Weiter geht es mit dem Longlistenlesen, mit der russischen Literatur und um den Bachmannpreis geht es auch.
Die Longlist von 2010 war offenbar ein interessanter Jahrgang mit einigen sehr interessanten Neuentdeckungen und Namen, die ich dort das erste Mal hörte.
So ging es mir mit der 1962 bei Krasnojarsk geborenen Olga Martynova, die 1991 nach Deutschland zog und mit ihrem Mann, dem Lyriker Oleg Jurew in Frankfurt lebt.
Als ihr erster Roman 2010 bei „Droschl“ erschien, sagte mir der Name nichts, aber ich hatte mir damals ein Presseexemplar des Longlistenbüchleins bestellt, so hat er sich mir eingeprägt, dann habe ich die Autorin in der „Alten Schmiede“ gehört,als dort die „Manuskripte“, glaube ich, vorgestellt wurden, 2012 habe ich das Buch mit anderen Leseexemplare, beispielsweise das der Alina Bronsky, der anderen Russin, aber auch den ersten Langenegger, Sudabeh Mohafez „brennt“ und Lisa-Marie Dickreiters „Vom Atmen unterm Wasser“ bei diesen „Augustin Flohmarkt“ gekauft.
Leseexemplare aus der Buchhandlung Jeller höchstwahrscheinlich, zumindest war das beim Lorenz Langenegger so und bei den „Papageien“ ist es das auch, „Leseexemplar Erstverkaufstag 29. Jänner 2010“, steht vorne eingeklebt und hinten klebte ein Pickerl, das auf Anna Jellers Buchhandlung verwies.
2012 hat Olga Martynowa dann den Bachmannpreis gewonnen, ihr zweiter Roman heißt „Mörikes Schlüsselbein“ und den Gedichtband „Von Tschwiirk und Tschwirka“, habe ich einmal bei einem „Morawa-Abverkauf“ gefunden, als ich durch das Geschäft, wie ich das meistens mache, in die „Alte Schmiede“ ging und dort hat sie ein halbes Jahres früher auch den Gedichtband bei der „Poliversale“ vorgestellt.
Eine interessante und sehr sympathisch lächelnde Autorin und ein interessantes Buch, das deutlich zeigt, wie unterschiedlich russisches Schreiben sein kann. Denn Olga Martynova ist sicherlich die lyrischte der drei Autorinnen, die ich in den letzten Wochen gelesen habe.
Das Zitat stammt und das ist auch interessant oder auch nicht, denn Olga Martynova ist ja Germanistin von Joseph Roth und die Handlung des Buchs, Roman steht unter dem Titel und wahrscheinlich ist es auch ein sehr lyrischer, wird im Klappentext in einigen Sätzen, was dann das ganze Buch ausnimmt, so beschrieben:
„Marina stammt aus Petersburg und ist zu Besuch in Deutschland, wo sie bei einem Kongress über Daniil Charms und seinen Freundeskreis spricht. Außerdem ist da ein Mann, der in Leningrad Russisch studierte und mit dem sie damals, vor 20 Jahren, eine Liebesgeschichte erlebte.“
Das wird dann in sieben Teilen mit jeweils mehreren Kapiteln, die interessante Überschriften, wie „Der Zeifluss, das Zeitweib, die Bergvogelfrauen“ „Schuhschnabel in den Ruinen von Berlin“ oder „Deutsche Kaffeemaschine“ sehr lyrisch erzählt.
Dabei geht es in die Vergangenheit. Von Petersbrug nach Leningrad, beispielsweise oder sogar ins 5. Jhd vor Chr. Jedenfalls stehen vor den Kapitel jeweils immer die gleichen Jahreszahlen, bis ins Jahr 2006, wo das Buch wahrscheinlich geschrieben wurde und die Zahl in dem das Kapitel spielt ist dann fettumrandet.
Das habe ich nicht gleich begriffen, mir später aber so gedeutet und nun geht es zu den Kongreß über Daniil Charms, geht zu den Hotelfrühstücken, geht aber auch, in die jüdische Vergangenheit oder zur Verfolgung der Juden unter Stalin. Mit dem Geliebten geht die Ich-Erzählerin in den Zoo von Leningrad aber auch in den von Berlin und erzählt schöne Geschichten und die läßt sie sich auch von ihren Studenten, denen sie beispielsweise eine Textstelle von Wilhelm Genanzino gibt und darauf vertrauend, daß die studenten den Originaltext nicht kennen, die Geschichte weiterschreiben und nach dem originellsten Einfall forscht.
Es geht aber auch um den „Weihnachtsschmuck zu Silvester“, um den deutschen Kaffee, um Singer Nähmaschinen und um viele schöne Bilder und Metapher mit denen wie im Klappentext und im Nachwort steht, das „zwanzigste Jahrhundert in einem ungewöhnlichen Bilderbogen erzählt wird.
So kommt die Belagerung Leningrads an Hand der Katzenfelle von Antonias Großmutter vor, ebenso wird die Geschichte der Potemkinischen Dörfer neu erzählt und während man bei der Tagung über die Bachmann Juroren schimpft, der Dichter Fodor, der schon fünf Jahre keine Gedichte mehr geschrieben hat, eine Rolle spielt und Marina von ihren Reisen nach Sibirien und Rom erzählt, geht es immer wieder in die Literatur in die von Joseph Roth und auch in die von Thomas Bernhard.
„In der Joseph Roth Diele in der Potsdamerstraße, zitiert Marina aus einem der Roth Bücher das titelgebende Zitat und beginnt Hand zu lesen „im bräunlichen Licht der Joseph Roth Diele, das antiquarisch schien, als hätte man die geräucherte und von Kaffeedünsten getränkte Luft des alten Wien in Plastiktüten hierher gebracht und über den Schachbrettboden gestreut, kakanische Luft,wie sie in der Literatur beschrieben wurde, wer weiß wie und ob sie tatsächlich so war“, wunderschöne lyrische Prosa Skizzen, die dieses Jahrhundert und den Sprung von der Gegenwart in die Vergangenheit und wieder zurück nacherzählen.
Sprachräusche, die auch die Geschichte erfassen, die Realität der Leningrader Belagerung, das Entsetzen der wenigen überlebenden Juden aus der Ukraine und das, was die Realistin in der Literatur sucht und selber vielleicht doch nicht so gut kann.
„In einem Roman“, so lauten auch die letzten Sätze „wird das Leben beschrieben, da läuft angeblich die Zeit, aber sie hat nichts gemeines mit der wirklichen Zeit, da gibt es keine Ablösung des Tages durch die Nacht, da entsinnt man sich spielerisch beinah des ganzen Lebens, während du dich in der Wirklichkeit kaum an den gestrigen Tag erinnern kannst.
Der einzige seinem Prinzip nach richtige Roman ist von mir. Aber er ist schlecht geschrieben.“
Das glaube ich nun nicht und bin auf auf den zweiten Roman, den ich erst finden muß und den Gedichtband sehr gespannt.
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