Mit „Welcome to Borderland“ hat die Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder ein großartiges Buch über Geschichte und Leben südlich und nördlich der US-mexikanischen Grenze geschrieben.

„Die Geschichte der Grenzbeziehung zeigt aber zugleich auch, dass sich in der Betonung des Trennenden in Wirklichkeit schon immer das Wissen um die Unauflösbarkeit dieser Beziehung offenbart hat“ – die perfekte Definition für das paradoxe Verhältnis von Mexiko und den USA. Wie eng verwoben Geschichte und Gesellschaft der beiden Länder sind, verdeutlicht die deutsch-ecuadorianische Ethnologin Jeanette Erazo Heufelder in ihrem Buch „Welcome to Borderland“, für das sie nicht nur Essays, Artikel, Verträge und Schriften der letzten 200 Jahre konsultierte, sondern auch zweimal sechs Wochen lang auf beiden Seiten der Grenze unterwegs war, um mit den Menschen vor Ort zu reden.
In „Borderland“ schildert sie zunächst die Geschichte der beiden Länder, die zu großen Teilen mal eins waren, bis Mexiko zwischen 1836 und 1853 mehr als die Hälfte des Landes an die USA verlor. Schon früh war der südliche Nachbar Projektionsfläche für die USA, gleich ob die Weite und Fremdartigkeit des Landes stilisiert, Pancho Villa oder Emiliano Zapata als verruchte Revolutionäre gefürchtet oder die Mexikaner mit sämtlichen Vorurteilen, die man sich vorstellen kann, bedacht wurden. Während sich die USA abgrenzen wollten, erwachte das mexikanische Nationalgefühl, geschürt durch die Politik, erst im 20. Jahrhundert.
Als weitere Aspekte zeichnet Erazo Heufelder die Gewaltspirale nach, durch die es in Ciudad Juárez aufgrund des neoliberalen Maquiladora-Systems, also Fabriken internationaler Firmen, in denen zumeist Frauen zu Billiglöhnen arbeiten, zu den Feminiziden kam, natürlich auch, wie sich der Drogenschmuggel, Kartelle und der verheerende „Krieg gegen die Drogen“ entwickelten, und nicht zuletzt, welche Auswirkungen die Weltwirtschaftskrise von 2008 hatte.
So groß das Misstrauen auf beiden Seiten im Laufe der Jahrhunderte wurde (das in den USA sein heutiges Ausmaß erst nach Ende des Kalten Krieges erreichte, als neue Feinde hermussten), so oft arbeiteten die Regierungen zusammen, wenn es beispielsweise um die Deportation illegaler Einwanderer ging. Die Beziehung von Mexiko und den USA besteht noch heute in ökonomischem, kulturellem, sozialem und touristischem Austausch, ja, teilweise sogar in gegenseitiger Abhängigkeit von vielen Partnerstädten diesseits wie jenseits der Grenze, wie die Autorin beweist.
„Borderland“ gibt komprimiert, aber faktenreich die Geschichte einer Hassliebe wider. Das Buch erwähnt ebenfalls, wie sich die Grenze auf das Leben einer Volksgruppe, die gerne vergessen wird, auswirkt – auf die Native Americans (einziger Kritikpunkt: teilweise als „Indianer“ bezeichnet). Jeanette Erazo Heufelder beschreibt mit der Politik sowohl das große Ganze, wie auch persönliche Geschichten der Menschen, für die die Grenze zum Alltag gehört, um dann einen Blick auf Film, Musik und Literatur zu werfen. „Welcome to Borderland“ ist ein großartiges Buch, das gelungen jede Facette der US-mexikanische Grenzregionen erläutert und das Zeug zu einem Standardwerk hat.
Dieses Rezension wurde bereits in den Lateinamerika Nachrichten veröffentlicht.
Jeanette Erazo Heufelder – Welcome To Borderland
Berenberg Verlag, Berlin
September 2018, 239 Seiten