Hotlist 2014 – die besten Bücher aus unabhängigen Verlagen

Dieser Tage spricht die Buchwelt vorwiegend über die Longlist des Deutschen Buchpreises. Das nehmen wir zum Anlass, um euch eine ganz andere Liste zu präsentieren – nämlich die diesjährige Hotlist: die besten Bücher aus unabhängigen Verlagen! Aus über 140 Einsendungen hat ein Kuratorium eine Vorauswahl von dreißig Titeln getroffen, die nun gegeneinander ins Rennen geschickt werden. Am Ende bleiben dann zehn Bücher, die die HOTLIST bilden. Sieben davon werden von der Jury bestimmt, drei hingegen von euch, den Lesern! Wer also seine Stimme noch nicht abgegeben hat, husch husch ins virtuelle Wahllokal – bis Montag kann noch abgestimmt werden. Wie die Hotlist eigentlich entstanden ist, welche Kriterien über die Auswahl entscheiden und wer warum in die Jury berufen wird, erzählt uns außerdem einer der Initiatoren der Hotlist, Axel von Ernst, im Interview.

Et voilà, die dreißig Kandidaten:

Ross Thomas: Fette Ernte (Alexander Verlag) image Foerderpreis-Fallen_Andreas_Palmer_imagelarge image (1) junge-verlierer-cover 9783861537632 Davis_785 Schmitzer_Schwerkraft_Cover click-to-look-inside click-to-look-inside ausfahrt-nizza-085773754 1101641007393802 size_150_image430 Scannen_20140318_211000 1fcb91dbaf Andri-Pol-Menschen-am-CERN handbuch.ratlosigkeit click-to-look-inside-2 005356.big Ecker__Christoph_52a848154da0e click-to-look-inside (1) 97839431439041-381x500 9783954030446 showcover cache_2438188254 3293004768   1347_L   images_PWwKnbKl9bg5hVvX_L   9783803132642   nixon_2

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© Uwe A. Kirsten
© Uwe A. Kirsten

Axel von Ernst, Jahrgang 1971, ist Co-Verleger des mit dem Kurt-Wolff-Förderpreis ausgezeichneten Düsseldorfer Lilienfeld Verlags, der auf edle Neuausgaben von Autoren der Klassischen Moderne spezialisiert ist. Der hauptberufliche Schriftsteller und Dramatiker ist einer der Hauptorganisatoren der Hotlist.

Wann und wie ist die Hotlist entstanden? Mit welchem Ziel wurde sie ins Leben gerufen? Und wer genau steckt dahinter?

Die erste Hotlist ist innerhalb weniger Stunden entstanden. Ein größerer Kreis unabhängiger Verlage erhielt kurz nach Verkündung der Longlist zum Deutschen Buchpreis, auf der sich ausschließlich wohlbekannte Namen befanden, am 19. August 2009 um 14.10 Uhr vom damaligen Blumenbar-Verleger Wolfgang Farkas folgende E-Mail:

Hallo zusammen!
Heute morgen kam die Idee auf, der Longlist schnell und frisch mit einer eigenen Independent-Liste zu begegnen –­ ohne großen Aufwand, als spielerische kritische Ergänzung im Sinne literarischer Vielfalt … Habe mich eben mit Jörg Sundermeier vom Verbrecher Verlag abgesprochen, der das super findet. Wichtig wäre wegen Aktualitätsbezug, dass die Meldung BIS 15 UHR an Branche und Presse rausgeschickt wird.

Es sollten 20 Titel werden, jeder sollte seinen Spitzentitel des Herbstprogramms nennen und das Cover schicken, die, die am schnellsten reagieren konnten (es blieben ca. 30 Minuten), waren drauf. Und dann ging die Pressemeldung raus und ein großer Trubel begann. Vor allem zeigte sich, was passiert, wenn sich 20 zusammentun und jeder zur Aktion beiträgt, was er kann oder welche Kontakte er hat. Einer baut eine Internetseite für eine Internetwahl (es sollte gleich demokratisch werden), mehrere kümmerten sich um Pressekontakte, Plakate wurden produziert, Anja Schutzbach von weissbooks.w fand einen Stifter für einen Hauptpreis, Daniela Seel von KOOKbooks einen berühmten Moderator für die Preisverleihung (nämlich Denis Scheck) usw. Alle rotierten, wir hatten nur zwei Monate bis zur Buchmesse. Aber es war toll. Und die Reaktionen unterschiedlich: von Jubel bis Verärgerung alles dabei. Die Idee fanden alle grundsätzlich sehr gut, die Willkür der Auswahl war das Problem für viele. Aber nur so konnte die Sache geboren werden, als spontane Eruption.

