Den nun folgenden Text hatte ich vor knapp anderthalb Jahren bei mir auf dem Blog Lesen macht glücklich veröffentlicht und ich dachte mir, dass er eine kleine Überarbeitung gebrauchen könnte und in frischer Form auch hier auf diesem Blog gut reinpasst, gerade jetzt zum Neustart von „We read Indie“. Und an Aktualität verliert so eine kleine Liebeserklärung an die Indiverlage ja auch nicht. Es ist mein ganz persönlicher Blick auf die Indieverlage, wie ich auf diese aufmerksam wurde und wie sie mein Leseleben maßgeblich beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen werden.
Begrenzter Horizont
Bevor ich angefangen habe, die Bücher, die ich las, euch auf meinem Blog Lesen macht glücklich vorzustellen, war mir der auf dem Cover aufgedruckte Verlag relativ egal beziehungsweise habe ich diesem keine Beachtung geschenkt. Da ich meine Handvoll Autoren hatte, die ich gerne las, war mein Ereignishorizont, sagen wir mal begrenzt, was Neuentdeckungen in Sachen Verlage anging. Ich interessierte mich nicht für die Geschichten, sondern war eher auf die Autoren fixiert. Das hat sich in den letzten Jahren, seit ich als Literaturblogger tätig bin, geändert, insbesondere in den letzten zwei bis drei Jahren, seit ich mich intensiver mit der Gesamtmenge, bestehend aus der Kette Autor, Verlag, Lektor, Druck, bei ausländischen Büchern den Übersetzer, dem Endprodukt Buch und unzähligem mehr auseinandersetze. In diesem Zeitraum hat sich bei mir in meiner Buchauswahl so nach und nach ein Wechsel vollzogen, den ich eigentlich nur vergleichen kann mit meinem geänderten Geschmacksspektrum seit Bestehen meines eigenen Blogs.
Erste Indiekeime
Seit Beginn meiner Bloggerzeit hat sich mein Suchhorizont enorm erweitert. In etwa zeitgleich zu meinem Blog Lesen macht glücklich ging auch diese Geschmeinschaftsseite „We read Indie“ an den Start, für die ich nun auch mit tätig sein darf, und die erste Keimzelle für eine Bewusstseinsöffnung hin zu den ungewöhnlicheren Büchern war gelegt. Denn was unabhängiges Verlegen ausmacht und was für Unterschiede in diesen Büchern gegenüber denen aus konventionellen, großen Verlagen stecken, war mir zu diesem Zeitpunkt kaum bewusst. Das wollte ich damals auch nicht unbedingt ändern. Es war mehr eine Art Faszination anstatt aufrichtiges Interesse, denn diese Bücher hatten etwas an sich, was sie von den großen Verlagen abhob. Waren es die gewählten Themen? Die aufwändigere Gestaltung? Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das nicht richtig einordnen und das sollte auch eine Weile so bleiben.
Ein richtiges Erweckungserlebnis kann ich nicht benennen. Eines welches mich wachrüttelte, mit dem Finger auf diese Bücher zeigte. Eines bei dem ich sagen konnte „Ab hier ging es wirklich los“. Vielmehr setzte vermehrt ein Prozess ein, der mich immer mehr zu diesen kleinen Prachtstücken der Literatur hinzog. Habe ich gerade gesagt, ich kann keinen richtigen Punkt eines Erweckungserlebnisses nennen? Das ist ein bisschen geflunkert, denn den ersten richtigen Berührungspunkt setzte vor knapp drei Jahren die Büchergilde Guttenberg. Dort werden bekannte und auch unbekannte Werke neueren und auch älterem Datums in neuer Gestaltung nochmals verlegt (das wird sicher auch nochmal einen Beitrag wert sein). Diese Gestaltung, alle Geschmacksfragen mal außen vor gelassen, passte in meinen Augen bei vielen Büchern besser im Vergleich zum Original. Ich kaufe dort in den jeweiligen Quartalskäufen nicht in Masse ein, sondern vielmehr mit Genuss und suche mir regelmäßig die Werke aus, die mich am meisten ansprechen oder bei denen ich schon mehrere Quartale drum herum schleiche und dann einfach den richtigen Zeitpunkt für den Erwerb abwarte. Die Büchergilde also. Das nenne ich mal halbes unabhängiges Verlegen, da bekannte, schon gedruckte Werke in neuer Form dargereicht werden. Es soll jetzt nicht abschätzig klingen, denn die Arbeit dahinter ist im Vergleich zu anderen Verlagen nicht minder zu verachten und darüber hinaus müssen noch die Lizenzfragen geklärt werden. Also ebenso eine Arbeit, die man honorieren sollte, wenn auch die Bücher in ihrem Design nicht jeden ansprechen.
