Zu dieser Ausgabe

In seinem Fragment gebliebenen und erst posthum veröffentlichten Roman „Julia, oder die Gemälde. Scenen aus dem Novecento“ lässt Arno Schmidt den Protagonisten Jhering äußern, die „Welt der Kunst & Fantasie“ sei „die wahre, the rest is a nightmare“. So gesehen ist es doch schön, dass es in unseren Tagen immer noch die Literatur gibt – und auch so etwas wie die Frankfurter Buchmesse, auf der wieder einmal Tausende von Neuerscheinungen präsentiert und vorgestellt werden. Manche halten die Veranstaltung dieses Jahr aber auch eher für einen Alptraum, weil sie an die Menschenrechtsverletzungen in dem diesjährigen Gastland China denken.

Debattiert werden darüber hinaus auch noch ganz andere Dinge. Die neue Ausgabe von literaturkritik.de bietet jedenfalls schon einmal die Möglichkeit, sich rechtzeitig vor der Entscheidung über den Gewinner des Deutschen Buchpreises 2009, der wie immer zur Eröffnung der Messe benannt werden wird, über die wichtigsten Erscheinungen auf dem Herbst-Buchmarkt zu orientieren. Dazu dürften nicht zuletzt auch viele derjenigen Publikationen gehören, denen die Buchpreis-Jury gar keine Beachtung geschenkt hat. Trotzdem darf man jetzt gespannt sein, ob die diesjährige Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, deren Roman „Atemschaukel“ auf der sogenannten Shortlist steht, nun auch noch den Buchpreis bekommen wird.

Wir bieten Ihnen im Rahmen unseres Buchmessen-Schwerpunkts außerdem Extra-Rubriken zur China-Literatur und insbesondere auch zu Neuerscheinungen aus der Schweiz. Glaubt man den neuesten Romanen von Autoren wie Lukas Bärfuss und Christian Kracht, so kann die Schweiz bei aller Alpen-Beschaulichkeit auch einiges Potential für schlechte Träume aufweisen. Ganz zu schweigen von Deutschland.

Auch die Literatur kann uns also nicht darüber hinwegtäuschen, und sollte es wohl auch nicht, dass der Horror des Krieges nach wie vor nicht aus der Welt ist – weniger als abstraktes Verhängnis, das wie etwas Unabänderliches über die Menschheit kam, sondern als Folge subjektiver Entscheidungen und Taten konkreter Personen. Da kommt uns – last but not least – der bisher in der Presse merkwürdigerweise kaum beachtete 70. Todestag Sigmund Freuds gerade recht, um nicht nur an die  Suizidalität in seinem Leben und Werk zu erinnern, sondern auch an seinen epochalen Essay „Zeitgemäßes über Krieg und Tod“ (1915).

Mit besten Grüßen aus Marburg,
Ihr
Jan Süselbeck