Literaturgefluester

2015-12-02

Dunkle Liebe eines wilden Geschlechts

Filed under: Bücher — jancak @ 08:57
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Jetzt kommt nicht das letzte, sondern das vorletzte Buch meiner Autorenkollegin Hilde Schmölzer, das sie mir zum vorigen Geburtstag brachte,  das schon 2013 erschienen ist.

Die angeblich oder auch tatsächlich inzestiöse  Beziehungn Georg Trakls zu seiner jüngeren Schwester Margarete, die man in seinen Gedichten vermuten kann.

Jetzt bin ich eigentlich nicht der Auffassung, daß das Private, wie beispielsweise Dave Egger in seinem „Circle“, den ich kürzlich gelesen habe, aufzeigt „Diebstahl“ sei und man mit  einer Kamera um den Hals herumlaufen soll, um alles „dunkle und geheime“ ans Licht zu bringen und denke, daß man eher Trakls Gedichte lesen soll, als Geheimnisse aufzuspüren, die vor mehr als hundert Jahren geschehen sind, aber Hilde Schmölzers Buch gibt einen sehr genauen Einblick in das Leben, des sehr früh verstorbenen Dichters und überhaupt in das Leben vor hundert Jahren in der Provinzstadt Salzburg oder der K und K Stadt Wien und was das Geheime und Verworrene betrifft, merkt sie auch öfter an, daß das letztlich im Dunklen bleiben wird und wahrscheinlich auch soll, füge ich hinzu.

Ich kenne Georg Trakl,  1887- 1914, muß ich gleich anmerken, hauptsächlich durch den „Trakl-Preis“, den 1999 Elfriede Gerstl gemeinsam mit den“ Fried Preis“ bekommen hat , bin, als ich in den Neunzehnsiebzigerjahren einen  in einem Sommer in Salzburg war, auch beim „Trakl-Haus“ vorbei oder hineingegangen, sonst weiß ich aber wenig über den Lyriker und habe ihn bis vor kurzem auch, glaube ich, mit Gottfried Benn verwechselt.

Also habe ich Hilde Schmölzers Bemühen Licht in das Leben von Frauen, um berühmte Männer zu bringen, sehr zu danken, wenn ich auch glaube, daß es mehr um die Gedichte, als um die Spekulationen dahinter gehen sollte.

Das Buch ist in vier Kapitel: Kindheit, Jugend, Reifezeit, Tod gegliedert und beginnt mit den Eltern Trakls, Tobias und Maria.

Maria war eine geschiedene Frau mit einem außerehelichen Kind, schwermütig depressiv, drogenabhängig, wie Hilde Schmölzer schreibt und einmal glaube ich, Opium erwähnt.

Der Vater Geschäftsmann in Salzburg, es gab noch einige ältere Geschwister und die wurden von einer französischen Gouvernante aufgezogen. Die zehnjährige Grete wurde dann aber nach St. Pölten zu den englischen Fräuleins und später in eine Klosterschule nach Wien gegeben.

Hilde Schmölzer hat da mit einer über neunzigjährigen Nonne gresprochen und schildert genau, wie hart und unerfreulich, das Klosterleben der kleinen Mädchen damals war.

Der Bruder hat, glaube ich, das Gymnasium abgebrochen, früh zu dichten angegefangen, dann eine Apothekenlehre gemacht und ist  gemeinsam mit seiner Schwester nach Wien gegeangen, dort hat er Pharmazie, sie Klavier studiert. Der Bruder labil, depressiv, psychotisch, kontakt- und menschenscheu, schreibt Hilde Schmölzer an mehreren Stellen, Drogen- und Alkoholabhängig, hat auch die Schwester in Kontakt mit Alkohol und Drogen gebracht.

Sie hat ihr Studium auch mehrmals abgebrochen, ist nach Berlin gegangen und hat dort einen wesentlich älteren Mann geheiratet.

Da sie noch unmündig war, haben die Mutter und ihr Vormund, Wilhelm Trakl, diese Ehe auch verhindern wollen. Sie hat sich aber durchgesetzt, was aber nicht gut gewesen schien, hat Arthur Lange, statt, wie er versprach, ihr Studium zu finanzieren, nur ihr Geld durchgebracht und die Ehe wurde auch bald geschieden.

Georg Trakl scheint so schüchtern gewesen zu sein, daß er einen Freund mit der Herausgabe seiner Gedichte betraute, er kam dann bald auch in den „Brenner-Kreis“, eine damals sehr bedeutende Literaturzeitschrift, die von Ludwig von Ficker in Innsbruck herausgegeben wurde.

