Carsten Zorn schrieb uns am 21.06.2003
Thema: Walter Grasnick: Würden Sie es tun?
Lieber Herr Grasnick,
zur „Atombombenfrage“. Ihre Relevanz zeigt sich ja nun (auch) immer deutlicher daran, dass sie mittlerweile geradezu als die im Globalmaßstab entscheidende und kulturgrenzenschaffende Frage erscheint; die jeweilige Antwort also nicht zuletzt als die neueste Differenz zwischen „Amerika“ und „Europa“: „Amerika“ plädiert für den Einsatz von Gewalt (Terror? Folter?) zur „Gefahrenabwehr“, während „Europa“ – ja, wofür plädiert „Europa“ eigentlich? Für eine Abwägung? (Sind der Irak und andere wirklich so gefährlich, dass der Einsatz von Gewalt legitim erscheint – bzw. in solchen Fällen vielleicht sogar künftig zu legalisieren wäre? Oder „reichen die bestehenden Gesetze aus“? Und welche Güter wären dann hier eigentlich genau abzuwägen?) Oder: Stellt „Amerika“ sich vielleicht gerade zur Verfügung, Luhmanns „tragic choice“ auf sich zu nehmen? Wird jedenfalls die von Ihnen mit Luhmanns Unterstützung geforderte Debatte (darüber,was im Bedrohungsfalle erlaubt ist, nicht gerade jetzt (und: nicht wiederum mit ungenügendem Unterscheidungsvermögen?) geführt – nur an anderem Ort, und anhand leicht anderer Gegenstände? Und wie also würden Sie in diesem Fall (unter den von Ihnen angebotenen Gesichtspunkten) die einschlägigen Diskussionsbeiträge beurteilen? Von Habermas über Gumbrecht bis Hondrich etwa, oder von Dan Diner bis zu den neokonservativen Think Tanks der Bush-Administration?
Oder: Befinden wir uns, was die „Unterstützung des Terrorismus“ etwa angeht, gerade vielleicht in so was wie einem „Strafverfahren“ globalen Ausmaßes – gegen „Unterstützerstaaten“ (in der Rolle der Verdächtigen)? Mit „Europa“ in der Rolle des Strafverteidigers, und „Amerika“ in der Rolle des Staatsanwaltes (vor dem UN-Sicherheitsrat), des Richters (im Weißen Haus) und Polizisten (im Irak, und unter dem Einsatz von „Druck“ auf die Verdächtigen im arabischen Raum) zugleich? Und: Was würde das bedeuten, wie wäre es zu beurteilen, wenn die Weltpolitik (und die Weltöffentlichkeit)sich tatsächlich gerade in ein globales Dauertribunal verwandeln würden (zum Ort mehr schlecht als recht in die Politik kopierter Verfahrensformen aus dem Rechtssystem also)? Oder: Welches „Verfahren“ wäre denn stattdessen an dieser Stelle Ihres Erachtens nach angemessen, angesichts der Bedrohung durch „den internationalen Terrorismus“ – und also: wenn es darum geht, zu entscheiden, was im Rahmen dieser Bedrohung erlaubt ist, und was nicht?
Nur um das klarzustellen: Ich meine das ernst; mich interessiert diese Frage sehr: Was passiert denn mit den von Ihnen angebotenen Unterscheidungen, wenn man sie auf den Fall des „War against Terrorism“ anwendet? Vielleicht hätten Sie ja Interesse, an dem Punkt und auf dieser, zugegeben, (hier erst mal eher) metaphorischen Ebene über das Problem weiterzudiskutieren? Würde mich sehr freuen.
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