Nun kommt vorläufig die Besprechung des letzten Buches der 2014 Longlistennominierung und es ist auch das einzige von denen, die ich gelesen habe, die es auf die Shortlist schaffte, nänmlich Thomas Melles 3000 Euro, die Liebesgeschichte zwischen der Supermarktkassiererin Denise und dem ehemaligen Jus-Studenten Anton, die alle dreitausend Euro brauchen oder haben wollen und das mich wegen der sozialrealistischen Thematik, die ja nicht so oft auf der Long- oder Shortlist zu finden ist und mit der sich die Literaturkritik meistens schwer tut, so sehr interessierte, daß ich es mir zu Weihnachten wünschte.
Thomas Melle, 1975 geboren, ist mit seinem Debutroman „Sixster“ den ich vor kurzem bei „Kuppitsch“ um einen Euro aus der Abverkaufkiste zog, schon auf der Longlist gestanden.
Da ist also Anton, ehemaliger Jusstudent, psychisch oder emotional labil, wie die Sozialarbeiter sagen, der hatte einmal einen wilden Sommer, zuviel getrunken, offenbar auch manische Schübe, Kredite aufgenommen und dadurch jetzt einen Prozeß mit der deutschen Bank wegen dreitausend Euro. Eine Wohnung hat er nicht mehr, so lebt er im Obdachlosenheim und wird dort von einer Sozialarbeiterin betreut. Er hat auch eine Mutter, die ihn offenbar alleine aufgezogen hat, selber an depressiven Schüben litt, deshalb Elektroschock bekam, bei der hätte er zwar ein Zimmer, aber die Mutter Sohn-eziehung ist nicht so gut, daß er nur selten zu ihr geht, einmal tut er es sogar und will ihr da fast ihre alte Rolex klauen und versetzen, denn er braucht ja die dreitausend Euro für den Prozeß, der bald ansteht. Er hat auch einen Freund, der inzwischen Rechtsanwalt geworden ist, der steckt ihn in einen alten Anzug und wird ihn gemeinsam mit seiner Frau bei seinem Prozeß verteidigen. Vorerst muß er zu einem Gutachter, der angeblich für die Begutachtung, die dreitausend Euro bekommt, die ihm so fehlen, so sucht er in den Containern nach alten Flaschen und trägt sie in dem Supermarkt zurückt, wo Denise an der Kasse sitzt, das ist eine Alleinerziehering, ihre sechsjährige Tochter, hat eine Wahrnehmungsstörung, wird deshalb erst später eingeschult und muß auch zur Ergotherapie und Denise hat offenbar, um die Haushaltskasse aufzubessern oder sich den Traum einer New York Reise zu erfüllen, vielleicht auch aus anderen Gründen, Pornofilme gedreht, wartet jetzt auf das Honorar, das sind ebenfalls dreitausend Euro, dreitausendzweihundert sogar und steht Ängst an der Kassa aus, das jemand sie erkennen könnte.
Es kommt aber Anton zuerst mit einer Billigpizza, den sie Stanley nennt, später kauft er, was ich nicht ganz nachvollziehen kann, Champagner, Lachs und Luxuspizza und lädt Desise zu einem gemeinsamen Mahl auf einer Parkbank ein, so kommt es zu einer vorsichtigen Beziehung zwischen den beiden, die damit endet, das Denise ihre drei Tausender doch bekommt, zur Gerichtsverhandlung geht, die mit einem Ausgleich endet und sich die dreitausend inzwischen wegen der Mahnspesen ect schon auf etwa zehntausendsechshundert verwandelt haben.
Sie denkt immer daran ihm das Geld oder einen Teil davon zu geben, tut es aber nicht, sondern fährt ein Jahr später mit ihrer Tochter dafür nach New York, ißt dort in dem Lokal von dem er ihr erzählte, Pizza und glaubt ihn zu sehen, obwohl sie ihn wahrscheinlich niemals wiedertrifft.
In kurzen abwechselnden Abschnitten wird von den Beiden und der Realität, der unteren Schichten des Lebens erzählt, Themen die mich ja sehr interessieren und die in der Literatur, wo es oft ja um das Abgehobene, die Sprachräusche und die Elfenbeintürme geht, nicht so oft vorkommen und toll, daß es das Buch, das natürlich zu vielen Spekulationen Anlaß gibt, auf die Shortlist schaffte, wofür Thomas Melle ja zweitausendfünfhundert Euro bekommen hat.
Ob er die einem Anton gegeben hätte?
Marlene Streeruwitz Heldin Nelia Fehn, die ja mit ihren „Nachkommen“ 2014 ebenfalls auf der Longlist stand, hätte, wenn sie den Preis bekommen hätte, dafür die Operationen ihres griechischen Freundes, der auf einer Demonstration verletzt wurde, bezahlt. Die zweitausenfünfhundert Euro hat sie ihm, aber, glaube ich, nicht gegeben, vielleicht sogar selber nicht bekommen, denn ihr Verleger war ja, wie Marlene Streeruwitz aufzeigte, ein sehr geizig windiger und man sieht, dreitausend Euro sind für den einen sehr viel, für den anderen sehr wenig Geld. Was würden wir damit machen, wenn wir sie plötzlich bekämen und hätte Denise Anton aus seiner seelischen Labilität wirklich herausgeholfen, wenn sie ihm das Geld gegeben hätte und nicht nach New York gefahren wäre?
Thomas Melle hat den Charakter, glaube ich, so angelegt, daß das wahrscheinlich zu bezweifeln wäre und eine eins zu eins Liebesgeschichte, wo der Sohn dann auch noch zu seiner Mutter zurückzieht, wäre von der Kritik wahrscheinlich auch für kitschig erklärt und nicht nominiert worden.
Michael Ziegelwanger einer der Nominierten hat im Vorjahr vorgeschlagen auf den Preis zu pfeifen, das Geld zu teilen und ein gemeinsames Picknick vor dem Römer zu verstalten, nur einer der Sls oder Lls hat, glaube ich, darauf geantwortet und im Falle des Gewinns ein paar Flaschen Wein dazu stiften wollen. Sten Nadolny hat es aber bei seinem Bachmannpreis, glaube ich, wirklich getan.
Von den 2014 Longlist Büchern habe ich inzwischen das von Martin Lechner „Kleine Kassa“, Charles Lewinskys „Kastelau“, Lukas Bärfuß „Koala“ und Marlene Streeruwitz „Nachkommen“ gelesen.
Michael Köhlmeiers „Zwei Herren am Strand“ habe ich vor kurzem im Strand gefunden und steht noch auf meiner Leseliste.
Michael Ziegelwanger und Antonio Fian habe ich bei Lesungen aus ihren nominierten Büchern gehört, ebenso wie Sasa Stanisic „Vor dem Fest“ und Matthias Nawrat hat aus seinen „Unternehmern“ glaube ich in Klagenfurt gelesen.
Die anderen Bücher sind mir nach wie vor mehr oder weniger unbekannt.
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