Leben auf T-Shirts, in Comics und in vielen Herzen
Der Comic "Godspeed" gibt Einblick in Kurt Cobains kurzes Leben
Von Mario Alexander Weber
Im April war es zehn Jahre her, dass Kurt Cobain, Sänger, Gitarrist und Songwriter der US-amerikanischen Alternative-Band "Nirvana", sich im Alter von siebenundzwanzig Jahren das Leben nahm. Seit seinem Selbstmord ist Cobain zur Ikone geworden. Etliche Biografien sind erschienen, Bildbände, eine Auswahl aus seinen Tagebüchern, unzählige Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, und zu Weihnachten gab es eine "Best of"-CD mit einem neuen, bis dato unveröffentlichten, schmerzvollen Song. Die obligatorische musikalische Retrospektive in Form einer CD-Box lässt noch auf sich warten, da Cobains Witwe Courtney Love im Rechtsstreit mit den ehemaligen "Nirvana"-Musikern Krist Novoselic und Dave Grohl liegt. Und jetzt ein Comic. "Godspeed". Auf dem Cover Kurt Cobain kniend mit Engelsflügeln und zerrissenen Jeans. Kariertes Baumwollhemd. Zwischen seinen Schenkeln eine Pfütze aus Tränen. Er weint. Er leidet. You know you're right. Sein Leben als Comic.
Mit einem seltsam gut gemeinten Vorwort eines gewissen Peter Doggett beginnt "Godspeed". Der Comic stellt Cobain in eine Linie mit anderen, viel zu jung verstorbenen Helden der Popgeschichte wie James Dean oder dem Hippie-Triumvirat der Sixties: Morrison, Joplin, Hendrix. Doch geht er auf einen entscheidenden Unterschied nicht ein: Cobain hatte weder einen Autounfall, noch ist er am eigenen Erbrochenen erstickt: er hat sich selbst mit einer Schrotflinte aus dem Leben befördert.
Die "emotionale Authentizität" des Punk habe Cobain angezogen, schreibt Doggett und wiederholt in seinem Vorwort die bekannten Erklärungsmuster für Cobains Selbstmord: Glaubwürdigkeit vs. Ausverkauf, zu viel Drogen und zu wenig Liebe, Scheidungskind, Sensibilität, (Magen-)Schmerzen.
Mythen und Legenden gehören zur Rockgeschichte wie das Ohrensausen zu einem guten Konzert. Der Comic "Godspeed" trägt nichts dazu bei. Es wäre jetzt aber verkehrt zu behaupten, dass er die Mythen und Legenden entzaubern würde. Auch dies tut er nicht. Der Zeichner Flameboy, der sich selbst in einem peinlichen Text als einen aus der "Hölle in einen Satanskult" Hineingeborenen beschreibt, liefert leider nur langweilige Bilder: seine Bilder angeguckt, am Maßstab der Märtyrerstory gemessen und sofort wieder vergessen. Man sieht und fühlt, dass da kein Zugang vorhanden ist. Im Anhang gibt es ein paar Skizzen und Vorstudien von Flameboy zu betrachten, dazu der entwaffnende Text: "Nie im Leben käme ich auf die Idee, mich als Portraitkünstler zu bezeichnen. Wenn es mit der Ähnlichkeit nicht hingehauen hat, habe ich also versucht, die Stimmung oder das Gefühl einzufangen."
Was für ein Gefühl? Bitte, was für ein Gefühl?