Frauenliteratur hardcore
Santa Montefiore schreibt sich schon mit ihrem Debüt "Der Geisterbaum" ins Abseits
Von Anette Müller
Santa Montefiore. Man soll einen Roman ja nicht nach seinem Cover beurteilen und bestimmt auch nicht nach dem Namen seiner Autorin. Aber der sehr nach Pseudonym klingende Name in Kombination mit dem Klappentext lässt schon zu Beginn nichts Gutes ahnen, informiert der Verlag den interessierten Leser doch, dass Frau Montefiore zu den besten Kreisen der englischen Gesellschaft gehört und ihre Familie gerne auch mal mit Prinz Charles gemeinsam Urlaub macht. Wie schön. Bleibt die Frage: Hat der Verlag sonst nichts Wissenswertes über die Autorin mitzuteilen? Doch: Frau Montefiore ist mit dem Schriftsteller Simon Sebag-Montefiore verheiratet und "seit März 2001" Mutter einer Tochter. Das wird die geneigten Leserinnen diverser wöchentlich erscheinender Frauenzeitschriften mit Sicherheit emotional berühren.
Seufz.
"Der Geisterbaum" also: schon der dem ersten Kapitel vorangestellte Stammbaum der Familie Solanas lässt eine sogenannte Familiensaga übelster Sorte vermuten. Und diese Erwartung wird auch bedient. Santa Montefiore erzählt in ihrem Debütroman die Geschichte der Sofia Solanas, der verwöhnten Tochter eines argentinischen Großgrundbesitzers, die sich hitzköpfig und leidenschaftlich durch ihr privilegiertes Leben schlägt. Natürlich ist diese Geschichte vor allem die Geschichte einer tiefen und verbotenen Liebe, denn Sofia verzehrt sch schon als Fünfzehnjährige nach ihrem glutäugigen Cousin Santiago, genannt Santi; eine Verbindung, die Sofias Eltern, deren Liebesgeschichte in Rückblicken ebenfalls erzählt wird, nicht akzeptieren können - diese Schande!
Was dann im Verlauf des Romans passiert, ist ebenso vorhersehbar wie langweilig: Sofia wird im zarten Alter von siebzehn Jahren von Santi schwanger, gesteht den Eltern ihr Verhältnis zu ihrem Cousin und wird nach Genf in die Verbannung geschickt, wo sie das Kind abtreiben und Santi vergessen soll. Sofia und Santi treffen sich ein letztes Mal unter dem Ombu-Baum, dem Geisterbaum, der geheime Kräfte haben soll. Ein bisschen Esoterik hilft immer, wusste schon Isabel Allende, vermutlich das heimliche Vorbild der Montefiore. Jedenfalls: Das Paar schwört sich ewige Liebe und ein baldiges Wiedersehen im Exil, wobei die erste einer Reihe von Ungereimtheiten im Roman auftritt: aus Respekt den Eltern gegenüber verschweigt Sofia Santi die Schwangerschaft, doch kaum in Genf angekommen, beschliesst sie, das Kind zu bekommen, um es nach der Geburt zur Adoption freizugeben. Unterdessen setzt Sofias Familie in Argentienien alles daran, jeden weiteren Kontakt zwischen Sofia und Santi zu unterbinden, und natürlich gelingt es der Familie, das Paar zu entzweien, Sofia geht nach England und findet neues Liebesglück, während Santi bald bewusst eine Frau heiratet, die Sofia kein bisschen ähnelt. Selbstverständlich ist Sofias Ehemann ebenfalls ein Großgrundbesitzer; der Lebensstandard der Heldin will schließlich gewahrt sein.
Es dauert vierundzwanzig Jahre, bis Sofia nach Argentienien zurückkehrt, Santi erneut begegnet und realisiert, dass sie nie aufgehört hat, ihren Cousin zu lieben. Unter dem Ombu-Baum treffen sie sich wieder, die alte Leidenschaft wird neu entfacht.
"Der Geisterbaum" ist ein 590 Seiten umfassender Groschenroman, der sich im Regal der Bahnhofsbuchhandlung wunderbar neben Hera Lind und Rosamunde Pilcher machen wird, sich aber kaum mit ihnen messen kann. Bleibt zu hoffen, dass Frau Montefiore in Zukunft zu sehr mit dem Leben in Englands besten Kreisen und den Urlauben mit Prinz Charles beschäftigt sein wird, um sich an einen weiteren Roman zu wagen.