Jetzt gehts wieder zum Long-beziehungsweise Shortlistenlesen, allerdings zu dem von 2011, denn mit 2015 bin ich ja schon fertig und zwar zu Sibylle Lewitscharoffs „Blumenberg“ das ich in einer der offenen Bibliotheken fand.
Die 1954 in Stuttgart geborene „Büchnerpreis-Trägerin“, bulgsrischer Abstammung ist mir seit ihrer „Bachmannpreislesung“ ein Begriff.
„Pong“ mit dem sie damals gewonnen hat, habe ich nicht gelesen, wohl aber „Montgomery“, das ich bei einem der Büchertürme der „Lyrik im März“ fand und das mir ein wenig unverständlich schien.
So habe ich Sibylle Lewitscharoff, die ich auch einmal in Wien in der „Alten Schmiede“ kennenlernte, eingeschätzt und war als sie am „Blauen Sofa“ „Blumenberg vorstellte und erklärte, daß sie „Selbstmörder hassen würde“, erst einmal erstaunt, über ihre starken Worte.
„So was sagt man doch nicht!2
Damals wußte ich noch nicht, daß sich ihr Vater umgebracht hat, jetzt kann ichs verstehen, man sagts aber wahrscheinlich doch eher nur dem Therapeuten oder seinen Freunden denen man vertrauen kann, daß sie das nicht mißverstehen, außer man ist Schriftstellerin und ständig darauf geschult, das was man sagen und schreiben will, in den drastischsten Worten auszudrücken, weil das andere ja niemanden interessiert!
So deute ich es mir inzwischen, denn ich war über ihre scharfen Worte bezüglich „Amazon“ auf der „Buch-Wien“ auch etwas erstaunt und denke „Amazon“ ist zwar ein wahrscheinlich sehr geschäftstüchtiger Konzern, der keine Rücksicht auf seine Konkurrenten und Arbeitnehmer nimmt, er hat aber die „Selbstpublisher“ ein wenig aus der Schmuddelecke herausgebracht, ich publiziere meine Sachen dort zwar nicht, hasse den Konzern aber nicht, ich kaufe dort nur kaum ein, was ich allerdings auch nicht bei Anna Jeller tue, außer sie würde mir etwas um einen Euro in die Kiste legen.
Das hat aber auch noch niemanden gerührt, bei ihrer Rede über die Retortenbabies die „Halbwesen wären“, war das plötzlich anders. Da hat sich die Häme auf die Schriftstellerin gekippt. Sie wurde, glaube ich, „Dämliche schwäbische Hausfrau“ genannt, der man den Büchernerpreis wieder abnehmen sollte.
Sie hat es gelassen genommen und einen Krimi geschrieben, den ich dann in meinem „Schutzengelchen“ ein wenig verarbeitet habe.
Nun also „Blumenberg“, die Geschichte von dem Philosophen Hans Blumenberg, der in dem deutschen Städtchen Münster lehrte, wo er in den Neunzigerjahren verstorben ist, dem behauptete Sibylle Lewitscharoff, ist ein Löwe erschienen und führt das auf etwas über zweihundert Seiten aus und ich schreibe es gleich, das Buch und die Sprache haben mir sehr gut gefallen, wenn man auch nachträglich betrachtet, sagen könnte, sehr viel ist da nicht passiert!
Oder doch natürlich, der ganze Miff einer deutschen Kleinuniversitätsstadt mit ihren WGs und Nachkriegstraumatisierungen wird da gekonnt und sehr spannend aufgerollt.
Also Hans Blumenberg sitzt nachts in seinem Studierstübchen und sortiert seine Karteikarten, als der Löwe auftaucht, der verfolgt ihn auch in seine Vorlesungen. Außer ihm kann ihm nur eine alte Nonne sehen, seine Studenten, das Mädchen Isa, das immer in der ersten Reihe sitzt, Gerhard Baur, der in seine Sprechstunde kommt, der Außenseiter Hansi und auch Richard, der später nach Südamerika ausrückt und dort ermordet wird, aber nicht.
Hans Blumenberg führt, wie wahrscheinlich auch Kant, ein sehr geregeltes spartanisches Leben. Ach nein, er fährt einen Peugeot und da nimmt er einmal Isa, die in ihm verknallt ist mit, nimmt sie aber als Frau nicht wahr, sagt nur „Fräulein“ zu ihr und so legt sie ihm Blumen vor das Tor, die er nie bekommt, dann kleidet sie sich weiß, setzt sich aufs Fahhrad und läßt sich von einem Lastwagen der Firma Zapf überrollen.
Richard nimmt sich, wie schon geschrieben, zwei Jahre Auszeit, um nach Südamerika zu reisen, wird dort von der kindlichen Maria in die Falle gelockt und Gerhard wird nach Blumenbergs Tod Professor in einer anderen deutschen Stadt, Hansi wird verrückt, die Nonne stirbt, wie Blumenberg auch, der sich inzwischen an seinen Löwen gewöhnt hat und mit ihm sein Leben und seine Vergangenheit reflektiert und am Schluß treffen sich alle fünf in einer Höhle, um sich das Höhlengleichnis zu erzählen, sage ich nun einmal flapsig und habe mein Urteil über Sibylle Lewitscharoff revidiert.
Sie schreibt ein wenig schwülstig flapsig vielleicht, das aber sehr raffiniert und intelligent und konnte mit der etwas kitschigen Löwengeschichte, wie ich es nennen will, sehr scharf und klar das studentische deutsche Kleinstadtleben der Neunzehnhundertachtzigerjahre skizzieren, zumindest stelle ich mir vor, daß es so gewesen ist.
Von der LL 2011 habe ich „Verfahren„, „Der Hals der Giraffe“, „Die Schmerzmacherin“ und Eugen Ruges „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ gelesen, der auch der Preisträger war.