Was Lara Croft mit dem Heiligen Franziskus verbindet

Ulrike Landfesters kulturtheoretischer Forschungsband widmet sich der Trias von Schrift, Bild und Körper

Von Alexis EideneierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Alexis Eideneier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt schon noch ehrgeizige Projekte: Die im literaturwissenschaftlichen Fachverlag Aisthesis erscheinende Reihe "Schrift und Bild in Bewegung" hat sich nichts weniger als eine kritische Bilanz der medialen Situation zu Beginn des neuen Jahrtausends vorgenommen. Nach den ersten Sammelbänden, die Materialität und Medialität von Schrift untersuchen, Lust am Lesen erkunden sowie Schrift und Bild im Film betrachten, ist nun eine neue kulturtheoretische Studie herausgekommen, die der Trias von Schrift, Bild und Körper gewidmet ist.

Gehe es um die kulturelle Codierung natürlicher Vorgaben, so betonen die Herausgeber Bernd Scheffer und Oliver Jahraus in ihrem Vorwort, müsse man die traditionelle Dichotomie von Natur und Kultur verabschieden. Bei der Diskursivierung von Körperlichkeit komme es vielmehr auf die Zwischenräume an, die sich zwischen Unwillkürlichkeit und Intentionalität, zwischen Nacktheit und Gewandung, zwischen Oberfläche und Beschriftung bzw. Bebilderung ergäben.

Den Autoren des vorliegenden Sammelbandes dient das unendlich vernetzte Spannungsfeld dieser mehr oder weniger durchlässigen Zwischenräume als großzügig bemessener Deutungsspielraum. Vor allem die Beiträge von Urban Küsters (zum gezeichneten Körper des Heiligen Franziskus), Eva Lindemann (zu den Bildnissen Rahel Varnhagens), Gabriele Brandstetter (zur Physiognomik der Falte bei Rilke, Aby Warburg und Yoko Tawada) sowie Elke Brüns (zum Körperbild der Barbie-Puppe) veranschaulichen, wie sich Identität über den Umweg des Körpers erzeugen kann. Dem Leser wird klar, dass alle Körperbilder letztlich dem Zweck dienen, dem Betrachter Modelle der Selbstwahrnehmung zu offerieren.

So kenntnisreich und sorgfältig die einzelnen Beiträge verschiedenste Semantisierungen von Körperlichkeit untersuchen, so unvermeidlich scheint ein Einwand gegen die Konzeption dieses Buches zu sein: Die kulturtheoretische Denkfigur von Schrift, Bild und Körper eröffnet ein Spektrum, für das sich der Rahmen dieses schmalen Sammelbandes als viel zu eng erweist. Das Kreatürliche und seine kulturelle Codierung lässt sich kaum behandeln, ohne zumindest resümierend auf die Forschung zur Korrelation von Körper und Seele einzugehen. Inwieweit unser Körper das Bewusstsein bestimmt, ist ein ungelöstes, vielleicht unlösbares psychophysisches Problem, das die Menschheit seit Jahrhunderten beschäftigt. Die beiden philosophischen Aufsätze, mit denen der Band endet, können diese Schwierigkeit allenfalls streifen.

Weiterhin führt die Frage, ob Körperlichkeit im Einzelfall bloß kopiert oder auch verwandelt wird, zum ästhetischen Zetralbegriff der Mimesis, dem gleichfalls eine jahrhundertelange, hier nicht weiter behandelte Debatte zugrunde liegt. Zudem lässt sich prinzipiell nahezu das gesamte Bild- und Textrepertoire des christlichen Abendlandes mit der behandelten Trias in Verbindung bringen. Besonders anschaulich wird diese Verlegenheit durch das ausladende, assoziativ aus dem Vollen schöpfende Vorwort der Herausgeberin Ulrike Landfester. Vom christlichen Bilderkult seit dem Alten Testament bis zu Physiognomie-Debatten des 18. Jahrhunderts kommt hier so einiges vor, Goethe und Kafka sind ebenso als Beispiele angeführt wie Greenaway-Filme und Tennessee Williams-Dramen, Bodybuilding und Tätowierungen, Derrida und Foucault.

Was der Leser bei dieser notgedrungen beliebigen Auswahl vermisst, ist eine stärkere Systematik und Kohärenz der einzelnen, in sich durchaus anregenden Studien. Der Verdacht liegt nahe, dass die Beiträge dieses Sammelbands nicht von einer koordinierten Forschergruppe stammen und auf einem Symposion diskutiert wurden, sondern ohne Wissen voneinander an verschiedenen Orten entstanden sind. So bleibt der einzige Zusammenhang zwischen Lara Croft und dem Heiligen Franziskus, dass wir es sowohl bei den abgebildeten Altartafeln aus dem 13. Jahrhundert wie bei dem Film "Tomb Raider" mit semiotischen Körpermodellen zu tun haben.

Kein Bild

Ulrike Landfester (Hg.): Schrift und Bild und Körper. Schrift und Bild in Bewegung Band 4.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2002.
210 Seiten, 17,50 EUR.
ISBN-10: 3895283800

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