Literaturgefluester

2015-05-31

Joseph Roth und der Film

Joseph Roth, der sowohl als begnadeter Prosaschriftsteller, als auch als Journalist und Essayist bzw. Reiseschriftsteller in die Literaturgeschichte eingegangen ist und  in Paris, 1939, als die Faschisten langsam näherrückten, ein schreckliches Ende fand, wird jetzt wahrscheinlich von allen Seiten ausgeschlachtet, wo es noch ein Oatzerl unveröffentlichten Text von ihm zu entdecken gibt.

Es gibt eine „Joseph Roth-Gesellschaft“, dessen Präsident der vormalige Literaturhausleiter Heinz Lunzer ist, so gab und gibt es dort regelmäßige Veranstaltungen und Symposien und Helmut Peschina scheint auch ein Roth-Spezialist zu sein, hat er doch, glaube ich, einige seiner berühmten Romane zu Hörspielen umgearbeitet, die dann den Hörspielpreis gewonnen haben.

Ich habe mich wieder langsam den berühmten Dichter angenähert, „Radetzkymarsch“, den wir in der Wattgasse stehen hatten, habe ich lange nichts anfangen können, die berühmte Kehlmann-Verfilmung in den Siebzigerjahren hat mich entsetzt, lauter alte Herren, die über die vergangene Monarchie schwafeln und die einzige Frau ist eine Hure oder Haushälterin.

Dann habe ich aber zu einem runden Geburtstag eingekauft und inzwischen auch einiges gelesen, war bei einigen Veranstaltungen im Literaturhaus oder anderswo und bin dieser Tage mit dem „Leporello“ in der Früh aufgewacht, wo eine Ignaz Kirchner Lesung im Filmhaus Spittelberg angekündigt wurde, beziehungsweise sich mit Sendung mit Joseph Roth und der Film beschäftigte, obwohl der, wie herausgekommen ist, gar nicht so ein großer Kinofan war, dem Film kritisch gegenübergegstanden ist, aber Helmut Peschina hat mit Rainer-Joachim Siegl im „Wallstein-Verlag“, der jetzt Joseph Roth verlegt, einen Band mit achtundachtzig Kritiken und zwei Treatments herausgegeben und ich dachte mir Joseph Roth und der Film ist interessant, wußte ich ja noch von meiner Zeit der Courths Mahler Lektüre oder wenn ich Gesellschaftsromane, die in den Neunzehnhunderzwanzig- oder dreißiger Jahre spielen, lese, daß es damals viele Kinos gegeben hat und alle Welt dorthin gegangen ist.

Nach der Lesung von Ignaz Kirchner bin ich nicht mehr so davon überzeugt, aber wahrscheinlich war Joseph Roth tatsächlich eher ein Kiono-Skeptiker, hat aber, weil es damals noch keine eigene Kritiker gegeben haben dürfte, auch die Filmbranche mitgenommen und eigentlich war das, worüber er geschrieben oder Ignaz Kirchner gelesen hat, keine Filmkritiken, sondern Gesellschaftskizzen und um Filme ist es dabei relativ wenig gegangen.

So handelt das erste Stück von einer „Faust-Aufführung“ im Regen in Saarbrücken, denn wohin geht man wenn, wenn es regnet?

Joeseph Roth hat sich schließlich für das Kaffeehaus entschieden und im zweiten Stück schreibt er von den Regeln des Films bzw. der Zensur, die dort ausgeübt wird und das ist interessant, bin ich ja vor kurzem im Sigmund Freud Museum gelandet, nicht weil es geregnet hat, sondern weil ich für die „Kolik Lounge“ zu früh dran war und dort wurde gerade in die „Film Noir-Reihe“ eingeführt und der Einleiter sprach  sehr lang darüber, wie die Filme damals nicht sein durften.

Keine Erotik, keine Küsse, etc.

Die frühen Fiulme, die Joseph Roth gesehen hat, durften das, glaube ich, auch nicht und dann durften die Fürsten nicht Fürsten heißen, sondern wurden in Prinzen umgewandelt, weil man die, in den Zeiten, nach den Revolutionen, wo es keine solchen und auch keine Monarchie mehr gab, offebar für die Märchenwelt des Kinos brauchte.

Ein anderer Artikel befasste sich mit dem Unterschied, der Schauspieler zum Premierenpublikum und das man die einen oft nicht von den anderen unterscheiden konnte.

Dann ging, es zu zwei Filmen, die eigentlich auch Theaterstücke waren, nämlich zu den „Nibelungen“ und „Don Carlos“, die Joseph Roth nicht befriedigen konnten, dafür befaßt er sich aber sehr lange und ausführlich mit dem Drehbuchautor oder Filmdichter, Carl Mayer,  wie er ihn nennt, der das Script für den „Letzten Mann“ einen Stummfilm mit Emil Jannings geschrieben hat.

Ein Film, den ich in den Siebzigerjahren im Z-Club, den es damals gab, gesehen habe, der den Untergang eines alten Hotelsportier schildert, der in die Herrentoilette degradiert wird. Dann kommt ein märchenhafter Schluß, ein Millionär stirbt in seinen Armen, hinterläßt ihm seine Millionen und er kann fortan in dem Hotel tafeln.

Damals war ich von dem Film enttäuscht und bin erst später daraufgekommen, weilche Stummfilmjuwele ich da gesehen habe, jetzt war mein Resumee, daß sich die Filmwelt damals relativ „bescheiden“ war, obwohl es, wie Joseph Roth ausdrücklich erwähnte, es „damals schon den Tonfilm gegeben hat.“

Er beschäftigte sich aber auch mit inzwischen längst überholten Fragen, nämlich ob man eine Gerichtsverhandlung im Kino, in der Wochenschau zeigen darf?

Der Richter sagte nein, weil ihm die Geräusche stören.

„Ein anderer wird ja sagen!“, schrieb Joseph Roth und so ist es dann auch gewesen und dann hat sich im Februar 1935, die österreichische Filmkammer ganz reiwillig, der deutschen angeschloßen und Joseph Roth empört sich auführlich darüber, denn dann konnten die Deutschen ausführlich Nazipropoganda in Österreich betreiben, während sich die Österreicher verpflichteten, keine Deutschland schädigende Stoffe zu verfilmen und die Schauspieler, es hätte sonst dretausend Arbeitslose gegeben, konnten sich zwar nach Deutschland begeben, sie mußten aber natürlich arisch sein.

Damit schloß Ignaz Kirchner seine begnadete Lesung, es gab noch ein Gespräch, beziehungsweise, erzählten die Autoren ein bißćhen was über das Umfeld in dem Joseph Roth geschrieben hat.

Er hat in Wien bei den Zeitungen begonnen, ist dann nach Berlin gegangen und dort 1923, als Jounalist berühmt geworen, dann in Paris, wo er unter Geldnot litt, hat er auch einige Treatments seiner Bücher verfaßt, die allerdings nie verfilmt worden sind.

Es gab anschließend die Bücher zu kaufen und auch einige Bekannte im Publikum, so bin ich neben Claudia Erdheim gesessen, hinter mir saß Herbert J. Wimmer.

2015-05-30

Frauenpower beim Bachmannpreis

Am Donnerstag sind die Namen der vierzehn Autoren, zehn Frauen und vier Männer, die heuer bei den „Tagen der deutschsprachigen Literatur“ in Klagenfurt lesen dürfen, bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben worden und so ich bin darauf gekommen, daß Valerie Fritsch, Teresa Präauer, Michaela Falkner, Nora Gomringer, Dana Grigorcea, Saskia Hennig von Lange und noch acht andere, die ich nur vom Namen oder gar nicht kannte, nominiert wurden. Zehn Frauen, fünf Österreicher, das klingt schon einmal toll, noch dazu, wo man ja jetzt immer hört, das Kärnten bankrott ist und sparen muß. Deshalb wird es auch einen Preis weniger geben und wie ich auf Wolfgang Tischers Seite erfuhr, der immer gegen die Buffets wettert, wahrscheinlich nur Soletti und billigen Wein, wie im Literaturhaus und es gibt  auch eine Veränderung in der Jury. Burkhard Spinnen hat den Vorsitz im Vorjahr zurückgelegt, den scheint man dann Daniela Strigl angeboten, aber nicht gegeben zu haben, so daß sie auch zurücktrat. Arno Dusini tat das auch, so daß jetzt Sandra Kegel, Stefan Gmünder und Klaus Kastberger neu im Team sind, Hubert Winkels hat den Vorsitz und das merkt man an der Auswahl der Kanditaten. Denn die sind überraschend neu und frisch. Ganz jung vielleicht nur Ronja von Rönne, 1992 geboren und Valerie Fritsch, 1998, die Zeitungen schrieben auch von schon erfahrenen Autoren. Ja, Valerie Fritsch hat ihren neuen Roman bei „Suhrkamp“ und hatte bei der Vorstellung in der „Alten Schmiede“ ein sehr volles Haus und mich würde sie beinahe ein bißchen an die Bachmann erinnern, Nora Gomringer, die ich bei „Literatur und Wein“ hörte, ist, glaube ich, eine bekannte experimentelle Autorin und Lyrikerin, Michaela Falkner mit ihren Manifesten ist sicher auch sehr provokant und spannend, wie sie in Klagenfurt aufgenommen werden wird? Die gebürtige, in der Schweiz lebenden Bulgarin, Dana Grigorcea, deren „Baba Rada“ ich gelesen habe, habe ich auf dem „Literaturschiff“ kennengelernt und sie ist, glaube ich, auch voriges Jahr beim Schweiz-Schwerpunkt in Leipzig, aufgetreten, Teresa Präauer ist sein ihrer Nominierung für den „Leipziger Buchpreis“ bekannt und Saskia Henning von Lange, die ich einmal bei „Rund um die Burg“ hörte, ist auch sehr bekannt. Spannend, spannend, habe ich gedacht, das wird ein interessantes Lesen und ein Match zwischen Gomringer und FALKNER und vielleicht wird Valerie Fritsch genauso verrrissen, wie vor ein paar Jahren das andere Sprachtalent Andea Winkler, vielleicht bekommt sie auch den Preis.

