
Fefe verbringt als Kind jedes Jahr mehrere Monate bei seinen Großeltern in dem Dorf seiner Mutter. Nach fast 20 Jahren kommt er zurück, um alte Freunde wieder zusehen und um herauszufinden warum Darío Ezcurra ermordet wurde. Die Atmosphäre in einem Dorf ist schon ganz speziell, so auch im argentinischen Mahiguel, unweit von Rosario gelegen. Hier kennt jeder jeden, jeder hat Recht, weiß es besser und Feindseligkeiten zwischen den Familien werden vererbt. Fefe erfährt bei seiner Recherche mehr als ihm lieb ist und er muss erkennen, dass es eine Vielzahl von Wahrheiten gibt.
Darío Ezcurra war ein Maulheld, Revolutionär, Fraueneroberer aber vor allen vielen aufgrund seines Auftretens und Gebarens ein Dorn im Auge. Mit Rosas Paz, seinem Widersacher aus dem Nachbardorf, lag er seit Jahren im Streit. Der damalige Polizeichef Neri musste das aufgrund eines Befehls von „oben“ ändern. Um sich nicht allein verantworten zu müssen, besuchte er nahezu jeden Mitbürger, um sich ein Einverständnis für die Liquidation Ezcurras geben zu lassen. Fefe geht 20 Jahre den gleichen Weg und Erschreckendes kommt bei den Gesprächen zum Vorschein:
Wie viele Tode gab es damals in Argentinien? Dreißigtausend, sagen Sie? Da übertreiben Sie aber ein wenig. Das waren doch maximal … sagen wir mal zehntausend. Passt mathematisch gesehen auch besser in meine Argumentation. Wenn ich mich nämlich nicht täusche, hatten wir zu dieser Zeit fünfundzwanzig Millionen Einwohner. Erinnern Sie sich noch? Wenn wir das dann ins Verhältnis setzen, heißt das ein Opfer pro zweitausendfünfhundert Einwohner. Sie dürfen mich ruhig unterbrechen, wenn ich etwas Falsches sage. Hier in Malihuel gab es genau einen Toten, und wir hatten damals dreitausend Einwohner. Das heißt, wir lagen sogar noch unter dem Durchschnitt. […] Damit möchte ich nicht alles rechtfertigen, was damals vorgefallen ist, sondern lediglich betonen, dass das, was in Malihuel passiert ist, damals in ganz Argentinien passierte. Deshalb sage ich auch, wenn wir jetzt anfangen, Malihuel zu verurteilen dann müssen wir die ganze Nation verurteilen.
„Das offene Geheimnis“ ist demzufolge nicht nur ein spannendes Buch mit einem überraschenden Ende, sondern zugleich auch Anklage gegen die argentinische Militärdiktatur der 70er Jahre. Gamerro analysiert genau die Strukturen von Schuld und Schuldzuweisungen und zeigt auf, wie Mitverantwortliche zwei Jahrzehnte später sich jeglichem Pflichtgefühl entziehen und sich als Opportunisten offenbaren.
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