»Immer ist alles schön«

Vier Bücher, vier brüchige Kindheiten

Ich bin versucht zu sagen, es ist Zufall, dass ich zuletzt gleich mehrere Romane gelesen habe, die von der Kindheit handeln und davon, wie sie in uns nachwirkt. Aber vielleicht stimmt das gar nicht, vielleicht ist es kein Zufall, sondern ganz und gar zwingend. Vielleicht ist die Kindheit ein magischer Ort, der uns in seinem Baann hält und immer wieder zurückholt, mehr als jeder andere Ort; mit ihr hat es schließlich begonnen, aus ihr ist alles Weitere entstanden. Wir erinnern uns und erzählen einander davon, wir suchen uns in den Erzählungen der anderen, spiegeln uns darin oder grenzen uns davon ab. Darum greifen wir fortwährend zu diesen Geschichten: um uns unserer eigenen Geschichte zu vergewissern.

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Eine Liebeserklärung

Abertausende Bücher werden jedes Jahr veröffentlicht. Alle sechs Monate, im Frühjahr und im Herbst, verschicken die Verlage ihre Programmkataloge mit Dutzenden Neuerscheinungen, ich bin fleißig und gehe sie allesamt durch, tagelang, zunächst noch freudig aufgeregt, dann schon bald ermattet. Ich notiere mir den einen oder anderen Titel, aber ehe ich sie kaufe und schließlich auch lese, vergehen Monate, gar Jahre, ich warte auf die richtige Stimmung oder auf die Meinung der anderen, und vieles erledigt sich mit der Zeit von selbst. Nur bei einem Verlag ist das anders: Liebeskind. Kaum sind die Bücher da, landen sie auf meinem Nachttisch, in meiner Hand, in meinem Kopf; um sie führt kein Weg herum.

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Jakob Arjouni: Happy birthday, Türke!

»Ich stieß die Tür auf und ging unter in Lila«

Seit fünfeinhalb Jahren lebe ich in Frankfurt. Mittlerweile bewege ich mich zumeist in so gediegenen Gegenden wie dem Westend und dem Nordend, früher aber, in meinen Anfangszeiten als Frankfurterin, wohnte ich im Gallus. Und zwar so nah am Bahnhof, dass ich immer behauptete, im Bahnhofsviertel zu wohnen. Bis zur Niddastraße, die weiter östlich Teil des Rotlichtbezirks wird, waren es nur ein paar Schritte, auf dem Weg zur Tram kam ich am Drogennotdienst vorbei, und auf dem Bürgersteig lagen die Crackpfeifen. Wenn ich dann Richtung Mainufer abbog, gelangte ich zur Münchener Straße mit all ihren asiatischen und türkischen Läden, aber natürlich auch mit all den neu entstehenden Szenelokalen wie dem Plank, das damals dank eines Fotos von Jürgen Teller auf dem Cover des ZEITmagazins gerade ganz groß wurde.

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10 Lieblings-Indiebooks von caterina

Unter dem Hashtag #wereadindie wollen wir Leserinnen und Leser dazu anregen, von ihren liebsten Büchern aus unabhängigen Verlagen zu erzählen. Freilich braucht es dazu keinen Anlass, es lohnt immer, über besondere Literatur zu reden, andere mit der eigenen Begeisterung anzustecken und sich wiederum anstecken zu lassen – wir Indie-Bloggerinnen und -Blogger tun das seit dreieinhalb Jahren unablässig. Und dennoch gibt es nun einen aktuellen Anlass: Im Frühjahr dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die jährlichen Ausschüttungen der VG Wort zu Unrecht auch an die Verlage gingen, sie seien lediglich Verwerter, keine Urheber; jetzt wurden die Rückzahlungsaufforderungen verschickt (mehr dazu hier). Kleinverlage trifft dies besonders hart, einigen droht gar die Insolvenz.

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Ross Thomas, Dominique Manotti & Nathan Larson

»Es ist eine ziemlich widerliche Welt. Ich bin nur der Erzähler, Zuckerschnute.«

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In Hamburg gibt es diesen jungen Indie-Verlag, der sich gut gemachter Spannungsliteratur verschrieben hat. Und diesen Verleger, der höchstpersönlich mit seinen Büchern durch die Republik reist. Die Rede ist von Wolfgang Franßen, der zum einen vor gut zwei Jahren den Polar Verlag gründete und zum anderen die Veranstaltungsreihe Talk Noir ins Leben rief (hier mehr dazu). Nach Hamburg, Berlin und Münster feierte das Format kürzlich Premiere in Frankfurt: eine Bar, drei professionelle Leser und drei Bücher, ein aufgeschlossenes Publikum und ein paar Biere – Literaturvermittlung jenseits der Wasserglaslesung. Am Tresen vom Café Luise saßen neben Initiator Franßen der Kritiker Alf Mayer und ich, gemeinsam sprachen wir über drei Krimis, die vom Kreislauf des Geldes, von der Weltwirtschaft, von schmutzigen Geschäften erzählen: Ross Thomas’ Fette Ernte, Dominique Manottis Schwarzes Gold und Nathan Larsons Zero One Dewey.