Als ich dan noch auf die Namensliste schaute, fielen mir abgesehen, daß ich den Namen Peter Truschner kannte und den Autor vielleicht schon einmal gehört habe, auch die Namen Monique Switter und Ronja von Rönne auf, sprechende Namen, habe ich gedacht und keine Zeit mich weiter damit zu beschäftigen, gab es ja im „Theaterbrett“ ein „Literaturfestival“ und meine „Bibliophilin“ will ja auch korrigiert werden. Aber ich bin neugierig, die anderen Blogs begannen sich auch schon mit der Bachmannpreisnominierung zu beschäftigen und googlete nach.

Buzzaldrin schrieb, daß Ronja von Rönne durch ihre politische Tätigkeit bekannt wäre, eine sehr junge Frau, 1992 geboren, interessant, schau einmal nach, was sie schon für Veröffentlichungen hat.

Sie scheint noch keine Bücher zu haben, obwohl man seit ein paar Jahren ja eine Verlagsempfehlung braucht, sondern auf „sudelheft de“, der „Welt“ und „der Welt am Sonntag“ zu veröffentlichen. In ihren Blog scheint man nicht mehr hineinzukommen, es gibt aber eine Facebookseite und da war zuerst zu finden, daß sie sich über die Nominierung für die „Hungergames of Klagenfurt“ freuen würde.

Ja, mit dreiundzwanzig Jahren ist man eben cool und aufmüpfig und hat einen frechen Ton. Valerie Fritsch hat bei den „Textvorstellungen“ vor Jahren auch gesagt, daß sie in einem Bordell recherchiert hätte, weil sie alles genau wissen will. Dann geht es aber weiter: „Ich habe ein neues Haustier. Es nervt und will ständig Aufmerksamkeit. Brauche Tipps, wie ich es schnell loswerde. Ebay Kleinanzeigen schon probiert. Will keiner. Es soll sterben.  Ganz schmerzhaft“.

Weiter konnte ich nicht lesen, weiß daher nicht, wie es weitergeht und würde raten, es vielleicht mit einem Tierheim zu probieren. Die Heldin von Olga Grjasnowas ersten Buch, tötet, glaube ich, auch einen Hasen, als Ausdruck ihrer Traumatisierung und in der Literatur ist vielleicht einiges erlaubt, was im wahren Leben verboten ist, wenn man die Hintergründe kennt. Ich googlete also weiter und kam auf einen Artikel in der Welt „Warum mich der Feminismus anekelt“, der mit „Ich bin keine Feminismus, ich bin Egoistin. Ich weiß nicht ob „man“ im Jahr 2015 in Deutschland den Feminismus braucht, ich brauche ihn nicht. Er ekelt mich eher an. Feminismus klingt für mich ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat.“ Uje, uje uje, vielleicht eine neue Helene Hegemann?

Klagenfurt kann spannend werden! Und da habe ich in den letzten Jahren schön öfter gehört, daß dort zu wenig los ist. Heuer ist vielleicht wieder  etwas los und bringt vielleicht wieder einen neuen Skandal, wie damals Urs Alleman mit „Babyficken“ oder  als Rainer Goetz sich mit einem Messer die Stirn aufschlitze, etc. Vielleicht wollen, die Juroren, die Journalisten, das Publikum, etc das? Ich will, glaube ich, aber keine Egoisten und bin auch bei sehr jungen Frauen, die sich auf diese Art und Weise provozieren wollen oder müssen, ein wenig skeptisch. Natürlich gibt es die Pubertät und natürlich muß man sie ausleben und natürlich ist das Erwachsenwerden, in einer Gesellschaft, wie unserer schwierig und natürlich ist Selbstbewußtsein wichtig. Aber Rücksichtnahme auf andere ist vielleicht auch in Zeiten, wie diesen ein wichtiger Wert, selbst wenn sie auf dem ersten Blick nicht so cool, wie der Satz von der „Egoistin“ scheint.

Ich will keine Demonstration, wie man ein Haustier am schnellsten tötet, das ist auch der Tierschutz sicher dagegen und Debatten, ob sich der Feminsimus, angesicht der deutlich sichtbaren Diskrimierung der Frauen, die täglich nicht nur in Saudi Arabien, sondern wahrscheinlich auch in Deutschland passietiert, überholt hat, sind vielleicht, ob solcher Artikel, immer noch notwendig, aber beim Bachmannpreis sollte es, um Literatur und nicht um Skandale und wer sich das meiste traut, gehen.

Jedenfalls kann ich soviel jugendlicher Rotzheit, so interpretiere ich das einmal, so nicht widerspruchslos stehen lassen. Deshalb jetzt auch ein zusätzlicher Blogartikel, obwohl ich eigentlich mit der „Bibliophilin“, die sicher viel harmloser, als die Debatte ist, wie man seinen Hamster möglichst schmerzhaft umbringt, fertig werden wollte, bevor ich am Spittelberg zu einer Lesung über „Joseph Roth und der Film“ gehen werde. Der Bachmannpreis wird heuer sicher spannend werden, das habe ich schon gedacht, noch bevor ich auf Ronja von Rönnes Facebookseite gekommen bin und die Proteste, die auf ihren Feminismusartikel folgten, gelesen habe.

Jetzt habe ich ein ungutes Gefühl im Bauch und bin natürlich auch auf die anderen Autoren, über Monique Schwitter, von der ich inzwischen gehört habe, daß sie Schauspielerin ist und die, die ich noch gar nicht kenne und daher nicht weiß, ob sich vielleicht nicht noch ein paar Skandalautoren darunter verbergen, gespannt.

Ja und ich bin natürlich immer noch neidig, daß ich nicht beim „Bachmann-Preis“ lesen darf, weil meine harmlosen, viel zu wenig abgehobenen Texte, keine Chance dabei haben, weil sie niemanden interessieren, obwohl ich mich schon lange nicht mehr bewerbe.

Aber ich denke, es werden sich viel mehr als vierzehn Autoren beworben haben und die vierzehn ausgewählten, die genommen worden, sind sicher priveligiert, ich will jetzt nicht spekulieren, ob das deshalb ist, weil sie schöne junge rotzfreche Frauen sind, die dann vielleicht doch, ohne, daß sie es wollen, von den Fortschritten des Feminismus profitieren, denn im neunzehnten Jahrhundert hätte man sie vielleicht weder studieren noch öffentlich lesen lassen.

Valerie Fritsch, Teresa Präauer, Nora Gomringer, Saskia Hennig von Lange, etc, sind aber auf jedenfalls starke Talente. Bei Ronja von Rönne weiß ich es noch nicht, weil die zitierten Sätze ja nicht literarisch sind. Es ist aber ein Privieg in Klagenfurt lesen zu dürfen und vielleicht hat das, die junge Frau, die keinen Feminismus zu brauchen glaubt, doch einigen Bevorzugungen zu verdanken, die die anderen nicht haben und vielleicht sollte man auch daran denken, bevor man sagt, daß einem der Feminismus, als Ausrede für die unterpriveligierten Frauen, die einen  gar nicht intererssieren, vorkommt? Wahrscheinlich interessieren auch nicht, die unterpriveligierten Autoren, die nicht beim „Bachmannpreis“ lesen dürfen, weil sie nicht so spekulär erscheinen, nicht so viel literarische Qualität, Action, oder Aufregung versprechen?

Ich weiß es nicht, habe mich jetzt ein wenig abreagiert, denn das bin ich diesmal wirklich empört und hilflos, mehr als sonst. Bin bezüglich des „Bachmannpreises“ gespannt, werde wieder genau beobachten, was dort passiert und wenn nötig, auch wieder meine Stimme erheben, wenn mir etwas nicht gefällt und über Valerie Fritsch, als Preisträgerin würde ich mich freuen.

Bei Ronja von Rönne weiß ich es nicht, denn ich kenne ihre Texte nicht, glaube aber an den Feminismus und bin auch dagegen andere zu quälen, etcetera.

Ronja von Rönne, scheint, wie ich während des Blogschreibens herausbekam, offenbar inzwischen  eine Morddrohung aus rechtsradikalen Kreisen bekommen haben, bzw. wurde sie für rechtsradikal gehalten und hat deshalb ihren Blog geschloßen und ich bin noch ein bißchen ratloser, wie zuvor, während sich das Literaturcafe in seiner zweiten Bachmann-Analyse sehr ausführlich mit der Statistik der ausgewählten Autorenschaft und der Farbe die die Promotionstaschen diesmal haben werden, beschäftigt.

