte.
Ziemlich vorne eine Platz gefunden und vorher noch den Chef der Galerie „Wien Mitte“ begrüßt, den ich oder er mich nach Ruth Aspöck fragte, die am Mittwoch die Präsentation ihres neuen Buches in der Hauptbücherei hat und einige Reihen vor mir, saß Jessica Beer, nun Lektorin bei „Residenz“, die früher das Veranstaltungsprogramm der Hauptbücherei organisierte und einmal auch in der Jury beim „Alpha“ war.
Claudia Romeda war da, saß später am Podium und die habe ich am Donnerstag im Literaturhaus gesehen und eine Woche vorher in Leipzig beim Österreich-Empfang und ich bin mir auch nicht sicher, ob wir nicht am Morgen in derselben Straßenbahn zur Messe gefahren sind.
Die Veranstaltung begann ziemlich ungewöhnlich ohne Einleitung oder Begrüßung mit einer Lesung aus dem Buch von Robert Streibel, dann trat erst Barbara Rett nach vorn und bat die Eingeladenen auf das Podium, die da waren Michael Schwander vom Bundesministerium für Justiz, Wolfgang Derler, Vizebürgermeister von Krems, Bruno Sladek, Leiter der Justizanstalt und Claudia Romeder vom „Residenz-Verlag“.
Die Diskussion geriet dann meiner Meinung nach etwas durcheinander, da sich der Bauftragte vom Justizministerium mehr auf die Gegenwart bezog und von der Justiz als dritte Exekutivgewalt des Staates sprach, deren Aufgabe es ist vom gestern in die Gegenwart zu kommen, um damit für die Zukunft zu sorgen, Sätze, die wie aus einem Schulungsseminar klangen und auch kurz die Aufgaben der Justiz und die Trainingsmethoden der Beamten schilderte, damit diese ihre schweren Aufgaben nachkommen können.
Dann ging es wieder in die Vergangenheit, nämlich zu den Zeitzeugen, so begrüßte Barbara Rett, Robert Streibels Vater, jenen Josef Streit, von dem Robert Streibel nicht mehr wußte, ob er als Dreizehnjähriger wirklich geraucht hat, wie er es ihm andichtete.
Barbara Rett fragte danach, der Vater verweigerte die Antwort, natürlich, da er damit heute ja krimilisiert wäre und erzählte von seinen Gefühlen, die er als Jugendlicher hatte, zwei andere Herren waren auch noch da, Sohn, bzw. Enkel eines Betroffenen, die berichteten, daß es die Stadt Hadersdorf immer noch nicht geschafft hat, eine Gedenktafel für die einundsechzig Erschossenen anzubringen.
Der Enkel hielt auch ein Plädoyer auf die Menschlichkeit, die er sich für die Zukunft wünschte, der sich Barbara Rett anschloß, so endete der zweite Lesungsteil von Robert Streibel auch mit keinem Applaus, sondern mit einer Schweigeminute des Gedenkens an die bei dem Massaker umgekommenen.
Dann gab es aber Wein und Brötchen, Gespräche und die Möglichkeit sich das Buch zu kaufen.
Ich habe meines mitgebracht, da ich die ausgelesenen Bücher in das neue Regal in Harland stelle, so daß ich, was ich nur sehr selten tue, die Gelegenheit benützte, mir das Buch signieren zu lassen und da die Ausstellung zu „Stein 1945“ zeitgleich mit der „Literatur und Wein“, wo der Alfred wieder Karten kaufte, fällt, können wir sie uns wahrscheinlich am Sonntag ansehen, beziehungsweise an der Kranzniederlegung am Steiner Friedhof, wo sich einer der Mitverantwortlichen 1995 erschossen hat, teilnehmen.
Robert Streibel wird im April, glaube ich, gemeinsam mit Erich Hackl in der „Alten Schmiede“ auftreten und da wäre es interessant zu vergleichen, über den Unterschied von Dokumentation und Fiktion wurde heute aber auch gesprochen.
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