LitBlog Convention: Jan Brandt über Los Angeles

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Und weiter geht’s mit Jan Brandt, der im Gespräch mit seinem Lektor Jan Valk von seinen neuen Werk „Stadt ohne Engel“ erzählt, das im September bei DuMont erscheinen wird. „Stadt ohne Engel“ ist kein Roman, sondern vielmehr ein journalistisches Projekt mit literarischen Reportagen oder eben „ein Buch über die Stadt L.A.“. Vor einigen Jahren war Brandt für drei Monate Stipendiat in der Villa Aurora in Los Angeles. Dieses Stipendium bezeichnet er zwar als „Champions League“, zugleich ist die Villa Aurora aber ein „Elfenbeinturm“ für ihn – in Pacific Palisades, wo die Villa steht, leben heutzutage nur Millionäre. „Das verschiebt natürlich die Perspektive. Es gibt wahnsinnig viel Armut in der Stadt“, sagt Jan Brandt. „Ich muss Leute kennenlernen, ich muss mir die Geschichten aus L.A. anhören“, beschreibt er rückblickend das Gefühl, das er während des Stipendiums bekam. „Also habe ich mich in die Stadt reingeworfen.“

Ursprünglich, so erzählt Brandt, hatte er vorgehabt, einen großen Amerika-Roman zu verfassen. Während des Aufenthalts in Los Angeles beschloss er allerdings, dieses Vorhaben für „Stadt ohne Engel“ zurückzustellen. „Über was schreibe ich eigentlich? Was ist die Stadt? Was ist Los Angeles?“, also: Wie kann man eine Stadt erzählen? Jan Brandt gelingen die Geschichten am besten, „die ich selbst erlebt habe“. Und so entstand „Stadt ohne Engel“, eine Kompilation langer Reportagen und persönlicher Erlebnisse. Eine Geschichte veröffentlichte der Autor vor anderthalb Jahren bereits bei Krautreporter: „Mord für ein Skateboard“ erzählt von einem jungen Mann, der blutend in den Armen seiner Freundin am Straßenrand lag, als Jan Brandt zufällig vorbeikam. Später erfuhr er: Der Mann erlag seinen Verletzungen – er war niedergestochen worden, weil er sein Skateboard nicht hergeben wollte.

Zwecks Recherche besuchte Brandt außerdem den Stadtteil Watts im südlichen Los Angeles, der für seine hohe Kriminalitätsrate sowie für die Unruhen von 1965 und 1992 (kürzlich bearbeitet im Roman „In den Straßen die Wut“ von Ryan Gattis) bekannt ist. Dort traf er einen Gangster Rapper namens „Kleine Unterhose“ (ja, wirklich), der seinen sozialen Status im Viertel durch teure Preisschilder an seinen Klamotten demonstriert. Gegen das Entgelt von hundert Dollar führte der Rapper Jan Brandt durch Watts und stellte ihm andere Bewohner vor.

Eine weitere beeindruckende Begegnung hatte der Schriftsteller mit einem 14jährigen Mädchen, die – gegen freiwillige Bezahlung – spontane Gedichte zu beliebigen Themen verfasst. Dieses Erlebnis war die „Initialzündung für dieses Buch“, so Jan Brandt, und liest dann zum ersten Mal vor Publikum Texte aus dem Manuskript von „Stadt ohne Engel“ vor. Und der Amerika-Roman? Der ist nach wie vor in Arbeit. „Residenzstipendien sind der Killer“, scherzt Brandt. „Wenn DuMont einen Roman haben wollen, müssen sie mich im Verlagshaus einschließen!“


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