2015-05-29

Literarischer Lenz in Centrope

So heißt ein Festival, das von der „Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur“ im „Theaterbrett“ in der Münzwardeingasse nun schon das siebente oder achte Mal veranstaltet wurde und das bisher mehr oder weniger an mir vorbeigegangen ist. Aber heuer ist alles anders, heuer habe ich in den letzten Monaten gleich mehrere Einladungen dazu bekommen und so bin ich Donnerstagabend hingegangen, denn ich interessiere mich ja für die Literatur jenseits des Horizonts und Stefan Teichgräber von der Dokumentationsstelle hat vor Jahren auch die Veranstaltungen der „Szene Margareten“ organisiert, mich nach dem Flop mit dem Herrn Winter und der Bezirksrätin Steininger von 2002, glaube ich, mit „Tauben füttern“ und Honorar  eingeladen und mir dann auch eine Zeitlang die Programme seiner Veranstaltungen geschickt, so daß ich durch ihm vor Jahren schon mit ukrainischen Autoren in Kontakt gekommen bin. Er hat auch zweimal oder so die „Goldene Margarete“ in der Pannaschgasse organisiert, das war ein Literaturwettbewerb, wo man lesen konnte, da standen auch sehr viele osteuropäische Autoren am Programm, die meistens nicht persönlich da waren, weil die Szene weder Fahrt noch Übernachtung zahlte.

An eine Polin kann ich mich aber erinnern, die mit der Übersetzung ihres Textes nicht einverstanden war, so hat sie ihn sehr lang nur auf Polnisch gelesen, bis die Leute murrten, weil sie nichts verstanden haben und als das Lesetheater durch Margareten gegangen ist, war die Dokumentationsstelle eine Station und Stefan Teichgräber hat sie uns vorgestellt. Nun also ein Literaturfestival das sehr liebevoll und mit wahrscheinlich kleinen Mittel organisiert wurde und abwechselnd Lesungen von österreichischen, slowakischen, tschechischen, ungarischen etc Autoren in Übersetzung bot. Der Direktor des Theaters, Ludvik Kavin, ich glaube, auch ein Tscheche hat eröffnet und dann begann Ursula Kovalyk, die in Kosice geboren wurde, in Bratislava lebt, Krankenschwester war und jetzt in einer sozialen Einrichtung mit Obdachlosen arbeitet, mit ihrem Text der „Die Kunst-oder Zirkusreiterin“ heißt. Es ist das vierte Buch, der 1969 Geborenen und handelt der Tochter einer Alleinerzieherin, die für sie einen Vater sucht. Dann kam Bettina Balaka, die gebürtige Salzburgerin, die ich 1996 für mich entdeckte, als ich in der Jury des Nachwuchsstipendiums war, dann hat sie bald den Alfred Geßweinpreis gewonnen, bei der von der Ruth organisierten Veranstaltung „Poesie und Brotberuf“ sind wir gemeinsam bei der Poldi aufgetreten. Ihren vorletzten Roman habe ich gelesen, jetzt ist wieder einer erschienen, der „Unter Menschen“ heißt und, das ist interessant, von einem Hund handelt. Von einem Migrantenhund, wie Bettina Balaka erwähnte, denn die meisten Hunde kommen aus dem Ausland. Der in dem Buch aus Ungarn und dorthin läuft er wieder hin, vorher ist er aber bei einem übergewichtigen Diabetikerin, der unter einer sehr oder vielleicht auch nur vermeintlicht unsympathisch Magistra, Bachelor oder wie die neuen Titel jetzt so alle heißen, die Sektionschefin im Innenministerium ist, lebt, die alle anzeigt, aber seltsamerweise wegen einer unangemessenen Anzeige dreihundert Euro Strafe bekommt. So ruft sie nicht bei der Polizei an, als der Hund unter ihr sechs Stunden bellt, weil der Diabetiker inzwischen einen Hypo hatte, sondern ruft erst die Feuerwehr, als es aus der Wohnung raucht, weil die Ravioli angebrannt sind, der Notarzt schimpft  mit ihr und der Hund wird von einem Polizisten aus dem Krankenwagen entfernt. Dann wurde es lyrisch, nämlich mit Katerina Rudcenkova aus Prag, die aus ihrem Gedichtband „Gang über die Dünen“ las und dann gab es eine kleine Pause, weil der Star des Abends, die 1932 in Budapest geborene Anna Jokai, die schon mit dem „Staats“- und dem „Kossuth-Preis“ ausgezeichnet wurde und spirituellen Realistin ist, noch nicht da war. So gab es schon vorher die Brötchen und die „Raffaello-Kugeln“, dann kam die alte Dame, beziehungsweise las Sebastian Reinfeld aus einem Roman, der wenn ich es richtig verstanden habe „Das hungrige Leben“ heißt und vom Untergang einer Familie handelte, ein anderer „Das Licht der Welt“ lag am Lesetisch und anschließend gab es ein Gespräch mit der Autorin, das gleich von zwei Übersetzern am Podium und noch einem Herrn im Publikum, der möglicherweise Geörgy Buda war oder ihm ähnlich gesehen hat, übersetzt wurde. Den Abschluß des Donnerstags bildete die 1971 in Salzburg geborene, jetzt in Berlin lebende Autorin Kathrin Röggla, mit der ich einem im Salzburger Literaturhaus bei dem von Christine Haidegger organisierten Symposium „Sichten und Vernichten“ gelesen habe und die dann auch schnell berühmt geworden ist „Wir schlafen nicht“, habe ich gelesen. Sie war auch einmal Jurorin beim „Fried-Preis“ und wurde von Angelika Reitzer zu  dem von ihr organisierten Symposium „Wie im echten Leben“ eingeladen. Jetzt hat sie einen wahrhaft fulminanten Text über die Globalisierung hingelegt. Eine Frau oder vielleicht ein Mann fährt mit einem Fahrer zum Flughafen und monologisiert  die ganze Zeit vor sich hin, ob sie sich am rechten Weg befindet. „Wie in Mumbay, wir sind aber nicht in Mumby, Hongkong, Taschkent,etc“. Der Text heißt „Die Tangente“ und wird im nächsten Jahr in einem Erzählband, bei „Fischer“ glaube ich, erscheinen. Er wurde auch übersetzt und anschließend ebenso sehr fulminant auf Tschechisch gelesen. Am Freitag gings weiter mit etwas weniger Publikum und Martin Reiner aus Brünn, 1964 geboren, dem es irgendwie wie mir, nur umgekehrt ergeht, die Großmutter eine echte Wienerin, meine kam aus der Tschechai, der Name Deutsch, meiner hat das hacek in der Geburtsurkunde und die Sprache ist, genauso wie beim Peter Henisch, dessen Großeltern auch Zuwanderer waren, verlorengegangen. Er hat sich mit dem Werk eines mir bisher unbekannten tschechischen Dichters namens Ivan Blatny beschäftigt, dessen großer Roman Ludvik Kavin, wie er in der Einleitung erwähnte, sehr gefallen hat. Leider ist er nicht auf Deutsch übersetzt und Ivan Blatny, entnehme ich „Wikipedia“1919 in Brünn geboren, 1990 in Colchester, England, gestorben und im Exil an Schizophrenie erkrankt, wie auch dem „Roman über den Dichter Blatny“ zu entnehmen war. Dann kam Melica Beslija, 1973 in Bonien Herzegowina geboren und in Sarajewo aufgewachsen, die in Wien vergleichende Literaturwissenschaft, Philosophie und Slawistik studierte und bei „Atelier“, den Roman „Sarajewo in der Geliebten“ herausgab. Sie las mit sehr viel Dramatik und Engagemeint einen Text der „Nationalismus“ hieß und der ihr, wie sie in der Einleitung betone, sehr wichtig war. Herausgekommen ist eine Gespenstergeschichte, der Nationalismus, als kopflose Gestalt, die in eine Wirtschaft eindringt und zwei Freunde zu entzweifen versucht. Leider hat sie Ludwik Kavin beim Lesen unterbrochen, so daß nicht klar wurde, odb es ihm gelungen ist?

Die Geschichte hat es aber, wie ich fürchte, bewiesen und war wahrscheinlich auch das, was Melica Besilija in Sarajevo erlebte, bevor sie nach Wien gekommen ist.

Antonio Fian las sechs seiner Dramolette, wo es um die Unmöglichkeit sich zu verstehen geht, darunter das, was man im Literaturmuseum nachhören kann, aber auch das wo Kanzler Gusenbauer in einer Hauptschule Nachhilfe gibt und die Kinder aufschreiben läßt, was an den Eurofightern gut ist, etc. Nach der Pause folgte Adga Pavi Pain aus Kosice, der in Bratislava lebt, einer der bedeutensten und umstrittensten Autoren, wie im Programm stand. Er schreibt unter verschiedenen Pseudonymen und Ludvik Kavin wunderte sich auch über seinen Namen, der so gar nicht slowakisch klingt. Der schwarz gekleidete schlanke Mann mit einer schwarzen Baseballkappe hatte eine Menge Bücher auf dem Büchertisch liegen, darunter eines aus der „Edition zwei“, die es, glaube ich, inzwischen nicht mehr gibt, aus dem „Wieser-Verlag“ und in seinem Text ging es um eine Disko, beziehungsweise um zwei DJs, die in einem Pionierhaus auflegen.