Debütpreis und Initialzündung
Danach passierte erst einmal lange Zeit nichts im Bereich unabhängige Verlage. Ab und zu schlich sich ein Exemplar davon in meinen Bücherschrank, aber ich schenkte denen genau so viel Beachtung wie allen anderen Büchern. Ändern sollte sich das mit der erstmaligen Auslobung des Debütpreises 2016 und den für diesen Preis eingereichten Büchern. Über diesen Preis und die dort eingereichten Bücher habe ich mich das erste Mal richtig mit den unabhängigen Verlagen auseinander gesetzt. In der langen Liste, die als Vorauswahl für die offiziell Nominierten benutzt wurde, waren Bücher von Verlagen vertreten, von denen ich selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehört habe (zum Beispiel den Luftschaft Verlag und den Freiraum Verlag). Doch waren es genau diese Bücher, die mich magisch angezogen haben. Die Gründe sind vielfältig, einen kann ich jedoch seit der zweiten Debütpreisrunde mit Sicherheit ansprechen: Sie sind abseitiger als die Mainstreamliteratur. Das klingt jetzt im ersten Moment banal und bei aller Unsinnigkeit der Aussage für mich auch logisch. Ohne auf diesen Satz mit konkreten Beispielen eingehen zu wollen. Doch was genau macht dieses Abseitige aus? Bieten das die großen Verlage in Nischen nicht auch an? Und was kommt dann noch dazu, dass die Bücher aus den unabhängigen Verlagen in meinen Augen die verlegerisch schöneren sind?
Die inneren und äußeren Werte
Vergleiche sind, gerade im Bereich der Literatur, immer schwer. Es spielen Geschmäcker, Vorlieben, Lebenserfahrung und vieles mehr eine Rolle und ergeben bei jedem Einzelnen ein individuelles Gemisch, was jedes Buch aus persönlichem Blickwinkel anders wahrnehmen lässt. Doch es gibt Faktoren, die in ihrer Gesamtheit relativ gleich viele Menschen ansprechen und nur in Nuancen Unterschiede bedienen. In meinen Augen sind das vor allem die offensichtlichen Faktoren wie das Aussehen des Buches von außen (Cover, Bindung, Seitenschnitt) und die Setzung des Textes im Inneren (Schrifttyp, Größe, eng bedruckt etc.). Wenn diese stimmig umgesetzt sind, dann freut man sich um einiges mehr auf die bevorstehende Lektüre, als wenn man ein Produkt in den Händen hält, welches in Masse für die Masse hergestellt wurde. Zum Beispiel ist es mir mittlerweile fremd, einen Titel von Stephen King, den ich immer noch sehr gerne lese, im Hardcover zu erstehen, da diese Bücher dementsprechend „schlampig“ umgesetzt sind. Keine herausstehenden Erkennungsmerkmale, 0815 Setzung des Textes und in den letzten Jahren in meinen Augen schreckliche Übersetzungen (deshalb lese ich diesen Autor lieber im Original). Und das trifft sicher nicht nur auf Stephen King zu. Geld verdienen will jeder und das an der einen oder anderen Ecke gespart wird verstehe ich, aber die Sinnlichkeit und das Besondere eines Buches im Hardcover geht dabei irgendwie verloren. Dem entgegen würde ich aus den unabhängigen Verlagen, aus deren Programm ich bisher gern gelesen habe, ohne mit der Wimper zu zucken jederzeit zum Hardcover greifen. Aus diesen Häusern, die wir euch auch nach und nach auf diese Blog portraitieren wollen, gefällt mir immer die gesamte Aufmachung der Bücher, so dass die Vorfreude ständiger Begleiter ist, wenn ich eines diese Bücher auspacke, kurz durchblättere oder nur von außen betrachte. Auch wenn diese Bücher vielleicht länger warten müssen, bis sie gelesen werden.
