Literaturgefluester

2017-05-15

Um den Bodensee mit Ruth und Alfred

Konstanz

Konstanz

Imperia in Konstanz

Imperia in Konstanz

Vor zehn Jahren sind wir ja mit Ruth Aspöcks Radkarawane, die damals mit ihrem Verlag „Die Donau hinunter“ in Pension gegangen ist, von Ybbs nach Regensburg geradelt.

Sie hat das von Wien nach Bamberg gemacht und jeden Abend hat es eine Lesung aus einem ihrer Verlagsbücher gegeben. Ich habe die „Donauanthologien“ in Vielshofen, das ist ein Örtchen zwischen Passau und Deggendorf, vorgestellt.

Ilse Kilic, Fritz Widhalm, Robert Eglhofer sind mitgefahren, Margot Koller, Irene Wondratsch und und und die Reise war so ein Erfolg, daß wir sie zu Ruths siebzigsten Geburtstag wiederholen, beziehunsweise sie zu einer solchen einladen wollten.

Aber, statt, um noch einmal die Donau hinauf oder hinunter zu radeln, ist uns diesmal der Bodensee eingefallen und so sind wir am vorigen Samstag  weggefahren.

Zuerst mit den Rädern, der Alfred und ich haben ja Klappräder, die Ruth ein mormales Rad, vom Hauptbahnhof mit dem Zug nach Bregenz, wo wir auch übernachtet haben und dann sind wir am nächsten Tag, weil es geregnet hat, zuerst ein Stück mit dem Schiff nach Lindau gefahren.

Rheinfall

Rheinfall

Rheinfall

Rheinfall

Dort sind wir herumspaziert und dann, was mir sehr gefallen hat, in einer Paul Klee-Ausstellung gelandet und am Nachmittag, sind wir  weil das Wetter etwas besser war, doch losgeradelt.

Über Wasserburg, Kressbronn, Langenargen bis nach Friedrichshafen, wo wir in einem schönen fahrradfreundlichen Gasthaus übernachteten, das gleich neben einem Fahrradgeschäft lag, das wir gut gebrauchen konnte, denn der Alfred hatte sich einen Nagel eingefahren, die Ruth keine Luft im Hinterrad und geregnet hat es auch, so daß der abendliche Stadtspaziergang ein bißchen ungemütlich war.

Am nächsten Tag sind wir aber weitergefahren, zuerst nach Meersburg zum Mittagessen, wo es schon die schwäbischen Maultaschen gab und dann über Überlingen nach Sipplingen, wo wir in einem schönen, etwas abgelegenen Landgasthaus, übernachteten.

Rheinfall

Rheinfall

Gottlieben

Gottlieben

Von Überlingen bis Sipplingen hat es ununderbrochen geregnet, so daß wir ziemlich tropfend in dem Gasthaus ankamen und den Wimpel von der Donauradkarawane, den ich mir als Erinnerung mitgenommen und um das Rad gebunden habe, habe ich auch verloren. Zum Glück am nächsten Tag aber wiedergefunden, wo das Wetter besser war, so daß wir zuerst in Überlingen spazierengehen konnten und dann mit dem Schiff, um die Rundfahrt ein wenig abzukürzen, nach Wallhausen hinüberfuhren und von dort nach denm Mittagessen, Flammkuchen, nach Konstanz weiterradelten.

Und Literarisch, das kann ich gleich erwähnen, ist das auch ein bißchen gewesen, denn ich habe mir ja, wie bei mir üblich, für meine Reise, ein paar „Bodensee typische“ Bücher eingepackt und das ist für die hier beschriebene Strecke sicherlich  Martin Walser, der ja in Wasserburg geboren wurde und heute, glaube ich, in Überlingen oder in Nussdorf lebt und der feierte im März auch seinen neunzigsten Geburtstag, so daß es ein diesbezügliches „Spiegel-Sonderheft“ gibt, das die Ruth in Konstanz besorgte.

Paul Skrepek

Paul Skrepek

Wolfgang Vincenz Wizlsperger

Wolfgang Vincenz Wizlsperger

Die nächsten Tage haben wir in Konstanz, dem deutschen Städtchen an der Schweizer Grenze geschlafen und sind von dort mit dem Schiff am Rehin gefahren. Dabei haben wir ständig die Grezne zwischen der Schweiz und Deutschland gewechselt und den berühmten Reinfall in Schaffhausen haben wir auch besucht, beziehungsweise erklettert.

Das war am Mittwoch. Am Donnerstag sind wir mit dem Schiff nach Stein am Rhein gefahren und auf der Rückfahrt schon eine Station früher ausgestiegen, weil es in Gottlieben eine schöne Konditorei mit den berühmten Hohlhippen gibt, die wir schon am Dienstag mit dem Rad besuchten.

Also noch einmal heiße Schokolade und die gefüllten Waffelröllchen und  ein paar Weinstuben haben wir an den Abenden auch besucht.

Am Freitag sind wir dann wieder mit dem Rad gefahren, nämlich in das berühmte Stätchen Rorschach von dem ich noch immer noch weiß, ob der „Rorschachtest“ von dort kommt oder von einem Herrn Rorschach „erfunden“ wurde. Wir haben dort aber einen offenen Bücherschrank gefunden und den Abend zur Abwechslung in einer Bierbrauerei verbracht und am Samstag wurde es dann noch literarischer.

Denn da gab es zuerst Frühstück im Hotel Mozart, dann haben wir uns mit Erika Kronabitter getroffen, die uns von dort abholte und mit uns zurück nach Bregenz geradelt ist.

Der ihr Buch, „La Laguna“ das mir in Leipzig die Frau Cvancara gegeben hat, habe ich schon auf der Herfahrt gelesen und sie hat uns auch gleich auf eine Idee für die Abendgestaltung gebracht.#

Heinz Ditsch

Heinz Ditsch

Antonio Fian

Antonio Fian

Denn ich wollte ja gerne etwas Literarisches erleben, ein Vorarberger Autor wäre ja vielleicht gut, die ich den Michael Köhlmeier, der letzte Woche in der „Alten Schmiede“ gelesen hat, ja versäumte und von einer eigenen Lesung haben wir auch einmal gesprochen, aber die Erika Kronabitter, die in Feldkirch ja eine Literaturschiene im Theater am Saumarkt betreut, erzählte uns von einer Antonio Fian und Kollegium Kalksburg-Veranstaltung, die es am Freitag in Feldkirch und am Samstag im Bregenzer Wald gegeben hat.

Also sind wir zum „Kultur-Bahnhof“ nach Andelsbuch gefahren und haben uns Wienerisches übers Saufen und die Sozialdemokratie angehört, was ja auch insofern aktuell war, weil es ja in Österreich, während wir so friedlich den Bodensee entlangradelten, einige politische Veränderungen und Regierungsumbildungen gab oder noch geben wird.

Den Sonntag haben wir dann auch mit der Erika und ihrem Mann Hubert verbracht, die uns zuerst in der Bregenzer Oberstadt, es war der Muttertag, herumführten.

Wir sind auf den Martinsturm hinaufgefklettert, haben uns ihre schöne Wohnung mit Blick auf den Bodensee angeschaut und sind am Nachmittag mit der Erika sogar nach Vaduz nach Lichtenstein ins dortige Kunsthaus gefahren, weil die sich dort mit ihrer Tochter traf, während Ruth und Alfred in einer Ausstellung waren und ich den dortigen Bücherschrank inspizierte, wo ich prompt ein Buch über Maria Theresia fand.

In Feldkirch, wo ja 2008, die „Mittleren“ stattfanden, weil man mich die nicht mehr im Wiener Literaturhaus machen ließ, gibt es auch einen offenen Bücherschrank und dort habe ich dann von Martin Walser den „springenden Brunnen“ gefunden, bin aber nicht ganz sicher, ob ich das Buch nicht vielleicht schon in meinen Regalen habe.