Nach Innsbruck ist er nach seinem Studium auch gezogen, hat mehrmals versucht im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen, das heißt, als Apotheker in mehreren Ministerien zu arbeiten und hat sich  1914 freiwillig, obwohl er, wie Hilde Schmölzer schreibt, weniger kriegseuphorisch, als andere seiner Zeitgenossen war, in den Krieg gemeldet.

Er kam nach Gallizien und mußte dann in einer Scheune neunzig Schwerstverwundeten beisstehen, was ihn überforderte.

Es kam zu einem Selbstmordversuch, er kam in ein Kriegsspital nach Krakau, wo er sich durch Kokain, 1914 das Leben nahm.

Auch das ist nicht ganz bewiesen, ob es wirklichn Selbstmord  war.  Er vererbte seiner Schwester Grete sein Vermögen, das er vorher durch eine Schenkung von Ludwig Wittgenstein bekommen hat.

Zum Zeitpunkt seines Todes war erst ein Gedichtband erschienen, der zweite  „Sebastian im Traum“ erschien 2015. Er ist im Gegensatz zum Wunsch seiner Familie, in Innsbruck, statt in Salzburg begraben.

Das Grab seiner Schwester, die sich drei Jahre später, 1917, das Leben nahm, ist dagegen unbekant.

Von ihr gibt es auch nur wenige Fotografien, eine davon ziert das Titelbild  und Hilde Schmölzer führt, wie es, glaube ich, auch schon Virgina Woolf getan hat, die Phantasie weiter, was aus Margarete Trakl geworden wäre, wenn sie die gleichen Möglichkeiten wie ihr Bruder gehabt hätte?

Aber der ist auch sehr jung gestorben, sein Name allerdings in aller Munde, wenn auch die meisten wahrscheinlich seine Gedichte, die expressionistisch und wahrscheinlich aus ihrer Zeit zu verstehen sind, nicht gelesen haben.

Das Schicksal einer bürglichen Frau um Neunzehnhundert war aber wahrscheinlich nicht sehr erfreulich.

Margarete Trakl hat auszubrechen und zu studieren versucht. Sie war, wie Hilde Schmölzer vermutet, hoch musikalisch, wollte Komponistin werden. Aber das war zu damaliger Zeit unmöglich. So ist sie völlig verarmt und verschuldet, in einem Berliner Hotel verstorben. Die Familie hat sich, wie Hilde Schmölzer vermutet, ihrer geschämt. Die „Brenner Gesellschaft“ wollte den Ruf des berühmten Bruders rein halten. So wurde sie vielleicht zu seiner Verführerin stilisiert. Schuldgefühle scheinen beide gehabt zu haben und der Weltkrieg I hat die Gesellschaft auch sehr verrüttet und das, was danach geschehen ist, ist auch nicht viel erfreulicher und ich denke, wenn ich die Bücher der heute schreibenden junge Frauen, wie beispielsweise das von Helene Hegemann oder Ekatharina Heider lese, daß es die auch nicht viel leichter haben, auch wenn sie problemlos studieren können und es einige von ihnen sogar zum Bachmannpreis schaffen.

2015-12-01

Der neunte Ohrenschmaus

Hans-Martin Hiltner, Beate Hennenberg

Hans-Martin Hiltner, Beate Hennenberg

Peter Gstöttmaier

Peter Gstöttmaier

Den „Ohrenschmaus“ „Literaturpreis für und von Menschen mit Lernschwierigkeiten“, der von Franz Joseph Huainigg initieert wurde, gibt es seit 2007 und seither habe ich die Ehre in der Jury zu sein und Jahr für Jahr viele schöne Texte von Menschen mit „Down-Syndrom“ oder anderen mentalen Beeinträchtigungen durchzulesen.

Etwa hundertfünfzig werden da Jahr für Jahr eingereicht, Franzobel, Barbara Rett, Heinz Janisch, Ludwig Laher, Felix Mitterer sind derzeit in der Jury, es waren schon Friedl Hofbauer, Kurt Palm und Niki Glattauer dabei und die Preisverleihung findet immer Ende November, Anfang Dezember 2007 im Literaturhaus und ab 2008 im Museumsquartier statt und ist immer ein festlichesEvent, das sich inzwischen schon sehr gut eingespielt hat.

„Ohrenschmaus-Familie“ nennen es die Moderatoren Dani Linzer und Ronny Pfennigbauer, auch schon ein eingespieltes Team und man sieht tatsächlich oft bekannte Gesichter auf der Ehrenliste oder bei den Preisträgern.

