Temperamentvoll und gegenwartsbezogen
Volker Meids "Lexikon der deutschsprachigen Autoren" im Reclam Verlag
Von Ulla Biernat
In Zeiten von CD-ROM und Internet-Suchmaschinen mutet ein kleinformatiges, dickleibiges Buch, das als "Lexikon der deutschsprachigen Autoren" auftritt, schon etwas altmodisch an. Aber wer sich - neben dem beruflichen Interesse - mit Vergnügen und Kurzweil in Bahn und Bett bilden will, ist mit Volker Meids handlichem Autorenlexikon hervorragend bedient. Der Literaturwissenschaftler und freie Schriftsteller hat 900 Autoren "aus dem engeren Bereich der so genannten schönen Literatur" versammelt und sie bündig mit Lebenslauf und Werkbiographie charakterisiert. Abgerundet wird jeder Artikel von einem Verzeichnis der Erstdrucke und der wichtigsten Werkausgaben. Zum großen Teil enthält sich Meid der expliziten Wertung. Die schlagwortartigen Formulierungen sind aber gekennzeichnet von einem temperamentvollen Ton, der den wissenschaftlichen Insider-Slang vermeidet. Das ist wohl auch der Zielgruppe geschuldet, die der Verfasser in "Schülern, Studenten und Literaturinteressierten" sieht.
Jedes Lexikon konstruiert schon aufgrund der schieren Informationsmenge einen Kanon; folglich bleibt die Auswahl anfechtbar und lückenhaft. Meid nimmt "auch Autoren der lateinischen Dichtungstradition in Mittelalter und Früher Neuzeit" auf, wie er im Vorwort betont. Löblicherweise liegt der Schwerpunkt jedoch auf der Literatur seit dem Naturalismus. Und hier bleibt kaum ein Autor unberücksichtigt, moderne Klassiker und Gegenwartsautoren eingeschlossen. Franz Jung, Albert Drach, Oskar Maria Graf, Hans Henny Jahnn, Alexander Kluge, Ulla Hahn, Friederike Mayröcker, Eva Demski, Robert Gernhardt, Gerhard Köpf, sogar die sich erst etablierenden Rainald Goetz, Anne Duden, Herta Müller und Robert Menasse sind vertreten - alles Namen, die in ähnlichen Werken gerne vernachlässigt werden. Aufgrund welcher historisch-ästhetischer Kriterien diese Schriftsteller den Vorzug erhielten vor z. B. Hans Christoph Buch, W. G. Sebald und Ernst Wilhelm Händler, erklärt Meid im Vorwort leider nicht. Zum Auffinden fehlender Autoren und für die historische Tiefe, die bei einem derartigen Unterfangen zwangsläufig leidet, ist ein Anhang mit weiterführenden biographischen Lexika beigefügt.
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