Heute sind wir dann in Höchst gewesen, wo es Dörrobst und Schnäpse gibt und dann im Schlosscafe Fenkart zum Schokoladegenuß in Hohenems. Dort gibt es Schokoladen mit den Trockenfrüchten aus Höchst. Wir  haben eingekauft und Kaffee getrunken und von Michael Köhlmeier, der ja, glaube ich, auch in Hohenems lebt, hatte ich inzwischen  „Die zwei Herren am Strand“ gelesen, die zwar hauptsächlich in Amerika spielen, wo sich Churchill und Chaplin getroffen haben sollen, für mich aber auch meine „Vorarlberger-Reiselektüre“ waren und dann ist schon wieder mit dem Zug zurückgegangen und ich kann nur sagen die Bodenseerundfahrt war sowohl landschaftlich, als auch kulinarisch, sowie literarisch interessant.

ich habe wieder viele Bücher und Inspirationen mit nach Hause gebracht, Dörrobst für das Müsli und Schokolade für die Anna und Arno Geigers „Uns geht es gut“, das Buchpreisbuch von 2005, habe ich auf der Rückreise auch zu lesen begonnen und mit der Ruth, der es, glaube ich, auch sehr gut gefallen hat, ausgemacht, in der Zeit, in der der Alfred mit dem Karl in Amerika ist, in Wien auf literarische Entdeckungsreise zu gehen und hier den literarischen Raum zu erforschen.

2017-05-14

La Leguna

Filed under: Bücher — jancak @ 23:47
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Jetzt kommt die Besprechung des dritten Buches das mir der „Wortreich-Verlag“ freundlicherweise in Leipzig gegeben hat, denn Erika Kronabitters „La Leguna“, habe ich unbedingt auf der Bodensee-Radrundfahrt lesen wollen, zu der wir die Ruth ja zu ihrem siebzigsten Geburtstag eingeladen habe, da wir sie dort getroffen haben.

Ich kenne die 1959 in der Steiermark geborene und derzeit in Bregenz und in Wien lebende Erika Kronabitter ja schon lange, als eine eher experimentelle Autorin, die sich sehr für Friederike Mayröcker interessiert, die „Friederiken-Briefe“ herausgegeben hat und ein Buch zum neunzigsten Geburtstag der F. M.

Kennengelernt habe ich sie, glaube ich, 2000 bei einer Versteigerung im Literaturhaus, wo sie, glaube ich, ihr Nachthemd zur Verfügung stellte, denn sie ist eine sehr umtriebige, engagierte Frau und als ich meine „Mittleren II“ nicht mehr im Wiener Literaturhaus machen konnte, hat sie mich diesbezüglich nach Feldkirch eingeladen und 2005 war ich auch bei ihrer „Text und Kritik-Werkstatt“.

Ein paar Bücher habe ich von ihr schon gelesen und sie bei den „Wilden Worten“ und auch bei anderen Veranstaltungen gehört und so war ich jetzt auch erstaunt, über ihren 2016 bei „Wortreich“ erschienen Roman, der ja sehr realistisch ist.

Eine Mischung aus Autobiografie und Fiktion steht, glaube ich, auch im Klappentext und es geht, glaube ich, auch um ihren Vater, der tatsächlich in Teneriffa verunglückt ist.

Im Buch geht es aber um viel mehr, denn Erika Kronabitter vermischt gekonnt, eine Familiengeschichte mit einem ungeklärten Kriminalfall, der vielleicht keiner war, ein reales Flugzeugunglück kommt vor und die zeitlichen Abfolgen werden auch immer wieder vermischt, so daß das Lesen sehr spannend bleibt.

Mal sind wir in den Neunziger-, mal in den Fünziger-, mal in den Achtzigerjahren und nach und nach führt uns Erika Kronabitter in ihre oder in die Familiengeschichte von Elena ein, die ihren Vater in Tenariffa unter merkwürdigen Umständen verloren hat.

Jetzt fliegt sie hin, um über sein Schicksal Näheres zu erfahren, wird aber durch ihre Flugangst sehr behindert und sie denkt auch an Hanna, ihe Mutter, die vom Land in die Stadt gegangen ist, um dort Beppo, einen Lebenskünstler kennenzulernen.

Leider war der aber schon verheiratet und konnte sich von seiner Frau nicht trennen, so verließ Hanna ihn, zog mit ihren zwei Kindern wieder aufs Land zurück, um sich dort doch zu verheiraten.

Elena forscht aber dem Schicksal ihres Vaters nach, denn dessen Todesumstände sind rätselhaft und werden in den Dokumenten auch fehlerhaft wiedergegeben und so erfahren wir von Beppo, beziehungsweise seinem Freund Larek, der von ihm den Auftrag bekommen hat, für einen alten Grafen zu sorgen.

Larek soll ihn für ihn  bis zu seinem Tod pflegen und dann sein Schloß erben. Aber der lebenslustige alte Herr macht ihm einen Strich durch die Rechnung, will nicht sterben, sondern sein Geld lieber in ein Anti Aging Programm investieren, was ihn vielleicht unsterblich macht.

So unterschiebt Larek ihm bei einem Herzanfal das falsche Medikament. Der Graf stirbt, Larek verkauft das Schloß und investiert in Teneriffa und der Elektriker Beppo soll auch dorthin kommen und seine Wohnbauanlagen ausstatten und stirbt vielleicht, weil er auf Lareks Geheimnis gekommen ist.

Erika Kronabitter deutet nur an, macht Wendungen, zieht Schlingen, geht vom Krimi wieder in die Familiengeschichte zurück, läßt alle offen und am Ende könte alles anders gewesen sein oder auch nicht.

Das Geheimnis wird nicht geklärt und ich habe jetzt eine sehr realistische Erika Kronabitter kennengelernt, deren Schreibweise mich manchmal fast an den Ton von Ruth Aspöcks Familiengeschichten erinnert hat und mit der ich in Bregenz auch über ihr Buch sprechen konnte, in das sie mir, beziehungsweise für das „Literaturgeflüster“, für das ich es ja bespreche, auch eine liebe Widmung hineingeschrieben hat.

Mit Martin Walser unterwegs am Bodensee

Filed under: Bücher — jancak @ 00:28
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Auch wenn man keine besondere Literaturexpertin ist, kommt man wahrscheinlich um Martin Walser nicht herum, wenn man auf einer Radreise um den Bodensee „Literatur vor Ort“, in die Fahrradtaschen packen will und so ist mir neben Arno Geiger und Michael Köhlmeier, Erika Kronabitter ist dann ja fast zufällig noch dazu gekommen, auch Martin Walser, von dem ich „Augenblick der Liebe“ auf meiner Leseliste hatte, eingefallen, da der ja 1927 am Bodensee geboren wurde und dort auch noch heute lebt.

Daß der dann vor kurzem noch seinen neunzigsten Geburtstag feierte, ist noch ein besonderer Zufall und wahrscheinlich auch, daß wir in dem Weingut vor Meersburg auf das der Alfred durch seine Führer aufmerksam wurde, bei der Verkostung, ein Büchlein zur Region „Nirgend wär ich lieber hier – Mit Martin Walser unterwegs asm Bodensee“ von den zwei Walser Spezialisten Lorenz L Göser und Elmar Ö . Kuhn, 2016 herausgegeben, gefunden habe und es mir auch kaufen ließ.

Beide Herausgeber wurden in Kressbronn geboren und haben in dem Büchlein, die Orte zusammengesucht, die in den Walser-Romanen vorkommen, Bilder dazugegeben und das Ganze mit Stellen aus einigen seiner Bücher zitiert.

Ich habe das Buch, das ist vielleicht auch ein Detail am Rande, nicht am Bodensee, sondern auf unserer Schifffahrt nach Stein am Rhein gelesen, mir dazu aber die Bodenseelandkarte aufgeschlagen und so kann ich das Büchlein allen, die sich für Literatur oder auch für Martin Walser interessieren, auf einer Bodenseereise sehr empfehlen.

Für Walser-Experten eignet es sich wahrscheinlich ganz besonders, denn wenn man nicht alle Romane gelesen oder in Kopf hat, fällt es einem wahrscheinlich nicht sehr leicht, sich bei den natürlich nur kurzen Textauszügen auszukennen. Es kann und soll aber wahrschehinlich anregen, mehr und intensiver Walser zu lesen und dazu ist das Buch auch sehr geeignet.

Ich habe es  gelesen, als ich mit dem 2004 erschienenen „Augenblick der Liebe“, das ja  auch am Bodensee spielt, fast fertig war.

