Von Buch fünf der „Shortlist des Blogger-Debutpreises“ habe ich schon im oder vor dem Sommer, als ich mich gerade mit der Longlist des dBp beschäftigt und geraten habe, was da wohl darauf stehen wird, gehört, hat doch Tobias Nazemis Shida Bazyars „Nachts ist es leise in Teheran“ sehr gelobt und ihre Sprache mit der von Valerie Fritsch verglichen.
Nun wissen meine Leser höchstwahrscheinlich, daß ich es mit den Sprachräuschen nicht so sehr habe und Valerie Fritschs“Winters Garten“, die ich ja an sich für ein großes Talent halte, ein wenig kitschig fand.
Dann gab es bei Tobias Nazemi, dem Schwärmer, noch ein Interview, das er mit der 1988 in Deutschland geborenen Tochter iranischer Eltern, die in Hildesheim studierte und 2012 im Klagenfurter Literaturkurs war, führte, in dem sie betonte, daß ihr die Sprache, wichtiger, als der Plot wäre und ich dachte höchstwahrscheinlich „Uje schon wieder!“, war aber interessiert und habe das Buch, bei meinen Herbstleseplanartikel auch erwähnt, es ist aber entgegen Tobias Nazemis Vermutung nicht auf die Longlist gekommen und ich war ersteinmal mit anderen beschäftigt, habe ich ja fast die gesamte deutsche LL, die halbe österreichische und dann noch die drei österreichischen Debutanwärter gelesen und da war ich ja voll überzeugt, daß Katharina Winkler den Debutpreis gewinnen wird und daß das Buch, weil „Suhrkamp“, da ein wenig spräöde war, im Rahmen des „Alpha“, den sie natürlich auch gewinnen wird, zu mirkommt.
Sie hat nicht gewonnen und das Buch ist zu mir gekommen, den öst. Debutpreis hat Friederike Gösweiner bekommen, die ja auch auf der Longlist des „Blogger-Debuts“ gestanden ist, bei der ich ja sehr überraschend und in letzter Minute dazugekommen, auch mitjuriere und so habe ich jetzt nach „Blauschmuck“, „Weißblende“ meine beiden Favoriten, bei denen mir bei beiden etwas fehlte, auch den Roman über eine persische Flüchtlingsfamilie, einer jungen Nachwuschsautorin, die auch im Sozialbereich tätig ist, gelesen.
Ein Thema das ja einigen Bloggern auf der dBp Liste fehlte, eines, das mich während des letzten Jahrens beim eigenen Schreiben stark beschäftigte, da habe ich mich ja in der sogenannten Flüchtlingtrilogie mit der jungen Syrierin Fatma Challaki beschäftigt, die mich ja auch in den „Berührungen“ nicht wirklich losgelassen hat.
Der 1963 geborene Exilungar Akos Doma hat sich in seinem auf die Longlist gekommenen „Weg der Wünsche“ mit diesem Thema beschäftigt und beschreibt darin, die Flucht nach Deutschland einer ungarischen Familie, die bei den Kritiker nicht so besonders gut weggekommen ist.
Die Sprache sei nicht besonders, hat, glaube ich, Marina Büttner gefunden, hier ist es anders und ich sage es gleich vorweg, es waren keine Sprachräusche, die mich bei diesem Buch erwarteten, sondern eine sehr sehr dichte Schilderung des Leben in Teheran und das der Exil-Irander in Deutschland während der letzten vierzig Jahre und der damit verbundenen politischen Veränderungen.
An Hand einer Familie, Behsad, Nahid, Laleh, Morad, Tara und in vier Abschnitten, die von 1979 bis 2009 und dann noch, glaube ich, ein bißchen in die Zukunft führen, tut die junge Autorin das und ihr ist dabei das Kunststück gefunden, in jedem Kapitel einen ganz besonderen Ton zu finden, dier die Veränderungen sehr eindeutig beschreiben.
Da geht es zum Beispiel in das Jahr 1979 nach Teheran, der Schah wurde gerade verjagt und der junge Kommunist Behsad, wird von den Frauen der Familie, der Mutter, den Tanten, etcetera aus der Küche geschickt, weil die sich während des Kochens unterhalten wollen und dabei keinen Mann brauchen können.
Er ist in die schöne Literaturstudentin Nahid verliebt, die er bei den revolutionären Versammlungen trifft, er wird mit seinen Freunden zur Revolution aufs Land geschickt, ein Freund wird dabei verhaftet, so begibt er sich später mit seiner Frau und den zwei schon geborenen Kindern ins Exil nach Deutschland und dort triffen wir, zehn Jahre später Nahid wieder, die diesen Teil erzählt.
Die Flüchtlingslager sind überstanden, es gibt die erste kleine, dann die spätere größere Wohnung, die Kinder sprechen schon viel besser Deutsch, wie die Mutter, der von den wohlwollenden Nachbarinnen, ein Studium nahegelegt wird.