Wie ist das Prozedere? Wer reicht die Titel ein, wer wählt sie schließlich aus und was erwartet den Gewinner?

Heute ist das Prozedere und alles Drumherum natürlich in geregelteren Bahnen, es gibt Einreichungsbedingungen, einen Verein, der das Ganze organisiert, neutrale Gremien, in denen keine Verlegerinnen und Verleger sind (Kuratorium und Jury) usw. Der Ablauf sieht so aus: Jeder unabhängige Verlag kann einen Titel des laufenden Jahres zum Wettbewerb einreichen (in diesem Jahr waren es 143). Aus diesen Einreichungen trifft das Kuratorium des Vereins eine Vorauswahl von 30 Kandidaten. Diese 30 werden zweifach zur Wahl gestellt: Jeder, der will, kann im Internet mitwählen. Drei Plätze auf der Hotlist werden so entschieden. Und eine jährlich wechselnde Jury wählt die sieben weiteren Plätze auf der Hotlist. Und dann sind sie im September da: die zehn besten Titel des Jahres aus unabhängigen Verlagen. Wohlgemerkt: Es handelt sich nicht um eine „Shortlist“, sondern um DIE Hotlist mit zum Teil sehr unterschiedlichen Büchern. Die zwei Preise, die am Ende verliehen werden, gehen an zwei Verlage, und zwar dafür, dass sie so ein Buch, wie das, das von ihnen auf die Hotlist gekommen ist, gemacht haben. Das ist einmal der „Preis der Hotlist“ (5.000 Euro; die Jury entscheidet) und der Melusine-Huss-Preis (ein Druckgutschein von 4.000 Euro, gestiftet von der Freiburger Druckerei fgb; Buchhändlerinnen und Buchhändler entscheiden). Verliehen werden diese Preise im Frankfurter Literaturhaus während der Frankfurter Buchmesse.

Wie macht ihr auf euch aufmerksam? Über welche Kanäle erreicht ihr Leser und Interessierte und was für ein Feedback bekommt ihr von diesen?

Die Aufmerksamkeit zu erhalten ist das Schwerste, wenn man kein Geld für Werbung und dergleichen hat und auch gar nicht die Zeit, sich intensiv darum zu kümmern (denn alle arbeiten rein „ehrenamtlich“ für die Hotlist). Zum Glück ist das Interesse einfach so und grundsätzlich sehr stark und wächst langsam weiter. Die Kandidatenverlage trommeln während der Internetwahl für ihre Titel, die Pressefrau Ruth Eising (re-book) informiert die Öffentlichkeit (die zum Glück das Interesse an uns auch nicht verliert) usw. Das Feedback drückt sich unterschiedlich aus: in der kontinuierlich hohen Beteiligung der Verlage beim Wettbewerb, durch unser Auftauchen in Artikeln oder Radiosendungen u.ä., durch die hohe Wahlbeteiligung im Internet (in diesem Jahr sind es schon über 5.000 Stimmen), aber auch durch Dinge, die ich nur so nebenher erfahre; ich habe zum Beispiel schon öfter Menschen getroffen, die die Kandidatenliste als Leseempfehlungsliste für sich nutzen ebenso wie die Hotlist selbst. Und die Verlage berichten teilweise von gesteigertem Interesse an den Büchern auf den Listen (beim Buchhandel und bei Lizenznehmern wie Hörbuchverlagen) – aber ich habe hier keine genauen Zahlen.

Wie wurde und wird der Preis in der Buchwelt aufgenommen? Kann er den Verlagen und dem Buchhandel Impulse geben? Und wie nutzen sie die Aufmerksamkeit, die er generiert?