Das Buch kommt hier aber nicht vor, wohl aber der Vorgänger „Das Schwanenhaus“, dann auch die „Tagebücher“ „Ein fliehendes Pferd“, „Der springenden Brunnen“, den ich  ein paar Tage später, in Feldkrich im dortigen Bücherschrank gefunden habe, aber gar nicht mehr weiß, ob ich es schon gelesen habe oder nicht, es also, wenn ich nicht schon so viele Bücher hätte, wahrscheinlich wieder lesen solle

Martin Walser ist ja ein Vielschreiber und er scheint sich gern und viel auf den Bodensee zu beziehen und so ist das Buch, das ein Vorwort von Lorenz Göser hat, auch in die verschiedenen Orte eingeteilt und am besten nimmt man es auf seine Bodenseereise mit und liest sich an den entsprechenden Orten in die entsprechenden Werke ein.

Ich habe das in dem Landgasthaus in Sipplingen getan. Da wird das „Schewanenhaus“ zitiert und hier kommt das Sipplinger Kirchlein vor und natürlich kann man wahrscheinlich auch durch Überlingen oder Nußdorf gehen,  wo der Dichter ja wohnen soll.

Wir sind ein paar Stunden in Überlingen spazierengegangen und da ist es ja ganz interessant, sich vorzustellen, daß einem Martin Walser begegnen könnte, wie er vielleicht zum Zahnarzt geht und dabei nach hübschen jungen Frauen Ausschau hält oder sich ausdenkt, wie er das in seinem nächsten Buch beschreiben könnte.

In dem Buch wird bei „Überlingen“ die „Seelenarbeit“, die „Tagebücher“ und das „Fliehende Pferd“ zitiert und ein eigenes Kapitel, das den Ort Überlingen behandelt gibt es  auch.

Es gibt ein Glossar, wo man die entsprechenden Orte nachschlagen kann, auch eine Bodenseekarte, wenn man keine eigene bei sich hat und am Schluß gibt es  ein Foto von Martin Walser, wo er vom See wegspazigert und man dann vom „S Wasserburger Johr – wia`n as amol gsi isch“ aus den „Heilige Brocken, Aufsätze, Prosa, Gedichte, aus 1986“, lesen kann, wenn man den Dialekt versteht.

2017-05-13

Wo er recht hat hat er recht

Filed under: Bücher — jancak @ 08:35
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Passend zu unserer Bodensee-Radumrundung und als Beitrag zur Vorarlberger Literatur, kommt jetzt Margit Heumanns „kurzer Krimi“, den sie mir freundlicherweise zuschickte, nachdem ich sie in der „Alten Schmieden“ beim „Lichterloh-Lyrikfestival“ getroffen habe, denn die 1949 geborene ist ja in Vorarlberg aufgewachsen, obwohl sie, glaube ich, in Wien lebt, denn da treffe ich sie gelegentlich bei Literaturveranstaltungen.

Bei den „Texthobeln“ hat sie glaube ich, auch einmal gelesen, Pferdebücher herausgegeben und jetzt in der „Schundheftreihe“ der „Unartproduktion“ einen Kurzkrimi herausgegeben.

Es ist schon der fünfzehnte, der in dieser Reihe erschienen ist.

Die „Schundhefte kurz klein billig aktuell kult.urig  nachhaltig literarisch informativ“ steht auch auf den Heftchenrücken des A6 Kleinformats, in dem schon Krimis von Christian Futscher, Kurt Bracharz, Joe Gmeiner, Petra Nachbaur und anderer erschienen sind.

Die Reihe ist eben vorarberglastig, klein, aber trotz des Dünndrucks graphisch schön, wenn auch etwas verwirrend gestaltet, denn da gibt es immer wieder querliegende Textpassagen, auf denen Wohnwägen und anderes zu sehen sind und  offenbar mit Margit Heumanns Text  nicht soviel zu tun haben, obwohl dort ein Wohnwagen eine große Rolle spielt.

Denn Paul ist ein Vorarlberger Künstler, „kein notorischer Neinsager“, schreibt Margit Heumann in ihrem Anfangssatz, der mit seiner Kätzin Emma auf Campingurlaub in die Toskana fährt.

Sie will dorthin, er würde sich in seiner Vorarlberger-Künstlerwohnung viel wohler fühlen, da er aber nicht nein sagen kann oder sie alles organisiert, fahren sie hin und dann ist er unzufrieden.

Denn es regnet ständig, die ideale Campiingzeit scheint es auch nicht zu sein, so gibt es nur ein paar anderer Camper auf dem Platz, aber einen Nachbarn dicht an dicht. Der ist ein Rentner, steht um sieben auf, fängt an zu kochen, macht Lärm, während die Nachtmenschen Paul und Emma erst um vier schlafen gehen.

Das macht Mordgedanken und da kann ich bei der metaphernreichen Geschichte, Margit Heumann scheint eine Metaphernmeisterin zu sein, gleich anmerken, daß da die „Mordsstimmung gleich bildhaft erzeugt wird, obwohl in dem Schundheftel ja eigentlich gar nicht so viel passiert.

Aber „der See hat gleich ein dunkles Geheimnis“ und in der Enge des Wohnwagens haut Pauls sich gleich überall  an. So treibt es ihn hinaus auf den Platz, wo der Nachbar fröhlich sitzt und von seinen Kloproblemen spricht. Er muß nämlich nachtsauf die Toilettenanlage und da kommen schon die Mordgelüste, denn der freundliche Nachbar, lädt den Paul auf ein Mittagessen mit Speckknödel ein und die kann der gute Mann so gar nicht ausstehen, hat geradezu ein Speckknödeltrauma.

So flüchtet er mit seiner Emma in ein italienisches Restaurant und hat sogar das Glück, daß die Katzen den Speck aus den Knödel stehlen, aber die Mordgedanken sind schon geschmidet. Paul schlecht dem Nachbar nachts auf den Klogang nach, obwohl er den auch nicht ausstehen kann, sperrt die Klotür zu und dann ab ins schöne bequeme Bahnhofsklo der Stadt, denn das Schicksal rächt sich,  die Gedärme winden sich und die Kätzin Emma ruft auch noch an, hat genug vom Campingurlaub und will in ein Hotel übersiedeln.

So weit, so kurz und viel mehr ist gar nicht passiert, aber wie gesagt, die drastischen Metaphern versetzen einen in die schönste Krimistimmung und so wird die Kloanlage auch entsprechend schaudrig beschrieben:

„Der Ort für grausame Schandtaten, brutale Morde, die Todesschreie vervielfacht dacht das Echo, Blutlachen, Blutflecken, Blutspritzer pbeall, schreicklich“.

Es kommen aber auch noch andere Metapher beziehungsweise Sprichwörter vor, die zum Teil schon ziemlich abgelustscht sind, wie das von dem „Teufel und dem Weihwasser“, zum Teil aber originell und immer deutlich gründlich und klar ausgedrückt, wie  das titel gebende „Wo er recht hat hat er recht“.

Margit Heumann scheint da eine sehr pointierte Sprache zu haben und so kann ich die „Schundheft-Reihe“ eine Entdeckung für mich, nur empfehlen und darauf hinweisen, daß der Verlag noch andere Publikationen hat, auf die auch genau hingewiesen wird und auf  eine „Schundheftparty“ gibt es  am sechszehnten Juni um zwanzig Uhr im Gasthaus Lechner in der Wilhelm-Exner-Gasse achtundzwanzig, im neunten Bezirk auch, wo Margit Heumann lesen wird und man sich sicher mit den „Schundheften“, die man, glaube ich, auch im Abonnement zu beziehen sind, eindecken kann.

Der Augenblick der Liebe

Filed under: Bücher — jancak @ 00:36
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Es ist ja vielleicht ein naheliegender Einfall ein Buch von Martin Walser mitzunehmen, wenn man um den Bodensee radeln will, ist der doch 1927 in Wasserburg geboren und so habe ich mir „Der Augenblick der Liebe“ auf meine Reise einepackt, weil ich das Buch auf meiner Leseliste stehen hatte und wohl einmal im Schrank gefunden habe.

Ich habe zwar auch einmal einen „Walser“ aus der Abverkaufkiste einer der damals noch auf der Wiedner Haptstraße existierenden Buchhandlungen gezogen, das wird aber „Das Schwanenhaus“ gewesen sein, weil in dem jetzt gelesenen Buch, die erste Seite, in der wohl eine Widmung gestanden ist, herausgeschnitten wurde und so mußte ich erst nachgooglen, das „Der Augenblick der Liebe“ 2004 erschienen ist und der erste Walser-Roman ist, der schon bei „Rohwohlt“ erschien, da er sich wohl nach dem „Tod eines Kritikers“ von „Suhrkamp“ trennte.

