Der nächste Fund beim „Thalia-Abverkauf-Stapel“ um den Jahreswechsel 10/11 oder 11/12 mag das wohl gewesen passt thematisch gut zu Peter Stamms „Agnes“, denn auch bei Anne Webers „Luft und Liebe“ geht es um das Schreiben über das Schreiben oder wie ich es mir interpretiere, um das Schreiben eines Liebesromans Anfang des dritten Jahrtausends ohne kitschig zu wirken.
Es könnte auch als eine Parodie auf einen Liebesroman zu verstehen sein und ich habe die Lesung daraus in der „Alten Schmiede“ schon gehört und da, wie ich bekennen muß, nicht wirklich verstanden worum es geht, beziehungsweise hat sich, die 1964 geborene, in Paris als Autorin und Übersetzerin tätige Anne Weber, die auch beim Bachmann-Preis gelesen und oder gewonnen hat, nicht in die Karten schauen lassen.
Es geht also, wie schon der Titel sagt, um einen Liebesroman, die Protagonistin, Ich-Erzählerin und Schriftstellerin, die wahrscheinlich, wie das beim Schreiben so ist, nicht Anne Weber ist, hat schon, wie sie schreibt, einen schlechten Roman darüber geschrieben und ihn in den Mistkübel geworfen.
Da hat sie das selbst Erlebte, einer Kunstfigur namens Lea zugeschrieben und das Resultat hat ihr nicht gefallen, also noch einmal von vorn, wie das die Schriftsteller ja angeblich öfter so tun.
Die nächsten achtzig bis vielleicht hundert Seiten passiert in sehr schönen Worten, manchmal auch mit der französischen Übersetzung, nicht sehr viel.
Man erfährt, daß die Protagonistin, bzw. Leo schon einmal verheiratet war und zwar mit einem Vladimir, der sich gleich nach Zeremonie wieder scheiden ließ, weil er die Bindungen des Ehstands nicht ertrug, dann taucht ein Interviewer, ein Adeliger, namens Enguerrand bei der Erzählerin auf, um sie zu inerviewen.
Er verschwindet, nach Jahren treffen sie sich wieder, es gibt auch einen Aufenthalt in Italien und der Roman, bzw. die spannende Handlung immer wieder vom Perspektivenwechsel unterbrochen, den die Erzählerin „Arme Ritter-Roman“ nennt beginnt.
Lea, im Papierkorb liegend, funkelt auch immer wieder dazwischen, aber jetzt werden die Protagonisten, die Prinzessin und der Ritter genannt, denn die Liebe ist ja offensichtlich ein Märchen, wie uns Anne Weber vielleicht sagen will und die Protagonistin schon über vierzig.
Also eigentlich nach heutige Auffassung nicht zu spät ein Kind auf natürliche Weise zubekommen. Die Protagonistin, die von ihrem armen Ritter, auf sein Schloß geladen wird und sich dort die Zimmer aussuchen darf, das Schreibkämmerchen, das Schlafzimmer und daneben das für das künftige Kind, das sie sich wünscht, der Ritter hat nichts dagegen, muß dazu aber die Fortpflanzungsspezialisten aufsuchen und viele Untersuchungen über sich ergehen lassen, denn nach dem Liebesakt vom Sperma keine Spur.
Der Ritter ist liebevoll und entledigt, wie er versichert, sich seines Spermas in der Kabine, als die Prinzessin aber ins Labor kommt, verkündet ihr der Chef betroffen, das Sperma ist nicht da.
Der Prinz ist reumütig, versichert die Prozedur zu wiederholen, entzieht sich aber wieder seiner Pflicht, obwohl er ihr doch schon vor Zeugen, die Hochzeit versprochen hat, als sie ihm in seinem Schloß anruft, hebt niemand ab, es kommt aber ein Brief, er hat sich reumütig und von Schuldgefühlen, ob seines Versagens geplagt, auf Reisen begeben.
Wie, denkt sich da die Prinzessin, die fortan die tote genannt wird, der Betrug hat ihr offensichtlich den Todesstoß versetzt, wie kann er das, geht er doch nie auf Reisen, weil das Personal fehlt, um das Haus zu hüten?
Also fährt sie hin, der Prinz öffnet verschämt und aus der Küche kommt eine Mathilde, Jeanne oder Benedicte, im siebenten Monat schwanger und stellt sich als die Schloßfrau vor.
Die Prinzessin rauscht beleidigt ab, sinnt auf Rache und wird fortan auch die Rächerin genannt. Sie kauft sich Farbe, Leinen und Holzrahmen, malt Transparente, auf denen seine Schuld zu lesen ist, mietet sich in einem Hotel ein, um in der Nacht die Tafeln aufzustellen.
Nur leider wählt sie dazu den Hinterausgang, die Alarmanlage ertönt, der Wirt muß sich seine Hosen anziehen und ihr das Vordertor aufsperren, sie stellt die Tafeln trotzdem auf, wird anonym angezeigt und klaut ein Fahhrad, um mit vielen Plänen in die Zukunft davonzuradeln, kommt aber natürlich wieder in ihr Leben zurück.
„In ihrem ersten Liebesroman konstruiert Anne Weber ein elegantes Verwirrstück um große Gefühle. Aus einer eigentlich banalen zwischenmenschlichen Begebenheit wird so ein raffiniert aufgebautes Lesestück in bester französischer Tradition“, kann man noch am Buchrücken lesen.
Dazu passen auch die beiden anderen kürzlich gelesenen Liebesgeschichten zum Vergleichen , wie andere Autoren, die schönste Sache der Welt beschreiben und eine „Dachkammer“, wo es um die Liebe geht, gibt es auch.
Das „Show, not tell“, das man, wie man in den Schreibwerkstätten lernt, unbedingt beachten soll, wurde hier jedenfalls nicht ausgeführt oder aber parodiert und da dachte ich, wenn ich über das Erzählen reflektiere, wäre das, weil ich es nicht besser kann.
Vielleicht schreibe ich also doch nicht so schlecht und bräuchte wirklich nur einen Lektor, der meine Fall. und Beistrichfehler korrigiert, über die sich meine Leser manchmal aufregen.
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