Nachdem Vea Kaiser berichtet hatte, wie sie zur Schriftstellerin wurde, Jan Brandt sein neues Buch vorstellte und Isabel Bogdan und Helga Frese-Resch interessante Einblicke in ihre Arbeit lieferten, geht es, vom Autoren-Speeddating abgesehen, an den letzten Programmpunkt der LitBlog Convention: Frank Schätzing und KiWi-Verleger Helge Malchow sprechen über Bestseller.
Aller Anfang ist schwer und auch Frank Schätzing musste sich in Geduld üben: In den 1980ern bekam er einst eine Absage von, genau, Helge Malchow. Also veröffentlichte er seine Krimis zunächst beim Emons, einem Kölner Verlag mit Fokus auf regionalen Themen, bis er mit „Der Schwarm“ 2004 schließlich doch bei Kiepenheuer & Witsch landete. Um ein gutes Thema für einen Thriller zu finden, gibt es laut Schätzing zwei Möglichkeiten. Einige Autoren, die ursprünglich aus einer anderen Branche stammen und ihr Fachthema immer wieder neu verarbeiten, sind monothematisch unterwegs, wie beispielsweise John Grisham. Andere Autoren wie Schätzing, der Kommunikation, also „nix Gescheites“ studiert hat, haben keine Kernkompetenzen. Schätzing kommt durch Zeitungsartikel oder Bemerkungen auf seine Themen. Ausnahme ist „Der Schwarm“, dessen Grundidee er geträumt habe. Sobald er einen Einfall hat, geht es mit intensiver Recherche weiter. Ein Rezept für seinen Erfolg, vermutet Schätzing, sei die Kombination aus einer guten Idee und dem Reiz des Realmöglichen. Ungeachtet dessen gibt es natürlich keine kalkulierbaren Faktoren für einen Bestseller. Malchow erzählt, dass im Verlag alle von „Der Schwarm“ beeindruckt waren, aber keinerlei Vorstellung hatten, wie viele Exemplare sie davon verkaufen würden – 100.000? 1.000.000? Es sei am Ende immer ein Spiel mit Trial and Error, so Malchow: „Es ist ein bisschen wie Roulette.“ Bis heute hat sich „Der Schwarm“ übrigens rund 4,5 Millionen Mal verkauft.
Nicht nur der Reiz des Realmöglichen, auch das intuitive Wissen, was „das next big thing“ sein und sich in der Gesellschaft zukünftig zusammenbrauen werde, kann bei richtigem Timing aus einem Roman einen Bestseller machen. Schätzing, der über intelligentes Leben aus dem Meer und Heliumabbau auf dem Mond geschrieben hat und in seinem neuen Buch „Breaking News“ eine Verschwörung in Israel beschreibt, beweist dafür den richtigen Riecher, kann das aber auch nicht erklären: „Der Plan liegt in der Planlosigkeit.“ Helge Malchow bekräftigt: Sobald ein Thema aktuell ist, ist es zu spät, darüber zu schreiben, schließlich benötigen Bücher einen gewissen Vorlauf.
Am Ende sei aber auch eine gründliche Recherche das A und O. „Je besser die Recherche und je plausibler die Verschwörungstheorie, desto eingeschränkter ist allerdings der Spielraum für einen Autor“, erklärt Schätzing und erzählt dann eine Anekdote: Während der Recherche für seinen Thriller „Lautlos“ über den G8-Gipfel in Köln suchte er nach einer Möglichkeit, um im Buch Bill Clinton ermorden zu können. „Der Secret Service hat ein Dallas-Trauma, die haben jede Eventualität auf dem Schirm“, musste er feststellen. Schließlich entwickelte er aber doch mit einem befreundeten Physiker eine Waffe, die einen Mordkomplott möglich machen würde. „Endlich können wir Bill Clintons Schädel wegblasen!“, freuten sich die beiden Männer laut in einem Kölner Restaurant – schiefe Blicke der anderen Gäste inklusive.
Auch Malchow hat eine Anekdote parat: Kiepenheuer & Witsch ist Teil der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck, denen auch die Website gutefrage.net gehört. Seitens der Verantwortlichen wurde er darauf angesprochen, ob KiWi nicht einfach das Thema der meistgestellten Frage als Buch machen könne. „So denken Betriebswirte“, kommentiert Malchow trocken.
Den richtigen Riecher für ein Thema zu haben birgt auch einen enormen Risikofaktor für einen Schriftsteller, denn natürlich kann ein anderer gleichzeitig dieselbe Idee haben. Helge Malchow nennt als Beispiel Christian Kracht, der in „Imperium“ (2012) über den längst vergessenen Aussteiger August Engelhardt, der den Kokovorismus, die Verehrung der Kokosnuss, entwickelt hatte, schreibt. Kracht stürzte sich ins Thema – und nach einem halben Jahr Arbeit brachte plötzlich Marc Buhl „Das Paradies des August Engelhardt“ 2011 bei Eichborn heraus. „Ich musste sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, damit Kracht weiterschreibt“, sagt Malchow. Zu seinem eigenen Glück gab Christian Kracht nicht auf: „Imperium“ wurde zu einem großen Erfolg, während der Roman Marc Buhls in der Versenkung verschwand.