Genauer kann man das wahrscheinlich in dem „Spiegel-Sonderheft“ nachlesen, das zum neunzigsten Geburtstag des Dichters erschienen ist, und das mir die Ruth freundlicherweise zur Verfügung stellte, nachdem sie mitbekam, daß ich mich auf unserer Reise für den großen deutschen Dichter interessierte, obwohl so eine Walser Spezialistin bin ich eigentlich nicht.

Aber den „Tod eines Kritikers“ habe ich gelesen, „Messners Gedanken“, „Ein liebender Mann“ und dann noch seine „Sonntagsrede“, ein paar andere Bücher, über die ich noch nicht bloggte, höchstwahrscheinlich auch und interessant ist  daß „Im Augenblick der Liebe“ derselbe Held vorkommt, der auch der Protagonist vom „Schwanenhaus“ nämlich Gottlieb Zürn oder Wendelin Krall, wie er sich auch nennt und das Sujet ist wieder das Klischee, alter Mann verliebt sich in junge Frau oder auch nicht.

Das ist ja das berühmter Walser Klischee, das der das in den letzten Jahren immer wieder schreibt, ich habe  nur den Goethe Roman gelesen,  in diesen Buch, das „Schwanenhaus“ muß ich erst lesen, kommt es aber auch sehr stark vor.

Das Buch hat vier Teile, „Kommen und Gehen“, „Zusammenfinden“, „Auseinanderkommen“, „Kehre“ und eigentlich ist die Handlung sehr schnell erzählt.

Gottlieb Zürn ist ein Ex-Makler und Privatgelehrter, der mit seiner Frau Anna, einer erfolgreichen Immobilienmaklerin, von der er auch zu leben scheint, am Bodensee lebt und  bekommt eines Tages Besuch von einer jungen Doktorantin aus Amerika, die ihre Disseration über den französischen Philosophen La Mettrie schreibt, über den Zürn auch forschte.

Sie bringt ihm eine Sonnenblume mit. Er verliebt sich in sie, reist ihr nach nach Amerika, um dort ein Referat bei einem Kongreß zu halten, dort verliert er aber seine Stimme. So reist er wieder zurück zu Frau und Töchtern, da überfällt ihn aber die Sehnsucht nach der Geliebten. So bucht er fast wieder einen Flug, bekommt aber vorher die Nachricht, daß sie schon geheiratet hat.

So weit, so what und ein Unglück für den alten Helden und ein ganzes Kapitel über den mir bisher unbekannten Philosophen gibt es in dem Buch auch.

Ein Buch, das das Klischee bestätigen könnte, aber ich bin keine Walser-Spezialistin, habe nicht wirklich viel von ihm gelesen und bin jetzt während unserer Reise, sozusagen in das Buch, das ich in Friedrichshafen zu lesen begonnen habe, hineingefallen, denn der Ort Langenargen, durch den wir an diesen Tag geradelt sind, kommt darin vor und in Überlingen, wo Martin Walser laut dem Buch ja leben soll, in anderen Beschreibungen, wird der Ort Nußdorf genannt, sind wir sogar spazierengegangen.

Das war also sehr interessant, obwohl ich Martin Walsers Bodensee Bezüge  ja  noch in einem anderen Buch viel näher gekommen sind.

So ist mir das Klischee von dem Begehren eines alternden Mannes nach einer jungen Frau und das sich vielleicht darüber lutstig machen in sehr schönen und sehr komplizierten Worten, mit sehr schönen und sehr komplizierten Anspielungen, hängen geblieben und da ich dann noch viel später, als wir schon in Feldkirch waren, noch den  „Springenden Brunnen“, den ich möglicherweise schon gelesen habe, im Bücherschrank gefunden habe, kann ich diesen Klischee dann vielleicht auch noch nachgehen oder  die „Spiegel-Rezensionen“ nachlesen, die auch den politischen Walser, den Essayisten und viele andere seiner Facetten zeigen, die er höchstwahrscheinlich auch noch hat.

2017-05-12

Verwüstung der Zellen

Jetzt kommt noch ein Buch das im Vorjahr auf Longlist zum „Debutpreis“ stand, eines das Marc Richter sehr gefallen hat und das er sich für die Shortlist wünschte. Er hat es dann zu Weihnachten verlost, ich habe es bekommen und so habe ich Markus Mittmansgruber, ein Buch aus dem österreichischen „Luftschacht-Verlag“ „Verwüstung derZellen“ gelesen, obwohl ich länger gezögert habe, schien es mir doch sehr experimentell zu sein und das habe ich ja nicht so gerne.

Der mir bisher unbekannte Markus Mittmansgruber wurde 1981 inLinz geboren, studierte Philosophie an der Uni Wien, hat verschiedene Veröffentlichungen in „Kolik“, „Rampe“, „Podium“ und hat mit der „Verwüstung der Zellen“ 2016 seinen Debutroman herausgebracht.

In der Beschreibung steht etwas vom „Verfall einer Familie“ und zwei Erzählsträngen und dann fängt es gleich ein wenig schwierig in der Kleinschrift an und ich dachte schon „Uje!“, bis es dann im zweiten Handlungsstrang etwas konkreter wurde.

Da wird nämlich von einem Sohn erzählt, dessen Vater eine degenerative Krankheit hat und sich damit sozusagen von seiner Familie verabschiedet. Er will nicht besucht, vielleicht auch nicht beim Sterben beobachtet werden. Die Mutter nimmt das hin, der Sohn ein abgeborochener Philosophiestudent, der jetzt in einer Consultingfirma arbeitet, nicht.

Der Vater kommt dann in ein Pflegeheim, der Sohn besucht ihn dort, die Mutter, die er auch besucht, hat im Kühlschrank lauter abgelaufenes Essen, geht viel spazieren und, als ein Arzt anruft und von einem Aggressionsschub des Vaters erzählt, geht die Mutter mit ihm in das Heim.

Der Sohn, der unter „Tinnitus“ und „Angstzuständen“ leidet und auch die entsprechenden Medikamente nimmt, besucht dann auch eine etwas seltsame Körpergruppe, die von einem Paar geleitet wird.

Da muß man aus sich herausgehen, „das Kamel in sich hinter sich lassen und zum Löwen werden“ und ganz eigene kreative Übungen abliefern.

Johanna, mit der der Sohn sich befreudet und die an einen schwachen Magen leidet und glaubt von einem Wurm befallen zu sein, macht das sehr eskatisch und wird vom Christian, dem Leiter, der mit einer „Burgerkingkrone“ auf einem Lehnsessel sitzt, auch gelobt, während der Sohn, in Erinnerung an seinem Vater immer etwas von einem „Türspalt“ erzählt, was dem Leiter nicht gefällt und die Leiterin zum Gähnen bringt.

Das Ganze wird manchmal sehr spannend und auch in einer sehr schönen  Sprache erzählt, dann wird es wieder sehr theoretisch und unverständlich und die Ebenen und die Handlungsfäden wechseln sich auch sehr rasant ab, so daß ich das Lesen etwas mühsam fand und eigentlich eine realistischere Erzählweise über das Älterwerden und den Tod, wie Beispielsweise dem Roman von Susann Pasztor, den ich vor kurzem gelesen habe, vorziehen würde.

Denn irgendwie wirkt das Ganze distanziert und die Suche des Sohnes, der von psychischen Leiden gequält wird, nach  Familiengeheimnissen,sehr philosophisch abstrakt.

Nun der Autor hat Philosophie studiert und arbeit auch in einen wissenschaftlichen Verlag. Ob viele Leute das Buch lesen werden erscheint mir aber etwas fraglich und ich bin auch nicht sicher, was der sogenannte „Mehrwert“ ist, den man ja bei „guter Literatur“ haben und sich mitnehmen soll.

So hätte die realistische Autorin in mir, es wahrscheinlich auch nicht auf die Shortlist gesetzt, bin aber gespannt, was ich noch von den dem Autor hören und lesen werde und werde jetzt auch nachgoolen, ob er  GAV-Mitglied ist und ich ihn vielleicht auch schon bei einer der „Neuaufnahme-Lesungen“ gehört habe.

2017-05-11

Parablüh

Filed under: Uncategorized — jancak @ 09:29
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Cornelia Travnicek, die nun schon dreißigjährige Autorin, deren literarischen Weg, ich von Anfang meines Bloges an ziemlich kontinuierlich verfolge, hat einen neuen Gedichtband geschrieben, auf den ich auf ihrer Facebookseite,  aufmerksam geworden bin.

