Jetzt kommt noch kein Longlistenbuch, obwohl ich Steffen Kopetzkys „Risiko“ schon halb gelesen habe, sondern eines, das 2013 nicht darauf stand, obwohl es in den Blogs sehr besprochen wurde und ich es, glaube ich, vorige Pfingsten im „Bücherschrank“ fand.
Sarah Strickers „Fünf Kopeken“
Ein Leseexemplar, nicht vor dem sechszehnten August 2013 zu besprechen, also ziemlich genau zwei Jahre alt und in all dem neuen Longlisten- und Neuerscheinungstrouble wahrscheinlich schon vergessen, wenn es nicht eine TB-Ausgabe gibt, so daß, die, die es noch nicht kennen, nachlesen können.
Ein seltsames Buch würde ich fast sagen und bin, glaube ich, nicht so begeistert, wie die „Klappentexterin“ die das Fehlen auf der LL 2013 sehr bedauerte, eine eigentlich normale Geschichte, wäre sie nicht, ähnlich wie Tillmann Rammstedts „Kaiser von China“, meiner meiner Meinung nach, zu künstlich komisch aufgebläht und sehr abgehoben, wie es die Schreibeschulen warhrscheinlich haben wollen und alles, was nur möglich ist, in die Geschichte einer wahrscheinlich um Neunzehnhundertsechzig geborenen Frau, hineinstopfen.
„Meine Mutter war sehr häßlich. Alles andere hätte mein Großvater ihr nie erlaubt“, beginnt also diese Mutter Tochter Geschichte.
Von der Mutter erzählt, von der Tochter aufgeschrieben.
„Nie war Häßlichkeit schöner, Liebe nie gemeiner und Sprache selten solch sein Fest wie in Sarah Strickers fulminatem Debutroman“, steht im Klappentext und da ist also die fünfzigjährige namenlose Mutter, von ihrer unerfüllten Liebe wird sie ein paar Mal, glaube ich, „Buba“ und Schneider heißt sie auch, nach ihrem Vater, dem „Mode Schneider“, der war im Krieg Wehrmachtssoldat und in russischer Gegangenschaft und jetzt weiß er alles besser, ist der Haustyrann und tyrannisiert seine Frau, seine Tochter und die Angestellten in seinem Modegeschäft,etc.
Er ist auch ein bißchen schrullig, beziehungsweise wird er von Sarah Stricker in ihrer sehr direkten Art überzeichnet, will er doch aus seiner häßlichen Tochter unbedingt ein Wunderkind machen, die das auch ist, in allem die Beste und dadurch sehr einsam und so muß sie Klavierspielen, tanzen, singen und später natürlich Medizin studieren und im Geschäft mithelfen und wenn der Vater die Verkäuferinnen hinausgeschmissen hat, neue aussuchen, muß sie auch.
Sie muß auch, als sie vierzehn ist und das noch gar nicht will, auf eine Party gehen, der Vater zwingt sie dazu und haut ihr eine runter, als sie früher nach Hause kommt, weil sie es nicht mehr ausgehalten hat, statt sich wie er es wollte, zu amusieren.
Dann kommt die Wende und dem Großvater erzählt jemand, daß man im Osten die besten Geschäfte machen kann, so verlegt er seinen Laden, ohne die Familie zu fragen nach Berlin, die Tochter, die, die Geschichte, mit Fünfzig krebskrank und kurz vor ihrem Tod, der Ich-Erzählerin, die gerade als Journalistin angefangen hat, erzählt und von ihr aufgefordert wird, doch schon den Bestseller zu schreiben oder den „Kisch-Preis“ zu gewinnen, man sieht der Apfel fällt nicht weit vom stamm, weigert sich das erste Mal und redet dem Großvater ein, die Anforderungen an der Berliner Uni wären nicht so hoch, wie an der, wo sie studiert.
So befiehlt der Großvater ihr zu bleiben, holt sie aber bald nach, als die Schwägerin stirbt, denn er braucht Ersatz im Geschäft, so kommt sie und findet gleich einen Mann, der sie liebt und dem Großvater auch ein tüchtiger Geschäftspartner ist, die Großmutter, die in der Geschichte ein bißchen schlecht wegkommt, für ihre gute Küche loebt, aber die Mutter liebt ihn nicht, sondern verliebt sich in einen ukrainischen Juden, der ihr Nachbar ist und in einem portugiesischen Restaurant kocht.
Wie sie ihn kennenlernt, ist auch ein eher seltsames Kapitel. Sarah Stricker hat manchmal eine sehr langatmige Erzählweise, die nichts ausläßt, wo ich manchmal ausgestiegen bin und absurd ist auch einiges, was da passiert, wie die zu großen Unterhosen, die die Großmutter der Mutter aufdrängt.
Sie liegt dann mit ihrem Arno krank in der Wohnung, von der Wohnung oben kommt Lärm, sie geht hinauf, verliebt sich in Alex oder Sascha und erzählt ihm, daß sie eine Tochter namens Anna hat, dabei ist sie nicht einmal noch verheiratet, erzählt ihm auch, sie wäre Freseuse und müßte noch für ihr Examen lernen, denn sie ist auch eine Meisterin des Lügens. Das ist mir auch ein wenig überhöht und unverständlich, auch wenn es sich vielleicht lustig liest.
Aber während Arno sie liebt, tut das Alex nicht, behandelt sie schlecht, sie läuft ihn nach und vernachläßigt Arno und Alexander erzählt sie immer ihre Tochter wäre bei ihren Eltern.
Es kommt, wie es kommen muß, Alex verläßt sie, vorher hat sie Arno schon verlassen. Der kommt aber wieder zurück, aber jetzt will sie ihn nicht mehr, sondern das Kind, die Tochter Anna mit der sie schwanger ist, allein aufziehen, die Prüfungen durch die sie zuerst gefallen ist, holt sie mit Bravour nach, arbeitet eine Zeitlang, sowohl als Ärztin, als auch in dem Geschäft.
Später schupft sie nur noch den Modeladen, erkrankt würde ich jetzt einmal sagen, wegen all der hektischen Überforderung frühzeitig an Krebs, erzählt der Tochter in Eiltempo ihre Geschichte auch die von der fünf Kopekenmünze, die Alex ihr schenkte und stirbt.
Die Tochter trifft dann noch einen alten Antiquitätenhändler, der ihr eine solche Münze unter die Nase hält und sie traut sich nicht zu fragen, ob er Alex ist?
Ich würde das Ganze viel weniger überhöht, dafür aber realistischer erzählen, also das mit den Lügen weglassen und den Leistungsdruck, unter dem wahrscheinlich auch Sarah Stricker litt, die 1980 in Speyer geboren wurde, die deutsche Journalistenschule in München besuchte, für ihren Debutroman ausgezeichnet wurde und jetzt in Israel leben dürfte, weniger absurd und übertrieben darstellen.
Aber ich weiß schon, dann wäre es den Lesern zu banal und dann wollen sie es nicht lesen, wenn die Mutter der Protagonistin nur ein ganz gewöhnliches Mädchen und nicht von allem, die schönste, häßlichste, intelligenteste, etc wäre.