Zwischen Einbettung und Verkörperung
Über den von Joerg Fingerhut, Rebekka Hufendiek und Markus Wild herausgegebenen Band „Philosophie der Verkörperung“
Von Stephan Krause
Dank dieses Bandes gelingen der Einstieg in die Debatte um eine „Philosophie der Verkörperung“ oder zumindest der Nachvollzug und die Differenzierung der einzelnen Positionen leicht. Die drei Herausgeber liefern in ihrer ausführlichen Einleitung eine sehr gut zugängliche Übersicht über die wesentlichen Probleme einer Philosophie mit Bezug auf den – vor allem menschlichen – Körper. Fingerhut, Hufendiek und Wild klären in diesem einführenden Text – er ließe sich durchaus auch allein als informative Einführung in die Problematik lesen – sehr plausibel die begrifflichen Konzepte, durch die die philosophische Debatte um Verkörperung bestimmt ist. Zentral ist dabei etwa die Frage nach dem Zusammenhang und der Zusammengehörigkeit von Verkörperung und Kognition und der Rolle von Verkörperungsvorgängen beziehungsweise verkörperten Verhältnissen für kognitive Prozesse und umgekehrt. Die Autoren geben auch einen hilfreichen Überblick über Rolle und Bedeutung des Körpers in der Philosophiegeschichte und bieten eine Beschreibung kognitionswissenschaftlicher Zugänge. Mit der Erläuterung des sogenannten „4-E-Ansatzes“ schlagen sie schließlich den direkten Bogen zu der vorliegenden Auswahl von zwölf Debattenbeiträgen. Die Herausgeber stellen dort die kognitionswissenschaftlichen Auffassungen des Geistes als extended, embedded, embodied, enactive dar und bieten jeweils ausführliche Beschreibungen zu all diesen „verschiedenen Aspekten der Philosophie der Verkörperung“ an. Extension meint dabei für die Träger von Kognition vor allem das räumlich erweiterte Ausdehnen, während es im Hinblick auf den eingebetteten Geist darum geht, dass „gewisse Elemente unserer Umgebungen kognitive und mentale Prozesse unterstützen, ohne deshalb Teil derselben zu sein.“ Der Begriff embodied ist gegenüber den anderen drei herausgehoben, da er eigentlich alle Ansätze unter sich vereint. Insbesondere geht es dort aber um die Bedeutung des Körpers für die Herausbildung und Struktur von mentalen Zuständen. Enaktivismus-Theorien schließlich gehen von der Basisannahme aus, „dass der menschliche Organismus seine Welt aktiv gestaltend hervorbringt und sie nicht nur passiv wahrnimmt“.
Aufbauend auf die Lektüre dieser instruktiven Einführung, lässt sich der Debattencharakter der in „Philosophie der Verkörperung“ zusammengefassten Basistexte verstehen. Fast alle Texte werden in dem Band in ihrer deutschsprachigen Erstveröffentlichung präsentiert, ein Gutteil der Übersetzungen stammt von den Herausgebern selbst. Die Aufsätze des Bandes sind in vier thematische Blöcke geordnet.
Der Essay „Der verkörperte und eingebettete Geist“ von John Haugeland eröffnet den Abschnitt ‚Verkörperung und Einbettung‘. Haugeland geht von einer grundsätzlichen Kritik an der cartesianischen Differenz von Leib und Seele aus und legt stattdessen „eine Art Vermengung oder Einheitlichkeit von Geist, Körper und Welt“ nahe. Mit Hilfe eines umfangreichen systemanalytischen Ansatzes zeigt er, dass die nach Descartes mögliche Trennung von Geist und Körper nicht sinnvoll aufrecht erhalten werden kann, wenn die menschliche Intelligenz im Geist verortet ist.
Im zweiten Block, ‚Aktiver Externalismus‘ werfen Andy Clark und David Chalmers die für die Zusammengehörigkeit von Geist und Verkörperung eminente Frage nach der Grenze zwischen dem Geist und dem „Rest der Welt“ auf. Anhand eher simpel erscheinender (und daher wohl umso eingängigerer) Beispiele aus dem Alltag argumentieren die Autoren dafür, dass der Geist in unterschiedlichem Maße ausgedehnt ist und wesentliche Externalisierungen in die Umwelt oder auf Mitmenschen festzustellen sind. Für Clark/Chalmers hat dies weitreichende Folgen, denn es erlaubt etwa, soziales Handeln weniger als Kommunikation zu beschreiben, aber als etwas, das dem Denken ähnlich ist.
In Komplex drei wird der Enaktivismus behandelt. Der Text von Susan Hurley thematisiert „Wahrnehmen und Handeln“ in „Alternativen Sichtweisen“, das heißt die Autorin kritisiert fundamental die hergebrachte Ansicht, Wahrnehmen und Handeln seien getrennt. Sie kommt über die Auseinandersetzung mit der traditionellen Annahme, Kognition sei zentralisiert und über die kritische Diskussion von Wahrnehmen und Handeln in traditioneller Sicht zur Vorstellung motorischer Wahrnehmungstheorien und von Handlungssteuerungstheorien. Sie zeigt, welche Voraussetzungen die reziproke und symmetrische Abhängigkeit von Wahrnehmen und Handeln voneinander besitzt und dass es sich hierbei um eine „Zwei-Ebenen-Abhängigkeit“ handelt.
Der vierte Abschnitt fasst unter der Überschrift „Allgemeine Kritik und Diskussion“ drei unterschiedliche Texte, die teilweise direkte Reaktionen auf Artikel in den vorhergehenden Abschnitten enthalten, sodass auch die Entwicklung der Debatte sichtbar wird. Andy Clarks Beitrag „Das Fleisch in die Mangel nehmen“ etwa greift Haugelands Ausgangspunkt (Descartes-Kritik) auf und setzt sich sehr detailliert mit der Problematik des „Mind Embodied and Embedded“ auseinander. Clark legt dar, dass die Spannung zwischen Einbettung und Verkörperung nur anhand der „Darstellung des Körpers“ gelöst werden könne. Zum Schluss des Bandes hin ist dies ein weiterer relevanter Debattenbeitrag und der wiederholte Nachweis, dass der Körper „ein entscheidender Akteur auf der Bühne der Kognition“ ist.
Wem Philosophie der Verkörperung bisher nur eine Bezeichnung war, dem, und auch dem interessierten philosophischen Laien, bietet dieser Band weitreichende und höchst informative Einblicke in eine Forschungs- und Fachdiskussion, die im deutschsprachigen Raum offenbar erst beginnt.
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