„Parablüh – Monologe mit Sylvia heißt er“ und ist in einem schönen Cover, weiße Regenschirmchen auf dunkelblauen Hintergrund bei „Limbus-Lyrik“ herausgekommen und damit ist natürlich die berühmte Dichterin Sylvia Plath gemeint, deren „Glasglocke“ ich vor einiger Zeit gelesen habe.

Bernd Schuchter vom Verlag, ein GAV-Kollege, war so freundlich mir das Buch zu schicken, das mich vorerst, ich sage es gleich, einmal verwirrte.

Denn der deutliche Plath- Bezug ließ ja die Vermutung zu, daß die Gedichte gegenübergestellt wären, so daß man  vergleichen beziehungsweise die Unterschiede mitverfolgen kann.

Mitnichten, das Wort Sylvia kommt außer im Titel einmal in dem achtzig Seiten Buch vor.  Dafür gibt es aber ein ausführliches Nachwort mit dem Titel  „Eigensinn und Widerrede“, der Literaturkritikerin Daniela Strigl, die erklärt, daß Sylvia Plaths Gedichtband „The Colossus and Other Poems“, 1960 bei Heinemann in London erschienen ist. Da war sie achtundzwanzig. Zwei Jahre später ist das Buch leicht verändert in New York erschienen und erst 2013 in der Übersetzung von Judith Zander auf Deutsch erschienen.

„Diese zweisprachige Ausgabe“, schreibt Daniela Strigl „bildete die Vorlage für Cornelia Travnices ungewöhnliches Projekt“ und fügt hinz,u daß es sich bei den vierundvierzig oder fünfzig Gedichten,um keine „Nachdichtung, sondern um  „Dichtung“ handelt, so daß man das Buch lesen kann, auch wenn nicht viel über Sylvia Plath und ihr Leben weiß , was aber, wie sie weiteranmerkt, „eine zusätzliche Dimension“ wäre „notwendig ist sie aber nicht“.

Das klingt sehr beruhigend, denn über Sylvia Plaths Leben, weiß ich so ziemlich Bescheid, habe ich ja nicht nur ihren berühmten Roman oder ist es ein Memoir gelesen, sondern auch  Sigrun Höllrigls „Odysseus X“ und könnte mich nun dirket in Cornelia Travniecs Monologpoesie einlassen.

Daniela Strigl scheint aber auch die zweisprachige Gedichtausgabe gelesen zu haben und gibt nun auf einigen Seiten weitere Einblicke in das Buch, beziehungsweise in seine Irrungen und Wirrungen.

So heißt Cornelia Travnices Antwort auf Sylvias Plaths „Colosssus“ in dem die sich mit ihrem Nazi-Vater auseinandersetzte nun „Standbild“ und beschäftigt sich mit der EU „Du sammelst Sterne für dein Banner“ und aus „Two views of a Cadaver room“ ist Cornelia Travniceks „Titelgedicht geworden, in dem es, um einen Dialog mit einer Mutter und einem Kind geht: „Paraplui, sagt die Mutter: Dunkles Blau auch zwischen Regen und sie. Parablüh, sagt das Kind und pflanzt Schirme in die Landschaft.“

Ganz schön verwirrend.

„Was mache ich nun?“, dachte ich  in der Badewanne, besorge ich mir nun die zweisprachige Gedichtausgabe, um zu vergleichen oder lasse ich  das und auch mein Vorwissen weg und  mich naiv in Cornelia Travniekes Monologe ein?

Für das Erstere spricht die Gründlichkeit, denn der Bezug zu der amerikanischen Dichterin, die sich 1963 das Leben nahm, in dem sie ihren Kopf in das Backrohr steckte, während ihre Kinder nebenan schliefen, ist ja schon da, für das Zweite die Bequemlichkeit und ich bin ja eine ungeduldige Leserin….

Also dafür entschieden und die Plath- Bezüge sind trotzdem im Kopf und wer weiß, vielleicht finde ich einmal das Original und dann kann ich mich  dann auf Corneleia Travnices Monologe beziehen, die, wie Daniela Strigl noch anmerk,t nun auch schon dreißig ist, wie es die Dichterin war, als ihr „Koloss“ erschienen ist.

Vierundvierzig Gedichte also und ein letztes langes in sieben Teilen, das bei Cornelia Travnicek „Gedicht für Rauhnächte“ heißt.

Ich kenne Cornelia Travnicek ja  zuerst als Prosaschreiberin, habe die „Asche meiner Schwester“, „Fütter mich“, das jetzt bei „Haymon“ neu herausgekommen ist und von ihren zwei Romanen bisher nur die „Jungen Hunde“, bei denen sie auch beim „Bachmannpreis“ gelesen hat, gelesen.

„Chucks“ muß noch warten und ihre Gedichte sind eher an mir vorbeigegangen, habe eines einmal in ihren Blog, den sie jetzt nicht mehr so ausführlich betreibt, ein anderes, in den „Podium-Lyrik Flyer“ zum „Tag der Lyrik“ gelesen und im letzten Jahr war ich auch in der „Gesellschaft für Literatur“ als dort ihr bei „Berger“ erschienenen Gedichtband herausgegeben wurde.

Jetzt also Lyrik geballt oder die Antworten auf Sylvia und ich kann gleich sagen, es sind sehr lyrische Monologe, in die ich aber, geschuldet  meiner Verwirrung, ich habe das Nachwort zuerst gelesen und später noch einmal, nur langsam und zögernd hineingekommen bin.

Dann ist es mir aber gelungen, den Kopf draußen zu lassen, Sylvia Plath zu vergessen und mich auf Cornelia Travniceks Verse zu konzentrieren, von denen ich hier mit ein paar Beispielen einen kurzen Rundgang durch das schöne blauweiße Büchlein geben möchte, dessen Lektüre ich sehr empfehlen kann, obwohl ich jetzt noch immer nich so weiß, ob man es eher mit oder ohne Sylvia Plath lesen soll.

Die Titelgedichte habeich schon zitiert.

„Ach Sylvia“, heißt es dann auf Seite siebenunddreißig und das ist, wie schon geschrieben, der einzige Plath-Bezug für mich, wenn man von dem Nachwort und dem Unterttitel absieht.

„Der Ausflug ist kurzgehalten, für Reisekrankheit bleibt keine Zeit: vierundzwanzig Bilder lang, wässrig verlaufene Schnappschüsse. Der Herbst ist es, der mit den Fingern durch diese Farben malt. – Weggeschickt hatten: Hochwasser & Touristen“

Bei „Ratespiel“, das, wie Daniela Strigl verrät, bei Sylvia Plath „Hurenlied“,  wird, wie es weiter heißt „das Urteil über die Frau, durch Fragen aufgelöst“:

„Da kommt die Frau, die vielleicht oder vielleicht auch nicht ein selbstbestimmtes Leben führt — Und von der anderen Seite tritt auf: Ein Mann, der vielleicht oder vielleicht auch nicht ein guter ist“

„Es gibt Aufschwung“ heißt es auf Seite einundsechzig:

„Die einen spielen hier seit vierzig Jahren Theater, die anderen jagen Dinosauriern nach – sie reiten eine Spielzeugeisenbahn. Wo früher die Umverteilung geprobt wurde, bräunen sich unzureichend die Schnitzeln.“

Ganz schön kryptisch oder geheimnisvoll poetisch, schön gedichtet, könnte man so sagen und  bei der „Ausgebombten Zeit“, wurde ich ein bißchen an die Bachmann erinnert.

„Hier wurde ein Krieg beendet – Zu sehen dafür sorgen die Bagger“

So geht es weiter und sofort, bis zu den schon zitierten „Rauhnächten“ und, um die poetische Verwirrung noch ein bißchen zu steigern, empfehle ich auf Cornelia Travniceks Seite zu gehen, weil es hier sowohl eine japanische, als auch eine Übersetzung auf Russisch „für alle“ gibt.

Die Buchpräsentation, wo das alles vielleicht ein bißchen genauer erklärt wurde, habe ich versäumt. Da habe ich den „Welttag des Buches“ vorgezogen, jetzt mußte ich mich allein  durch Cornelia Travniceks poetische Sprache lesen, was ich, wie schon erwähnt, mit oder auch ohne Sylvia Plath nur empfehlen kann.