Die Nachbarinnen sind freundlich und stricken Pullover für die Kinder und Nahid sitzt da und fühlt sich fremd, versteht vieles nicht, kommt mit den Höflichkeiten nicht zurecht, will keine Almosen und Hilfen, kann sie dennoch nicht ablehnen und die Sorge, um die Familie und die Freunde in Teheran, die jetzt die Ayatollahs über sich ergeben lassen müssen, verhaftet werden und verschwinden, breitet sich auch über all dem aus.
Wieder zehn Jahre später geht es zurück in den Iran, Nahid, die ihr Politikwissenschaftsstudium inzwischen abgeschlossen hat, fliegt mit den beiden Töchter der sechzehnjährigen Laleh und dem Nesthäkchen Tara, schon in Deutschland geboren, auf Verwandtenbesuch, Mo der Bruder hat ein anderes Ferienziel, der Vater darf oder traut sich nicht, weil er verhaftet werden könnte.
Laleh, die sechzehnjährige, die in der Schule bei den Politspielen immer die Rolle des Irans übernehmen muß, erzählt diesen Teil und schildert, wie man für die Fotoaufnahmen für das Visum, ein Kopftuch aufsetzen muß, es verrutscht und alle lachen. Nehads Manto, der, der die Arme und die Schultern züchtig verdeckt, wahrscheinlich der, mit dem sie damals ausreiste, ist inzwischen altmodisch geworden und die Familie, die Tanten und Cousinen lachen nach der Ankunft darüber. Geschenke werden ausgepackt, die Frauen gehen zum Friseur und zur Kosmetikerin und die hat eine so aufgebauschte Frisur, daß man sich gar nicht vorstellen kann, wie das auf der Straße vorgeschriebene Kopftuch darauf passte.
Das alles sieht und erlebt die Sechzehnjährige, die von Cousins und Freunden der Familie angerufen wird, die sie gar nicht kennt und zur Witwe von Behsad Freund Peyman, der in den Wirren umgekommen ist, auf Besuch gehen muß.
In einer Milchbar unterhalten sich dann die Jugendlichen und wieder zehn Jahre später, wird Laleh schwanger sein, während Morad oder Mo, wie er genannt wird, sich in seiner Sutdenten-WG, in die halb Ägypterin Maryam verliebt von ihr auf eine Demonstration gegen die Studiengebüren geschleppt wird, während sich in Teheran gerade die grüne Revolution mit Demonstrationen und Aufständen nach der Wahl von Ahmadinedschad abspielt, die bekommt er nur über Facebook und You Tube oder aus den Erzählungen seiner Eltern und seiner Schwester Tara mit, denn Mo ist eigentlich unpolitisch und eigentlich an dem Iran seiner Vorfahren nicht besonders interessiert.
Jedes dieser Kapitel ist in einem anderen Ton geschrieben und das ist, glaube ich, die Sprachkunst der Shida Bazyar, die dazu keine Worträusche braucht und Kunstsprache braucht, sondern eigentlich recht einfach und und schlicht daherkommt und meiner Meinung nach geht es in dem Buch vorwiegend, um den Inhalt, obwohl es stimmt, daß es keinen Plot mit Höhepunkten und Spannungsbögen hat, sondern die Gefühle und die Identitätsverwirrungen einer entwurzelten Familie erzählt, die höchstwahrscheinlich auch sehr viel Autobiografiesches hat, auch wenn es, um eine erfundene Familie geht.
Am Schluß gibt es ein Glossar, in dem auch die Wendungen erklärt werden, die immer wieder vorkommen und die wieder sehr dicht das sprachliche Doppel oder auch Sprachlosigkeit, der in Deutschland lebenden „Ausländer“ zeigen, bei denen die Großmutter exra langsam sprechen muß, damit sie von ihren Enkel verstanden wird.
Ein poetisch dichtes Bild, das in das Leben einer iranisch-deutschen Familie sehr anschaulich hineinführt und die dazu keine Kunstsprache, wie beispielsweise Katharina Winkler für ihre Protagonistin braucht, es reicht, daß jeder in dem Buch, anders denkt und spricht.
Der Vater hat noch die persische Tradition, die Mutter, die Abwehr, von den ach so freundlichen Deutschen, die sie gar nicht so freundlich empfindet, nicht übernommen zu werden, die älteste Tochter ist aufmüpfig und neugierig, der Sohn eher ahnungslos und die jüngste Tochter wird vielleicht noch einmal zehn Jahre später, für eine Woche ihr Internet abschlalten und dann, während sie mit ihrer inzwischen schon erwachsenen Nichte im Auto fährt, vom Sieg der iranischen Revolution überrascht werden, die die die Familie vielleicht wieder zurück in ihre Heimat bringen kann, die, sie, füge ich hinzu, am Ende gar nicht mehr finden wird, denn vierzig Jahre Aufenthalt in Deutschland haben einen wohl geprägt und verändert und ich habe, ähnlich wie in dem Buch von Deva Manickavasagan einen kleinen Einblick in das Leben fremder Kulturen und seiner revolutionären Veränderung bekommen und außerdem meine persönliche Favoritin für den Blogger Debutpreis gefunden, weil für mich neben der Sprache, auch der Inhalt sehr wichtig ist.