Es geht umʼs Ganze
Mit „Killer Instinct“ beendet Howard Linskey seine Gangstersaga aus dem englischen Nordosten
Von Dietmar Jacobsen
Es ist tatsächlich ein Mädchen geworden. Genauso, wie es sich David Blake, der Pate von Newcastle, am Ende von „Gangland“ (2014), dem zweiten Band von Howard Linskeys Gangstersaga aus Englands Nordosten, gewünscht hatte. Denn: „Wer will schon einen Jungen in eine Welt wie die unsere setzen?“ Nun ist er also glücklich – mit Sarah, seiner Frau, Tochter seines Vorgängers Bobby Mahoney, den er eigenhändig in die ewigen Jagdgründe befördert hat, und Emma, dem Töchterchen, für das er alles tun würde.
Aber auch das Glück im Leben eines Gangsters ist nicht von Dauer. Und wird auf eine schwere Probe gestellt, als eines Tages die Leiche eines 18-jährigen Mädchens gefunden wird und sich herausstellt, dass es sich dabei um die Tochter des Polizeibeamten handelt, der Blake und seiner Gang seit Jahren auf der Spur ist. Was liegt da näher als die Vermutung, mit der Ermordung des Mädchens hätten Blake oder einer seiner Männer eigentlich deren Vater treffen wollen. Das hat zur Folge, dass die Polizei, in deren Visier sich der Mann ohnehin schon befindet, ihre Bemühungen, ihn endgültig zur Strecke zu bringen, noch um Etliches forciert.
Wie in den beiden vorangegangenen Bänden seiner modernen Gangstertrilogie lässt Howard Linskey, 1967 in der nordenglischen Grafschaft Durham geboren und über die Arbeit als Journalist zum Schreiben gekommen, auch in „Killer Instinct“ seine Hauptfigur David Blake in der Ich-Form erzählen. Nur wenn sich seine Leute die Hände im Dienste des Geschäfts schmutzig machen und der Chef nicht unbedingt mitmischen muss, wechselt der Roman ins klassische auktoriale Erzählen. Erreicht wird dadurch, dass die Distanz zwischen Leser und Hauptfigur über weite Strecken des Buchs eine so geringe ist, dass sich Ersterer fast schon als zugehörig zum Blake-Clan empfinden kann. Man ist unmittelbar dabei, wenn der Boss seine Entscheidungen trifft, fiebert mit, wenn das Unternehmen von verschiedenen Seiten her angegriffen wird, und vergisst ein ums andere Mal, dass man seine Sympathien hier einem Mann schenkt, der mit einem Fingerzeig Leben beenden kann und das – nicht nur gelegentlich – auch tut.
Indem Blake der Polizei anbietet, sie bei der Suche nach dem wahren Mörder von Gemma Carlton zu unterstützen, gelingt es ihm übrigens noch einmal, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Doch schon tauchen die nächsten dunklen Wolken am Horizont der kleinen Welt auf, über die er wie ein Fürst gebietet. Ein serbisches Syndikat versucht, ihm sein Territorium streitig zu machen. Seine Rauschgiftrouten möchte ein russischer Oligarch nutzen, um über sie Terroristen in seine alte Heimat zu schleusen. Und als sei die Bedrohung von außen damit nicht schon groß genug, muss er sich auch noch von seinem eigenen Buchhalter erpressen lassen und sich Ausreden einfallen lassen, wenn seine Frau immer häufiger nach den genauen Umständen des Todes ihres Vaters fragt.
Das ist viel – vielleicht ein wenig zu viel sogar. Doch Howard Linskey bewältigt seinen Stoff bravourös, versteht es, das Tempo anzuziehen, übertreibt nur selten in puncto Gewalt – dann aber auch gleich richtig – und schafft Ruhepunkte im Erzählfluss wie die beiden Gerichtsverhandlungen, in denen von Blakes Gangstersyndikat gekaufte Anwälte das Recht so lange verbiegen, bis die gewünschten Resultate erzielt sind. Am Ende aber nimmt der Autor seinen Helden endgültig aus der Schusslinie. Und beendet mit dessen raffiniertem Abgang in die Gangsterrente eine Trilogie, die Maßstäbe gesetzt hat, indem sie ihre Hauptfigur als Protagonisten einer Welt zeigte, in der das Verbrechen industrialisiert, globalisiert und gut vernetzt auftritt wie jedes andere Geschäft auch, das Profit abwerfen soll.
![]() | ||
|
||
![]() |