 

2017-05-10

Binde zwei Vögel zusammen

Jetzt kommt noch ein Geburtstagsbuch und zwar Isabelle Lehns Debutroman „Binde zwei Vögel zusammen“, aus dem sie im Vorjahr in Klagenfurt las, auf der Longlist des „Debutpreises“ stand, aber leider für die Shortlist nicht ausgewählt wurde, was ich insofern bedauere, weil ich dann ihr meine Stimme gegeben hätte, als das für mich beste Buch aus der Liste, aber ich habe ja nicht die gesamte Longlist gelesen, nur ein paar davon.

Ein auch nicht auf Shortlist gekommenes Debut war Nele Pollatscheks „Unglück anderer Leute“, die damit gerade den Förderpreis des „Hölderlin-Preises“ bekam, die Hauptpreisträgerin ist Eva Menasse und ich erwähne das, weil Nele Pollatschek eine der „Amazon-Rezensenten“ für „Binde zwei Vögel zusammen“ ist, was ich sehr spannend finde.

Isabel Lehn wurde 1979 in Bonn geboren, lebt in Leipzig, hat dort das Literaturinstiut besucht, ist dort auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig und hat der der letzten „Alumnilesung“ auch aus dem Buch gelesen und ihr Buch ist zumindest vordergründig das poltische Buch des Jahres, würde ich mal sagen, daß die so oft beklagte fehlende präsante Situation der Welt bearbeitet und hintergründig, würde ich hinhzufügen, ist es sehr kompliziert und nicht zu fassen, weil es, wie ein Verwirrspiel die Ebenen ständig wechselt, so daß man sich bald nicht mehr auskennt und nicht mehr weiß, worum es hier wirklich geht?

Aber vielleicht hilft hier das Titelzitat, das auf Seite fünfundreißig zu lesen ist: „Binde zwei Vögel zusammen, sie werden nicht fliegen können, obwohl sie nun vier Flügel haben“

Ja, richtig darum geht es und da ist der Ich-Erzähler Albert Jakobi, ein Journalist, der irgendwie in ein Ausbildungscamp oder in ein Trainingslager geraten ist, wo er den Paschtunen Aladdin spielen soll, der achtundzwanzig Jahre alt ist, verheirat und drei Kinder hat und in dem afghanischen Dorf, das eigentlich in Bayern liegt, ein Cafe betreibt, das nur einen einzigen Gast hat. Außerdem rennt der Superviser herum und brüllt Anweisungen vor sich her und die Talibans greifen auch ständig an.

Das Ganze wird von einer Firma organisert, auch das Arbeitsamt schickt Kanditaten für sechs Wochen hin und wenn man sich nicht an die Regeln hält, wird man zurückgeschickt und darf später nicht mehr hinkommen.

Albert Jacobis oder Aladdins sechs Wochen sind bald aus, so kehrt er in sein reales Leben, nach Leipzig, wenn ich richtig kombinierte und zu seiner Freundin zurück und will über den Einsatz schreiben, obwohl er ja eigentlich ein Schweigegelübde unterschrieben hat.

Es geht auch nicht, er bringt es nicht zusammen und kommt draußen in der schönen friedlichen Welt auch nicht mehr zurecht. Die Paranoia holt ihn ein, Aladdin sitzt plötzlich neben ihm auf der Parkbank, läßt ein Buch liegen, klaut ihm dafür sein Handy und ruft damit seine Frau und seine Kinder in Afghanistan an und läßt ihn die Rechnung zahlen.

Das Buch das er liegen gelassen hat, stammt von Elisabeth Langgässer und wurde 1936 geschrieben und Aladdin ist auch ein Flüchtling, der mit dem Buch Deutsch gelernt hat, um über die Grenze zu kommen, etcetera, etcertera.

Wem das noch nicht kompliziert genug ist, kann sich mit Albert Jacobi in die Real life Situationen des deutschen Hartz IV Lebens gegeben, wo die Kanditaten in Supermärkten, wo keine echten Kunden sind, den Verkaufsallteg nachspielen müßen und vor den Sozialmärkten bekommt man ein Los, damit es gerechter ist, wenn man als letzter hineinkommt und nur mehr das verwelkte Gemüse vorhanden ist.

Dazwischen gibt es dann noch die Nachrichten vom  wirklich echten Leben des Jahres 2014, wo das Buch offenbar geschrieben wurde, die Todesfälle, die Flugzeugentführungen, die Terroranschläge, die Erschießungen, etcetera.

Noch einmal ganz real bewerben sich, sowohl Albert und seine Freundin für neiue Jobs und während die nach München fährt, um die Probezeit zu beginnen, wechselt Albert mit Aladdin seine Identität, läßt ihn mit seinen Papieren in seiner Wohnung zurück und macht sich auf ein weiteres Training zu beginnen.

So habe ich es mir gelesen, vielleicht läßt sich die Geschichte, wie Andreas Okopenkos „Lexikoroman“ auch anders interpretieren. Mir hat sie, auch wenn sie keine Lösungen anbietet und uns die Wirklichkeit vielleicht schon wieder überholt hat, sehr gut gefallen und wie erwähnt, ich bedauere es sehr, daß es nicht auf die Shortlist des Debutpreises gekommen ist, da es wahrscheinlich stärker, die politische Situation wiedergibt, als Shida Bazyars Geschichte, für die ich mich entschieden habe.

Aber, wie schon erwähnt, ich habe nicht alle Bücher gelesen und ein weiteres, das ich von Marc Richter gewonnen habe, daß es auch nicht auf die LL schaffte, steht jetzt auf meiner Leseliste.

2017-05-09

Das Geheimnis der Eulerschen Formel

Jetzt kommt ein Buch, das ich unter anderen Schätzchen im „Wortschatz“ gefunden habe und eines das mir, was ja, wie meine Leser vielleicht bemerkten, gar nicht so oft vorkommt, erstaunlich gut gefallen hat.

Ein japanischer Roman, von der 1962, geborenenen Yoko Ogawa, von der ich noch nichts gelesen habe, die in den Blogs aber öfter vorkommt und die auch eines meiner Lieblingsthemen, nämlich der Umgang mit dem Gedächtnisverlust, dem Älterwerden und dem Sterben, behandelt.

Sie tut es auf eine sehr poetische Art und Weise: „Ein Buch über Freundschaft und Verlust – und über die Schönheit der Mathematik“, wie auf dem Buchrücken steht und die japanische Literatur, in der ich mich nicht so besonders auskenne, hat auch ihren eigenen, geheimnisvollen Reiz.

Ein Buch von Haruki Murakami, dem Großmeister habe ich gelesen, eines von seinem Namensvetter, eines von  Yasushi Inoue , sowie von Kazuo Ishiguro das sind schon fast meine gesamten Kenntnisse der japanischen Literatur und richtig bei der „Literatur im Herbst“, war es auch einmal das Thema.

Die Funde aus den Bücherschränken sind also ein großer Gewinn,sie füllen meine literarischen Lücken und die Geschichte ist schnell oder auch sehr langsam erzählt, den sie lebt, glaube ich, von den Ausparungen und den Andeutungen.

Eine namenlose Haushälterin ist die Ich-Erzählerin, sie wird von ihrer Agentur zu einem Mathematikprofessor geschickt, der vor einigen Jahren einen Autorunfall hatte und sich die Ereignisse jetzt nur mehr achtzig Minuten merken kann.

Er wohnt in einem Gartenpavillon im Hause seiner Schwägerin, die die Haushälterin, eine junge Frau mit einem zehnjährigen Sohn auch engagiert.

Dann verschwindet sie in ihrem Haus, das die Haushälterin nie betreten soll und der Professor ist ein schmaler Mann in einem schäbigen Anzug auf dem unzählige Zettelchen kleben, damit er sich in seinem Leben zurechtfindet.

Er löst mathematische Rätsel und schickt sie an Zeitschriften, womit er viele Preise gewinnt und er nimmt mit seiner Haushälterin den Kontakt auch über Zahlen auf, so fragt er sie nach ihrer Schuhgröße und erklärt ihr diesbezügliche Zusammenhänge und sie beginnt sich, die wohl keine gründliche Schulbildung hat, für die Mathematik zu interessieren.

