Es war ein stürmischer Tag, der Himmel leicht bedeckt, Wolken waren zu sehen, so als würde es jederzeit zu regnen beginnen. Keine gute Aussichtslage, um die Fenster iherer kleinen Wohnung zu putzen. Die Hauswirtschaftslehrerein, des Institutes für höhere Frauenberufe, das sie einmal, es war schon länger her, besucht hatte, würde es ihr wohl energisch davon abraten.
Frau Professor Hödelmoser war aber nicht anwesend und höchstwahrscheinlich schon längst in Pension, wenn vielleicht nicht sogar gestorben und sie für sich selbst verantwortlich.
Für sie und ihre Fenster und Hauswirtschaft war nicht ihr Hauptberuf. Nicht der Brotberuf, sondern nur ihr Hobby oder nennen wir es besser, Notwendigkeit ihre Wohnung in Schuß zu halten. Aufzuräumen, kochen und heute hatte sie sich vorgenommen, die Fenster zu putzen, obwohl das Wetter nicht das beste war.
Aber sei es, wie es war. Sie hatte es sich vorgenomme oder sagen wir, sie hatte es in ihrem Kalender eingetragen und da sie es gewohnt war, ihre Aufgaben diesbezüglich kontinuierlich abzuarbeiten, um solcherart ihren Tagesplan zu erfüllen, schaute sie nur noch einmal prüfend durch die Terrassentür auf den kleinen Garten.
Dann ging sie auf das Klo, wo der rote Plastikkübel aufbwahrt wurde, trug ihn in die Küche und drehte das Warmwasser auf. Ein paar der älteren Geschirrtücher aus dem dafür vorgesehenen Küchenregal nehmen. Ein Wasserschwämmchen vorbereiten und dann den vollgefüllten Plastikkübel zum Küchenfester tragen.
Damit wollte sie beginnen. Dann die Terrassentür, die sich im Wohnzimmer befand. Dann gab es noch das Schlafzimmer, das auf die kleine Straße auf der gegenüberliegenden Seite hinausführte und das war interessant. Darauf freute sie sich besonders, bei ihrer Haushaltsarbeit, war sie doch nur im Nebenberuf Hausfrau, im Hauptberuf aber Schriftstellerin oder Autorin.
Freie Übersetzerin konnte man ihre Brotberufstätigkeit auch nennen und solcherart hatte sie, um ein Stipendium angesucht, um das sogenannte „Joseph Roth-Stipendium“, das für die literarische Übersetzungsarbeiten vorgesehen war und ein diesbezügliches Symposium hatte sie gestern und vorgestern im hiesgen Literaturhaus auch besucht. Deshalb war trotz des ungeeigneten Wetters nur heute Zeit für ihre Hausarbeit und zweitens war es interessant, beim monotonen Fensterputzen, das sie schon in der Haushaltungssschule nicht besonders leiden hatte könne, auf die kleine Straße hinauszusehen und das vor ihr liegende Alltagsleben zu beobachten.
Für eine Schriftstellerin oder freiberufliche Autorin war das, wie sie in diversen Schreibseminaren gehört und erfahren hatte, ganz besonders interessant. Hobbyautorin wollte sie sich nicht nennen. Fand sie doch diese Bezeichnung für nicht besonders stimmig, obwohl, wenn sie sich nicht irrte, der Typ in dem rotbraun gestreiften Wollpullover mit dem berühmten drei oder war es schon ein Fünftagebart, dem sie gestern am Buffettisch gegenübgestand, dafür gehalten hatte.
Ein wenig verächtlich hatte er sie gemustert oder war das nur ihr persönlicher hypersensibler und übertriebener Eindruck, da sie sich von ihm ein wenig abgelehnt und nicht für voll genommen, gefühlt hatte?
Mag sein, sie wußte das nicht so genau und hatte sich nun auch entschlossen, die nicht so sehr geliebte Hausarbeit zur Steigerung der Motivation mit dem Schlafzimmer fenster zu beginnen. Dann gab es noch das sich nebenan befindende kleine Arbeitszimmer, das auch auf die Straße hinausführte.
Damit würde sie weitermachen und sich erst danach dem Küchenfester und der Terrassentüre widmen, dachte sie voll gewollter Euphorie, schnappte Plastikkübel, Wettex-Schwämmchen, sowie die drei Geschirrtücher und stellte den Kübel auf das kleine Tischchen ab, das sich unter dem Schlafzimmerfenster befand. Dieses aufgemacht, auf einen kleinen Schemel gestiegen und hinausgeschaut.
Draußen war es ruhig. Nur bei der Gerageneinfahrt des gegenüberliegenden Hauses, in dem sich eine Notariatskanzlei befand, stand eine Dreiergruppe, zwei Männer und eine Frau, die sich gestikulierend miteinander unterhielten und dicht vor ihrem nun geöffneten Fenster ging eine ältere Dame mit einem Dackel vorüber, die skeptisch zu ihr hoch und in ihr Zimmer schielte.
