Wir sind also, weil der Alfred nicht in einem Tag von Wien nach Essen durchfahren wollte, am Samstag von Wien ab- und nach Würzburg gefahren, wo wir schon vor drei Jahren waren und dort im „Bockshorn“ im „Kulturspeicher“ ein Kabarett besuchten.
Da hätten wir natürlich auch am Sonntag fahren können, allerdings ist sowohl in Essen, als auch in Leipzig, Umweltzone und wir haben ja ein alten Auto, wo wir das diesbezügliche Pickerl nicht mehr bekommen. Bisher hat das in Leipzig nichts gemacht. Diesmal wollte sich der Alfred aber ein Auto mieten, konnte das aber nur am Samstag machen, also sind wir nach Würzburg gefahren und haben das Wochenende dort verbracht.
Das heißt, wir sind am Samstag, um fünf angekommen und hatten diesmal ein Hotel gleich beim „Kulturspeicher“ und im „Bockshorn“gab es wieder ein Kabarett, beziehungsweise ein Konzert von „Gankino-Circus“ und wir haben sogar Restkarten dafür bekommen.
Sind ein bißchen in der Stadt herumspaziert, das heißt zuerst wieder bei der Mainbrücke, wo die Leute mit den Gläsern auf der Straße stehen, einen „Hugo“ beziehungsweise ein Glas Wein getrunken und sind dann beim „Hugendubel“ einer dieser deutschen Buchhandlungsgroßketten gelandet, wo ich mich mit einer Reihe von Leseproben eindeckte und mir auch zwei Bücher für je zwei Bücher besorgte, weil ich bei Abverkaufsbücher, obwohl ich ja einen deutschen Lesevorrat mithatte und mich bald auf eine Buchmesse begeben werde, nie wirklich nein sagen kann.
Das war also der Samstag, blieb also die Frage wie wir den Sonntag in Würzburg verbringen sollten? Wo wir schon vor drei Jahren einen Stadtspaziergang machten. Der Alfred schlug einen Spaziergang auf die Festung Marienberg vor und zu Mittag, das Restaurant, das wir vor drei Jahren nicht gefunden, beziehungsweise verwechselt hatten, aber sonst wären wir ziemlich ratlos geblieben, hätte mir der Alfred nicht beim Frühstück ein kleines Heftchen gezeigt.
„Würzburg liest ein Buch“ war es betitelt und zeigte am Cover den Roman von Jehuda Amichai „Nicht von jetzt, nicht von hier“ und dann noch ein paar Leute, die damit lesend in der Würzburg-Kulisse herumstanden oder saßen und darunter war geschrieben „Die ganze Stadt macht mit: Lesungen, Vorträge, Ausstellungen, diskussionen, Theater und vieles mehr“ und das Programm das in dem Heftchen abgedruckt war, begann, obwohl als Datum der April angegeben war, schon im Februar und hatte auch am Sonntag eine diesbezügliche Veranstaltung.
Jechuda Amichai, nie etwas von ihm gehört. Das Heftchen gab aber auch diesbezügliche Auskunft, daß das ein unter dem Namen Namen Ludwig Pfeuffer geborener Würzburger Lyriker war, der 1936 mit seiner Familie nach Israel emigrierte, 1955 den ersten Gedichtband veröffentlichte, der Roman „Nicht von jetzt, nicht von hier“ ist 1992 erstmals in deutscher Sprache erschienen und 2000 ist der Autor, dessen Buch in Würzburg jetzt gelesen werden wird, in Jerusalem gestorben und am Sonntag, um elf hat es beim Rathaus eine Stadtführung oder eine „Spurensuche nach der Stadt Jehuda Amichais“ gegeben, die wir besuchen konnten.
Ich habe dann im Hotel noch ein anderes Programmheft gefunden, in dem zu erfahren war, daß am Sonntag in Würzburg und wahrscheinlich auch anderswo „Weltgasttag“ war und es daher von elf bis sechzehn oder siebzehn Uhr kostenlose Stadtführungen zu verschiedenen Themen gab und eine davon war schon, die oben erwähnte von einem Dr. Hans Steidle, offenbar ein ehemaliger Lehrer, der sich schon sehr viel mit Ludwig Pfeuffer oder Jehuda Amichai beschäftigte und die Orte zeigte, wo er aufwuchs, zur Schule ging, das Geschäft seines Vaters und sich die ehemalige synagoge befand, etcetera und das Buch, das jetzt in der Stadt im April gelesen werden soll, ist, wie Hans Steidle betonte, einerseits sehr kompliziert, andererseits wieder sehr einfach.
Ein junger Archiologe, der in den Neunzehndreißigerjahren emigrieren mußte, kommt nach dem Krieg nach Würzburg oder Weinheim, wie es, glaube ich, in dem Buch heißt, zurück und begibt sich auf die Spuren seiner Vergangenheit.
Hans Steidle hat also, an die Orte geführt und immer wieder Stellen aus dem Buch gelesen, beziehungsweise Bilder von der Familie gezeigt und es war sehr interessant, die Stadt kennenzuleren von ihrer Vergangenheit und einen mir bisher unbekannten Autor zu erfahren und weil es schon angebobten war, haben wir nach dem Essen, in dem Lokal, das wir diesmal gefunden haben, noch zwei Führungen gemacht und uns da auf die Spuren der Würzburbger Frauen, Malerinnen, Bildhauerinnen, Sozialreformerinnen, aber auch die die Wäsche wuschen oder am Markt Gemüse verkauften, begeben, beziehungsweise sind wir den „Stolpersteinen“ nachgegegangen, die es ja auch in Wien gibt und die von den Menschen erzählen, die in den Häusern, vor denen sie angebracht wurden, gearbeitet und gelebt haben, bevor sie von den Nazis vertrieben wurden.
Dann sind wir noch auf die Festung hinaufgegangen und haben also einen sehr interessanten Würzburger Sonntag erlebt, wo es sehr viel und sehr intensiv in die Vergangenheit und das Leben und die Geschichte der jüdischen Bewohner vor 1933 gegangen ist und ich habe gelernt, daß der sechzehnte März für Würzburg eine tragische Bedeutung hatte, während es in Österreich ja gerade der zwölfte ist, dem gedacht wird und den ich diesmal nicht dort erlebe und der eine das Ende, das sehr zerstörte Würzburg und das andere den österreichischen Beginn des Endes beschreibt.
„Würzburg liest ein Buch“ wird heuer übrigens zum dritten Mal durchgeführt, 2014 wurde da Leonhard Franks „Der Jünger Jesu“ ausgesucht, dem auch eine Stadtführung gewidmet war und mit dem sichHans Steidle ebenfalls schon beschäftigt hat, 2016 war es der mir bekanntere Jakob Wassermann mit dem „Aufruhr um den Junker Ernst“, der, was ich nicht wußte, auch einen Würzburger Bezug hatte, allerdings in Altaussee getorben ist und ich habe ganz zufällig und nebenbei ein Stück der Würzburger Literaturgeschichte kennengelernt, die mir ohne dem Zwischenstop sicherlich entgangen wäre.
Und ehe ich es vergesse den Bücherschrank in der Eichhornstraße haben wir auch aufgesucht und ein paar „Diogenes-Krimis“ dort gefunden.
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