Der Professor ist auch sehr kinderliebend, so fordert er sie auf, was in ihrer Agentur eigentlich streng verboten ist, nach der Schule, den Sohn herzuholen und mit ihm geheimsam Abend zu essen, weil das für ein Kind ja wichtig ist und nennt ihn „Root“, Wurzel, nach seiner Kopfform.

Eine wichtige Verbindung ist auch das Baseballspielen. Der Zehnjährige interessiert sich dafür und der Professor tut es auch, aber weil der ja schon Jahre kein Gedächtnis mehr hat, sind seine Lieblingsspieler nicht mehr aktuell und das stellt die beiden vor ein Problem, weil sie nicht wissen, wie sie das dem Professor beibringen sollen, weil sie ihn nicht verletzen wollen.

Es kommt eines Tages auch zu einem kleinen Unfall. Root schneidet sich beim Apfel schälen in den Finger, während die Mutter einkaufen war und, als sie zurückkommt, findet sie die beiden blutüberströmt und außer Fassung vor.

Der Professor trägt das Kind dann ins Krankenhaus und zu einem Baseballspiel wollen die beiden, den Professor auch mitnehmen. Das ist für den alten Herrn, der mit seinen Zettlchen auffällt, natürlich anstrengend und so verfälllt er nachher in ein hohes Fieber, so daß die junge Frau, obwohl auch das streng verboten ist, sich weigert, um neunzehn Uhr nach Hause zu gehen, sondern mit dem Kind die Nacht über bei ihm bleibt. Das führt zu einer Beschwerde, sie wird in ihre Agentur gerufen und muß die Stelle wechseln.

Für den Professor eigentlich kein Problem, hat er sie ja nach achtzig Minuten vergessen, für die unge Frau, die jetzt bei einem Stuerberaterehepaar arbeitet aber schon. Root wird wieder ein Schlüßelkind und sie wird eines Tages von der Agentur angerufen, sie soll sofort in das Haus des Professors kommen, weil ihr Sohn etwas Schreckliches angestellt hat.

Der hat den alten Mann nur besucht, die Schwägerin ist aber mißtrauisch, fragt die ehemalige Haushälerin, ob sie das nur des Geldes wegen getan hat und was sie damit bezweckt? Die antwortet „Aus Freundschaft!“ und der Professor legt plötzlich ein Zettelchen mit der „Eulerischen Formel“ auf den Tisch, als wolle er Streit vermeiden.

Damit wird scheinbar alles wieder gut, die Haushälterin wird wieder eingestellt, der Professor gewinnt den ersten Preis beim Preisausschreiben und Root wird, seltsamerweise, die Geschichte spielt in den Neunzigerjahren, am 11. 9. elf Jahre alt. So beretiten sie für ihn und den Professor ein großes Fest, suchen dafür lang eine Sammelkarte seines Lieblingsspielers, es gibt auch ein Problem mit den Kerzen und der Torte und am nächsten Tag ruft die Schwägerin an. Die Haushälterin braucht nicht mehr kommen, denn der Schwager, dessen Gedächtnisspanne noch kürzer gworden ist und jetzt nicht mehr über das Unfallsjahr 1975 hinausgeht, kommt in ein Altersheim.

Ja, richtig ein Geheimnis gab es auch noch, das die Haushälterin entdeckte, nämlich in einer Kassettte mit den Baseballspielerkarten, lag ein Manuskript und darauf stand „Für N. in ewiger Liebe. Du sollst mich nie vergesssen“ und N. ist, wie die Haushälterin weiß, die Schwägerin und, die sagt ihr dann noch, auf die Frage, ob sie ihn nicht auch im Altersheim betreuen soll: „Das ist nicht nötig. Ich werde bei ihm sein. An Sie wird sich mein Schwager nie mehr erinnern, mich hingegen wird er nie vergessen.“

Sie und Root besuchen ihn aber doch bis zu seinem Tod, das letzte Mal elf jahre später, als Root schon zweiundzwanzig ist und sein Lehramtsexamen bestanden hat, also in Zukunft auch Mathematiklehrer sein wird.

Ein sehr berührende, geheimnisvolle Geschichte, nicht so realistisch, wie meine Texte über den Tod, das Älterwerden und das Sterben, aber trotz aller Aussparungen und der vielen Kleindetail,  verständlich und nachvollziehbar, die mich sehr beeindruckt hat und ich nun auch gern die anderen Bücher der Autorin lesen möchte. Aber die müßte ich erst finden.

2017-05-08

Die Stipendiatin

Es war ein stürmischer Tag, der Himmel leicht bedeckt, Wolken waren zu sehen, so als würde es jederzeit zu regnen beginnen. Keine gute Aussichtslage, um die Fenster iherer kleinen Wohnung zu putzen. Die Hauswirtschaftslehrerein, des Institutes für höhere Frauenberufe, das sie einmal, es war schon länger her, besucht hatte, würde es ihr wohl energisch davon abraten.

Frau Professor Hödelmoser war aber nicht anwesend und höchstwahrscheinlich schon längst in Pension, wenn vielleicht nicht sogar gestorben und sie für sich selbst verantwortlich.

Für sie und ihre Fenster und Hauswirtschaft war nicht ihr Hauptberuf. Nicht der Brotberuf, sondern nur ihr Hobby oder nennen wir es besser, Notwendigkeit ihre Wohnung in Schuß zu halten. Aufzuräumen, kochen und heute hatte  sie sich vorgenommen, die Fenster zu putzen, obwohl das Wetter nicht das beste war.

Aber sei es, wie es war. Sie hatte es sich vorgenomme oder sagen wir, sie hatte es in ihrem Kalender eingetragen und da sie es gewohnt war, ihre Aufgaben diesbezüglich kontinuierlich abzuarbeiten, um solcherart ihren Tagesplan zu erfüllen, schaute sie nur noch einmal prüfend durch die Terrassentür auf den kleinen Garten.

Dann ging sie auf das Klo, wo der rote Plastikkübel aufbwahrt wurde, trug ihn in die Küche und drehte das Warmwasser auf. Ein paar der älteren Geschirrtücher aus dem dafür vorgesehenen Küchenregal nehmen. Ein Wasserschwämmchen vorbereiten und dann den vollgefüllten Plastikkübel zum Küchenfester tragen.

Damit wollte sie beginnen. Dann die Terrassentür, die sich im Wohnzimmer befand. Dann gab es noch das Schlafzimmer, das auf die kleine Straße auf der gegenüberliegenden Seite hinausführte und das war interessant. Darauf freute sie sich besonders, bei ihrer Haushaltsarbeit, war sie doch nur im Nebenberuf Hausfrau, im Hauptberuf aber Schriftstellerin oder Autorin.

Freie Übersetzerin konnte man ihre Brotberufstätigkeit auch nennen und solcherart hatte sie, um ein Stipendium angesucht, um das sogenannte „Joseph Roth-Stipendium“, das für die literarische Übersetzungsarbeiten vorgesehen war und ein diesbezügliches Symposium hatte sie gestern und vorgestern im hiesgen Literaturhaus auch besucht. Deshalb war trotz des ungeeigneten Wetters nur heute Zeit für ihre Hausarbeit und zweitens war es interessant, beim monotonen Fensterputzen, das sie schon in der Haushaltungssschule nicht besonders leiden hatte könne, auf die kleine Straße hinauszusehen und das vor ihr liegende Alltagsleben zu beobachten.

Für eine Schriftstellerin oder freiberufliche Autorin war das, wie sie in diversen Schreibseminaren gehört und erfahren hatte, ganz besonders interessant. Hobbyautorin wollte sie sich nicht nennen. Fand sie doch diese Bezeichnung für nicht besonders stimmig, obwohl, wenn sie sich nicht irrte, der Typ in dem rotbraun gestreiften Wollpullover mit dem berühmten drei oder war es schon ein Fünftagebart, dem sie gestern am Buffettisch gegenübgestand, dafür gehalten hatte.

Ein wenig verächtlich hatte er sie gemustert oder war das nur ihr persönlicher hypersensibler und übertriebener Eindruck, da sie sich von ihm ein wenig abgelehnt und nicht für voll genommen, gefühlt hatte?

Mag sein, sie wußte das nicht so genau und hatte sich nun auch entschlossen, die nicht so sehr geliebte Hausarbeit zur Steigerung der Motivation  mit dem Schlafzimmer fenster zu beginnen. Dann gab es noch das sich nebenan befindende kleine Arbeitszimmer, das auch auf die Straße hinausführte.

