Nun kommt das vierte Buch der fünf mir angebotenen von Frauen aus den Neunzehnhundertzwanziger Jahren und es geht in die Südsee, das zweite Buch der Trilogie der 1889 im heutigen Solweien geborenen Alma M. Karlin, die 1919 auf eine achtjährige Weltreise aufgebrochen ist und darüber drei Bücher und vorher noch eine Autobiografie geschrieben hat. Die und der erste Teil wurden schon vom „Aviva-Verlag“ schon herausgegeben. Die deutschsprachig aufgewachsene Alma M Karlin war in der Zwischenkriegszeit sehr berühmt, später in der Republik Jugoslawien,wo sie wieder lebte, verboten und unter den Nazis wurde sie verhaftet.
So war die einstmal berühmte Reiseschriftstellerin lange vergessen,wurde erst in den Neunzenhundertneunzigerjahren von den jungen Slowenen wieder entdeckt. In ihren letzten Jahren hat Alma M. Karlin, die im Jänner Neunzehnhundertfünfzig gestorben ist, eher esoterische Romane geschrieben mit denen sie auch den zweiten Weltkrieg überlebte.
Im Nachwort der 1971 geborenen Slowenin Amalija Macek wird der Rssismus angesprochen, der Alma M. Karlin schon in den Neunzehnhundertdreißigerjahren, wo ihre Reisebücher erstmals herausgekommen sind, vorgeworfen wurden. Der Verlag hat sich entschlossen, die heute problematischen Stellen bis auf wenige Ausnahmen stehen zu lassen und den Lesern selbst ihr Urteil bilden zu lassen, was ich sehr gescheit finde. Außerdem wird Alma M. Karlin, als eine sehr engagierte Frau beschrieben, die alleine um die Welt gereist ist und sich die Reisen, weil sie in prekären Verhältnisse lebte, selbst durch Dolmetscher- und Sekretärinnenarbeiten oder Reiseberichte finanzierte.
Im zweiten Band reist Alma M. Karlin in die Südsee. Dort hat sie nur einige Monate bleiben wollen. Zwei Jahren sind es dann geworden. Der erste Teil des dreihundert Seiten Buches heißt, „Durch Australien“. Eine Landkarte gibt es am Beginn und am Ende des Buches auch zu sehen, damit man sich orientieren kann.
Mit einem Dampfer „Ausnahmsweise wieder erste Klasse“, wie Alma M. Karlin schreibt, geht auf die Philippinen. Dort nach Manila, wo sie sich in einem chinesischen Gästehaus einquartiert. Dort bekommt sie nächtens Besuch von einigen Männern, so daß sie die Fuße durch die Ritzen ihres Zimmers zu studieren beginn, sich mit einem Dolch bewaffnet und den Portier oder Wirt am nächsten Morgen wissen läßt, daß sie das nächste Mal davon Gebrauch machen wird. Eine sehr entschlossene Frau also, von „Männerhaß“ steht etwas in dem Nachwort. Sie reist herum, beschreibt die Hüte, die die Frauen trugen die Spielsucht und andere Absonderheiten der Einwohner.
Sie kehrt dann wieder nach Australien zurück, mietet sich in Sidney, Melbourne ein, hält Vorträge und schreibt ihre Artikel auf ihrer Schreibmaschine Erika, die sie irgendwie auch immer mitgeschleppt haben mußte, auf den kleinen Balkon. Sie sammelt Pflanzen und Käfer, schickt viel davon nach Deutschland, um es an Schulen zu verteilen und leidet an chronischen Geldmangel, so daß sie oft nur von Tee, Zwieback oder Brot lebt. Sie kommt dann auch nach Neuseeland, wo sie bei einem Pfarrer lebt, da gibt es eine herrliche Geschichte, wo ein Huhn zerlegt werden soll. Der Pfarrer das aber nicht schafft, so daß dann alle mit den Fingern essen, bevor sie zum abenteuerlichen Inselleben ins Südseeinselreich aufbricht.