Dazu passte auch der letzte Text des Ungarn, Laszlo Darvasi aus Szeged, 1962 geboren, der krankheitshalber nicht gekommen war. So gab es nur die Übersetzung und da entschuldigte sich die junge Frau die gelesen hat, gleich für die vielen schlechten Wörter, die nun kommen werden. Ich dachte zuerst, sie meint ihre ungarische Aussprache, es waren aber die Worte „Scheiße“ gemeint, die oftmals vorkamen, denn es war auch ein sehr deftiger realistischer Text, von zwei Jungen, die offenbar in ein Hotel hochfuhren und die ganze Zeit übers Scheißen und daß man sich danach abwischen mußte redeten, dazwischen gab es einige Schlägereien und so ist vielleicht auch die Realität im heutigen Ungarn, Bulgarien oder Rumänien, wo es Straßenkinder und viele Probleme gibt und dann war das Festival schon fast vorbei.

Das heißt, es gab wieder freie Brötchen und Getränke, die man sich kaufen konnte.

Ludvik Kavin lud zur Diskussion ein und es war eine interessante Mischung zwischen österreichischer und ost-bzw. mitteleuropäischer Literatur, so daß ich mich schon auf das nächste Jahr und den nächsten literarischen Lenz freue und kann noch hinzufügen, daß ich schon einmal, ich glaube, es war 1998 oder 1999 zu einem runden Geburtstag von Rolf Schwendter im „Theaterbrett“ gelesen habe.

2015-05-28

Marktplatz der Sensationen

Filed under: Bücher — jancak @ 00:54
Tags: , ,

Jetzt kommt wieder ein Gustostückerl aus dem Bücherschrank, „Marktplatz der Sensationen“ des radenden Reporter Egon Erwin Kisch,  1895 – 1948,  Reportagen aus dem Wiener Globus Verlag das 1947 herausgegeben wurde, geschrieben wurden die Erinnerungen an die Prager Kindheit und das Reporterleben bezeichneterweise im Exil im Mexiko, herausgegeben, 1942 in ein einem dortigen Exilverlag, von dort stammt auch sein letztes Buch „Entdeckungen in Mexiko“, das als nächstes auf meiner Leseliste steht.

„China Geheim“, von 1932 oder 1933, habe ich schon gelesen.

Reportagen steht in dem schönen alten Buch, eigentlich ist eine Autobiographie würde ich vermuten, die da kapitelweise von den Anfängen des jüdischen Tuchhändler Sohns in Prag erzählt und mit den „Balladen des blinden Methodius“, einem Messerschleiferlehrling beginnt, der  singend seine Arbeit verrichtet, die Dienstmädchen und die Hausfrauen, die eigentlich die Teppiche klopfen wollten, hörten zu und  riefen „Schön!“, wenn er sich seiner Zuhörerschaft versicherte und man konnte auch sehr viel von der tschechischen Geschichte aus den Balladen lernen, die Kisch sowohl an Schiller, als auch die Ermordung der Fürstin Windischgrätz, die angeblich durch die Kanaonenkugel eines Schulbuben erfolgte, erinnerte.

Der kleine Egon, war wohl schon früh im „Inneren von S. Kisch und Bruder“, stellte dort falsche Münzen her, legte sie auf die Straße, erregte damit einen „Volksaufstand“, der in die Zeitung kam und eine solche stellte er auch, in einem Exemplar unter der Pudel hockend vor.

Dann wurde er älter, kam ins Gymnasium und in den Karzer, weil seine Großmutter einen Wutanfall bekam als er aus dem Schulbuch „Salzburg ist die Hauptstadt von Salzburg“ lernte und wenn man drei Karzer hatte, flog man aus der Schule. Das war schlimm, denn es erschien bald das erste Gedicht in einer Zeitung und das war den Gymnasiuasten strengsten verboten, da rettete ihm, daß statt Egon, wie er wirklich hieß, Erwin als Vorname angegeben war, den der dann offenbar später als Doppelvornamen weiter verwendete.

Grotesk die Geschichte wo er sein freiwilligen  Jahr im Arrest verbringt, weil ihm jemand am Rücken das Bild des Oberst eingravierte.

Dann gibt er sein erstes Gedichtbändchen, interessant, bei einem Druckkostenverlag heraus, zahlt zweihundert Kronen, erzählt aber jeden, er hätte dreihundert dafür bekommen, während die Frau Mama jeden erzählt, sie hätte dreihundert dafür bezahlt.

Danach beginnt er über den Umweg beim Prager Tagblatt Lokalreporter, der „Bohemia“zu werden.

Im Kapitel „Deutsche und Tschechen“ geht es um das deutsche Prag und die strikte Trennung der beiden Nationalitäten. Es gab deutsche und tschechische Theater, Banken, Geschäfte, Zeitungen, etc und die Redakteure der einen berichteten nicht über die Aufführungen und Gastspiele der anderen. Kisch torpedierte das, in dem er in der deutschen „Bohemia“ tschechisch telefonierte, was die alten Herren in der Redaktion dem jungen Redakteur gnädig nachsahen und im nächsten Kapitel wird dann über die Veralterung der Redakteurenschaft berichtet, so weiß 1923 ein schon längst in Pension gegangener Redakteur, der das aber nicht weiß und immer noch sein Büro benützt, nicht, daß der Kaiser längst gestorben ist und es keine Monarchie mehr gibt.

Zu den Aufgaben eines Lokalreporters, dessen Ansehen nicht sehr hoch war, gehörte es über die Morde und die Selbstmorde zu berichten, so war die Aufregung hoch über einen Knochenfund, der von einem Mann und von einer Frau stammten, die Zeitungen fielen gegeneinander her und verhöhnte die anderen als „Adipocire“, das ist die Seifenbildung bei Leichen, die aus den Knochen austritt, bis man auf ein Gärtnerpaar mit Stieftochter kam, das vor Jahren das in ihrer Villa urlaubende Liebespaar ermordet hat und weil das Verkünden eines Selbstmordes schon damals in den Prager Zeitungen verboten war, mußten die Reporter von einem Herztod des Kronprinzen Rudolf und der Baronesse Vetsera berichten, trotzdem lockte das Selbstmordthema, so überredete ein frommer Redakteur einen Selbstmörder sich nicht nur zu erschießen, sondern sich auch noch zu vergiften und aus dem Fenster zu springen, der Betroffene überlebte, denn der geizige Redakteur hatte ihm statt Gift Brausepulver besorgt.

Der Erfinder des Schwejks, Jaroslav Hasek war auch unter der Reporterschar und langweilte beim Bier die anderen mit seinen phanstastischen Ausschmückungen und als der junge Kisch zu einem Mühlenbrand gerufen wurde, hatte er keine Ahnung was passiert war und worüber er schreiben sollte. Die Kollegen gaben keine Auskunft. Sein Vorgesetzter verlangfte hundertfünfzig Zeilen und der Reporter setzte sich hin und knabberte am Bleistift, dann begann er die lodernden Flammen zu schildern, erfand ein paar Obdachlose, die sich den Brand ansahen, während die anderen nur die langweiligen Fakten berichteten, auf ihn am nächsten Tag bös waren, mit Ausschluß aus der „Börsenschaft“ drohten, denn ein Romanautor kann selbstverständlich alles erfinden, ein Reporter muß aber wahr sein und Kisch schwur sich „fürderhin der Wahrheit nachzuspüren“.

So klärt er zu Weihnachten an Hand einer Polizeinotiz einen Raubüberfall auf, läßt sich von einem schönen Postfräulein mit einem rosa Unterhöschen und weißer Spitze von einem Telegramm des Kaisers Wilhelms erzählen, das genau vierundneunzig Worte hatte und von „unabsehbaren Konsequenzen“ handelte und für die heutige Zeit wahrscheinlich nicht mehr ganz korrekt, deckt er auch die Schwangerschaft und die Geburt eines siamesischen Zwillings auf.

Sehr beeindruckend auch die Geschichte von der Mutter des Raubmörders, einer alten Wäscherin, die um ihren Sohn zu schützen, dem Reporter ihre „Morde“ gesteht, weil der ihr etwas von „mildernden Umständen bezüglich Vererbung“ erzählt. So offenbart sie ihm, daß sie als junges Dienstmädchen vom Bruder der Herrschaft vergewaltigt worden war und dann als sie von einem Polizeibeamten schwanger war, das Kind, das er nicht haben wollte, einem anderen unterschieben mußte, am Ende kommt der Sohn daher, offenbart ihr, daß er unschuldig ist und etwas essen möchte, das Leben geht weiter und der Reporter schleicht sich ohne eine einzige Zeile geschrieben zu haben, vielleicht etwas begossen davon.

Dann wird er zur „Wasserkatastrophe von Konopitscht“ gerufen, das ist dort, wo es das Schloß gibt, in dem der Thronfolger Franz Ferdinand auf seine Thronbesteigung wartete und ein Polizist, will von dem „studierten“ Kisch wissen, wieso sich der Erzherzog die toten Fische ins Schloß liefern läßt. Die benützt er zum Düngen der Blumen und schwarze Rosen, die angeblich Unglück bedeuten, läßt er auch zuüchten, den Reportetr schmeißt er hinaus, der kommt aber wieder, weil es der Herr Moriz  Bendedikt so will, der allein bestimmt, was in der „Neuen Freien Presse“ erscheinen darf.

