Nein, das ist kein Flüchtigkeitsfehler, denn Theodora Bauers zweiter bei „Picus“ erschienener Roman, heißt wirklich so und auf die Idee ist die 1990 in Wien geborene und im Burgenland lebende Autorin, deren „Fell der Tante Meri“ noch in den Regalen wartet und die von der Schreibwerkstatt des Semier Insaif, die er immer in der „Gesellschaft für Literatur“ vorstellt, glaube ich, gekommen, als sie in Kittsee oder sonstwo eine Siedlung mit diesem Namen sah, denn im armen Burgenland, das erst 1921 zu Österreich gekommen, ist, die Grenze mitten durch das Feld geschnitten und die Burg von Bratilava, das vormals Pressburg hieß, ließ sich auch noch sehen, hat es zwei große Auswanderungswellen gegeben. In den Zwanziger- und in den Fünzigerjahren und von der ersteren war auch Alfreds Tante Ida betroffen, die ich mit ihm und der Anna 1989 das erste Mal in dem Vorort von New York, wo sie lebte besuchte und Alfred mit der Anna dann noch einmalzu ihrem hundertesten Geburtstag dort war.
Theodora Bauer hat geforscht, ist ins Auswanderungsmuseum gegangen, das es im Burgenland gibt und auch in eines in Hamburg, wo die Leute ausgeschifft wurden. In Chicago ist sie vielleicht auch gewesen und am Schluß des Buches kann man in den Danksagungen lesen, wer ihr aller bei der Arbeit geholfen hat.
Die „Gesellschaft für Literatur“ wird da erwähnt, das Literaturhotel „Die Wasnerin“ das ja Autoren Aufenthaltsstipendien gewährt und auch der zwanzigste Klagenfurter Literaturkurs, wo der Text vielleicht besprochen wurde und dann ist, wie man am Klappentext nachlesen kann, Theodora Bauer „gelungen ihren Protagonisten Seele, ihrer Geschichte Realsimus, ihrem Schicksal Tragik und Schönheit verleihen.“
So ganz bin ich zumindestens mit dem, was die Realistik betrifft, nicht einverstanden, ist mir doch ein klein Wenig zu viel Sex und Crime dabei, zumindestens, was das Crime betrifft, denn da passieren ja zwei Morden, die dem ganz normalen burgendländischen Auswanderern, der aus seinem Elend heraus in die USA gefahren ist und von dort wieder zurück oder auch nicht gekommen sind, wahrscheinlich nicht passierte.
Trotzdem war das Buch, das in vier Teilen, die die Jahreszahlen 1921, 1922, 1937 und nochmals 1937 tragen, sehr beeindruckend und es werden in den vier Teilen eigentlich sehr abgeschlossene Geschichten erzählt, für die man vielleicht ein bißchen braucht, um ganz in sie hineinzukommen, denn Theodora Bauer versteht ihr Handwerk und hat auch eine sehr poetische Sprache, spart vor allem, was, was ich ja auch immer höre, den guten Roman ausmacht, sehr viel aus.
Es beginnt also 1921 im burgenländischen Dort an der Grenze und da sind die Schwestern Alica oder Ana und Katarina oder Katica, man sieht schon die Sprachvielfalt und vielleicht auch, die der verschiedenen Nationalitäten und den verschieden ausgesprochenen Namen.
Ana und Katica sind Halbgeschwister, denn Anas Mutter ist bei der Geburt gestorben, da hatj sich der Vater eine andere Frau geholt, die dann, wie das damals so war, auch bei der Geburt gestorben ist. Der Vater ist Schmidt, die Zigeunersiedlung liegt nebenan.
1921 ist auch der Vater gestorben und Katica, die schöne wurde auf einem Fest von Feri, Ferenc, Feric oder Franz, dessen Eltern und Geschwister schon in die USA ausgewandert waren und zum Teil wieder zurückkamen, geschwängert. Jetzt will er auch dorthin, denn die Zeiten sind schlecht, keine Arbeit, keine Aussicht auf eine Lehre, etcetera.
Er kann aber nicht, wie er will, denn eines Tages steht Katica an der Schwelle und sagt, sie kommt mit, denn sie will kein lediges Kind. So rüstet sie schon zur Hochzeit, nimmt das Kleid der toten Mutter, das natürlich nicht mehr passt, aus der Truhe am Dachboden und Feri hat Schwierigkeiten, denn die Schiffspassage für Katica kostet Geld, das er nicht hat. So gerät er in illegale Machenschaften, ein Gendarm wird im Wald erschossen und Anica, die schweigsame oder mutige, Halbkroatin, es werden immer wieder kroatische Sätze in das Buch eingestreut, nimmt das Heft in die Hand, erpresst die Schiffspassage und kommt ebenfalls nicht.