Damit würde sie weitermachen und sich erst danach dem Küchenfester und der Terrassentüre widmen, dachte sie voll gewollter Euphorie, schnappte Plastikkübel, Wettex-Schwämmchen, sowie die drei Geschirrtücher und stellte den Kübel auf das kleine Tischchen ab, das sich unter dem Schlafzimmerfenster befand. Dieses aufgemacht, auf einen kleinen Schemel gestiegen und hinausgeschaut.

Draußen war es ruhig. Nur bei der Gerageneinfahrt des gegenüberliegenden Hauses, in dem sich eine Notariatskanzlei befand, stand eine Dreiergruppe, zwei Männer und eine Frau, die sich gestikulierend miteinander unterhielten und dicht vor ihrem nun geöffneten Fenster ging eine ältere Dame  mit einem Dackel vorüber, die skeptisch zu ihr hoch und in ihr Zimmer schielte.

Aufgeatmet oder aufgeseufzt und dann entschlossen das Wettex-Schwämmchen in das inzwischen schaumangereicherte Wasser getaucht. Auf den Schemel gestiegen, mit der ungeliebten Hausarbeit beginnen und dabei mit ihren Gedanken weitermachen und solcherart sich daran zu erinnern, was der Typ mit dem rotbraungestreiften Pullover gestern zu ihr sagte, der sie offenbar für eine Hobbyautorin gehalten und dabei den wunden Punkt getroffen hatte.

Denn sie war zusammengezuckt, hatte abwehrend ihr Rotweinglas erhoben und versucht sehr energisch mit empörter Stimme: „Ach, nein, Sie irren sich, ich bin eine Stipendiatin und habe sogar schon Joseph Roth übersetzt!“, zu antworten.

Was, wie sie leider merken mußte, bei ihm nicht sehr viel Eindruck machte, denn er hatte mit der weißen Plastikgabel nur in seinen Teller auf dem sich einige Jourgebäcksemmerln, zwei Schnitzelstückchen und ein paar gebackene Champignons und Emmentalerscheiben, die es am Fingerfoodbuffet gegeben hatte, herumgeschoben. Dann hatte er auf und sie angesehen, sowie gefragt, ob sie seine Schnitzelstücke wolle, was bei ihr zu weiterer Abwehr geführt hatte.

„Nein, danke, die müssen Sie schon selber essen! Sie können sie ja, wenn Sie es hier nicht schafen, zum morgigen Frühstück verzehren!“, gekontert, was ihm wieder empört zu haben schien. Denn er hatte sein Herumstochern unterbrochen, die Plastikgabel hochgehalten und skeptisch in ihre Richtung geschaut.

„Ach, wirklich, Sie sind Stipendiatin, ich hätte Sie für eine Hobbyautorin gehalten?“, hatte er gesagt, was sie jetzt noch  so empörte, daß sie tief mit ihrem Schwämmchen in das warme Schaumwasser tauchte und damit energisch über die Schlafzimmerfensterscheibe fuhr.

„Fleißig, fleißig, passen Sie nur auf, daß es nicht zu regnen beginnt!“, hörte sie die Stimme des nächsten vorüberschlendernden Passanten zu ihr sagen, was wieder an ihrer Kompentenz und ihrem Selbstbewußtsein nagte und sie noch einmal enegisch den Kopf schütteln ließ.

Jetzt fuhr sie energisch mit dem Schwämmchen über die Fensterscheibe. Gestern hatte sie in ihrer Handtasche gekramt und dem Dreitagebarttypen ihre letzte Publikation entgegengehalten, das zu ihrem Bedauern noch nicht übersetzt war. Weder auf Ukrainisch, Polnisch oder sogar in das jetzt ungeliebte Russisch, hatte sich bis jetzt ein literarischer Übersetzer gefunden, der ihre Sommererzählung in seine Landessprache übertragen wollte. Das hatte nur einmal ein bosnischer Stipendiat mit einem ihrer früheren Bücher versuchen wollen und dann darauf vergessen oder war das dafür eingereichte Stipendium nicht zutandegekommen?

Sie wußte es nicht, hatte aber gestern, den ungläubigen Typen energisch ihr Buch entgegengestreckt und ihm erklärt, daß das ihre letzte Veröffentlichung wäre.

„Wollen Sie sich sie ansehen!“, hatte sie etwas provokant gefragt. Er hatte aber nur abwehrend den Kopf geschüttelt und noch einmal mit aller Skepsis „Ach, wirklich?“ gesagt.

Dann hatte er mit einer weiteren Bewegung das Buch von sich gewiesen und mit erhobener Plastikgabel vor ihrem Gesicht herumgewackelt, was die neben ihr stehende Übersetzerkollegin, die, wenn sie sich nicht irrte, aus dem schönen Tschechien kam, zu der irnonischen Bermerkung veranlaßte, daß das eine sehr chacharakteristische  Handbewegung wäre.

„Richtig!“, hatte sie verärgert gekontert. Das Buch wieder in ihre Tasche gesteckt und sich den Gemüsestäbchen auf ihrem Teller gewidmet.

„Sehr richtig, daran kann man die angewandte Psychologie studieren! Literatur interessiert den Herren offenbar nicht! Sind Sie auch ein Autor oder kommen Sie nur wegen des Buffets hier!“, hatte sie provokant in dem Versuch ihn zu ärgern gefragt und in ihrem Restärger, der vielleicht noch von gestern vorhanden war, war es ihr gelungen, die Fesnterscheibe trocken zu wischen und zu regnen hatte es auch noch nicht angefangen.

„Geschaft, geschafft!“, dachte sie befriedigt, machte das Fenster wieder zu, schnappte Kübel und Geschirrtücher und begab sich damit nebenan in das kleine Arbeitszimmer, wo auf dem Schreibtisch der Computer stand und auch die Arbeit lag, mit der sie, um das Stipendium angesucht hatte, von dem zwar noch nicht ganz klar war, ob sie es bekommen würde?

Für eine Hobbyautorin hielt sie sich aber trotzdem nicht und auch nicht für eine solche Übersetzerin, hatte sie doch sogar ein schon ein paar bisher unbekannte Arbeiten von Joseph Roth ins Englische übersetzt und drei Bücher waren von ihr auch erschinen, so daß sie größere Hoffnung hegte, das Stipendium zu bekommen. Die hatte ihr eigentlich auch Frau Professer Wirr-Lechner, die das Symposium geleitet hatte,  gemacht, während der Typ im rotbraunen Pullover gestern noch immer skeptisch schaute, dann mit der Gabel in seine Schnitzelstücke fuhr,  sein Weinglas hob und sich in weiterer Folge der tschechischen Kollegin zuwandte und von ihr wissen wollte, was sie schon übersetzt hatte und, wie ihr das Symposium gefallen würde?

Sie wandte sich jetzt mit voller Inbrunst ihrem Arbeitszimmerfenst zu und bemerkte mit Befriedigung, daß die Dreierpersonengruppe, die vorhin in der Garageneinfahrt gestanden  hatte, inzwischen verschwunden war. Vielleicht hatte sie sich in die Notariatspraxis begeben, vielleicht in ihre Wohnungen oder ins nächste Wirts- oder Cafehaus gegangen. Sie wüßte es nicht. Es hatte sie auch nichts anzugehen, obwohl, sowohl für Hobby-, als auch für die sogenannten professionellen Autoren, die kleinen Alltagsbeobachten, wie sie auch von der Frau Professor gehört hatte, sehr wichtig waren.

„Unterschätzen Sie die nicht, liebe Kollegen und haben Sie, das kann ich nur wirklich raten-„, hatte sie gesagt, „-immer einen Bleistift und ein Notizbuch bei sich, um sich diese Beobachtungen aufzuschreiben und vielleicht später für eine Erzählung oder ein Gedicht verwenden zu können!“

Ein guter Rat, natürlich klar und gar nichts dagegen einzuwenden und auf ihrem Arbeitszimmerschreibtisch, befand sich auch ein Notizzettelblock und eine ehemalige Kaffeepulverdose mit Bleistiften und Kugelschreibern. Sie hatte aber trotzdem keine Zeit dafür, mußte sie doch ihre Hausarbeit beenden. Das Fenster fertig putzen, bevor es zu regnen begann, hatte sie sich vorgenommen und da, wie sie sehen konnte, schon die ersten Tropfen vom Himmel fielen, blieb ihr auch nicht mehr sehr viel Zeit dafür.

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