Maggie Gernatowski: About My Shelf

»Man konsumiert die Romantik und romantisiert den Konsum«

Gernatowski - About My Shelf (c)

Es gibt da diese Plattform, Freunde von Freunden, auf der Kreative aus aller Welt vorgestellt werden: in Form von ausführlichen, stets sehr lesenswerten Interviews und von Fotos, bei denen man nicht weiß, was schöner ist – die Fotos selbst oder das auf ihnen Abgebildete, die Menschen, ihre Wohnungen, ihre Arbeitsplätze. Ich liebe das Magazin, denn alles an diesen Kreativleuten ist inspirierend – was sie tun und was sie sagen, wie sie sich kleiden und wie sie leben. Gleichzeitig ist es ernüchternd, man selbst ist ja weit davon entfernt, so interessant und stylish zu sein, da helfen auch die grün gepolsterten Biedermeiermöbel nichts, die man irgendwo in der Provinz günstig erstanden hat und voller Stolz in der Frankfurter Dachgeschosswohnung zur Schau stellt. Letzteres tue ich trotzdem, hier zum Beispiel.

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Ana Paula Maia: Krieg der Bastarde

»Wir lieben nur die, die sich widersetzen. Alle Übrigen dulden wir.«

maia - krieg der bastardeDer Roman Krieg der Bastarde von Ana Paula Maia stand im Herbst 2013 auf der litprom-Bestenliste Weltempfänger und zweimal auf der Krimizeit-Bestenliste – zwei Listen, denen es grundsätzlich zu trauen gilt. »Eine rasante, manchmal geschmackvoll geschmacklose, bizarre, obskur detailverliebte und sehr witzige tour de force durch die brasilianische Gegenwart«, urteilt die eine; schlicht »furioso!« befindet die andere. Der Chihuahua, der hier neben vielen anderen grotesken Gestalten einen Auftritt hat, findet sich auf dem Cover der deutschen Erstausgabe wieder, erschienen im Münchener A1 Verlag. Weitaus greller kommt die Ausgabe der Büchergilde daher und wirkt damit auf den ersten Blick plump, erweist sich im zweiten Moment jedoch als konsequent: Die Ausstattung passt perfekt zu dieser wilden Geschichte, den überbelichteten Bildern, den schnellen Cuts, zu all den unerhörten Dingen, die geschehen.

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Daniel Woodrell: Tomatenrot

»Ich war am Rand der Welt geboren, klar, aber in die Grube war ich selbst gesprungen.«

woodrell_tomatenrotDie Ozark Mountains kenne ich gut, ich war schon ein paarmal da. Eine raue, nicht gerade gastfreundliche Gegend, die sich über weite Teile des südlichen Missouri und des nördlichen Arkansas erstreckt. Wahrscheinlich gibt es auch reizende Ecken, aber ich halte mich für gewöhnlich dort auf, wo es ungemütlich ist. Wo es wehtut. Und obwohl mit etlichen Blessuren zu rechnen ist, kehre ich immer wieder zurück. Schuld daran ist Daniel Woodrell, der selbst aus dem Gebiet stammt und die meisten seiner Bücher ebendort ansiedelt. Tomatenrot ist eines davon, und dem Liebeskind Verlag ist es zu verdanken, dass dieser Roman aus dem Jahre 1998, einst bei Rowohlt erschienen, zuletzt aber nur noch antiquarisch erhältlich, hierzulande nicht in Vergessenheit gerät.

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Jakob Nolte: ALFF

»In Beetaville? Hier sollte niemandes Platz sein.«

nolte alffDieses Buch ist für Nerds. Für solche, die den abseitigen Dingen zugeneigt sind, weil das Gewöhnliche und Naheliegende sie bisweilen langweilt. Jakob Nolte, Autor von Comics, Prosa und Theaterstücken, ist so einer. Beim Lesefest Open Books während der Frankfurter Buchmesse hat er seinen Roman ALFF vorgestellt, gemeinsam mit Juan S. Guse, dessen Debüt Lärm und Wälder dieses Jahr bei S. Fischer erschienen ist. Die beiden Autoren sind jung – der eine 1988, der andere 1989 geboren – und wirken noch jünger, sie sind ein bisschen eigen, vor allem aber sind sie umtriebig und belesen und haben einen wachen Verstand, das merkt man sofort, sie teilen denselben Humor und denselben Sinn für kuriose Geschichten. Die Clemens J. Setzes der nächsten Generation vielleicht.

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We talk Indie: Im Gespräch mit dem Verlag Hermann Schmidt

Am 23. Oktober 2015 öffnete der Verlag Hermann Schmidt in Mainz seine Pforten und lud Freunde des besonderes Buches ein, Sekt zu trinken, die Verlagsräume zu besichtigen und ausgewählte Arbeiten des Type Directors Club of New York zu bestaunen. Wir haben die Gelegenheit genutzt und Karin Schmidt-Friderichs, die gemeinsam mit ihrem Mann Bertram Schmidt-Friderichs den Verlag leitet, ein paar Fragen gestellt. Ein Gespräch über Buchkunst, über die Vorzüge und Tücken des unabhängigen Verlegens und über einen Band mit 300 Bildern vom Meer.