Dann kommen zwei Mordgeschichten, in der zweiten tötet ein gewisser Litera, was sowohl auf Tschechisch als auch auf Lateinisch Buchstabe bedeutet, den Wirten des König Ottokars in dem Mozartstädtchen Smichow, Kisch weist gleich auf den Täter hin, weil er von einer seiner Freundinnen diesbezügliche Informationen hatte, darf aber nicht sein, die bürgerliche Presse, will den „Roten“ die Schuld in die Schuhe schieben. Kisch setzt sich aber durch und dann geht es noch  „Um die Himmelfahrt der Galgentoni“, die ist ein fünfzigjähriges Strichmädchen, die in den übelsten Prager Nachtlokalen um den Gemüsemarkt verkehrt und die, als sie jung und hübsch war, zu einem dreifachen Mädchenmörder in die Zelle gerufen wurde, weil das sein letzter Wunsch vor der Hinrichtung war. Seither wird sie von den Kolleginnen gehänselt, kann nur noch auf der Straße arbeiten und kommt am Ende, was Kisch sehr stilistisch schildert, doch in den Himmel.

Während er seine Recherchen in einem Obdachlosenasyl macht, wird sein Onkel ermordet und er wird fast der Tat verdächtigt und auf das Schicksal der armen Frauen und Mädchen damals kommt er auch zurück, als ihm die Frau seines Verlegers von der Romanze ihrer Köchin erzählte, denn die kündigte vor Jahren, um mit Geld und Sparbuch nach Wien zu fahren, wo der Verlobte sie erwarten sollte, doch der war nicht da, so fuhr sie zurück und wartete noch immer, Reporter Kisch deckte auf, daß der Verlobte ein berüchtigter Dienstmädchenmörder war, der zu ihrem Glück rechtzeitig von der Polizei erfaßt wurde. Eine Reportage in einem Heim für gefallene Mädchen machte er auch einmal, das war sehr kompliziert, die Stiftdamen dort ließen ihn warten, der Pfarrer drückte ihm ein Manuskript in die Hand und als er endlich zu den Gefallenen durfte, waren die Damen sehr bestürrzt, daß die Mädchen von ihren Sitzen aufsprangen und ihm mit „Hallo Egon!“, begrüßten, die Geschichte hat noch ein Nachspiel, denn als die Nazi an die Macht kamen, schrieben sie einen deutschen Satirepreis aus und den gewann ein Hamburger, mit der von Kisch gestohlenen Geschichte und auch sonst wurde er häufig Opfer von Plagatiteuren, die Geschichte der Galgen- toni wurde zur Operette, die Geschichte vom Oberst Redl wurde ihm geklaut und als der erste Weltkrieg kam, wurde der Reporter zum Soldat und schrieb Tagbebuch, besser als jeder Kriegsberichterstatter.

„Schreib das auf Kisch!“, riefen die Kameraden, trotzdem fiel das Tagebuch der größten aller Zensuren, nämlich dem Wasser zum Opfer und das Buch, in dem immer wieder der blinde Moritatensänger seine Rolle spielt, endet mit einer Farce, als der Kadettenanwärter im Zug fährt, eigentlich über die Veränderung der Welt zum Besseren lesen will, sich aber nach der Vorschrift allen Höhergestellten vorstellen muß „Herr Oberst Kadett Offizier Stellvertreter Kisch stellt sich vor!“, sagt er zu allen Ungarn, die ihm nicht glauben, daß er kein Ungar ist, denn Kisch bedeutet Klein und ist nach Nagy, was groß bedeutet, der zweithäufigste Name im Ungarischen.

Dem ersten Weltkrieg ist dann bald der zweite gefolgt, der Egon Erwin Kisch ins Exil nach Mexiko brachte und ich, wie schon geschrieben, seine „Entdeckungen“ dort, dank dem offenen Bücherschrank, bald lesen kann.

2015-05-27

Vom Abschied zum Vertuschen

Jetzt gehts weiter mit der „Alten Schmiede“, wo heute wieder „Textvorstellungen“ waren und zwar die ersten, die von Michael Hammerschmid, dem neuen Moderator, geleitet wurden, die ich hörte und der stellte zum Thema „Nähe, Distanz und Geheimnis“, wie es am Programmzettel steht, einen  bekannten und einen mir unbekannten Autor vor.

Der Bekannte ist der 1960 geborene Oberösterreicher, Rudolf Habringer, mit dem ich 2007 bei den „Textvorstellungen“ noch im Parterresaal gelesen habe, das Thema war, glaube ich, „Radio“ und ich stellte meinen „Wiener Stadtroman“ vor, von Rudi Habringer, der inzwischen bei „Picus“ verlegt, aber schon bei „Styria“ bzw. diesem oberösterreichischen Verlag war, von dem mir einmal Frau Führer ein paar Bücher schickte, habe ich auch schon einiges im Bücherschrank gefunden und ihm einmal, glaube ich, zum Thema Island im Literaturhaus gehört, er war auch Linzer Stadtschreiber, gemeinsam mit dem lieben Rudi Lasselsberger und Andreas Renoldner, die beide zu der Lesung gekommen waren, sonst war nicht so besonders viel Publikum da und Klaus Ratschiller, der mich freundlich grüßte, habe ich nicht gekannt.

Andreas Renoldner klärte mich auf, daß er eine Sendung bei FM4 hat bzw. bei diesem Literaturpreis mitmacht oder beschäftigt ist, was mein Unwissen ein bißchen erklärt, denn FM4 höre ich ja nicht.

Der 1959 in Klagenfurt geborene Autor, stellte jedenfalls seinen 2012 bei „Atelier“ erschienenen Roman „An deiner Stelle“ vor und Michael Hammerschmied, der seine Einleitungen, wie auch Angelika Reitzer sehr gründlich macht, erklärte am Anfang, die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bücher und er hatte für jeden Autor auch ein Thema.

Bei Klaus Ratschiller war es „Abschied und Aufbruch“ und sein Roman scheint brüchige oder prekäre Verhältnisse zu schildern, handelt es sich doch bei seinem Protagonisten um einen, der davon lebt Diplomarbeiten anderer zu schreiben, dann dringt er in die Wohnung seiner Nachbarin Agnes ein und bespielt für sie Tonbänder in dem seine Geschichte erzählt und die Stellen, die Klaus Ratschiller las bezogen sich auch auf das Diplomarbeiten schreiben, einer von Jakobs Kunden war einer, der von seinem Vater in ein Jusstudium gedrängt wurde, das ihn nicht interessierte, als der Vater starb begann er auf Wunsch seiner musischen Mutter ein Germanistikstudium in Auftrag und will von Jakob nun um neunzig- oder siebzigtausend Schilling eine Diolomarbeit über „Vögel im Wald in der Literatur“.

Dazu gab es ein paar Zitate und Beispiele und Rudi Habringers Roman „Was wir ahnen“, von dem ich schon im Vorjahr bei „Rund um die Burg“ ein Stückchen hörte, scheint ein Krimi oder Nichtkrimi zu sein, hat ein großes Personeninventar, zwei Frauen sind aber die Hauptpersonen, eine Psychotherapeutin deren Mann ermordet wird und eine andere, die seine Liebhaberin war, die hat auch ein Kuckuckskind, Polizeibeamten spielen dabei eine Rolle und drei Länder bzw. Städte nämlich Linz, Regensburg und Krumau und Rudi Habringer erklärte in der Diskussion  auch einiges wie er den Roman konzipierte und welche verschiedenen Erzählstimmen es dabei gibt und die Schlagwörter, die Michael Hammerschmid zu diesem Roman fand, waren „Untreue und Vertuschen.

Ein interessanter Abend mit zwei realistischen Autoren, moderiert von einem Lyriker, der, wie Angelika Reitzer einiges für die „Alte Schmiede“ moderiert.

