The Fabulous Johnny Cash

Franz Doblers Buch zum 70. Geburtstag der Country-Ikone

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Get Country & Rhythm" hieß Franz Doblers Kolumne in der Zeitung "junge welt". Eine seiner CD-Sammlungen unter dem Überbegriff "Perlen deutschsprachiger Popmusik" nannte er "Wo ist Zuhause Mama?". "Get Rhythm" war 1956 die B-Seite der Erfolgssingle "I walk the line", "Wo ist Zuhause Mama" Cashs deutsche Version seines autobiografisch geprägten Katastrophensongs "Five Feet High And Rising". Diese Informationen mögen als erste Indizien dafür gelten, dass Dobler sich schon lange - und nicht nur zu dekorativen Zwecken - mit Johnny Cash beschäftigt, eine Annahme, die das nun vorliegende Buch über den "berühmtesten Countrysänger der Welt" eindrucksvoll bestätigt.

Dobler erzählt im Vorwort zu "The Beast In Me" die nette Anekdote, dass sein Freund Wiglaf Droste mit der Verlegerin Antje Kunstmann eine gute Idee ausgeheckt habe: Er, Dobler, solle zum 70. Geburtstag am 26.2.2002 ein Buch über Cash schreiben. Nach vielen Phasen des Nachdenkens hat er offenbar angenommen. Des Lesers Glück. Es sei dies keine definitive Biografie, auch nicht die mit Daten überfrachtete Huldigung eines emsig recherchierenden Fans, schreibt er weiter. Dass es dann und wann doch in diese Richtungen ging und Dobler irgendwelche mittelmäßigen Charts-Platzierungen diverser Cash-Songs erwähnt, ohne die man nicht den Eindruck hätte, um Wissenswertes geprellt worden zu sein, ist eine übliche Rezensenten-Maulerei. Geschenkt.

"Johnny Cash und die seltsame und schöne Welt der Countrymusik" hat Franz Dobler sein bisher umfangreichstes Buch untertitelt. Ein Hinweis darauf, dass er seinen Blick stark geweitet und den Versuch einer umfangreichen geschichtlichen und gegenwärtigen Beschreibung dieses Teils der Unterhaltungsindustrie unternommen hat. Dementsprechend beginnt er auch bei Jimmie Rodgers und der Carter Family, berichtet kurz von Cashs Elternhaus, vom Leben mit der Baumwolle und von der frühen Begeisterung des jungen John R. Cash für das Radio und die Musik, die er empfangen konnte. Der Leser erfährt, dass Cash 1950 - Angehöriger der Air Force in Deutschland - als Funker und Abhörspezialist stationiert war (über diese Episode erzählt Johnny Cash ausführlich und humorvoll auf der Interview-CD, die seinem vorläufig letzten Album, "Solitary Man", beiliegt). Dort, in Landsberg am Lech, kaufte er sich seine erste Gitarre und wurde Mitglied der Band "The Landsberg Barbarians". 1954 dann kam er nach Memphis, wo er in den legendären Sun-Studios (dem "Birthplace of Rock n' Roll") seine ersten Singles aufnahm und in Sam Philipps seinen ersten Förderer finden sollte (in seiner 1997 erschienenen Autobiografie schreibt Cash: "Wenn es keinen Sam Philipps gegeben hätte, würde ich vielleicht noch heute auf einem Baumwollfeld arbeiten.").

Franz Dobler hat sich seine Schwerpunkte für dieses äußerst lesenswerte und weit über die Person und das Phänomen Cash hinausgehende Buch, das eine Fülle von Informationen für den an Country-Musik und deren Geschichte und Vermarktung interessierten Leser bietet, sehr genau ausgesucht.

An der Figur Cash konnte er einen Gutteil seiner Ideale und Überzeugungen verarbeiten, da es sich hier ganz eindeutig um einen Einzelgänger, einen Dickschädel und Überzeugungstäter handelt, der sich immer wieder im Lauf seines Lebens und seiner Karriere gegen den einfachen Weg, gegen die totale Ausbeutung durch die allmächtigen Nashville-Bosse und gegen die Erwartungen und Standards in Business und Gesellschaft entschieden hat. Dobler liefert dazu eine Vielzahl an Beispielen, einige der eindrücklichsten sind sicher die Gefängnis-Konzerte von 1968 und 1969, denen der Autor das 50-seitige Kapitel "In den Gefängnissen" widmet und Cashs Eintreten für die nordamerikanischen Indianer. Ausführlich beschreibt er auch Johnny Cashs langen Weg mit den Drogen und wie er wieder davon wegkam und er verheimlicht nicht, dass das Leben als Musiker, als Star, der viel auf Tour ist und selten zuhause, Cashs erste Ehe ruiniert hat.

1993 - Johnny Cash war 61 Jahre alt, sein letztes Album lag Jahre zurück - wurde der junge Produzent Rick Rubin, dessen bisherige Platten nichts mit Country zu tun hatten, auf Cash aufmerksam. Nach anfänglicher Skepsis des Altstars wurde man sich einig; nicht zuletzt, weil Rubin Cash vorschlug, eine Platte nur mit Gesang und Gitarre zu machen, ein Wunsch, der Cash 30 Jahre lang von allen anderen Plattenproduzenten verweigert wurde. Diese Platte, "American Recordings" (1994), wurde ein Riesenerfolg, dem Cash und Rubin zwei weitere sensationelle Alben folgen ließen - sicher der Grund dafür, dass gegenwärtig viele Menschen, die mit Hank Williams, Merle Haggard und anderen Country-Größen nichts verbinden, begeistert sowohl die traditionelle, als auch die moderne Country-Musik hören.

Noch einmal der Autor: "Wer schon einiges über Cash gelesen hat, wird hier bestenfalls ein paar neue Zusammenhänge oder Interpretationen finden können, aber keine neuen Fakten entdecken, auch kein Interview, das ich allein mit ihm geführt hätte - die häufigen Meldungen, dass er sich nach fast 50 Jahren Interviews nicht mehr für jedes begeistern könne, haben mir zu denken gegeben. Die Krankheitsmeldungen im Jahr 2001 waren so häufig wie in den Jahren zuvor. Er sagte, er wolle nichts anderes mehr tun, außer weiter Songs zu schreiben und aufzunehmen. Da wäre mir das Gebagger nach einem Interview lächerlich vorgekommen."

"The Beast In Me" macht Spaß, klärt auf, lässt begeistert zu Platten und CDs greifen und ist trotz allem nie gefühlsduselig, auch wenn Dobler mit diesem Buch einem Großen der Musikgeschichte huldigt.

Titelbild

Franz Dobler: The Beast in me. Johnny Cash und die schöne und seltsame Welt der Country-Musik.
Verlag Antje Kunstmann, München 2002.
272 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3888973023

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