Literaturgefluester

2020-04-18

Leben mit dem Stern

Filed under: Bücher — jancak @ 00:08
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Ich interessiere mich ja sehr für Holocaustromane und habe auch schon viele von ihnen gelesen, so kann ich mich erinnern, daß ich als Hauptschülerin einen der „Sternkinder“ hieß in der Hand halte und jetzt hat mir „Wagenbach“ sozusagen als Trost, daß die Leipziger Buchmesse nicht stattfand und ich auch nicht nach Berlin, um mir den Verlag anzusehen, fahren konntem Jiri Weils „Leben mit dem Stern“ geschickt.

Im Vorjahr habe ich ja schon „Mendelssohn auf dem Dach“ gelesen und dadurch den 1900 geborenen und 1959 in Prag verstorbenen Tschechen Jiri Weil kennengelernt, der 1933 vom Kommunismus begeistert nach Moskau ging, bald aber von der Partei ausgeschlossen und nach Mittelasien deportiert wurde. Nach seiner Rückkehr in die Tschechoslowakei entkam er den Nationalsozialisten in dem er seinen Selbstmord vortäuschte und das hat er vermutlich auch in dem Roman verarbeitet, in dem es wohl autobiografische Elemente geht, der  mit einer sehr starken ironischen Distanz, die zeitweise an Kafka erinnert, geschrieben wurde.

Da ist der ehemalige Bankbeamge Josef oder Josi  Roubicek der während der deutschen Besatzung in einem beschädigten Haus lebt, friert, kein Geld und keine Marken hat, um sich Fleisch zu kaufen, so verheizt er die Möbeln, ernährt sich von Blut- oder Knochensuppe und verbringt seine Zeit mit Lesen beziehungsweise sich mit seiner nicht anwesenden Geliebten Ruzena zu unterhalten, einer verheirateten Dame, deren Rat zu fliehen, er nicht gefolgt ist.

Jetzt wird er von Boten aufgesucht, die ihm ständig kafkaeske und damals wohl reale Verordnungen bringen was er alles nicht machen und haben darf. Der Kater Thomas, den er auch nicht besitzen darf, ist ihm zugelaufen. Er unterhält sich auch mit ihm und wird dann einer Arbeit am Friedhof zugeteilt, wo er mit anderen, die Worte „Juden“ und „Nazis“ werden nicht verwendet, sondern nur von „unsere“ und „denen“ geschrieben, Gemüse anbaut und zusehen muß, wie einer nach dem anderen in die Festungshaft, wie Weil Therienstadt nennt oder in den Osten deportiert wird. Das geschieht auch seiner Tante und seinem Onkel, bei denen er offenbar aufgewachsen ist, die aber sehr geizig und unfreundlich zu ihm sind.

Andere Bekannte geben ihm Geld und er lernt auch einen Arbeiter kennen, der offenbar eine Widerstandsgruppe aufgebaut hat, der er sich lange nicht anschließen will, sondern nur still neben den Treffen sitzt.

Die Namen der Deportierten werden nach dem Alphabet erstellt. Als man beim Buchstaben  „R“ angekommen ist, wird sein Name nicht genannt. Ein anderer „Robitschek“ steht aber auf der Liste, dem will er zum Abschied eine Zwiebel schenken, die dieser aber verweigert, weil er entschloßen ist, sich umzubringen. Der Versuch, das mit Gas zu tun, mißlingt. Er kommt in ein Spital und wird für die Deportation gerettet. Als es  soweit ist, springt er aus dem Fenster und stirbt und Josef Roubicek, der die Deportationen mit einer Zirkusvorstellung vergleicht, überlegt lange, ob er untertauchen und sich verstecken soll oder, ob er nicht das moralische Recht hat, das zu tun?

Schließlich wird ihm noch sein Kater erschoßen und er erfährt, daß das auch Ruzena und ihrem Mann so passiert ist. Das läßt ihn sozusagen politisch erwachen  und so endet das Buch,  wie es begonnen hat, mit einem gespräch mit Ruzena.

„Einer der heraussragenden Romane über das Schicksal der Juden unter den Nazis. Ich kenne keinen vergleichbaren“ hat Philip Roth laut Buchrücken über den Roman gesagt, schade, daß er so unbekannt geblieben ist, füge ich hinzu.

Im Nachwort steht, daß er 1949 in Prag erschienen ist, aber von den tschechischen Kommunisten verfemt und vernichtet kritisiert wurde.

Ich finde den Tonfall mit dem es geschrieben wurde, sehr interessiant, es erinnerte mich ein bißchen an „Jakob der Lügner“ von Jurek Becker und auch an den „Pianisten“, wo ich aber nur den Film geshen habe und das Buch erst lesen muß und besonders  makaber war es, das Buch in einer Zeit zu lesen, wo man die selbstverständlichsten Dinge, wie sich auf eine Parkbank setzen auch nicht darf und wenn man Pech hat mit fünfhundert Euro bestraft wird, wenn man mit seinen Kindern Fußball spielt.

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