So hat er, glaube ich, im Vorjahr das Lyrikfestival Poliversale kuratiert und Anfang Juli gibt es „Dichterloh-13 poetische Entzündungen“, heute war aber die Prosa daran und die, das kann ich gleich verraten, war sehr interessant

2015-05-26

Entladende Familiengeheimnisse

Jetzt gehts nach zwei Wochen  Pause wieder mit den Veranstaltungen los, denn vor zwei Wochen, hatte ich um sechs eine Stunde und wäre dann zu spät in die „Alte Schmiede“ gekommen und am vorigen Donnerstag, wo ich ebenfalls eine  hatte, bin ich zwar hin, weil dort um zwanzig Uhr Helmuth Schönauer lesen hätte sollen. Leider war aber er oder Markus Köhle, der Moderator erkrankt und am Mittwoch, als wir um neun Uhr Abends in Meidling ausgestiegen sind, gab es sowohl im Literaturmuseum das Schreibgespräch zwischen Marie Therese Kerschbaumer und Clemens Berger und dann noch den Tag der „Freiheit des Wortes“, für beides war es aber schon zuspät, so ging es heute zur der Präsentation der Literaturzeitschrift „Entladungen“, die die „AGA – Arbeitsgemeinschaft Autorinnen“, die Elfriede Haslehner vor zig Jahren in der VHS Ottakring gründete und dann an Barbara Neuwirth weitergegeben hat, herausgibt. Das letzte Jahr war ich schon bei den „Entladungen der Sterne“ im Dachgeschoß der Urania, diesmal ging es um die Familiengeheimnisse, ich habe die Hilde Langthaler getroffen und die Frau, die den Tagebuchtag organisiert und Barbara Neuwirth hat wieder eingeleitet und ein bißchen was zu dem Heft erzählt. Das Thema wird offenbar gemeinsam ausgewählt und dann schreiben die Autorinnen, die sich monatlich, glaube ich in der VHS treffen, um ihre Texte zu besprechen, keine Schreibübungen zu machen, wie Barbara Neuwirth betonte und die Veranstaltung Schreibsalon nannte, ihre Prosa oder Lyrik dazu und bei Familiengeheimnisse kann es um Kuckuckskinder, die schiefe Bahn eines Familienmitglied oder auch über die Nazi-Vergangenheit gehen und dann begann sie, den Text der zweiundneunzigjährigen Maria Kohlbeck, die sich krankheitshalber entschuldigen ließ und deren Texte, wie Barbara Neuwirth betonte, so anders, wie die der anderen wären. Ich habe ihn sehr interessant gefunden, die Geschichte von der Frau, die sich bei ihrer Hochzeit kurz nach dem Krieg ärgert, daß ihr die  Schwiegermutter die Hochzeitsfotos verbietet. Ihre anderen Kinder hätten auch keine gehabt. Lange danach kommt sie bei einer anderen Hochzeit darauf, daß der Grund dafür der Stahlhelm war, der neben der damiligen Braut anstelle des Bräutigams auf dem Sessel saß.2 Dann begann die Autorinnenrunde mit der Ärztin, der „Lise-Meitner-Preisträgerin und GAV-Mitglied Monika Vasik. Sie las Gedichte und Radegund Hains Geheimnisse bewegten sich um die „Altlasten“ einer arisierten Villa, während Josefa Mayer-Proidl, die immer weit angereist zu den Arbeitsgemeinschaftstreffen kommt und  sehr gutes Käsegebäck mitbrachte, schloß sich in ihrer stark verkürzten Geschichte dem Thema an, in dem sie von einem Cezanne erzählte, der einmal im Elternhaus der Protagonistin hing, aber eigentlich der Großmutter ihres inzwischen nach Amerika emigrierten oder auch schon dort geborenen Liebsten gehörte. Julia Lajta-Novak las. wenn ich mich nicht irrte, etwas von den Mendelschen Gesetzen und Eva Holzmairs Geschichte war sehr interessant. Da traf sich die Familie nach dem Tod der Großmutter, um sich die Verlassenschaft der Großmutter zu teilen, während Ilse Krüger-Skelenika in ihrer Geschichte ihren Vater sucht, denn den hat die Mutter der Tochter nicht verraten. Sascha Wittmann, die, glaube ich, selbe Schreibtrainerin ist, begann dann damit, daß es in ihrem Leben keine Geheimnisse mehr gäbe, denn die wären alle schon durch einen Prozeß veröffentlicht worden und begann von der trinkenden Mutter, der Supermarktverkäuferin und dem arbeitslosen „Onkel“ zu erzählen, der bei der Mutter wohnt und von ihrer Armut, so daß sie sich das Geld für das „Bravo“, das sie sich in ihrer Clique immer kaufen, klauen muß, der „Onkel“ erwischt sie dabei, vergewaltigt sie dafür, sie wird schwanger, kommt ins Heim, weil sie erst zwölf ist, die Mutter später in ein Altenheim und dann erbt sie noch eine Wohnung von einem Großvater, den sie eigentlich schon lange für tot gehalten hat. Brutal, wie das  Leben heute sein kann oder es auch in der Zeit war, als Egon Erwin Kisch in seinem „Jahrmarkt der Sensationen“ von den Vergewaltigten Dienstmädchen schrieb. Damals waren es die Dienstherren, heute die Liebhaber der Mutter und die Geheimnisse werden oft auch noch öffentlich gemacht. Die pensionierte Ärztin Inga Wißgott, die bei den Ärzten ohne Grenzen gearbeitet hat und die ich schon einmal bei „Rund um die Burg“ und bei den vorigen Entladungen, wie auch die meisten der anderen Autorinnen hörte, erzählte von dem Geheimnis einer Jugendfreundin, die ihren Großmüttern eine Matura vorgaukelte, während sie die Klasse wiederholen mußte. Sie wollte sie zwar nachholen, aber da war sie schon schwanger und nach ihrem Tod, kommen die Kinder zu ihr und sind empört, weil sie nichts davon wußten. Dazwischen kamen noch Gedichte von Monika Vasik  und Christa  Kortners „Kränkung“, die Geschichte einer Gerti, die nie geheiratet hat, weil ihr ihre Schwester erzählte, daß sie mit offenen Augen schlafen würde. Als alte Frau wird sie aufgeklärt, daß das nicht stimmt und fängt zu weinen an und Barbara Neuwirth fügte noch die kleinen Geheimnisse der Maria Kohlbeck an, wo Vater und Tochter, der Mutter, wenn sie verreist sind, nicht erzählen, daß sie nicht täglich Staub gewischt und Geschirr abgewaschen haben. Ja so kann es sein mit den kleinen und den großen Familiengeschichten, die heute bloß gelegt wurden, das Heft gabs nachher zu kaufen, Christa Kern, die heuer nicht gelesen hat, stand am Büchertisch, es gab Saft und, wie schon erwähnt Käse und anderes Knabbergebäck, interessante Gespräche und eine Menge interessanter Texte von interessanten Autorinnen. JuSophie, die ich das letzte Jahr getroffen habe, war heuer auch nicht dabei.

2015-05-25

Eine Art Liebe

Filed under: Bücher — jancak @ 00:38
Tags: , , ,

Weiter geht es mit dem deutschen Lesen und der Liebe, obwohl es in dem 2011 erschienenen Roman, der 1967 in Frankfurt am Main geborenen Katharina Hacker, die 2006 mit den „Habenichtsen“ den dBp bekommen hat, um etwas ganz anderes geht, ist er doch Saul Friedländer gewidmet und soll, wie im Nachwort steht, sein Leben nacherzählen, obwohl er nichts mit seiner Biografie zu tun hat und ein wenig über die Kunst des Schreibens und wie das so mit Autobiografien so ist, geht es in dem Buch, einer Art Dreiecksgeschichte, zwischen der Studentin Sophie, die genau wie Katharina Hacker, drei Jahre in Jerusalem Hebräisch studiert und dort Moshe oder Moses bzw. Maurice Fein oder Jean Marie Ferrir kennenlernt, der mit einem Trapistenmönch befreundet war, der auf seltsame Weis, in einem Berliner Nachtclub ums Leben kam.

Kompliziert genug? Katharina Hacker macht die leider an sich einfache Geschichte, des 1930 in Berlin geborenen Moses, der mit seinem Vater, Theodor, einem Rechtsanwalt und seiner Mutter Ruth, einer Sängerin, Ende der Dreißigerjahre nach Paris emigrieren muß, noch ein bißchen undurchsichtiger, in dem sie nicht linear erzählt, sondern von vorne nach hinten hüpft, die Perspektiven wechselt, einmal erzählt die Studentin, die in dem Buch auch noch ihre Beziehungen wechselt, einmal Moshe selbst, dann gibt es  noch Notizzetteln von ihm und am Anfang des Buches schenkt Moshe ihr  Jeans Geschichte, mit dem Auftrag sie aufzuschreiben, der letzte Satz auf Seite 265 lautet, dann auch auf Sophies Frage, ob die Geschichte, so wie er es sich vorgestellt hätte, geworden wäre „Ich habe mir nichts vorgestellt!“, antwortete Moshe. „Es ist deine Geschichte, ich habe sie dir geschenkt!“

Und so können wir also zwischen Phantasie und Wahrheit, Fiktion und Realität wählen und um Schuld und Sühne und wer der Hüter seines Bruder ist und ob ein halbwüchsiger Junge Schuld am Tod eines jüdischen Ehepaars ist, nur weil er seinem kollaborierenden Vater verrät, daß der wahre Name seines Freundes Moses Fein und nicht Jean Marie ist? Denn das war der Einfall des Paters Gerard, den kleinen Moses taufen zu lassen und in ein Kloster zu stecken, während die Eltern versuchen sollten von Frankreich, das inzwischen von den Deutschen besetzt wurde, in die Schweiz zu flüchten.

Die bösen Schweizer lieferten die beiden an die Nazis aus, Ehepaare mit Kindern haben sie durchgelassen, hätten die beiden, den kleinen, der inzwischen Jesuit werden will, während es seinen Freund Jean in das Schweigekloster der Trapisten zieht, also doch nur mitgenommen. Aber wieder schön der Reihe nach, weil meine Leser ja manchmal mit meinen Schachtelsätzen Schwierigkeiten haben, obwohl ich ja eigentlich ohnehin eher linear erzähle.

