Popmusik als Lebenshilfe

Dominik Schüttes charmanter Poproman „Was würde der Boss tun?“ stellt Bruce Springsteen als Lebensberater vor

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sie wissen nicht, wer der „Boss“ ist? Sollten Sie aber. Obwohl der Roman von Dominik Schütte auch ohne dieses Hintergrundwissen verständlich ist. Zumindest fast. Denn letztendlich sind die Songs eines Singer-Songwriters mit dem relativ bekannten Namen Bruce Springsteen die Folie, vor dem die Romanhandlung von „Was würde der Bos tun?“ abläuft. Seit rund vierzig Jahren im Gedächtnis der populären Musikkultur hat er zwar nicht den Stellen- und Wiedererkennungswert eines Bob Dylan, aber sein „Born in the USA“ zählt doch zum allgemeinen musikalischen Bildungsgut.

Für Tom, den Protagonisten des Romans, bedeutet Bruce aber weit mehr als nur der Inhalt einiger Songtexte. Springsteen ist ihm mit seinen Songs seit frühester Jugend eine nicht versiegende Quelle des Rates und der Lebenshilfe. Für andere Schriftsteller mag es Neil Young oder der „King“ sein, manche schwören auch auf die Rolling Stones oder auf die spirituelle Botschaft von Freddy Mercury, aber für Tom ist es der „Boss“. Übrigens ein Spitzname, den Springsteen einer der vielen Legenden nach erhalten haben soll, als er auf einer frühen Tournee seine Bandmitglieder nach der Show immer bar ausgezahlt haben soll.

Und den „Boss“ muss Tom auch fragen, wie es weitergehen soll mit seinem Leben: Ist Anna die richtige für eine Heirat? In diesem Rahmen zeichnet Schütte das realistische Bild eines Mittdreißigers, der in einer Orientierungskrise steckt und Rat bei seinen Superhelden sucht. Daher muss Tom dann ganz im Sinne des klassischen Bildungs- und Entwicklungsromans eine Reise unternehmen, um sich zu entwickeln. Denn der „Boss“ ist auf der anderen Seite des Ozeans. Tom fliegt in die USA, besucht seinen Bruder und ein Konzert von Springsteen im Madison Square Garden. Letztendlich ist es eine Selbstfindungs- und Selbstversicherungsreise – charmant und unterhaltsam erzählt. Eine Frau, ein Konzert, ein Bruder und am Ende dann sogar etwas, was man als Happy End werten könnte.

Es ist ein unterhaltsamer Roman, der Selbstfindung und Popmusik zueinander bringt, die seltsamen Formen männlicher Erklärungs- und Beratungsstrategien beleuchtet und mit einem vielleicht etwas übertrieben harmonischen Ende abschließt. Eigentlich mögen wir es doch lieber etwas ruppig. Wir finden raue und scheiternde Helden cool, denn sie sind unserer Gegenwart einfach näher. Und gerade solche brauchen wir, wenn wir Lektüre zur Lebenshilfe suchen. Vielleicht sogar Halden wie Springsteen, dem man dann auch im Buch begegnet. Aber das sollte jeder selbst lesen. Es lohnt sich.

Titelbild

Dominik Schütte: Was würde der Boss tun? Roman.
Piper Verlag, München 2011.
232 Seiten, 14,95 EUR.
ISBN-13: 9783492054133

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