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Acht Betrachtungen II

8 Autoren, 8 Kunstwerke

Cover_8_Betrachtungen_2_3D_web-600x800Frankfurt ist reich an erstklassigen Literaturorten und literarischen Happenings, es gibt Tage, da weiß ich vor lauter Auswahl gar nicht, wohin, und bleib stattdessen daheim auf dem Sofa, auch das quasi ein Ort der Literatur. Meistens gehe ich aber doch raus und gucke mir all die schönen Sachen an, die hier passieren: Eine der schönsten ist die Reihe »Acht Betrachtungen«, eine Kooperation des hiesigen Literaturhauses und des Museums für Moderne Kunst, die 2013 Premiere feierte und dieses Jahr in die zweite Runde gegangen ist. Acht Autoren schreiben über je ein Kunstwerk: Die Texte werden bei vier Doppellesungen im Museum und einer Abschlussveranstaltung im Literaturhaus präsentiert, eine liebevoll gestaltete Anthologie gibt’s obendrauf.

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Xaver Bayer: Geheimnisvolles Knistern aus dem Zauberreich

»Die Wirklichkeit wird immer unglaubwürdiger, merkwürdiger auf jeden Fall.«

size_150_image431Erst neulich habe ich ein Buch gelesen, das in jeder Hinsicht erstaunlich war: Nach fünfhundertzwanzig Weltmeertagen von Martin Lechner, dreiundsechzig Kurz- und Kürzestgeschichten irgendwo zwischen zärtlich, komisch und exzentrisch. Ein paar Wochen später kommt mir erneut ein Werk unter, das sich nicht um Konventionen schert, angefangen bei der Gattung. Xaver Bayers Geheimnisvolles Knistern aus dem Zauberreich, vor zwei Jahren im Salzburger Jung und Jung Verlag erschienen, ist weder Roman noch Erzählband, es ist genau das, was der Titel ankündigt: ein geheimnisvolles, knisterndes, zauberhaftes Buch.

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Martin Lechner: Nach fünfhundertzwanzig Weltmeertagen

»Leiden Sie an Üblichkeit?«

lechner2014 erschien Martin Lechners Debütroman Kleine Kassa im Residenz Verlag und schaffte es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises. Nun folgt ein Band mit Erzählungen, der den schönen Titel Nach fünfhundertzwanzig Weltmeertagen trägt. »Erzählungen«, so steht es zumindest auf dem Einband, die gute alte short story darf man bei Lechner aber nicht erwarten. Einer der letzten Texte im Buch, »Ein alter Schuh ist auch ein alter Freund«, sollte eigentlich ganz vorne stehen, nimmt der Autor darin doch Stellung zu seiner Poetik: »Ich suche eine Art zu erzählen, die die Sinne entzündet. Die die Ohren öffnet. Für die Stimmen unterm Schuh, zum Beispiel. Leiden Sie an Üblichkeit?, flüstern sie, sobald ich meine Sohle hebe.« Und weiter:

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We talk Indie: Im Gespräch mit dem Polar Verlag

In unserem Oster-Spezial haben wir unabhängige Verlage vorgestellt, die auf unserem Blog bislang keine oder wenig Aufmerksamkeit erhalten haben. Einer davon ist der engagierte Polar Verlag aus Hamburg, der sich auf Noir-Literatur spezialisiert hat. Von den Anfängen des Verlages und den Herausforderungen, denen Büchermacher sich heute stellen müssen, erzählt Wolfgang Franßen. Franßen wurde in Aachen geboren, war lange Zeit als Theaterregisseur und kurze Zeit als Kritiker tätig und gründete vor drei Jahren den Polar Verlag.

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We talk Indie: Im Gespräch mit dem Verlag von Wegen

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Vor ein paar Tagen habe ich an dieser Stelle das Buch About My Shelf vorgestellt, in dem zwanzig MusikerInnen und SchriftstellerInnen ihre Bücher- und Plattenregale herzeigen. Herausgegeben wurde es von Maggie Gernatowski, die dafür eigens einen Verlag gegründet hat: den Verlag von Wegen mit Sitz in Köln. Hier erzählt sie, wie es dazu gekommen ist, was sie mit der Indie-Szene verbindet und welche Pläne sie für die Zukunft hat.

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