Da ist also die Ich-Erzählerin, von der man später ihren Namen Sophie erfährt, die in Jerusalem studiert und dort über den Umweg eines Buchhändlers, den Rechtsanwalt Moshe Fein kennenlernt, der 1939, glaube ich, mit seinen Eltern nach Frankreich emigrierte. Der Vater ist herzkrank. So überredet ihn Pater Gerard, das Kind, das er bisher selber unterrichtet hat, in eine Klosterschule zu stecken, in der ersten wird er Maurice gerufen, in der zweiten, nahe der Schweizer Grenze, als die Eltern dorthin flohen, wird er getauft und muß seinen schönen Namen hergeben. Er beginnt zu weinen, der um ein Jahr ältere Jean, der eigentlich in eine Nazi-Schule sollte, aber wegen seiner frommen Mutter doch in das Kloster durfte, tröstet ihn damit, daß er seinen Namen Jean-Marie haben darf.

Ob es eine erotische Beziehung zwischen den beiden Jugendlichen gibt, weiß ich nicht, wenn, wird sie nur angedeutet. Die Geschichte beginnt ja Ende der Neunzigerjahre, als Jean schon gestorben ist, Moshe, dessen Frau, die seltsamerweise Ruth, wie seine Mutter heißt, durch einen Unfall ums Leben kam, verwitwet,  hat inzwischen eine Freundin und zu Sophie, der er sehr ruppig begegnet, empfindet er auch „eine Art Liebe“.

Sie soll also Jeans Geschichte aufschreiben. Auf den ersten ein- bis zweihundert Seiten, tut sie es aber mit der  Moses, Moshes oder Maurice, der, als der Krieg 1945 endet, eigentlich auch Trapist oder Jeusit werden will. Pater Gerard und auch Jean versuchen das zu verhindern, in dem sie jüdische Verwandte, die in Paris leben aufsuchen, Moses wandelt sich dann auch zum Zionisten, während Jean in das Schweigekloster eintritt und emigiriert nach Israel.

Jean will eigentlich Einsiedler werden, der Abt verhindert das aber, so beginnt er zu reisen, nach irgdeneinem Konzil, sind die Ordensregeln nicht mehr so streng, über die Melancholie zu schreiben und auch Moshe, dessen Hochzeit er noch verweigerte, zu treffen. So zum Beispiel in Venedig, wo er in einer Kirche das Kain und Abel Gemäde sieht und man nach und nach herausbekommt, welche Schuld, den Mönch quält, so daß er mit sechzig Jahren, das Kloster verläßt, Moshe einen Brief schreibt, daß er nicht an Gott glaubt und nach Berlin verschwindet, wo er in schäbigen Hotelzimmern wohnt, in einem Nachtklub arbeitet und dort schließlich wie der Abel erschlagen wird.

Bei Moshe wurde inzwischen ein Hirntumor entdeckt, er reist seinem Freund trotzdem nach, beziehungsweise trifft er Anfangs des neuen Jahrtausends, Sophie die sich wieder mit ihren früheren Freund Sebastian befreundet hat, in Berlin und weigert sich, ihre Geschichte zu lesen.

Ganz schön kompliziert, aber doch sehr poetisch und nachdenkenswert über die Schuld und Sühne und Lebensläufe der Neunzehnhundertdreißig geborenen Kinder, die plötzlich ihre Familien verloren, ihre Religion und Identitäten wechseln mußten, aber auch über Sinn und Unsinn des Mönchtums, des Zölibats und der Schweigegelübde und den Schwierigkeiten dieses Lebens überhaupt, kann man sinnieren und ich habe nach dem „Vorleser“, der den Holocaust von einer anderen Seite her erzählt, wieder ein interessantes Buch über ein unrühmliches Stück der deutschen Vergangenheit gelesen, wo ich noch anmerken will, daß ich etwas Ähnliches, Ende des vorigen Jahrhundert mit den „Wiener Verhältnissen“ meinem ersten selbstgemachten Buch, das ich als Reaktion auf einen Roman von Ruth Aspöck, geschrieben habe.

Ein an sich linear erzählter Roman, mit einem Vorwort über den Literaturbetrieb, dann reist die Protagonistin Hanna nach dem Tod ihres Vaters und einem Buch, das sie in dessen Nachlaß gefunden hat, nach New York. um dort in einem jüdischen Altersheim Gespräche mit dem fast hundertjährigen Jakob Mandelbaum zu führen, der sich auch schuldig am Tod seiner Eltern und seines Bruders in Theresienstadt bzw. Auschwitz fühlt.

Diana Vogt, der ich das Manuskript dann schickte, hat mir in einem Brief geschrieben, daß sie es für keinen Roman hält, was ich ganz ehrlich, immer noch nicht verstehe und sie nicht wüßte, wer sich dafür interessiere und wem sie es anbieten könne?

So ist es mein erstes selbstgemachtes Buch geworden, das mir der Alfred damals zum Geburtstag schenkte, das die Freiheitsstatue am Cover hat und das inzwischen längst vergriffen ist. Nur meine Belegexemplare habe ich noch in Harland und in der Krongasse stehen.

2015-05-24

Pfingsten verregnet

Das Pfingstprogramm hat bei mir schon Tradition, obwohl ich nicht katholisch, also keine Kirchengeher bin und eigentlich  nicht so genau weiß, was liturgisch in diesen vier Tagen passiert.

An einen Pfingstrosenstrauß vom Garten im Almweg, der jetzt verkauft wird, vor sicher mehr als fünfzig Jahren, kann ich mich erinnern und dann 1977 an mein Dissertantengespräch am Freitag davor und danach bin ich mit dem Herrn Lembacher vom Klub der logischen Denker zum ersten Mal zum Pfingsttreffen nach St. Gallen in die Steiermark gefahren, da haben wir, eine wahrscheinlich organisierte Panne in St. Pölten gehabt und so bin ich das erste Mal in meinem Leben in dieser Stadt gewesen.

Einmal viel später gab es das „Bachmann-Symposium“ zu einem wahrscheinlich runden Geburtstag der Dichterin, da gab es eine Führung durch den dritten Bezirk und eine Ausstellung im Palais Palfy, nachher bin ich in den Wienerwald gegangen und vom Leopoldsberg über den Nasenberg nach Nußdorf hinuntergekommen.

Nußdorf bei oder in Wien, während es in Nußdorf an der Traisen ja den Pfingstmarkt gibt, wo wir seit einigen Jahren regelmäßig hinfradeln und einmal gab es kurz vor Pfingsten in Mürzzuschlag bzw. Neuberg an der Mürz das „Fest für Friederike Mayröcker“, da hat mich dann der Alfred am Pfingstsamstag glaube ich abgeholt und wir wollten eigentlich auf den Hochschwab wandern.

Das Wetter hat es aber verhindert, wie es auch heuer regnet, zumindestens am Samstag hat es das getan und die Traisen war, als ich trotzdem mit dem Rad nach St. Pölten in die Stadt gefahren bin, um am Markt meine auch schon traditionelle Käsekrainer zu essen schon sehr voll.

Hochwasserwarnungen gibt es auch, aber am Sonntag soll das Wetter besser werden, so daß wir vielleicht doch, wie geplant, nach Nußdorf fahren können, ein gefülltes Knödel essen, ein Glas Wein trinken oder zwei und auch  einen Kaffee mit einem Keks verkehren.

Einmal ist mir dabei das Rad dabei kaputt geworden, so daß uns Alfreds Eltern mit dem Bus abholen mußten, das ist jetzt nicht mehr möglich und am Sonntagabend fahren wir heuer auch schon wieder nach Wien zurück, weil Alfreds Betriebsausflug diesmal nach Prag geht und daher zweitägig ist, da werde ich also in Wien weiter meinen Kisch, ein Buch das übrigens in Prag spielt und die Lebenserinnerungen des rasenden Reporters ausdrückt, zu Ende lesen und dann weiter an „Selmas Kopftuch“ korrigieren.

„Miranda Schutzengelchen“ ist inzwischen ausgesendet und der Artikel mit der Buchpromotion gestern online gegangen, aber zurück zu Pfingsten und meinen diesbezüglichen Gebräuchen:

Manchmal ist der Alfred da auf Reisen und so gab es vor einigen Jahren ein eigenes Pfingstprogramm von der Galerie Splitter für alle Daheimgebliebenen, wo wir einen Stoß Bücher auf den Judenplatz getragen haben umd mich E.A.Richter dabei fotografierte und einen Pfingstlesemarathon habe ich einmal auch in Wien gemacht.

Jetzt habe ich einen etwas verregneten Pfingstsamstag verbracht, dabei Katharina Hackers „Eine Art Liebe“ gelesen, wo die Besprechung auch bald online gehen wird, freue mich über mein neues Buch und vielleicht auch darauf, daß das Wetter etwas besser wird, obwohl mir das eigentlich gar nichts macht, ich weder eine Wetternörglerin noch ein Wettermuffel bin, sondern mich eigentlich bei jeden Wind und Wetter nach draußen begebe und ich das Radfahren im Regen, solange es nicht zu kalt ist, eigentlich auch sehr genieße und auch schon bei einigen Dauerregen durch die Stadt gelaufen bin, was eigentlich auch immer recht lustig ist.

Und den Songcontest gab es natürlich auch.

