
Florian ist relativ neu im Bloggeschäft. Er betreibt den Blog Der Leser und hat sich da auch schon mehrfach mit denunabhängigen Verlagen auseinander gesetzt. Damit ist er eine ideale Besetzung für den Indie- Adventskalender. Viel Spaß mit seinen sehr detaillierten Indie- Buchtipps.

„Ich bin mehr“ möchte den eingewanderten Personen aus Ländern wie Syrien, dem Irak, Somalia, Mali und Ägypten eine Plattform bieten, die in der üblichen Medienberichterstattung hinter aufgeladenen Schlagwörtern wie Flüchtlinge und „Flüchtlingskrise“ zu verschwinden drohen.
Die Mission, die Individuen hinter der Masse sichtbar zu machen, ist dem schmalen Werk gelungen. Es entstand aus einem Studienprojekt einer Gruppe Studierender der Evangelischen Hochschule Nürnberg heraus, die dieses Herzensanliegen auch nach Beendigung ihres Studiums fortführten.
Doch eigentlich geht es um die Interviewten: Die sieben Personen mit den Namen Zukaa, Yaman, Ola, Arin, Khader, Ben und Bennu stehen im Zentrum dieses Werks, welches ihre Geschichten sehr ernst nimmt. Wer „Ich bin mehr“ liest, erfährt von der quälenden Angst und der Ungewissheit in den Herkunftsländern, die aus den Kriegswirren und den Unruhen dort herrührt.
Wer „Ich bin mehr“ liest, erfährt von der quälenden Angst und der Ungewissheit in den Herkunftsländern, die aus den Kriegswirren und den Unruhen dort herrührt. Doch am Ende steht in den Geschichten stets die Entscheidung zur Flucht, da die Unsicherheit zu groß war, die Gefahren überhand genommen hatten, da ein Leben in der Heimat zu wenig Chancen und keine Zukunft bot. Auf dem Weg, das lernen wir schnell, begegnen den Flüchtenden zahlreiche Widrigkeiten, Grenzpolizei, die sie festnimmt, ein Mangel an Nahrung, frischer Kleidung und Trinken, Leute, die ihnen ihre letzten Habseligkeiten rauben, Festnahmen wegen illegaler Grenzüberquerung, sprachliche Barrieren, finanzielle Hürden und schließlich endloses Warten.
Schließlich gelangten alle Interviewten nach Bayern und am Ende ihrer langen Reise nach Nürnberg, wo sie heute leben. Die meisten schauen optimistisch in die Zukunft.
„Ich bin mehr“ ist ein Beitrag zur Verständigung und zur Entpolarisierung, der die Menschen hinter der „Flüchtlingskrise“ zu Wort kommen lässt. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem Gewinn an Wissen und Erfahrung daraus hervorgehen.

Vor Kurzem erschien endlich der wohl bekannteste Roman des norwegischen Autors Tarjei Vesaas in deutscher Übersetzung: „Die Vögel“, ein Werk aus dem Jahr 1957. Darin wird die Geschichte von Mattis geschildert, der mit seiner Schwester in einem Haus auf dem norwegischen Land wohnt, in der Nähe eines Dorfes, des Waldes und eines See. Der 37-jährige gilt als Außenseiter und Sonderling und wird daher von den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern nur als „Dussel“ bezeichnet.
Während seine drei Jahre ältere Schwester anscheinend ständig Jacken strickt, um das Essen für die beiden auf den Tisch zu bringen, geht Mattis zunächst keiner geregelten Arbeit nach. Denn bei der Arbeit verliert der träumerische Mann sich in Gedanken.
Die Welt um sich nimmt Mattis durch eine besondere, poetische, ja künstlerische Perspektive wahr. Nicht ohne Grund ist die Figur Mattis immer wieder mit dem Autor Vesaas in Verbindung gebracht worden, welcher „Die Vögel“ ein „Selbstportrait mit Vorbehalt“ nannte. Mattis beobachtet aufmerksam die Naturereignisse in der Umgebung des Hauses, welche er wie Zeichen deutet. Eines Tages taucht eine Schnepfe unmittelbar über dem Haus der Geschwister auf, mit dem sich Mattis sofort schicksalhaft verbunden fühlt.
Doch im Laufe des Buches treten einige Ereignisse ein, die er eindeutig als böses Omen deutet: Ein junger Jäger erschießt die geliebte Schnepfe. Außerdem schlägt der Blitz in eine der zwei trockenen Espenbäume ein, die den Dorfbewohnern als Symbole für Mattis und Hege gelten. Und darüber hinaus geht Hege, die sich bisher nur um Mattis kümmerte, fortan eigene Wege mit ihrem Partner Jørgen.
Vesaas hat einen kraftvollen, poetischen, bukolischen Roman geschaffen, der die Landschaft und das Leben Norwegens würdigt und sich gegen Ende immer mehr zuspitzt. Es zeigt sich am Schluss, dass die zunächst abwegig erscheinende Zeichendeutung des Sonderlings Mattis tatsächlich eine Wahrheit beinhaltet hat. So ist „Die Vögel“ nicht nur ein Familien-, Liebes- und Naturroman, sondern auch ein Künstlerroman, die die Situation des Außenseiters in der Gesellschaft beschreibt, des Mahners, der am Ende recht behält.
Ich bin mehr
Verschiedene Autor*innen
Homunculus Verlag
80 Seiten
8 Euro
Tarjei Vesaas
Die Vögel
Übersetzt aus dem Norwegischen: Hinrich Schmidt-Henkel
Guggolz Verlag
276 Seiten
23 Euro