Von der aktuellen deutschen Gegenwart geht es jetzt zurück in das Jahr 1968, denn da wird ja die Studentenbewegung gefeiert und „Wagenbach“ hat dazu eine eigene Buchreihe „Politik ist lesbar“ herausgegeben, von der ich nur „Paris, Mai 68“ gelesen habe. Aber da hat es ja auch den Vietnamkrieg gegeben, der an mir in meiner Volksschulzeit so ziemlich vorübergegangen ist und wenn ich „Paris, Mai 68“ schon im April gelesen habe, so las ich Erich Frieds Vienamgedichte am ersten Mai, bevor ich mit dem Alfred zur Alberta und dann zum Parlament gegangen bin und Erich Fried ist zu seinen Lebzeiten muß ich gestehen, auch so ziemlich an mir vorbeigegangen. Einmal war glaube ich eine Großveranstaltung mit ihm im NIG.
„Magst gehen?“, hat der Alfred mich wohl gefragt und ich habe irgendwie keine Lust gehabt. Heute tut das einer Leid, was sie da versäumt hat und auch an die Gedichte bin ich erst später rangekommen und zitierte sie manchmal als Vorwort bei meinen Büchern oder vor meinen Kritikern „Es ist was es ist sagt, die Liebe“, wenn beispielsweise wieder jemand sagt, daß ich nur Schwachsinn schreiben würde.
Gelesen habe ich, muß ich gestehen, auch nicht viel, zwar immer wieder, die Textproben, die es in der „Ziwebel“ „Wagenbachs-Programmheftchen“, die ich gesammelt habe und zum „Fried Symposium“ und zur „Friedpreis-Verleihung“ gehe ich auch seit Jahren aber da wird in der letzten Zeit auch nicht mehr sehr über Erich Fried gesprochen und auch das schöne Portrait, das Heidi Heide einmal machte und das früher bei dieser Veranstaltung im Literaturhaus aufgehängt wurde, ist jetzt verschwunden.
Erich Fried also im Original.
„Wagenbach“ macht es möglich, denn es hat seine 1966 Vietnam einundvierzig Gedichte wieder aufgelegt mit einem Nachwort von Klaus Wagenbach versehen und eine Chronik und eine Landkarte, die, glaube ich von Fried stammt, gibt es auch, so daß ich mein geschichtliches Wissen, das, wie ich schon geschrieben habe, sehr lückenhaft ist, auffrischen kann.
Also hinein in das politische Geschehen von 1968 und früher und Klaus Wagenbach schreibt in seinem Text, den ich als Erstes gelesen habe, daß die Gedichte damals kaum Resonanz und auch kaum Rezensionen hatte. Also totgeschwiegen, während der politische Liebesdichter erst ein paar Jahre später von der Jugend so richtig entdeckt wurde und heute, glaube ich, bei jedem Maturanten im Bücherschrank steht oder vielleicht auch nicht mehr so ganz, denn der Mai ist vorbei, hat Peter Henisch schon vor Jahrzehnten geschrieben und die Zentralmatura interessiert sich ja, wie ich immer höre, nicht für Literatur. Also wird es da keine Lyrik-Interpreationen als Thema geben und ich muß es selber machen und schreibe gleich dazu, daß der kurze lyrische Gang durch die Geschichte sehr beeindruckend war undich es wirklich jeden nur empfehlen kann, Erich Fried zu lesen und sein Geschichtswissen aufzufrischen:
„Das land liegt sieben Fußtritte
und einen Schuß weit
seine südliche Hälfte
heißt Demokratie
In ihrer Hauptstadt Sodom
regiert ein Soldat der Mein Kampf lernt
Die Mönche sind buddhistisch
oder katholisch
Die buddhistischen Mönche
werden oft Rote genannt
In Wirklichkeit sind sie gelb
aber nicht wenn sie brennen“
Geht es gleich direkt hinein in die Landeskunde und man staunt über die Detailkenntnisse Frieds, der meines Wissen nach nicht vor Ort gewesen ist, sondern in London lebte.
Ich füge noch rasch die biografischen Daten an.
1927 in Wien geboren, 1938 vor den Nazis nach London geflohen, wo er bis 1988 lebte und er war, glaube ich, auch der Trauzeuge Arthur Wests, der ebenfalls nach London emigrierte.
Nach diesem Vorgedicht wird es konkreter und es werden die „Gründe“ angeführt, warum man eben manches tut und manches unterlassen hat.
„Weil das alles nichts hilft
sie tun ja doch nur was sie wollen
Weil ich mir nicht nochmals
die finger verbrennen will“
und so weiter und so fort bis zu
„Weil man nie weiß
wie einem das schaden kann“
„Aha!“, kann man da nur sagen und hat wahrscheinlich schon seine diesbezüglichen Ausredeerfahrungen gemacht.
Also gleich zu „Pastor R. in Hamburg“,
der keine Ausreden gelten läßt
„Ich habe gesprochen
gegen russische Panzer in Ungarn
Soll ich heute schweigen?“
In „Was alles heißt“ wird es wieder konkreter:
„Schwarze Jacken und Hosen tragen
heißt Bauer sein
nicht Vietcong sein
Getötet werden
heißt nachher
Vietcong gewesen sein.“
Und „Zun vietnamesischen „Fest der Kinder“ warfen U.S Flugzeuge Spielzeug ab, auch auf Dörfer, in deren ihre Bombn noch kurz zuvor Kinder getötet hatten.“, heißt es als Fußnote zu:
„Gezieltes Spielzeug
Hätte das Flugzeug
lieber vor vierzehn Tagen
Spielzeug heruntergeworfen
und jetzt erst die Bomben
hätten meine zwei Kinder
noch vierzehn Tage
durch eure Güte
etwas zum Spielen gehabt“
Man sieht, sehr dicht, die Fried-Gedichte und so geht es gleich auch in
„Beim Zeitungslesen in London“ weiter
„Außerdem ist es eine „nichtgiftige Abart“
ein „nichttödliches Reizgas“
es „verursacht nur Kopfweh und Brechreiz
und In einigen Fällen
vorrübergehende Blindheit.““
Und so weiter und so fort, könnte man sagen. In drei Abteilung lyrisch durch die Geschichte. Sehr beeindruckend auch das „Greuelmärchen“ vom Menschenfresser.
„Der Menschenfresser frißt keinen
der nicht sein Feind ist
Wen er fressen will
den macht er sich erst zum Feind.“
Und am Schluß, wenn sich der Reigen wieder schließt und der Krieg vielleicht beendet ist, kommt es natürlich zur
„Anpassung
Gestern fing ich an
sprechen zu lernen
Heute lerne ich schweigen
Morgen höre ich
zu lernen auf.“
Hoffentlich nicht zu lesen, denn ich habe ja nur wenige Gedichtzeilen zitiert. Also wieder selber lesen. Erich Frieds Vietnam-Gedichte und natürlich auch all die anderen und wenn möglich auch in die „Alte Schmiede“ zur „Poliversale“ gehen, von der ich heuer wegen meiner Stunden und anderen Ereignissen, auch sehr viel versäumte.
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