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Nic Pizzolatto: Galveston

»Selbst wenn man es schafft, nicht dabei draufzugehen, stirbt etwas, und man hört auf, ein intaktes Wesen zu sein«

pizzolattoWenn man über Nic Pizzolattos Debütroman Galveston sprechen will, kommt man nicht umhin, über die Serie True Detective zu sprechen, deren erste Staffel im vergangenen Jahr für Furore sorgte. Darin raufen sich zwei reichlich kaputte Polizisten, grandios verkörpert von Matthew McConaughey und Woody Harrelson, zusammen, um einen Serienmörder zur Strecke zu bringen, sind aber vor allem damit beschäftigt, die Trümmer ihres Lebens aufzulesen. Wie sie durch die trostlosen Sumpflandschaften von Louisiana taumeln und mehr und mehr versinken, das ist brillant inszeniert, es packt, erschüttert und zermürbt den Zuschauer. Die zweite Staffel, in L.A. angesiedelt und mit Colin Farrell und Vince Vaughn besetzt, fällt dagegen ein wenig ab, doch sehenswert ist auch sie allemal. Für beide zeichnet der Drehbuchautor Nic Pizzolatto verantwortlich: Mit True Detective hat er einen Meilenstein in der derzeit so regen und aufregenden Serienproduktion geschaffen.

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Argument Verlag mit Ariadne – Hotlist 2015

In loser Reihenfolge stellen wir gemeinsam mit einer Handvoll Gastrezensenten alle zehn Titel und Verlage vor, die auf der Hotlist 2015 stehen. Gestern hat Caterina Havarie von Merle Kröger aus der Reihe »Ariadne Kriminalroman« besprochen, heute kommt die Verlegerin Else Laudan zu Wort. Die Beiträge erscheinen gleichzeitig auch auf dem Hotlistblog

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Merle Kröger: Havarie – Hotlist 2015

»Position: 37°20’N 0°49’W / Radius: 12 Seemeilen /
Beginn: 13.53 MEZ / Dauer: 86 Min. (Spielfilmlänge)«

Kröger_HavarieEines der Bücher, die derzeit das literarische Gespräch dominieren, ist Jenny Erpenbecks neuer Roman Gehen, ging, gegangen. Die Gründe für diese Aufmerksamkeit dürften mehrere sein: das Renommee der Autorin, auf deren Werke sich das Feuilleton zuverlässig stürzt, die Nominierung für einen der wichtigsten, aber auch meist diskutierten Literaturpreise des Landes, den Deutschen Buchpreis, auf dessen Shortlist Gehen, ging, gegangen steht, und nicht zuletzt die Tatsache, dass es »das Buch der Stunde« ist, widmet es sich doch der Flüchtlingsthematik. Ein Garant dafür, dass es sich um gute Literatur handelt, ist all dies jedoch nicht: In der Kritik ist mitunter zu vernehmen, Gehen, ging, gegangen funktioniere nur bedingt als Roman, sei nicht mehr als eine Montage verschiedener Stimmen und Episoden, die kein schlüssiges Ganzes ergeben, und komme insgesamt zu brav daher.
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Cynan Jones: Graben

»So als wüssten sie, dass er gleich von etwas entsetzlich Großem niedergewalzt würde«

»Niederwalzen«: Will man über die Art von Literatur reden, die der Münchner Verlag Liebeskind macht, dann ist dieses Wort zweifelsohne angemessen. Gewiss, das Programm ist vielseitig, es finden dort auch das zauberhaft-surreale Werk der Japanerin Yoko Ogawa Platz oder humorvolle Titel wie Mordecai Richlers Wie Barney es sieht und aktuell Das Liebesleben des Nathaniel P. von Adelle Waldman. Und doch: Der Schwerpunkt liegt woanders, beim literarischen Noir nämlich, der zwar erst 2005, fünf Jahre nach der Verlagsgründung, einen Platz im Programm bekam, seither aber so stark wie keines der anderen Segmente in der Wahrnehmung von Presse und Publikum verhaftet ist. David Peace erscheint hier, James Sallis, Pete Dexter, Donald Ray Pollock, Daniel Woodrell – allesamt hochkarätige Vertreter einer Literatur, die rau ist und düster, die dorthin geht, wo es wehtut, von einer maroden Welt erzählt und in marode Seelen eindringt. In diesem Frühjahr ist ein neuer Name hinzugekommen: Cynan Jones. Und niederwalzen, das kann auch er. Weiterlesen „Cynan Jones: Graben“

Ulla Lenze: Die endlose Stadt

»Du wirst zur Stadt, sobald du sie betrittst«

41776151z»Seit ich 16 bin, reise ich nach Indien. Oft mit dem Gefühl, in ein inneres Trödeln zu geraten, auch Freiheitsräusche, schon weil die gewohnten kulturellen Codes ausgehebelt sind.« Dies schreibt die Autorin Ulla Lenze zu Beginn des Jahres in der Welt, nachdem sie auf Einladung des Goethe-Instituts Frank-Walter Steinmeier durch Delhi begleitet hat. Eine ähnliche Situation schildert die erste Szene ihres Romans Die endlose Stadt, den sie etwa zeitgleich fertiggestellt hat und der nun in der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen ist. Da wandelt der Außenminister samt »Entourage« durch Istanbul, darunter die Fotografin Holle Schulz, die wie ihre Schöpferin in ein inneres Trödeln gerät, immer wieder ihre Freiheit und ihr Selbstverständnis als Künstlerin hinterfragt. Weiterlesen „Ulla Lenze: Die endlose Stadt“