Literaturgefluester

2019-02-26

Der Möchtler

Jetzt kommt was von der sogenannten Backlist, nämlich Andreas Tiefenbachers 1995 erschienener Roman „Der Möchtler“, den ich aber nicht im Bücherschrank sondern offenbar das Leseexemplar des Autors bekommen habe, denn in der GAV gibt es viele oberösterreichische Autoren, die sind auch sehr rührig und so gibt es in Wien viele oberösterreichische Veranstaltungen, beispielsweise von den Rizys organisiert und ich war im Jänner auch bei der Gedenkveranstaltung in der „AS“ zu Walter Pilars „Lebensee“, ein paar Tage darauf hat Judith Gruber-Rizy im Republikanischen Club den ersten Roman des 1961 in Bad Ischl geborenen Andreas Tiefenbacher vorgestellt, der Autor und Lehrer ist und im „Möchtler“, 1995 offenbar soetwas wie einen Anti-Heimatroman geschrieben hat.

Die Präsentation des dritten Romans war ich, glaube ich, in der „Alten Schmiede“, den „Liebesdilettanten“, habe ich mir vor zwei Jahren aus Leipzig mitgebracht und jetzt das kleine dünne fünfundzwanzig Jahre alte Büchlein, das in siebzig, offenbar den biblischen Plagen nachempfundenen Abschnitte, den Lebensweg des kleinen Hans erzählt, der in den Sechzigerjahren in Oberösterreich als Sohn eines pfuschenden Vaters, der müde von der Arbeit nach Hause kommt, den kleinen Buben schlägt, aus dem wohl nie etwas Rechtes werden wird, weil er nicht so stark ist, Zementsäcke zu tragen, sondern immer blaß und schwach und die Augen rinnen von den Pollen, was in den Sechzigerjahren offenbar niemand glaubte und den Buben zu einem Außerseiter machte.

Ziemlich pointiert wird das in den einzelnen Abschnitten erzählt und so das Bild einer dörflichen Arbeitergemeinschaft in den Neunzehnhundertsechzigerjahren geschildert. Es beginnt mit den sonntäglichen Spaziergängen in ein Wirthaus, wo die arbeitssamen Eltern, dem Buben ein Kracherl  mit einer Torte oder Würstln bestellen, was er essen muß, obwohl er keinen Hunger hat, denn das dünne Kind muß aufgepäßßelt werden. Also immer Mehspeisen und die gesunden sauren Äpfel aus dem Garten der Großmutter, weil die aus dem Konsum viel zu teuer sind.

Die Familie lebt in dem Haus der Großmutter, das für die Vermittung an Gäste aus Deutschland und Wien gebaut wurde, so hat der Hans kein eigenes Zimmer, denn die Zimmer werden im Sommer vermietet. Im Winter stehen sie leer und der Hans haßt den Sommer, wo ihm der Wind die Pollen in die Augen treibt. Er wünscht sich einen Helm oder noch besser einen Raumanzug, wie ihn die Astronauten trugen, die man in den Sechzigerjahren im Fernsehen gesehen hat.

Aber den wird ihn der Hausarzt nicht verschreiben. Sehr poiniert und witzig schildert Andreas Tiefenbacher diese Szenen. Schreibt, wie der kleine Hans im Winter aufblüht, da kann er auch essen und da ist er am liebsten bis zum Abend draußen und wälzt sich im Schnee, während er sich im Sommer den ganzen Tag im Zimmer verkriecht und dadurch wieder zum Außenseiter und gemobbt wird, wie man das heute sagen würde.

Aber das wird er gar nicht und auch die Eltern, besonders dieMutter werden als eher bemüht geschildert, so wie die, die als Kind  wahrscheinlich den Krieg erlebten und nicht verstanden, eben konnten und dann auch keine Zeit zur Liebe hatten, weil ja gearbeitet werden mußte, um das Haus zu bauen und gespart, damit man es später einmal besser hat, etcetera.

Am Schluß steht der Satz „Wenn ich kann, brauche ich nicht mehr möchten. Ein Gedanken, ein Satz. klug und nochmals klug. Der Hans holte ein Stück Papier und schrieb ihn auf.“

Das war Plage siebzig und damit wurde der kleine Hans zum Autor und mein Verdacht, daß es sich da nicht nur um einen konkreten Antiheimatroman, sondern auch um ein Stück Autobiografie handelte, wurde bestätigt.

Eine Kritik hätte ich auch, da für mich nicht immer klar herauskam, ob es da um ein Kind oder, um einen Jugendlichen geht, weil das ziemlich durcheinander gewüfelt wird.

Ziemlich weit hinten kommt die Plage, wo der kleine Hans, der nie Hansi gerufen wird, als zweites Wort „Auto“ und nicht „Papa“ sagte.

Weiter vorne geht er aber heimlich Karten spielen und will im Llotto gewinnen und ansonsten wird er, glaube ich, eher als Zehnjähriger geschildert.

Ansonsten kann ich diesen Antiheimatroman, so weit man ihn noch im Handeln bekommen kann, sehr empfehlen, um sich in die österreichische Gegenwartsliteratur der letzten Jahre  einlesen zu können.

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