Lebt: aus Trotz!

Edita Kochs Zeitschrift "Exil"

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sie kamen sich wie Lemuren vor, wie lebendige Tote. Sie führten ein reduziertes Dasein, durften weder arbeiten noch publizieren noch sich politisch betätigen. Willkommen waren allenfalls die prominenteren unter ihnen, soweit sie - wie Thomas Mann - durch Wohlverhalten auffielen. Die meisten aber verloren neben ihrer Heimat auch ihre besten und produktivsten Jahre. Sie schrieben wie Fritz Hochwälder für die Schublade und beschäftigten sich mit dem Schicksal derer, denen es noch erbärmlicher erging. Im Falle Hochwälders war dies Jakob Haringer, der im Gefängnis von Bellechasse einsaß, in dem auch gefoltert wurde, im Falle Zuckmayers Stefan Zweig, zu dessen Gedenken Zuckmayer den Emigranten zurief: "Lebt: aus Trotz!"

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Exil" (22. Jahrgang 2002, Nr. 1) stellt die Situation der emigrierten Schriftsteller in der Schweiz von 1933 bis 1950 dar. Im Zentrum steht ein forciert einseitiger, deshalb aber nicht unsachlicher Essay von Charles Linsmayer, und es ist vollkommen einsichtig, dass die Kritik an den Schweizer Behörden aus der Schweiz selber kommen muss. Weitere Beiträge des Heftes befassen sich mit Joseph Benjaminowitsch Selbiger (Reinhard Müller), Ernst Krenek (Fritjof Trapp), Alfred Döblin, Hans Siemsen und dem Bund Neues Deutschland (Günter Rinke). Marcel Reich-Ranicki hat ein Feuilleton beigetragen ("München und der Geist der Erzählung"), Sandra Kirsch einen Aufsatz über Bildquellen in Heinrich Manns Henri-Quatre-Romanen.

Heinrich Manns Exil-Roman "Lidice" (1943) wird in einem früheren Heft der Zeitschrift (21. Jahrgang 2001, Nr. 1) gewürdigt. Hier geht es der Verfasserin Meike Mattick um "Komik als Mittel, das Nicht-Faßbare darstellbar zu machen". In der Gestalt Heydrichs beispielsweise geben sich Komik und Grauen wechselseitig Relief. Mitgefühl allein, so Andrzej Wirth, wäre "Zustimmung zum Mord". Die von Heinrich Mann gewählte Komik als Darstellungsmittel diene, stimmt Mattick ein, nicht der Unterhaltung und sei auch kein Moment "bloßer Karikatur", vielmehr kehre sich das Komische als "Antipathos" immer auch gegen sich selbst und sei vor dem ernsten Bedeutungshorizont erst verstehbar. Weitere Beiträge des Heftes befassen sich mit jüdischen Schauspielern in der Nazizeit (Bärbel Schrader), mit Wolfgang Hellmert (Klaus Täubert), Ernst Waldinger (Christian Teissl) und Jella Lepman (Hermann Schnorbach).

Die Jahre des bedeutenden Lektors und Literaturvermittlers Max Tau im norwegischen und schwedischen Exil untersucht Regina Hartmann (21. Jahrgang 2001, Nr. 2). Sie zeichnet zunächst seine Kindheit, seine tiefe Religiosität und seine literarische Geschmacksbildung nach, ehe sie einige Schlaglichter auf sein Verhältnis zu Bruno Cassirer wirft und dann die Lernprozesse des Exils analysiert. Weitere Beiträge des Heftes befassen sich mit Gertrude Langer (Ute Heinen), Jo Mihaly (Meike Mattick), Hermynia Zur Mühlen (Deborah Vietor-Engländer) und Soma Morgenstern (Petra Nachbaur und Jörg Thunecke).

Jedes Heft informiert mit einer Chronik über wichtige Ausstellungen und Gedenktage; die Rubrik "Hinweise" führt regelmäßig die wichtigsten Neuerscheinungen zum Thema Exil auf; Rezensionen und ein Index der behandelten Namen und Sachen gehören zu den Standardleistungen der Zeitschrift.

Bestelladresse: Postfach 17 02 34, 60076 Frankfurt/M. Tel.: 0049-69/75 11 02, Fax.: 0049-69/75 15 47, E-mail: buero.exil@uni-hamburg.de

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Edita Koch / Fritjof Trapp (Hg.): Exil. Forschung. Erkenntnisse. Ergebnisse. Exil 1933 bis 1945. Nr. 2.
Gegründet von Joachim H. Koch.
Verlag Edita Koch, Frankfurt a. M. 2001.
88 Seiten, 11,80 EUR.
ISSN: 07216742

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Edita Koch / Fritjof Trapp (Hg.): Exil. Forschung. Erkenntnisse. Ergebnisse. Exil 1933 bis 1945. Nr. 1.
Gegründet von Joachim H. Koch.
Verlag Edita Koch, Frankfurt a. M. 2001.
104 Seiten, 11,80 EUR.
ISSN: 07216742

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Edita Koch / Frithjof Trapp (Hg.): Exil. Forschung. Erkenntnisse. Ergebnisse. Exil 1933 bis 1945. Nr. 1.
Gegründet von Joachim H. Koch.
Verlag Edita Koch, Frankfurt a. M. 2002.
110 Seiten, 11,80 EUR.
ISSN: 07216742

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