1922 sind sie dann in Cicago, haben zuerst bei der Familie von Feris Bruder gewohnt, Feri beginnt zu arbeiten und zu trinken, obwohl da ja damals, glaube ich, Zeiten der Probibition waren, es hat aber versteckte Lokale gegeben, wo Branntwein ausgeschenkt wurde und Katica stirbt ebenfalls bei der Geburt. Feri gerät in eine Schlägerei und dieses Kapitel endet, daß Maria, die Schwägerin, die ebenfalls schwanger ist, Ana das Kind, den kleinen Josip, der später Joe oder Josef heißen wird, aus der Hand nimmt und sagt, sie weiß für sie eine gute Stelle, als Haushälterin.
Dann kommen wir ins Jahr 1937 und da gibt es in Chicago Probleme, denn Joe hat von Cathy, seiner Schwester, erfahren, daß sie das gar nicht ist, das löst in ihm einen Schock aus, denn Maria und Kristof haben ihn verschwiegen, daß sie nicht seine richtigen Eltern sind. So kommt er erbost in das vornehme Haus, wo seine Teta Ana, Haushälterin ist und die junge Lily White, die die Welt ergründen und sich auch, um die Armen von Chicago kümmern will, verlangt von Auntie Ana, daß ihr Neffe Josip sie dort hinführen will.
Da wird es jetzt auch ein bißchen kryptisch, denn es wird sehr viel geschwiegen in dem Buch, was ja psychologisch nachzuvollziehen ist. Der Geist der Missis, die im Haus herumspukte und sich als nervenkrank erwies und in eine Klink abgeschoben wurde, hat mich aber ein bißchen an Daphe de Maurier oder die englischen Gespensterromae erinnert.
Sei es, wie es ist, Herr White, wie er sich nennen läßt, ist nach dem Tod seiner Frau, der wenige Jahre später in der Nervenheilanstalt erfolgt ist, viel auf Reisen und seine Tochter Lily, der schweigsamen Haushälterin, die immer knickst, obwohl Lily, das gar nicht will, überlassen und Josip führt die unsichere, sie scheinen alle so, um die fünfzehn, sechzehn zu sein, zu einer Demonstration, weil die Arbeiter der Fleischfabriken streiken und Lily steht imit ihrem Hut und den teuren Schuhen in der ersten Reihe und sieht zu, wie die Polizei auf die Streikenden schießt und sie mit Tränengas betäubt.
Das versetzt sie und das erscheint mir unglaubwürdig, wenn nicht wieder so, wie in den Romanen aus dem neunzehnten Jahrhundert, kitschig, in eine Art von Katatonie. Josip schleppt sie, wie einen Mehlsack auf seinen Schultern heim und die Tante verlangt von ihr, daß er sie fortan jeden Tag besucht. Das macht er eine Zeitlang und sitzt am Bett, der sich schlafend Stellenden und das denke ich, hätte, in der Welt der Klassenunterschiede, wie sie damals herrschten, wo man alleine nicht in die „schlechten“ Vierteln gehen konnten, eine Haushälterin niemals gemacht und das mit den verrückten Mädchen, die dann in den Nervenheilanstalten verschwinden, sollte eine 1990 geborene Autorin, wenn sie über das Amerika von 1937 schreibt, vielleicht auch nicht verwenden.
Sei es wie es ist, Cathy, die Cousine und nicht wirkliche Schwester ist Josip bei seinen Besuchen in die reiche Villa, eifersüchtig gefolgt und steht vor der Tür. Lily, am Fenster und läuft den beiden im Nachthemd in den Park zu dem See nach, wo Cathy schließlich ertrinkt und Ana muß wieder handeln, beziehungsweise mit dem Neffen zurück ins Burgenland flüchten.
Aber das hat sich ja inzwischen auch verändert, zwar ist die Armut nicht kleiner geworden, ganz im Gegenteil, aber die blonden Burschen, die illegalen Nazi, marschieren für die Zukunft und streuen, die noch verbotenen Hakenkreuze aus und wenn man das mit den Videos der Identitären, die heute im Netz zu sehen sind, vergleicht, wird einer schlecht und kann nur hoffen, daß Theodora Bauer da wieder übertrieben hat.
Josip, der jetzt nicht mehr Joe, weil ein echter Deutscher ja nicht so heißt, gerät in die Fänge solcher Jungnazis, marschiert mit, streut Hakenkreuze aus, was man ja für eine Kinderei halten könnte, aber dann trägt er die Fahne, als es an das Haus einer aufmüpfigen offenbar sozialistischen alten Frau gegen soll, das angezündet wird. Es wird auch ein Stein auf dem das Wort „Zigeuner“ steht, in Anas Elternhaus geworfen und die jüdischen Geschäfte werden sowieso beschmiert.
Ana steht daneben, beobachtet, schweigt und ist, wie das bei den kleinen Leuten halt so ist, unfähig sich zu wehren und kann nur hoffen, daß die Zukunft, keinen „Faschingsumzug bringt, von dem dann später niemand etwas gewußt haben will“.
Das können, denke ich, wir auch so hoffen und vielleicht noch etwas dagegen tun. 1937 ist achtzig Jahre vorbei und der Roman trotz seiner meiner Meinung nach unnötigen Übertreibungen, sehr interessant und ich kann das Lesen sehr empfehlen.
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