Erst lustig, dann traurig optimistisch
Der Klappentext zu diesem Buch liest sich allein für sich unglaublich komisch, so dass ich sofort Feuer und Flamme war und dieses Buch unbedingt lesen wollte. Doch die Erwartungshaltung wurde nicht erfüllt, was bei diesem Buch nichts schlechtes bedeutet. Eher im Gegenteil. Es geht um Fabian, der mit seinen über 30 Jahren noch Jungfrau ist und dann die Nachricht bekommt, dass er Vater von Zwillingsmädchen ist. Doch was sich anfangs als komisch darstellt, entwickelt sich mehr und mehr zu einer Art Gefühlsachterbahn für alle Beteiligten und ist eigentlich gar nicht mehr komisch, sondern vielmehr tragisch und traurig. Doch zum Glück bietet diese Geschichte auch die Hoffnung an, dass man aus solch komplizierten Sachverhalten etwas Gutes machen kann.
Plötzlich Papa
Fabian ist Lehrer an einer Berufsschule und die Schüchternheit in Person. Er versucht zwar immer wieder mit vielen Mitteln, Frauen kennen zu lernen, aber seine Art und sein Körperbau stehen ihm ständig im Weg. Fabian hat eine Hühnerbrust (Kielbrust), die auch seine Schüchternheit bedingt, da er sich alle möglichen Gedanken macht, dass sein Aussehen den Frauen missfallen könnte. So kommt es, dass er mit Anfang 30 immer noch Jungfrau ist und so, wie er sich verhält, wird sich an dieser Situation so schnell nichts ändern. Doch plötzlich ist alles anders, als ihm von zwei Mädchen, die Zwillinge sind, offenbart wird, dass er ihr Vater sei und sie ihn unbedingt näher kennenlernen möchten. Völlig überrumpelt von dieser Situation versucht Fabian die zu rekonstruieren, wie es dazu kommen konnte und ob es überhaupt stimmen kann, was die Mädchen erzählen. So kommt er auf die Idee, die Vergangenheit auszuleuchten und dort Nachforschungen zu betreiben. Er wird bei einem Ereigniss fündig, welches für die Vaterschaft infrage kommen könnte. Er hat zu Abi-Zeiten in der Theatergruppe mitgespielt und die Uraufführung des Stücks, welches sie damals einstudierten, zog eine Feier nach sich, zu der Fabian nicht mehr alles weiß, da er sich an diesem Abend richtiggehend besoffen hat. Der Verdacht verdichtet sich immer mehr, dass es genau an diesem Abend passiert sein muss und so macht sich Fabian auf den Weg in die Vergangenheit, um Antworten auf die Fragen zu bekommen, die sich ihm nun stellen. Doch ob ihm diese Antworten wirklich gefallen oder ist er überhaupt der wirkliche Vater der Zwillinge?
Schwer vorstellbare Situation
Stell dir vor, du bist der verklemmteste Typ auf Erden und hattest nie eine Freundin im engeren Sinne und dann bekommst du die Nachricht, dass du schon seit 16 Jahren Vater bist. Wie damit umgehen? Ich persönlich stelle mir das als nicht so einfach vor und so ist es auch in dieser Geschichte, denn alle scheinen von der Situation überfordert. Fabian an erster Stelle, der damit überhaupt nicht richtig umzugehen weiß, dass er nun plötzlich Vater von zwei 16 jährigen Mädchen ist und sie eher wie seine Schülerinnen behandelt und nicht wie ein Vater. Dann die Zwillinge selbst, die zwar wissen wollen, wer ihr Vater ist, sich aber auch erstmal an den Gedanken gewöhnen müssen, dass ihr eigentlicher Vater aus der Adoptivfamilie nicht ihr leiblicher Vater ist. Daraus entstehen komische Momente im seltsamen Sinn, die zwar nicht tragisch sind, einen aber irgendwie beschämt zurück lassen. Und dann die Mutter der Zwillinge, die im späteren Verlauf noch einen Teil der Geschichte ausmacht und anfangs die große Unbekannte ist. Als sie mit ins Spiel kommt, ist die Verunsicherung aller Beteiligten greifbar und kaum noch auszuhalten.
Markus Behr beschreibt dabei nicht nur die Suche Fabians nach der Vergangenheit, sondern versucht auch sehr einfühlsam das Leben dieses Mannes zu beschreiben. Denn neben diesen sehr seltsamen Situation versucht er ja trotzdem so etwas wie Liebe oder zumindest Nähe in seinem Leben zuzulassen. Er meldet sich bei einem Kuschelkurs an, versucht es mit Datingapps, aber so richtig will das alles nicht klappen beziehungsweise scheitert an Fabians Denkweise. Doch irgendwie schaffen es die Mutter der Zwillinge, die Mädchen selbst und die Situation an sich, dass Fabian zum Ende hin lockerer wird und sich der Situation anzunehmen scheint.
Mit Vaterschaftstest habe ich einen Roman gelesen, der seine Figuren ernst nimmt, allen voran die Zwillinge und Fabian, sie nie vorführt, aber trotz allem eine gewisse Leichtigkeit besitzt. Es ist eigentlich das perfekte Maß zwischen komischen Momenten und Ernsthaftigkeit, die diesen Roman ausmachen. Dabei geht Markus Behr mit all seinen Figuren sanft um, lässt sie eigentlich nie so richtig auflaufen und trotzdem eine irre Zeit durchleben. Es fühlte sich nach echtem Leben an und das hat der Autor auch so transportiert. Ein schönes Buch, welches mich trotz falscher Erwartungshaltung zu Beginn sehr gut unterhalten hat.
Markus Behr
Vaterschaftstest
Wagenbach Verlag (Taschenbuch)
192 Seiten
12,90 Euro