2015-05-23

Freude über „Miranda Schutzengelchen“

20150522-231230 Und schon ist es da mein neues Buch. Es ist das fünfunddreißigste Selbstgemachte, bin ich ja eine Pionierin im Selfpuplishing, seit 2000 die „Wiener Verhältnisse“ bei „Digi-Buch“ erschienen sind. Jetzt also das fünfunddreißigste diesmal ein rechtdünnes Bändchen, die Geschichte von den Visionen, die der erste Joint bei der Studentin Miranda Himmelbauer auslöste. Meine Belegexemplare an die Nationalbibliothek, „Alte Schmiede“ und Ö1 sind weggeschickt, das an das Literaturhaus habe ich diesmal ausgelassen und dafür ein Buch in den „Wortschatz“ am Margaretenplatz gelegt. Ich löse auch die Fragen der Vorschau auf: Am Cover ist „Die Waffen nieder“ von Berta von Suttner zu sehen. Das Buch hat mir die liebe Autorenkollegin Andrea Stift verehrt und die Ruth hat mich schon danach gefragt. Weiters sind darauf viele schöne Origininale, Feldpostkarten, die mein Großvater, der Herr Anton Jantschak, aus dem ersten Weltkrieg an seine Frau und den kleinen Herrn Otto, sowie an das Fräulein Grete schrieb, abgebildet Magdalena Himmelbauer, Mirandas Ururgroßmutter, fliegt mit ihrem altmodischen schwarzen Kleid und den Schnürstiefelchen nach Donetz und sollte eigentlich, da sie 1914 an einer Frühgeburt starb, längst im Himmel sein. Die dritte Frage ist etwas kompliziert, denn eigentlich hätte der Text „Innere Stadt“ heißen sollen und es hätte um die künstliche Befruchtung und Retortenkinder gehen sollen, das ist aber Berta von Suttner, beziehungsweise das Interesse meines Psychologenkollegen Wofram Huber, dem das Buch auch gewidmet ist, dazugekommen, der hat mich auf die Idee gebracht, vielleicht doch über Berta von Suttner bzw. über World War I zu schreiben und dann hat es noch im vorigen Sommer den Flugzeugabsturz von Donetz gegeben. Auf den Geschmack gekommen? Das Buch gibt es jetzt nicht mehr zu gewinnen, ist aber um fünf Euro über meine Homepage bei mir zu beziehen, dort gibt es auch ein Probekapitel und ich stelle die Rezension, wenn mir einer oder eine eine schreiben möchte, dort auch ein. Zu hören gibt es den Beginn am 2. Juni ab 17 Uhr im Amtshaus Margareten beim „Fest für Kunst und Kultur“, vielleicht auch  beim Straßenfest auf der Wiedner Hauptstraße Anfang Juli und wahrscheinlich auch bei „Pack die Badesachen ein“, des Sommerspezial im „Read!!!ingroom“ am 13. 7. um 19. 30 in der Anzengrubergasse, sowie am 5. 9.  Beim Volksstimmefest im Wiener Prater, wo es das Buch auch zu kaufen geben wird. Die Vorschau auf „Im Namen des Vaters“, das nächste Buch, das hoffentlich bald erscheinen wird, gibt es auch schon. Da gibt es wieder drei Fragen zu beantworten und was zu gewinnen.

2015-05-22

Der Vorleser

Nun kommt das zweite Buch, auf meiner „Deutschland-Leseliste“, das ich von  Ulm nach Würzburg mitgenommen habe.

Bernhard Schlinks „Der Vorleser“, ein Fund aus dem Bücherschrank und ein sehr berühmtes Buch, das auch verfilmt worden ist. Beides ist an mir vorbeigegangen, so daß ich nicht genau wußte, worüber es darin geht.

Von dem  1944 in Großdorning geborenen Juristen, habe ich mir, glaube ich, 1996 als ich nach Klagenfurt gefahren bin, um dort zuzuhören und das literarische Feeling zu schnuppern, beim  „Libro“ einen Krimi gekauft, der mir aber, glaube ich, nicht sehr gefallen hat.

Jetzt ist vor kurzem ein neuer Schlink „Die Frau auf der Treppe“ erschienen“, da habe ich die Rezension ein bißchen mitverfolgt und jetzt den “ Vorleser“, gelesen

Auf der Zugfahrt zurück von Würzburg nach Wien, als ich mit der Gabriele Wohmann fertig war, habe ich es begonnen und ich kann schreiben, daß es leichter zu lesen war und mir auch sehr gefallen hat.

Sehr eindrucksvoll die Geschichte des Ich-Erzählers, Michael Bergs, der in den frühen Sechzigerjahren mit fünfzehn Jahren als er an Gelbsucht erkrankte, die etwa zwanzig Jahre ältere Hanna Schmitz kennenlernt.

Sie hilft ihn bei einer Unpäßlichkeit, seine Mutter schickt ihn mit Blumen zu ihr, um ihr zu danken. Sie ist gerade beim Bügeln, entkleidet sich bis aufs Unterkleid, er läuft davon, kommt aber wieder und sie beginnt ihn zu verführen „Das ist doch, was du willst, Jungchen!“ und die Geschichte beginnt.

Heute würde man das sexuellen Mißbrauch nennen, aber das wird nicht einmal thematisiert.

Eine Geschichte also über die sich sehr nachdenken läßt und, die in den drei Teilen, in denen sie erzählt hat, mehrere überraschende Drehungen und Wendungen nimmt.

Der Ich-Erzähler, ein Jurist, der sich mit Rechtsgeschichte beschäftigt, man könnte auch einiges Biografisches zuordnen, beziehungsweise finden, erzählt die Geschichte, zehn Jahre nach Hannas Tod.

Im ersten Teil übersteht er die Gelbsucht, muß dabei solange zu Hause bleiben, daß er glaubt, das Schuljahr wiederholen zu müßen, das läßt Hanna, die er seither jeden Tag besucht nicht zu, so verspricht er ihr zu lernen und schafft es auch.

Er muß ihr vor der Liebe jeden Abend vorlesen und es kommt auch zu Mißverständnissen zwischen den Beiden, einmal schlägt sie ihm mit ihrem Gürtel, als er nur kurz Frühstück holen wollte, sie glaubte offenbar, er wolle sie verlassen und hat den Zettel, den er ihr hinterließ, nicht gesehen. Einmal will er sie, sie ist Straßenbahnschaffnerin, auf der Fahrt überraschen, da ignoriert sie ihn und sie auch auf einmal verschwunden.

Das irritiert den jungen Mann, Sohn eines Philosophieprofessors, der die Nazi Zeit einigermaßen mit Anstand überstand, der nach der Matura Jus studiert und während eines KZ-Seminars, wo die Studenten einen Prozeß mitverfolgen, trifft er Hanna wieder.

Sie, die ihm nie sehr viel von sich erzählte, war Aufseherin in einem KZ bei Krakau, ist auch Schuld, daß Frauen und Kinder in einer Kirche verbrannten und wird lebenslang verurteilt.

Er kommt jeden Tag in den Gerichtssaal, reagiert dann körperlich, daß er keine Kälte verspürt und fast daran stirbt, schließt sein Studium  ab, heiratet und läßt sich bald wieder scheiden.

Im dritten Teil beginnt er Hanna Cassetten von der „Odyssee“, aber auch von anderen Klassikern, die er besprochen hat, zu schicken, dernn er hat während des Prozeßes herausbekommen, daß sie Analphabetinist, deshalb interessiert sie sich soviel für Bildung.

Auch eine überraschende Wendung und nach achtzehn Jahren soll sie freikommen, da wendet sich die Leiterin der Strafanstalt an ihn mit der Bitte ihr eine Wohnung und eine Arbeit zu besorgen, da er offenbar der einzige ist, der Kontakt zu ihr aufnahm.

Er drückt sich erst vor einem Besuch, kommt dann aber doch, trifft eine alte, dicke Frau, die auch so riecht und am Tag vor ihrer Entlassung, als er sie abholen will, hat sie sich in ihrer Zelle erhängt.

Die Leiterin zeigt ihm ihre Zelle, sie hat an Hand seiner Cassetten das Lesen und das Schreiben erlernt und sich Bücher von Primo Levi, Elie Wiesel, Jean Amery, aber auch die über die Eichmannprozesse aus einer Spezialbibliothek bringen lassen und sie hinterläßt ihr Geld einer Überlebenen, er soll das Geld, das sich in einer Dose befand, nach Amerika bringen und dann beginnt er über Hanna und sich zu schreiben und man hat eine etwas andere Holocaustliteratur gelesen.

Kann darüber nachdenken, wie es dazu kommen konnte und bekommt vielleicht auch ein bißchen Einblick in die Psyche der KZ-Wärter, die wahrscheinlich oft einfache Menschen waren und vielleicht auch nicht schreiben und lesen konnten. Kann über die Sozialisierung in den Fünfzigerjahre und über den Liebessommer eines Fünfzehnjährigen zu einer zwanzigjährigen älteren Frau nachdenken, die sich als KZ-Wärterin meldete, weil sie verhindern wollte, daß jemand ihren Analphabetismus bemerkte.

Auch so kann man den Holocaust erzählen, denke ich, lese am Buchrücken, daß das Buch in neununddreißig Sprachen übersetzt und zum internationalen Bestseller wurde und bin wieder gespannt, was ich noch von Bernhard Schlink finden und lesen werde.

Nächste Seite »

Bloggen auf WordPress.com.