Aufgeatmet oder aufgeseufzt und dann entschlossen das Wettex-Schwämmchen in das inzwischen schaumangereicherte Wasser getaucht. Auf den Schemel gestiegen, mit der ungeliebten Hausarbeit beginnen und dabei mit ihren Gedanken weitermachen und solcherart sich daran zu erinnern, was der Typ mit dem rotbraungestreiften Pullover gestern zu ihr sagte, der sie offenbar für eine Hobbyautorin gehalten und dabei den wunden Punkt getroffen hatte.
Denn sie war zusammengezuckt, hatte abwehrend ihr Rotweinglas erhoben und versucht sehr energisch mit empörter Stimme: „Ach, nein, Sie irren sich, ich bin eine Stipendiatin und habe sogar schon Joseph Roth übersetzt!“, zu antworten.
Was, wie sie leider merken mußte, bei ihm nicht sehr viel Eindruck machte, denn er hatte mit der weißen Plastikgabel nur in seinen Teller auf dem sich einige Jourgebäcksemmerln, zwei Schnitzelstückchen und ein paar gebackene Champignons und Emmentalerscheiben, die es am Fingerfoodbuffet gegeben hatte, herumgeschoben. Dann hatte er auf und sie angesehen, sowie gefragt, ob sie seine Schnitzelstücke wolle, was bei ihr zu weiterer Abwehr geführt hatte.
„Nein, danke, die müssen Sie schon selber essen! Sie können sie ja, wenn Sie es hier nicht schafen, zum morgigen Frühstück verzehren!“, gekontert, was ihm wieder empört zu haben schien. Denn er hatte sein Herumstochern unterbrochen, die Plastikgabel hochgehalten und skeptisch in ihre Richtung geschaut.
„Ach, wirklich, Sie sind Stipendiatin, ich hätte Sie für eine Hobbyautorin gehalten?“, hatte er gesagt, was sie jetzt noch so empörte, daß sie tief mit ihrem Schwämmchen in das warme Schaumwasser tauchte und damit energisch über die Schlafzimmerfensterscheibe fuhr.
„Fleißig, fleißig, passen Sie nur auf, daß es nicht zu regnen beginnt!“, hörte sie die Stimme des nächsten vorüberschlendernden Passanten zu ihr sagen, was wieder an ihrer Kompentenz und ihrem Selbstbewußtsein nagte und sie noch einmal enegisch den Kopf schütteln ließ.
Jetzt fuhr sie energisch mit dem Schwämmchen über die Fensterscheibe. Gestern hatte sie in ihrer Handtasche gekramt und dem Dreitagebarttypen ihre letzte Publikation entgegengehalten, das zu ihrem Bedauern noch nicht übersetzt war. Weder auf Ukrainisch, Polnisch oder sogar in das jetzt ungeliebte Russisch, hatte sich bis jetzt ein literarischer Übersetzer gefunden, der ihre Sommererzählung in seine Landessprache übertragen wollte. Das hatte nur einmal ein bosnischer Stipendiat mit einem ihrer früheren Bücher versuchen wollen und dann darauf vergessen oder war das dafür eingereichte Stipendium nicht zutandegekommen?
Sie wußte es nicht, hatte aber gestern, den ungläubigen Typen energisch ihr Buch entgegengestreckt und ihm erklärt, daß das ihre letzte Veröffentlichung wäre.
„Wollen Sie sich sie ansehen!“, hatte sie etwas provokant gefragt. Er hatte aber nur abwehrend den Kopf geschüttelt und noch einmal mit aller Skepsis „Ach, wirklich?“ gesagt.
Dann hatte er mit einer weiteren Bewegung das Buch von sich gewiesen und mit erhobener Plastikgabel vor ihrem Gesicht herumgewackelt, was die neben ihr stehende Übersetzerkollegin, die, wenn sie sich nicht irrte, aus dem schönen Tschechien kam, zu der irnonischen Bermerkung veranlaßte, daß das eine sehr chacharakteristische Handbewegung wäre.
„Richtig!“, hatte sie verärgert gekontert. Das Buch wieder in ihre Tasche gesteckt und sich den Gemüsestäbchen auf ihrem Teller gewidmet.
„Sehr richtig, daran kann man die angewandte Psychologie studieren! Literatur interessiert den Herren offenbar nicht! Sind Sie auch ein Autor oder kommen Sie nur wegen des Buffets hier!“, hatte sie provokant in dem Versuch ihn zu ärgern gefragt und in ihrem Restärger, der vielleicht noch von gestern vorhanden war, war es ihr gelungen, die Fesnterscheibe trocken zu wischen und zu regnen hatte es auch noch nicht angefangen.
