Ich kann mich lebhaft an einen Fall erinnern
Drei Plauderstunden mit C. G. Jung
Von Thomas Bollwerk
Über Gefühle, Schatten, UFOs und so manches andere - nicht zuletzt über sich selbst - redete Carl Gustav Jung, als er in den Jahren 1955 bis 1959 Sabi und Ignaz Tauber-Scheitlin privat in Winterthur besuchte. Bei zwei der insgesamt vier Begegnungen lief ein Tonband mit, und so können an der Analytischen Psychologie und/oder der kontroversen Person C. G. Jungs Interessierte nun auf drei CDs mit einer Spielzeit von insgesamt dreieinhalb Stunden den Ausführungen des Schweizer Psychoanalytikers und abtrünnigen Freud-Schülers lauschen.
Zwar wird enttäuscht, wer sich bahnbrechend Neues von diesen Aufnahmen erwartet, um ein interessantes Zeitdokument handelt es sich aber allemal. Jung antwortet in hörbar zwangloser Atmosphäre und in reinstem Schweizerdeutsch (ein vollständiges Textbuch liegt glücklicherweise bei) auf insgesamt sechs Fragen zu seiner Archetypenlehre und zur Religionsphilosophie, wobei er mit persönlichen Anekdoten nicht spart. In den Fußnoten der Transkription wird auf die entsprechenden Werke verwiesen, darüber hinaus ist der Text leider unkommentiert. Die Bezeichnung "Fragestunden" ist der Art der Begegnung angemessen, denn eine Diskussion kommt nicht auf: zu sehr war Jung hier, wenige Jahre vor seinem Tod 1961, für seine Anhänger schon zur unangezweifelten Kultfigur geworden.