Auf die Führung durch das Verlagshaus folgt die Lesung mit Ada Dorian, die ihren Debütroman vorstellt. Die Autorin ist gut vorbereitet; sie begrüßt jeden Blogger mit Namen. Respekt! Julia Korbik, die diese Veranstaltung solide moderiert, liefert zunächst ein paar Rahmendaten – Ada Dorian wurde 1981 in Hannover geboren und lebt heute in Osnabrück – dann liest Dorian einen Ausschnitt aus „Betrunkene Bäume“. Das zentrale Motiv des Romans wird in dieser Passage bereits angesprochen: Die Isolation, die ihre beiden Protagonisten, der Rentner Erich und die Schülerin Katharina, empfinden. „Meine Ausgangsfrage war: Was muss passieren, dass Menschen vereinsamen?“, sagt Dorian. Wie manövrieren sich Menschen egal welchen Alters in die Isolation hinein?
Ein, zwei Jahre müssten ihre Ideen gedeihen, bevor sie anfinge, etwas zu schreiben, erzählt Ada Dorian. „Erst gibt es einen abstrakten Gedanken, der kreist und kreist, dann entwickelt sich ein Bild, das Form annehmen muss, damit eine Geschichte entstehen kann.“ Sie schreibe permanent, „aber immer an dem Projekt davor, während der nächste Gedanke reift.“ Ihre Inspiration zieht sie vor allem aus Begegnungen und kleinen Situation. „Der Kern meiner Romane ist persönlich, auch wenn es das Ergebnis vielleicht nicht mehr ist.“
Dass sowohl Erich als auch Katharina in „Betrunkene Bäume“ einen starken Bezug zu Sibirien haben, liegt an Ada Dorians Familiengeschichte. „Ich habe mich in meinen Texten immer weiter in den Osten geschrieben“, so die Autorin, die russische, polnische, litauische und tschechische Wurzeln hat, auch wenn „kulturell und sprachlich keine Reste mehr übrig sind“. Auf ihre Familie griff Dorian ebenfalls zurück, um sich ihrer Figur Erich anzunähern: „Ich bin mit vielen alten Menschen aufgewachsen, ich kannte zum Beispiel meine Urgroßeltern noch.“ Bei Familienfeiern war sie immer das einzige Kind. Statt zu spielen saß sie also am Tisch und hörte zu. „Das prägt. Deswegen ist mir Erich trotz seines Alters nicht fern.“
Recherche ist für die disziplinierte Autorin, die sich jeden Morgen um acht Uhr an den Computer setzt, sehr wichtig. Das Schreiben sieht sie als Möglichkeit, sich auch nach dem Studium weiterhin intensiv mit Themen auseinanderzusetzen. „Ich habe für den Roman viel über den Klimawandel und über Permafrost nachgelesen“, sagt Ada Dorian mit einem Schmunzeln. Und die Erzählungen „Durch den Schnee“ von Warlam Schalamow halfen ihr dabei, Sibirien möglichst genau zu beschreiben. „Mich interessiert, ungewöhnliche Verbindungen zu finden: Was hat ein Arbeiter im Gulag mit einem Mädchen heutzutage in Berlin zu tun?“
Seit rund einem Jahr kann Dorian von ihrer Literatur leben. „Ich habe schon immer geschrieben, nur musste ich bisher meine Nebenjobs um diese Tätigkeit bauen.“ Dann wurde sie von Hildegard Keller nach Klagenfurt eingeladen, wo sie aus „Betrunkene Bäume“ las. „Ich habe mich schon vor langer Zeit dazu entschieden, keine Texte speziell für Wettbewerbe zu schreiben. Wenn der Text passt, reiche ich ihn ein, aber nicht andersrum.“
Dass sie im ersten Programm von Ullstein fünf sogar der Schwerpunkt ist, freut Ada Dorian besonders. „Es ist für mich ein großes Glück, endlich erkannt zu werden.“ Und da sie, wie sie sagt, seit acht Jahren ununterbrochen am Tippen ist, hat die Autorin, obwohl „Betrunkene Bäume“ ihr Debütroman ist, bereits eine große Backlist. „Ich habe trotz Absagen nie aufgehört zu schreiben.“ Das kommt ihr und Ullstein fünf jetzt zugute: Schon im Herbst erscheint Dorians zweiter Roman.
Verlagshaus Ullstein
02. Februar 2017
Ada Dorian – Betrunkene Bäume
Moderation: Julia Korbik
2 Gedanken zu “Ada Dorian – Betrunkene Bäume (Verlagshaus Ullstein, Berlin)”