Von einem Richter, der nicht sehr begeistert ist, läßt sie sich auf die Fidschi-Insel fahren, wo sie von einer Familie, die fast allein auf einer der Inseln lebt, eingeladen wurde, die sie als Haushaltshilfe verwenden, so da daß sie nu ram Vormittag zwei Stunden Zeit für das Malen und ihre schriftstellerische Arbeit hat. Muscheln werden gesammelt, Ausflüge gemacht und, als sie auf einer anderen Insel bei einer anderen Familie wohnt, die sich sehr um sie kümmert, bricht sie aus, um alleine einen Spaziergang zu machen, wird dabei aber fast vergewaltigt wird oder wollte der Angreifer sie freßen? Denn das war bei den Fidschis damals noch üblich. So gibt es Geschichten, wo der Liebsten der Schinken vom Missionar überreicht wird oder die wo die Schuhe mitgebraten wurden, aber die waren ungenießbar.
In kleinen Skizzen führt Alma M. Kalin durch ihre Reise, die eigentlich mehr von den Schwierigkeiten Anfang des Neunzehntenjahrhunderts die Südsee zu erforschen, ihrer Geldnot, das Angewiesensein von reichen Familien eingeladen zu werden, ihren Malariaanfällen, die sie, glaub ich, durch ihr weiteres Leben begleiteten, als von der Südsee, berichten. Das Menschenfreßertum, das damals offenbar gerade überwunden oder noch gang und gebe war, wird immer wieder thematisiert und das was im Vor- oder Nachwort als Rassismus beschrieben wird, ist wohl ihre Ansicht, daß die sich nicht vermischen sollten. Es gab auch Schwierigkeiten, die die Franzosen und die Italiener mit den alleinreisenden Frauen hatten und auch, daß es für sie als „Österreicherin“ schwierig war, anerkenannt zu werden und auch ihr Schriftstellertum mußte sie immer wieder beweisen.
Von den Malariaanfällen gebeutelt und von Chinin fast vergiftet, fährt sie im Boot eines schottischen Ehepaar von Insel zu Insel, besucht die „Pflanzer“, die damals wohl alle weißen Reisenden aufnehmen mußten, begeht den Urwald, wundert sich über Sitten, das Braten von Käfern beispielsweise und ärgert sich über die Kakaerlaken oder Riesenkrabben, die manche Handgelenke brechen können und auch darüber, wie ihr ihre Mutter ihre lukrativen Aufträge wegnimmt, die Briefe und Postanweisungen erreichen sie an manchen Orten und beschreibt, das alles mit erstaunlicher Ironie, wie sie sich auch über die Richter und die einheimischen Herren lustig macht, von deren Gnade sie abhängig ist, weil sie ihre Weiterreise behindern können.
Sie verbringt längere Zeit in verschiedenen Missionen, begleitet die Schwestern in die Dörfer, besucht die Schulen und die Sterbenden, betet mit ihnen, schreibt dabei an einigen Romanen und scheint von den Missionen auch nicht so schnell wegzukommen, bekommt ein Magengeschwür und sorgt sich darum, daß ihre schriftstellerischen Arbeiten in der Schublade beziehungsweise im Körbchen verbleiben muß, hält sich vom Pech verfolgt und bedauert sehr, daß ihr immer die anderen zuvorkommen und als sie nach Hollandia will, wo die Paradiesvögel noch bis 1928 gejagt werden konnten, weshall man nur mit Sondergenehmigung dorthin fahren durfte, gelingt es ihrzwar nach vielen Mühen eine solche zu bekommen, wird dabei aber fast von den „Wilden“ aufgefressen und kann sich ihrer nur durch Pfeffer erwehren,was jetzt wiederum sehr modern scheint.
Ein interessantes Buch, vor allem was die Erlebnisse einer alleinreisenden Frau Anfang des vorvorigen Jahrhunderts betrifft. Daß man von der Südsee außer, daß es da noch Menschenfreßer, Missionare, Pflanzer und verschiedene Tierarten und Pflanzen gab, so hat Alma M. Kalin auch die verschiedensten Blumen abgezeichnet, erfährt, finde ich eigentlich nicht so schlimm, wird es dort ja inzwischen auch anders aussehen, so daß ich dieses Buch viel spannender, als erwartet fand und ich mehr von ihm mitnehme, als ich es beispielsweise bei dem China– und Mexikobericht von Egon Erwin Kisch oder Stefan Zweigs Brasilienbuch tat und wenn man das Malaia gebeutelte prekären Leben Alma M. Karla mit der positiven Phantasiegestalt der neuen Sachlichkeit von Margaret Goldsmith, die sich so einfach nimmt, was sie kriegt, vergleicht, hat man wahrscheinlich den Realitätscheck und ich denke , die slowenisch-österreichische Schriftstellerin war wahrscheinlich eine wirklich emanzipierte abenteuerlustige Frau.
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