Iwan Bunin: Vera

BuninVera-US-uc.indd“Für die strenge Kunst, in der er die klassische russische Tradition in der Prosadichtung weitergeführt hat”. Für diese Kunst erhielt Iwan Alexejewitsch Bunin 1933 als erster russischer Schriftsteller den Nobelpreis für Literatur. Neben lyrischen Werken und übersetzerischen Arbeiten ist er vor allem durch seine Prosa bekannt geworden.

In dem zuletzt erschienenen Erzählband „Vera“ werden Scheiternde versammelt und dessen Schicksale beschrieben. Dabei steht vor allem das ländliche Leben Russlands des beginnenden 20. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Eine eher pessimistische, melancholische Grundstimmung durchzieht das Buch. Etwas Positives oder Lebensbejahende zu finden, ist schwierig. Sein Bild von den Bauern und Adligen während dieser Periode entsprach aber nun mal der Realität. Gewalt und Tod wird als etwas alltägliches dargestellt, oft aufgrund von zu viel und zu viel schlechtem Alkohol. Dieses Motiv kehrt in vielen seiner Erzählungen wieder. So stirbt Sachar Worobjow bereits in der ersten Erzählung nach einer Trinkwette und Ignat ertränkt seinen Liebesschmerz, der ihm durch Ljubka bereitet wird im Wodkarausch.

“Wenn er nachts erwachte, wollte er weinen, leise schluchzen: Der Gedanke, daß er mit der Närrin lebte, kränkte und schmerzte ihn! Noch vor Sonnenaufgang jagte er die Herde hinaus, durch den kühlen, üppigen Tau. Mittags betrank er sich. Sie tranken jetzt für sein Geld.”

Der ängstliche und zurückgezogene Bauer Jemit fordert sein Schicksal, das in einem Mord enden wird geradezu heraus und verbüßt seine Strafe nicht im Gefängnis sondern im Kloster. Lukjan Stepanows Geschichte hat sogar einen moralischen Ansatz. Als Bauer ist er durch glückliche Umstände zu Geld gekommen. Lebt aber mit seiner Familie unter der Erde und fühlt sich trotzdem als „ein Fürst unter Fürsten”. In der letzten Erzählung müssen sich Vera und Streschnjow die gemeinsame Niederlage hinsichtlich ihrer Liebesbeziehung eingestehen und ein trauriger, wie sentimentaler Abschied steht bevor.

Bei Bunin begegnen mir die wohlbekannte „Klischees“ russischer Literatur: die Kutschen, die Säufer und Schläger, die wunderbaren Samoware und das alte Mütterchen. Wohlklingende, russische Namen wie Wanka, Vera, Ljubka, Mischka, Mika ziehen an mir vorbei. Plinsen werden zubereitet, die Butterwochen zelebriert, Väterchen, warme Pelzmützen, schwarzer Wodka, die Schlitten im Winter und natürlich die endlose Weite Russlands begegnen dem Leser.

“Oh, welch Schwermut über dieser verlassenen, endlosen Landstraße lag, über diesen bleichen Ebenen dahinter, über die Weite dieser Stoppelfelder mit den darauf verstreuten Heuschobern, über diesem schweigenden Steppenabend. Doch Sachar bekämpfte die Schwermut mit aller Kraft, redete in einem fort, trank immer gieriger,  um sie zu überwinden … .”

Es sind in erster Linie keine unterhaltsamen Erzählungen. Aufgrund der düsteren Grundstimmung fordern sie vom Leser einiges an Geduld und Verständnis. Aber er wird belohnt, denn auch ein vermeintlicher Widerspruch wie traurig schön kann überzeugen. Ein Interesse an der russischen Literatur und dem Leben zu jener Zeit sollte man mitbringen.

Iwan Bunin: Vera. Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg. Dörlemann Verlag 2014, 154 Seiten, 21,90 €.

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