Kommen wir zu den inneren Werten der Bücher, dem Inhalt. Dafür ist ja der Autor des Textes zuständig und die Verlage sind nur die Vermittler der Geschichte. Doch auch hier lassen sich Unterschiede festmachen, die etwas größer sind, als man von vornherein annehmen mag. So empfinde ich im direkten Vergleich, dass die unabhängigen Verlage die unbequemeren Texte veröffentlichen, was sich zum Beispiel bei der Shortlist zum Debütpreis des Jahres 2017 wunderbar festmachen lässt. Da waren drei Bücher dabei, die allesamt sprachlich und inhaltlich so dermaßen fordern waren, dass sie in einem großen Verlag entweder nur eine Nische besetzt hätten oder gleich gar nicht aufgenommen worden wären. Auch experimentellere Formen der Belletristik sind bei den Indies schneller zu finden als bei den großen Verlagen. Insgesamt lässt sich das auch sehr schwer beschreiben und müsste anhand konkreter Beispiele vertieft werden. Dafür möchte ich aber eure Nerven nicht strapazieren und eure Zeit nicht stehlen, denn ich würde mich dann mehr ins Klein Klein stürzen und mich dabei im Kreis drehen. Für mich habe ich in den letzten Monaten und Jahren festgestellt, dass ich aus beiden Bereichen gerne Bücher lese. Wenn es aber darum geht, Bücher nicht aus der Hand zu geben, länger im Gedächtnis zu behalten oder dass sie mir etwas mitgeben, sind die kleinen, unabhängigen Verlage mit Abstand weiter vorn dabei. Ich gebe zu, es ist nicht immer einfach, diese Bücher zu konsumieren, gerade in dieser schnelllebigen Zeit, wo jede Sekunde wertvoll zu sein scheint. Doch gerade in solchen Momenten muss man etwas gehaltvolles entgegenstellen, um sich wieder zu erden, um herunterzufahren und um sich dabei trotzdem zu fordern.
Für das Unbequeme, Für das Unabhängige
Mittlerweile geht es sogar so weit, dass ich bei den Verlagsvorschauen oder den Bloggern, die diese Vorschauen komplett durchgehen und verlinken, immer zuerst bei den unabhängigen Verlagen nach interessanten Stoffen und Büchern nachschaue. Erst danach geht es zu den großen Verlagshäusern, wenn überhaupt. So etwas wäre vor fünf Jahren gar nicht möglich gewesen, da es mir gar nicht bewusst gewesen ist und selbst noch vor zwei Jahren war es mir relativ egal. Mittlerweile und auch in Zukunft werde ich da weiterhin Wert darauf legen, denn auch die unabhängigen Verlagshäuser sind wichtig für die gesamte Buchbranche, für deren Vielfalt und Meinungsfreiheit. Lasst sie uns erhalten und kauft sie deshalb auch neben den offensichtlichen Bestsellertiteln. Egal ob es das alte Team war oder wir neuen, die nun das Ruder übernehmen, wir alle wollen für euch ein Bewusstsein für diese Bücher schaffen, die das Unbequeme, das Unabhängige, aber auch das Schöne, das Vielfältige in sich vereinen und dabei schöne Bücher am Fließband produzieren, die mehr Aufmerksamkeit brauchen, als sie meist bekommen.
Weiterführende Links zu im Text genannten Beiträgen/Verlagen/Veranstaltungen:
- Wer sich näher zu den Unabhängigen informieren möchte, der schaut bei der Kurt-Wolff-Stiftung vorbei
- Und nicht vergessen dürfen wir die Seite vom Indiebookday
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