For some must watch that most must sleep

Ankündigung einer redaktionellen Ausnahmesituation

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Der Literaturbetrieb ist ein Thema für sich. Was zum Beispiel ist von der Verleihung des Deutschen Buchpreises zu halten, die uns inzwischen seit 2005 jedes Jahr zur Frankfurter Buchmesse in Atem hält? Sind die renommierten Jury-Mitglieder, die diese vielbeachtete und hochdotierte Auszeichnung vergeben, eigentlich überhaupt noch in der Lage, unabhängig zu urteilen?

Dazu nur ein Fall: Auf dem Germanistentag 2013 in Kiel, der Ende September stattfand, hieß es zum Beispiel, der Kritiker Helmut Böttiger, seit seiner Laudatio auf den Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl als Förderer des Autors bekannt, habe sich mit der Jury-Nominierung von Jirgls Science-Fiction-Roman „Nichts von euch auf Erden“ für die Shortlist unweigerlich dem Verdacht ausgesetzt, dem Schriftsteller einen bloßen Freundschaftsdienst erwiesen zu haben. Wenige Tage später legte Christopher Schmidt in der „Süddeutschen Zeitung“ nach und meinte, in den Jurys der aktuellen Literaturpreise in Deutschland werde „eine Elite des Mittelmaßes herangezüchtet“, weil sich die Kritiker in diesen Gremien zu bloßen „Rädchen im Getriebe des Protektionismus“ machten.

Wie dem auch sei – ungeachtet des Ausgangs der diesjährigen Verleihung, der gestern bekannt gegeben wurde und anstatt der viel gelobten Favoritin Marion Poschmann die Schriftstellerin Terézia Mora zur Buchpreisträgerin kührte, bemüht sich unsere Zeitschrift literaturkritik.de um eine möglichst große Unabhängigkeit jedes Urteils unserer AutorInnen über die von ihnen rezensierten Bücher und SchriftstellerInnen. Das gilt sowohl für unsere Besprechungen der Publikationen, die dieses Jahr für den Buchpreis nominiert wurden, als auch für die vielen anderen Belletristik- und Sachbuchtitel, die bei uns monatlich rezensiert werden. Das sind viele, und es werden immer mehr: In den letzten Monaten waren es bereits bis zu etwa 140 Kritiken pro Ausgabe.

Schließlich gibt es auch noch andere Themen als den Deutschen Buchpreis – zum Beispiel der 200. Geburtstag Georg Büchners, den die vorliegende Nummer unserer Zeitschrift feiert. Zweifellos handelt es sich bei diesem Autor um einen wahren Giganten der deutschsprachigen Literaturgeschichte des 19. Jahrhunderts, den nicht zuletzt die hiesige Forschungsstelle Georg Büchner in ihrer soeben vollendeten historisch-kritischen Ausgabe der Sämtlichen Werke und Schriften, der Marburger Ausgabe, ediert hat und der deshalb bei literaturkritik.de besonders gewürdigt werden soll. Bis zum Jubiläum am 17. Oktober wird diese Rubrik noch durch weitere literaturwissenschaftliche Beiträge ergänzt werden.

Ein weiteres Thema ist das diesjährige Buchmessen-Gastland Brasilien. Nicht immer war es in den letzten Jahren einfach für unsere Redaktion, erfahrene und kenntnisreiche AutorInnen für die Besprechung von Büchern aus solchen Ländern zu finden. Damit ist es seit unserer glücklichen Kooperation mit den KomparatistInnen von der Universität Mainz, die mittlerweile fast schon zur Routine geworden ist, ein für allemal vorbei: Dieter Lamping und sein engagiertes Team haben sich der brasilianischen Neuerscheinungen rechtzeitig angenommen und viele ausführliche Besprechungen geliefert, wofür wir ihnen herzlich danken möchten.

Mindestens ebensoviel Dank aber gilt dem unermüdlichen Koordinator unserer Redaktionsgeschäfte, André Schwarz. Was der Kollege in seinem letzten Editorial andeutete, kann gar nicht genug bekräftigt werden: literaturkritik.de ist mit den Jahren zu einem regelrechten Großunternehmen geworden, das keine Pause und keine Urlaubsphasen duldet, so dass derjenige, der die Redaktion aus solchen Gründen dennoch zeitweise weitgehend alleine zu managen hat, starke Nerven braucht. Im kommenden halben Jahr warten neue Herausforderungen auf André Schwarz. Hat er doch nunmehr die Aufgabe, den Redaktionsleiter zu vertreten, weil sich dieser im Wintersemester 2013/2014 wegen einer Professurvertretung in ein anderes Bundesland begibt.

„For some must watch that most must sleep“: Denken Sie also beim Lesen unserer neuen Ausgabe und auch denen der kommenden Monate immer daran, unter welchen Anstrengungen eines Einzelnen sie möglich gemacht wurden. Freundliche Spenden – oder gar neu geschaffene Uni-Stellen wo auch immer – werden jederzeit dankend entgegengenommen!

Es verabschiedet sich bis zum kommenden Frühjahr und mit herzlichem Gruß
Ihr

Jan Süselbeck