Das „Problem“, das zur Gründung der Hotlist geführt hatte, nämlich das Gefühl, dass beim Deutschen Buchpreis Bücher aus unabhängigen Verlagen immer unterrepräsentiert waren, hat sich gelöst, weil es diese große Aufmerksamkeit für unsere Aktion gegeben hat. Inzwischen wurden ja sogar häufig Romane aus einem unabhängigen Verlag mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Aber es gibt immer noch die Umstände, die zu dieser Situation geführt hatten: Unabhängige Verlage haben nicht die Mittel für große Werbung und auffälliges Marketing, und sie sind unübersichtlich viele. Hier ist die Hotlist-Aktion weiterhin sehr wertvoll und wird auch so gesehen: Sie gibt einen Überblick über die Vielfalt und schafft eine sonst gar nicht vorhandene große Aufmerksamkeit auf einen sehr wesentlichen Bestandteil der Buchwelt, denn wo wäre diese Buchwelt ohne die vielen mittelgroßen bis minimalst kleinen Verlage, die die Nischen, das Feine, Abseitige, Verrückte usw. pflegen, oft unter großen Opfern, manchmal mit großartigem Erfolg? Impulse gehen von der Hotlist insofern weiterhin aus, sie sollte auch nur eine von möglichst vielen hinzukommenden Aktionen sein (wie der Indiebookday). Die Hotlist selbst wird natürlich von den Verlagen für die Eigenwerbung benutzt (als Kandidat und wenn man auf der Hotlist ist und als Preisträger), der engagierte Buchhandel nutzt die Hotlist als Anlass für Büchertische oder Schaufenster, die interessierte Presse nutzt sie als Anlass zur Berichterstattung. Wir freuen uns immer sehr über alles in dieser Richtung.

Die Jury wechselt jedes Jahr: warum? Und worauf wird bei ihrer Zusammensetzung geachtet?

Die Jury wechselt deshalb, damit die Hotlist jedes Jahr ein bisschen überraschend sein kann. Bei der Besetzung wird darauf geachtet, dass Presse und Buchhandel vertreten sind und dass möglichst unterschiedlich interessierte und kompetente Menschen da sind, damit die verschiedenen Genres, die zur Wahl stehen, Fürsprecher haben (Sachbuch, Lyrik …). Und da die Hotlist länderübergreifend ist, ist es natürlich die Jury auch. Bei den Anfragen zur Jurymitarbeit komme ich mir jedes Jahr am unverschämtesten vor: „Haben Sie Lust, Ihren ganzen Sommer 30 Büchern zu widmen und nichts dafür zu bekommen außer der großen Dankbarkeit der unabhängigen Verlage?“ Es ist unglaublich, dass so viele Idealisten in der Buchwelt zu finden sind. Das Gleiche übrigens auch beim Kuratorium: in ihren Berufen schwer beschäftigte Menschen, die sich kostenlos für die Sache durch 143 Einreichungen ackern …

Anders als bei den Buchpreisen wird das Publikum integriert, indem es in der zweiten Phase mit abstimmen kann. Das finden wir toll. Wie kam es dazu?

Bei der Gründung der Hotlist war eine Internetwahl am einfachsten und schnellsten zu organisieren und passte auch zur Guerillaform der Aktion. Das wollten wir dann nie aufgeben und macht jetzt die Hotlist auch zu etwas Einzigartigem unter den Buchpreisen. Ein starker demokratischer Anteil gibt auch ein gutes Gefühl und bestätigt die Hotlist doppelt: Fachleute und „Normalwähler“ (unter denen natürlich auch viele Kenner und Fachleute sind) bestimmen gemeinsam. Und es war bisher übrigens immer so, dass beide Meinungen nie ganz gegeneinander standen. Die Internetsieger standen in den allermeisten Fällen auch beim Erstdurchgang in der Jurywertung sehr gut da.

Romane, Erzählungen, Lyrik, Essays – die Kandidaten für die Hotlist entstammen den verschiedensten Gattungen. Nach welchen Kriterien werden sie ausgesucht? Wie kann man so unterschiedliche Formate miteinander vergleichen?