2007 hat ja unter anderen Renate Gradwohl aus der Steiermark mit ihrem Gedicht „Der böse Gerhard“ gewonnen, das dann auch auf der „Zotter-Schokolade“ war, deren Sprache mich sehr stark an Ernst Jandl erinnerte.

Silvia Hochmüller

Silvia Hochmüller

Eva Jancak

Eva Jancak

Michaela König, die mich zu der „Mimi“ inspirierte habe ich durch den „Ohrenschmaus“ kennengelenrt.

David Sylvester Marek, der 2010 den Prosapreis gewonnen ist mit seinen prägnaten Texten über Lena Raubkatze und David Bergretter immer wieder bei den Einreichern, sowie der 1962 geborene Oberösterreicher Peter Gstöttmeier, für den ich 2011 die Laudatio für seinen Text  „Söbständi“ gehalten habe.

Jahr für Jahr ist er mit seinen schönen Mundarttexten über seine Mutter, Weihnachten oder das Kochen auf die Ehrenliste gekommen und das letzte Jahr kam sein Gedicht „Mama is ned beinand“ auf die Zotter-Schokolade, so daß ich bei meinen Juryvorschlägen im Oktober ersteinmal auf andere Einreichungen tippte, aber „um Peter Gstöttmeier kommt man nicht herum“, habe ich in meiner heurigen Laudatio geschrieben, war er heuer mit seinen kurzen prägnanten Mundarttexten wieder bei den Hauptgewinnern.

Die Kategorien Lyrik, Prosa, Lebensbericht haben wir inzwischen fallen gefallen und vergeben die drei Hauptpreise gattungsunabhängig und ein eher kurzer Text kommt dann auf die Schokolade.

Felix Mitterer

Felix Mitterer

Heinz Janisch

Heinz Janisch

Die Preisverleihung war heute ab sechs wieder gewohnt feierlich. Nach der Begrüßung wurden die Texte der sogenannten Ehrenliste von den Schauspielern Julia Jelinek und David Oberkogler gelesen.

Auch da schon bekannte Gesichter, so war Ruth Obermayr schon einmal bei den Hauptpreisträgern, Herbert Schinko mit seinem Text „Die Stille“ habe ich schongekannt, sehr prägnant Klaus Willners „Angst“ und Christian Kargls „Der Mensch Chr. K.“

Dann kam schon ich mit meiner Laudatio auf Peter Gstöttmeier für seinen Text „dössöbi“

Ludwig Laher

Ludwig Laher

Evelyn Pammer, Franz-Joseph Huainigg

Evelyn Pammer, Franz-Joseph Huainigg

„mama

sogt ollwei

dössöbi

jeden tog

ruaf ih on

mama sogt ollwei

dössöbi

und

ollwei ruaf

ih sie wieder on

Der zweite Preis für den Felix Mitterer die Laudatio hielt, war von den in Leipzig geborenen oder lebenden  Hans- Martin Hiltner „Was mir durch den Kopf geht und was ich mit Hilfe aufschreiben möchte“, der das  Leben eines Menschen schildert, dem einmal sogar der Besuch der Schule verwehrt wurde.

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„Ich heiße Hans-Martin und bin ein fröhlicher Mensch. Ist das Leben nicht schön?“

Dann kam eine Showeinlage der inklusiven Band „all stars inklusive“ und dann folgte die Laudatio von Heinz Janisch auf Silvia Hochmüller und ihren Text „Die Seele“

„Meine Seele läuft immer davon. Das merke ich, das krieg ich mit. Ich hole sie mir wieder zurück. Nächste Woche“. Dann kam  der Text für die Zotterschokolade, „See“ der von Johanna Maria Ott eine weitgereiste Frau mit komplexen Mehrfachbehinderungen stammte, für den Ludwig Laher, die Laudatio hielt.

Dann folgte das Gruppenfotos, noch einmal Musik und das Buffet und das nächste Jahr, wo der „Ohrenschmaus“ dann zum zehnten Mal vergeben wird, wird es eine Öffnung hin zur „Buch-Wien“ und wahrscheinlich noch einige Veränderungen geben.

Wir sind nach der Preisverleihung noch ein bißchen nach nebenan in den „Shop der komischen Künste“ gegangen. Denn da wurde schon das neue Jahr mit Sekt, Knallfröschen und Donauwalzer gefeiert und ein Buch vorgestellt, da ich auch hier demnächst präsentieren werde.

Und hier das „Ohrenschmaus-Archiv“: 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014

 

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