„Geschaft, geschafft!“, dachte sie befriedigt, machte das Fenster wieder zu, schnappte Kübel und Geschirrtücher und begab sich damit nebenan in das kleine Arbeitszimmer, wo auf dem Schreibtisch der Computer stand und auch die Arbeit lag, mit der sie, um das Stipendium angesucht hatte, von dem zwar noch nicht ganz klar war, ob sie es bekommen würde?
Für eine Hobbyautorin hielt sie sich aber trotzdem nicht und auch nicht für eine solche Übersetzerin, hatte sie doch sogar ein schon ein paar bisher unbekannte Arbeiten von Joseph Roth ins Englische übersetzt und drei Bücher waren von ihr auch erschinen, so daß sie größere Hoffnung hegte, das Stipendium zu bekommen. Die hatte ihr eigentlich auch Frau Professer Wirr-Lechner, die das Symposium geleitet hatte, gemacht, während der Typ im rotbraunen Pullover gestern noch immer skeptisch schaute, dann mit der Gabel in seine Schnitzelstücke fuhr, sein Weinglas hob und sich in weiterer Folge der tschechischen Kollegin zuwandte und von ihr wissen wollte, was sie schon übersetzt hatte und, wie ihr das Symposium gefallen würde?
Sie wandte sich jetzt mit voller Inbrunst ihrem Arbeitszimmerfenst zu und bemerkte mit Befriedigung, daß die Dreierpersonengruppe, die vorhin in der Garageneinfahrt gestanden hatte, inzwischen verschwunden war. Vielleicht hatte sie sich in die Notariatspraxis begeben, vielleicht in ihre Wohnungen oder ins nächste Wirts- oder Cafehaus gegangen. Sie wüßte es nicht. Es hatte sie auch nichts anzugehen, obwohl, sowohl für Hobby-, als auch für die sogenannten professionellen Autoren, die kleinen Alltagsbeobachten, wie sie auch von der Frau Professor gehört hatte, sehr wichtig waren.
„Unterschätzen Sie die nicht, liebe Kollegen und haben Sie, das kann ich nur wirklich raten-„, hatte sie gesagt, „-immer einen Bleistift und ein Notizbuch bei sich, um sich diese Beobachtungen aufzuschreiben und vielleicht später für eine Erzählung oder ein Gedicht verwenden zu können!“
Ein guter Rat, natürlich klar und gar nichts dagegen einzuwenden und auf ihrem Arbeitszimmerschreibtisch, befand sich auch ein Notizzettelblock und eine ehemalige Kaffeepulverdose mit Bleistiften und Kugelschreibern. Sie hatte aber trotzdem keine Zeit dafür, mußte sie doch ihre Hausarbeit beenden. Das Fenster fertig putzen, bevor es zu regnen begann, hatte sie sich vorgenommen und da, wie sie sehen konnte, schon die ersten Tropfen vom Himmel fielen, blieb ihr auch nicht mehr sehr viel Zeit dafür.
Och, das kann ich auch 🙂
Kommentar von Uli Lucas — 2017-05-08 @ 15:48 |
Schönes Beispiel. Mir gefällt deine Technik des Vermischens von heute und gestern, von Hausfrauendasein und Autorenexistenz, von Zufriedenheit und Ärger. Macht den Text interessant, finde ich.
Kommentar von Margit Heumann — 2017-05-08 @ 23:53 |
… und inspirierend! 🙂
Kommentar von Uli — 2017-05-09 @ 08:42 |
Vielen Dank für die Rückmeldungen, Lob und Kritik und, um mir ein bißchen ins schreibende Nähkästchen schauen zu lassen, kann ich verraten, daß der Text tatsächlich eine Mischung zwischen Erfindung und Wirklichkeit ist.
Ausgangspunkt war ein Schreibimpuls von Annika Bühnemann, einen Text über Hausarbeit zu schreiben.
Da dachte ich zuerst, etwas zu schreiben, wenn ich meine Fenster putze und die diesbezüglichen Erlebnisse einfließen zu lassen.
Dann habe ich aber das Schreiben vorgezogen und ein bißchen meine Gefühle oder Erlebnisse vom Franz Werfel-Symposium auf dem ich ein paar Tage vorher war, einfließen lassen.
Ich bin da ja keine Stipendiatin, bin da aber wirklich neben einem Herrn gestanden, der mir seine Schnitzel-Stücke angeboten hat und dann verärgert darüber war, daß ich sie nicht nehmen wollte und der sich darüber sehr erstaunte, daß ich schon über vierzig Bücher geschrieben habe.
Und zu der „Hobbyautorin“ hat mich natürlich mein getreuer Leser Uli inspiriert und ein bißchen Verärgerung war da ja auch noch da!
Kommentar von jancak — 2017-05-15 @ 21:59 |