Das ist wirklich das Schwierigste. Weniger bei der Kandidatenwahl durch das Kuratorium, eher bei der Jury und bei der Wahl für den Hauptpreis. Das Kuratorium hat als Maßgabe nur: Gutes, interessantes Buch? Guter Text? – Die Mischung entsteht ganz von selbst. Ich mache immer, wenn das Kuratorium entschieden hat, eine Statistik darüber, wieviel Lyrik, wieviel Romane, aus welchen Ländern Bücher dabei sind usw. Bei ganz großem Ungleichgewicht würde ich beim Kuratorium anregen, noch einmal zu schauen, ob man etwas ändern könnte. Aber das musste ich bisher nicht. Ähnlich war es später immer bei der Erstellung der Hotlist selbst durch die Jury: Durch die grundsätzliche Vielfalt entstand immer automatisch auch eine Vielfalt bei der Liste. Aber dann der Hauptpreis: Da müssen immer Äpfel mit Birnen verglichen werden, und es ist meist sehr schwer, zu einer Entscheidung zu kommen. Ich persönlich gönne jedem Kollegenverlag Listenplatz oder Preis und bin gleichzeitig traurig über jeden, der bei einer der Auswahlschritte rausfällt. Meiner Meinung nach trifft es am Ende ohnehin den Richtigen: einen Independentverlag und ein gutes Buch. Das steht für uns alle. Darum geht es.

Wie empfindet ihr den diesjährigen Hotlist-Jahrgang? Seid ihr zufrieden? Gab es Überraschungen/Enttäuschungen?

Überraschungen gibt es jedes Jahr, vor allem was das Auftauchen neuer Namen angeht. Plötzlich sind unter den Einreichern Namen, die man noch nie gehört hat, dann recherchiert man skeptisch nach und siehe da: ein ausgezeichneter Verlag! Das heißt, wir Unabhängigen sind selbst weit davon entfernt, unsere eigene Vielfalt zu überblicken, und die Hotlist schafft auch hier ein bisschen Abhilfe. Neue Namen schaffen es auch auf die Listen, weil sie sofort überzeugen, manche stehen gleich im ersten Anlauf knapp davor. Aber die Enttäuschungen sind in jedem Jahr auch groß: bei allen ca. 110 Verlagen, die nicht Kandidaten werden zum Beispiel. Und wenn man sich die Einreicher ansieht, stimmt es auch: Sehr, sehr viele davon hätten auch einen Kandidatenplatz verdient. Aber es gibt eben nur 30.

Welche Pläne und Hoffnungen gibt es für die Zukunft?

Wir gehen in jedes neue Hotlistjahr pleite und guten Mutes, dass es wieder so hinhaut wie in den Jahren davor. Schön wären Finanzspritzen (bisher gibt nur und ausschließlich Orell Füssli etwas über die Hälfte des Preisgeldes, alles andere finanzieren die Verlage selbst über die Teilnahmegebühren). Ein Traum wäre, sich sogar ganz über den Förderkreis finanzieren zu können (60 Euro im Jahr, dafür gibt es aber einmal im Jahr auch ein Buch als Dankeschön); bisher haben wir dafür aber noch zu wenig Mitglieder. Und ebenfalls eine Frage des Geldes: eine eigene Sachbuchhotlist und einen Sachbuchverlagspreis. Das wäre auch ein Fortschritt, aber noch fehlt ein Sponsor. Und jenseits der Geldsorgen gibt es viele Hoffnungen (so ist es ja auch üblich in unbhängigen Verlagen). Vor allem die Hoffnung von der Hotlist aus und zusammen mit den anderen Gruppierungen der unabhängigen Verlage wie der Kurt Wolff Stiftung, SWIPS und ARGE österreichische Privatverlage noch mehr Ideen verwirklichen zu können, um darauf aufmerksam zu machen, was die Independents aller Größen zu bieten haben.

Vielen Dank für das anregende Gespräch, lieber Axel!

7 Kommentare zu „Hotlist 2014 – die besten Bücher aus unabhängigen Verlagen

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  1. Da will ich mich unbedingt noch näher reinlesen. wie so oft, gerade fehlt etwas die Ruhe. Aber spannend spannend und über die allgemeine Buchpreisliste gibt es wirklich schon einige Beiträge. Von dieser Liste lese ich gerade das erste Mal.

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  2. Das ist eine tolle Aktion und ein sehr informatives Interview. Bin natürlich wieder mal zu spät dran mit meinem Voting, aber trotzdem; meine Favoriten wären gewesen:

    Albuquerque von Florian Maier aus dem mairisch Verlag
    Settlers Creek von Carl Nixon aus dem Weile Verlag
    Das Handbuch der Ratlosigkeit aus dem Limmat Verlag
    Ausfahrt Nizza von Piersandro Pallavincini aus dem Folio Verlag
    und Stand up von Julia Korbik bei Rogner & Bernhard

    Waren eh zuviel? Na dann, weiter runter geht nicht, es sind so viele tolle Sachen dabei…

    Liebe Grüsse
    Kai

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