Literaturgefluester

2017-12-10

Man möchte manchmal wimmern wie ein Kind

Filed under: Bücher — jancak @ 00:26
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Am 21. Dezember 1917 wurde Heinrich Böll geboren, der 1972 den Nobelpreis bekommen hat und inzwischen, wie man meinen könnte, fast ein wenig vergessen wurde, während ich ihn in meiner Studentenzeit und auch nachher relativ viel gelesen habe.

So kann ich mich erinnern, daß ich den Frühling 1984 mit der kleinen Anna in dem Häuschen am Almweg verbracht habe und dort „Gruppenbild mit Dame“ gelesen habe.

An die „Verlorene Ehre der Katharina  Blum“ kann ich mich auch erinnern. Die habe ich aber schon vorher gelesen und ich habe sicher auch noch ein paar andere Bölls in meiner Bibliothek und sehe solche auch gelegentlich in den Bücherschränken.

Das mit der Vergessenheit wird sich jetzt ein bißchen ändern, hat doch „Kiwi“ zwei neue Bücher über und von ihn herausgebracht  und zufälligerweise habe ich auch vor kurzem, als ich sehr erschöpft von dem langen Marathonschreibens vom „Writersstudio“ nach Hause gegangen bin, im Bücherkasten den es vor der Buchhandlung Kuppitsch gibt, Werner Höfers „Deutsche Nobel Galerie“ gefunden, die anläßlich der Nobelpreisverheihung von 1972 herausgegeben wurde und ein großes Böll-Spezial enthält.

Ralf Schnel,l der den Band „Heinrich Böll und die Deutschen“ herausgebracht hat, habe ich bei meinem Frankfurter Buchmessensurfing, ich glaube bei „3-Sat“ gehört und der ist auch auf die von dem Bölls Sohn und Nachlaßverwalter Rene herausgegebenen Kriegstagebucher von 1943 bis 1945 eingegangen und hat erwähnt, was auch im Vorwort steht, daß die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Dann hat  sich die Familie aber doch entschlossen, daß man sie der Öffentlichkeit vorenthalten sollte und Böll es wahrscheinlich ohnehin so gewollte , weil er sie sonst vorher vernichtet hätte, etcetera.

Bei Thomas Bernhard habe ich  etwas Ähnliches erlebt und gehört und da ich mir das Buch in Leipzig bestellt habe, als ich mit Uli Meier die Herbstvorschau durchgegangen bin, hatte ich auch keine Wahl, als das Buch zu lesen, obwohl es wahrscheinlich schon  sehr private Momentaufnahmen des jungen Wehrmachtsoldaten sind, der 1939 knapp seiner Matura, er hatte da gerade eine Buchhändlerlehre abgebrochen und Germanistik zu studieren begonnen hat, eingezogen wurde.

Er hat, wie ich in den Erläuterungen lesen konnte, seit Beginn des Krieges Tagebuch geführt, die ersten sind aber verloren gegangen und jetzt sind in dem schönen schwarzen Buch drei Tagebücher wiedergegeben die, das muß ich lobend erwähnen, von Rene Bölls Frau digitalisiert wurden, so daß man zuerst die Originalseiten sieht und darunter die abgedruckte Form lesen kann.

Das erste Tagebuch ist ein in Belgien gekaufter Kalender und es ist schön, die alten Tagebücher zu sehen. Die beiden anderen scheinen auch eher kleine Bchlein zu sein, so daß eigentlich nicht sehr viel Platz für die Eintragungen ist, die oft nur aus groß geschriebenen Worten, wie „Das Gelübde! Anne-Marie“ „Post von Anne-Marie“ oder „Ich darf in Urlaub fahren „Das Messer“ „Das Messer“ bestehen, was mich eigentlich auch bestätigt, daß es wohl eher eine Privateintragung ist.

Annemarie ist die Frau, die Ehe wurdem glaube ichm während des Krieges geschlossen, das erste Kind, das schon 1945 gestorben ist, in dieser Zeit geboren und die große Gläubigkeite und das Klammern an Gott ist auch immer wieder zu merken.

„Gott allein kann mir helfen! Gott allein kann mir helfen“, am17. 4. 44 beispielsweise oder am 18. 4. 44 „Das absolute Elend in den Kasernen“ Gott helfe mir!“

Es sind drei Tagebücher, das erste 1944 bis 1945, dasnn eines von 1944 bis 1945,  das dritte betriff nur das Jahr 1945 bis zum Kriegsende.

„Entlassung in Bonn“ lautet  der letzte Eintrag.

Das Buch ist gut kommentiert. so wird im Anhang immer wieder an die Briefe aus dem Krieg hingewiesen, die Böll ebenfalls geschrieben hat und die schon veröffentlicht wurden. Da kann man das Geschehen auch genauer verfolgen, hier kann man wahrscheinlich eher die unmittelbare Emotion mitnehmen.

Das Titelzitat stamm vom 29. Jänner 1943: „Man möchte vor Dreck und Müdigkeit manchmal wimmer wie ein Kind“ und auf den Dreck und den Hunger wird  noch öfter hingeweisen.

Im Nach- oder Vorwort steht noch, daß der junge Böll kein aktiver Kriegsverweiger war, sich aber von der Front öfter durch Urlaube und Krankheiten drücke. Davon kann man auf den Seiten auch lesen. Die Route erfährt man eher aus den Erläuterungen. So war Böll zuerst in Frankreich, kam dann in die Ukraine, war dort auch in den berühmten Stanislau über deren Vernichtung, ich im Vorjahr gelesen habe.

Interessant ist es also schon die unmittelbare Emotionen, die Verzweiflung, die Sehnsucht nach der Geliebten, nach Gott und der Erlösung so hautnah mitzuerleben.

Es gibt im Anhang auch Landkarten und ein paar Fotografien, wo man Böll in der Uniform sehen kann. Ich habe in Harland ja auch ein Album mit Kriegsfotografien meines Vaters und meine Mutter hat auch ein Tagebuch geschrieben, das wir gefunden haben, als wir die Wohnung in der Wattgasse auflösten.

Also interessant ist das Buch allemal und während man noch überlegt, ob man es lesen oder nicht lesen soll, weil man damit vielleicht doch eine Privatsphäre verletzt, kann man zu dem gleichzeitig erschienenen „Heinrich Böll und die Deutschen“ greifen, wo es diese Bedenken nicht gibt und ich werde mich auch noch ein bißchen in das Nobelpreisdossier einlesen und am besten ist es wahrscheinlich überhaupt zu den Originalwerken zu greifen und sie wieder oder vielleicht  erstmals zu lesen.

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