Rezensionen von Online-Abonnenten zum Buch

Informationen zu dem Forum

So enden wir

Roman

Von Daniel Galera


Karsten Herrmann schrieb uns am 07.03.2018
Thema: Daniel Galera: So enden wir

Von der Gegenkultur zur Affirmation

Der 1979 in Sao Paulo geborene Daniel Galera ließ vor knapp fünf Jahren mit seinem Debut „Flut“ und einem unbehausten, zweifelnden und suchenden Protagonisten ohne Namen aufhorchen. In seinem zweiten Roman lässt er nun drei Freunde auf eine wilde Zeit des Erwachsenenwerdens zurückblicken.

Ausgangspunkt des Romans ist der Tod von Andrei alias „Duke“, der beim Joggen in Porto Alegro überfallen und ermordet wird und der der vierte im engen Bunde der Freunde war. Er hatte sich zum literarischen Nachwuchsstar entwickelt und blieb „doch immer ein Rätsel“. Zum Zeitpunkt seines Todes liegt eine schlimme Hitzewelle über den müllübersäten Straßen von Porto Allegro, so „dass die ganze Stadt wie unter einer Glasglocke vor sich hin dämmerte.“

Im Perspektiven-Wechsel zwischen Aurora, die Biochemie in Sao Paulo studiert, Emiliano, der sich als Journalist über Wasser hält und von Artero, der es mit Marketing zu Reichtum gebracht hat, lässt Daniel Galera das frühere und das aktuelle Leben seiner Protagonisten aufleuchten. Zur Jahrtausendwende gehörten sie alle zu dem avantgardistischen E-Fanzine „Orangotango“ und machten mit subversiven Videofilmen, Texten und Performances auf sich aufmerksam. 1999 war „das Jahr, in dem wir mit einer Intensität gelebt hatten, die es später nicht mehr geben sollte.“

Auf der einen Seite erzählt Daniel Galera in „So enden wir“ einfühlsam und zuweilen auch sehr explizit von vier verschiedenen Lebensläufen, von den in der Phase des Coming of Age klassischen Hoffnungen,  Enttäuschungen, Irrungen und Wirrungen. Auf zeitgeschichtlicher Folie zeigt Daniel Galera aber auch das seit Dada offenbare Dilemma des Umschlags von Avantgarde und Subversion in Affirmation und Marketing  und damit die alles assimilierende Kraft des kapitalistischen Systems. Er zeigt wie das Potenzial einer digitalen Gegenkultur schwindet und von Narzissmus, Exhibitionismus und Pornographie, von einsamen und verzweifelten Ersatzhandlungen verdrängt wird.


Daniel Galera: So enden wir. Suhrkamp, 232 S., 22 Euro. ISBN 978-3518428016


Neue Rezension zum Buch veröffentlichen (nur für Online-Abonnenten)