„Das ist Prosa, die mich in höchstem Maße fasziniert (…) Ich empfehle dieses Buch voll und ganz“, sagte Marcel Reich-Ranicki im „Literarischen Quartett“ über Elke Schmitters 2000 erschienenen Debutroman.
„Emma Bovary“ wird am Buchrücken meines dtv-aschenbüchleins, ein Fund aus dem offenen Bücherschrank, auch erwähnt und ich kann, während des vierzigsten Bachmannpreises wieder einmal nachvollziehen, was die Kritiker für große Literatur halten.
Das Buch, der 1961 in Krefeld geborenen Autorin und Journalistin, die auch einmal bei der Buch-Wien Gastschreiberin und bei „Mimikry“ Gastgeberin war, hat mir, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, gut gefallen, wenn es mir auch manchmal etwas konstruiert erschien.
Ein moderner Ehebruchroman, nach Effie Briest und Madame Bovary könnte man in etwa sagen oder auch nicht, denn irgendwie ist es auch ganz anders und so modern ist der Roman auch gar nicht, ist Frau Sartoris Mann Ernst doch ein Kriegsversehrter und so dürfte der Roman, wenn die Helden zwischen vierzig und fünfzig ist, in den Sechziger- oder frühen Siebzigerjahren spielen.
In kurzen, nicht chronolisch zusammenhängenden Abschnitten, erzählt die Ich Erzählerin ihr Leben, das in einer deutschen, L., genannten Kleinstadt spielt.
Es gibt eine Rahmenhandlung, so beginnt es mit dem Alkoholkonsum der Heldin, die von ihrem Mann und der Schwiegermutter zu einem Neurologen oder Psychiater geschickt wird. Dann geht es in die Kindheit und in die erste Liebe, einen Philip, der sie, weil aus besseren Verhältnissen, verlassen hat.
Da hörte sie auf zu sprechen, war einige Zeit in einem Sanatorium, dann kam sie heraus und heiratete aus Trotz oder Rache den kriegsversehrten Ernst, noch bevor Philip seine Braut aus besseren Kreisen ehelichte.
Das Paar lebt mit der Schwiegermutter namens Irmi zusammen und Frau Sartoris, hat sie einen Vornamen?, liebt ihn nicht, bekommt ein Kind namens Daniela, zu dem sie auch keine Beziehung aufbaut und sogar im Kreißsaal, die Hebamme fragt, ob das keine Verwechslung ist?
Sie arbeitet in einem Büro, bezieht mit Ernst und Irmi ein Reihenhäuschen, es gibt Skatabende und auch Kulturveranstaltungen. Bei einer solchen lernt sie den örtlichen Kulturamtsleiter kennen, verliebt sich in ihn oder läßt sich von ihm verführen und eine wilde Zeit, immer ein paar abgestohlenene Stunden in einem Hotel in den benachtbarten größeren Städten mit Sekt und Dessous im Kerzenschein beginnt. Einmal treiben sie es sogar im Museum in einer Kutsche, während draußen die Besucher vorbeimarschieren und überlegen, ob sie nicht die Kutsche von innen besichtigen sollen?
Man sieht, Elke Schmitters ist sehr orginell und dann tauchen immer wieder Passagen auf, die von einer Fahrerflucht und einem niedergefahrenen Toten handeln und zuerst ist man verwirrt und sieht keinen Zusammenhang.
Denn Daniela ist einmal dreizehn, dann wieder achtzehn, steht kurz vor ihrem Abitur oder fährt danach auf Klassenreise nach Tirol. Vorher kommt sie nächtelang nicht nach Haus, Frau Sartoris aber auch nicht, so daß Ernst schon mißtrauisch wird und von einer Flucht in ein neues Leben schwärmen die Beiden, Frau Sartoris und der Kulturamtsleiter, der eigentlich Theaterwissenschaftler ist, auch.
So packt sie ihre Koffer, steht nachts um zwei auf, schreibt Ernst einen Abschiedsbrief, setzt sich ins Auto, fährt an eine Tankstelle bei der Autobahn, wo ihr später dann die Tankwartin erzählt, daß sich die Polizei bei ihr wegen der Fahrerflucht erkundigt hat und wartet auf ihren Michael, um mit ihm nach Venedig zu fahren, der aber nicht kommt.
Sie wartet zwei Stunden, dann fährt sie zurück, sieht Licht im Haus. Ernst sitzt in der Küche und hat den Abschiedsbrief aufgemacht.
Das Leben geht weiter, Michael nicht ans Telefon, Ernst beginnt sie zu demütigen und ihre Unterwäsche in den Mistkübel zu schmeißen, sie fängt zu trinken an und findet beim Psychiater, eine Freundin namens Renate mit der sie auf Partnersuche geht.
Das heißt Renate sucht einen Mann, sie sitzt dabei und sieht auf einmal Daniela im aufreizenden Kleidchen mit einem stadtbekannten Bordellbesitzer, die Bar betreten. Sie macht ihm Vorhaltungen, da Daniela noch nicht volljährig ist. Er lacht sie aus, die Tochter tut das auch und später kommt die Poliztei zu ihr, denn der Überfahrene ist natürlich der Bordellbesitzer und die Polizei hat Danielas Nacktfotos, sie posiert in Hundestellung und mit Stofftierchen im Mund, gefunden und soll aussagen.
Überfahren hat ihn aber Frau Sartoris aus Rache an ihm oder an allen Männer, die Frauen das verführen und sie dann verlassen.
„So war das!“, lautet der letzte Satz, der in diesen Fall auch erstaunlich ist, des Romans „über eine Ehebrecherin aus der deutschen Provinz“, wie auch noch am Buchrücken steht.
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