Fakten, Fakten, Fakten über Tote unterwegs
Wolfgang Bahrs bunte Sammlung über "Tote auf Reisen".
Von Sabine teHeesen
Der gedankliche Stolperstein bei einer historischen Darstellung des Todes ist immer die Frage nach dessen möglicher oder unmöglicher Erfahrbarkeit, worauf Thomas Macho schon 1987 hingewiesen hat: "Wir sprechen nicht aus Erfahrung. Wer seinen Tod erfahren hat, kann überhaupt nicht mehr sprechen: wir wissen also nicht einmal, ob sich der Tod erfahren läßt."
Es ist daher immer schwierig, ein solches Thema angemessen darzustellen, wie auch Wolfgang Bahr gleich zu Beginn seines "makabren Reisebegleiters" - so der Untertitel - bekundet: "Dieses Buch reißt das Thema an, ohne es ausschöpfen zu können." Das kann man über fast jedes Buch sagen. In diesem Fall soll es offenbar den fehlenden roten Faden entschuldigen. Die Verbindung von Reise und Tod sind jeweils der Anlass, eine bestimmte Episode zu erzählen, die zusammenhanglos an die nächste gereiht wird. Daher fällt eine Bewertung von Bahrs Unterfangen schwer. Er schildert, wie berühmte Tote - meist aus dem höfischen Milieu - transportiert und bestattet werden. Die Wahl der Themenkomplexe "Tod" und "Reise" begründet er damit, dass "das Reisen selber seinem Wesen nach Tod sei: "Tod des Althergebrachten, Tod des Stillstands, Veränderung". Solch allgemeinen Aussagen vermag niemand zu widersprechen. Bemüht sich der Untertitel auch um Provokation, und geht der Autor anscheinend davon aus, der unterhaltsame Charakter seines Buches sei dem Gegenstand des Todes und dem Transport von Leichen gegenüber recht gewagt, so wäre dem entgegen zu halten, dass das Thema "Tod" in unserer heutigen Gesellschaft keineswegs mehr so tabuisiert ist, wie es der Verfasser nahe legt.
Nicht eine historische Dokumentation, sondern vielmehr eine anekdotische Reihung legt Bahr vor. Unklar bleibt dabei allerdings, nach welchen Kriterien der Autor seine Beispiele ausgewählt hat. Ebenso unklar ist, was diese Anekdoten eigentlich illustrieren sollen. Die assoziative Einteilung des Buches lässt keinen Rückschluss auf ein Erkenntnisziel zu. "Tote auf Reisen" ist eher eine Ansammlung historischer Daten, die unterhaltsam, aber unter dem Primat der Faktenverliebtheit erzählt werden. Die bloße Abfolge der einzelnen Geschichten aus der Geschichte hemmt jedoch den Lesefluss. Eine zügige Lektüre ist anstrengend, da der Autor nur blitzlichtartig einzelne Stationen beleuchtet und im Verlauf des Buches kaum Bezug auf vorherige Texte nimmt. Allgemeine Gedanken offenbaren sich der Leserin und dem Leser eher chaotisch verstreut, denn gegliedert. Beispielsweise stellt Bahr zu Beginn des dritten Kapitels grundlegende Überlegungen zum Thema "Was heißt reisen?" an, die sicherlich im Vorwort weit besser aufgehoben wären.
Wer Sammelsuria zu "Tod" und "Reise" mag, für den hält dieser "Reisebegleiter" vielleicht einigen Erkenntniswert bereit. Andere werden das Buch eher verwirrt denn belehrt aus der Hand legen.
![]() | ||
|
||
![]() |