
beim Literaturfestival Sprachsalz, Mai 2016. Foto: Denis Mörgenthaler
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Am 21. Juni bin ich Studiogast bei Deutschlandfunk Kultur – und erkläre, wie ich auf Leseplattformen neue und vergessene Bücher finde.
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Mir hilft „Social Cataloging“: Websites, auf denen ich eingebe, was ich las, sah, hörte… oder bald lesen, sehen, hören will.
- Last.fm: Musik, die ich höre, seit 2006 (Lieblingssongs hier)
- IMDb: Filme, die ich sehen will
- Criticker: Filme, die ich sah (mit Wertungen)
- Goodreads: Bücher, die ich las (Lieblingsbücher bis 2011 hier)
- Videospiele, die ich spielte
- Helden und Medien meiner Kindheit
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Mein Essay „Futter für die Bestie: 528 Wege zum nächsten guten Buch“ (BELLA triste, Link hier) gewann 2012 den Friedrich-Oppenberg-Förderpreis der Stiftung Lesen. Auf ZEIT Online schrieb ich über Goodreads, zuletzt 2013 (Link). Im Techniktagebuch: ein kurzer Text übers Liken und Herzchen-Vergeben in solchen Netzwerken.
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Als Literaturkritiker ist Goodreads mein wichtigstes Werkzeug.
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zehn Gründe für – und gegen – die Plattform:
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10. Mein Leben als Leser – öffentlich sichtbar?
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Ich fand Goodreads im Juni 2008; bei einem Praktikum im Lektorat von Klett-Cotta: Ich las aktuelle britische und US-Titel und prüfte, ob sie in den Verlag passen. Oft war Goodreads die einzige Site, auf der über diese Bücher klug gesprochen wurde:kurze Kritiken – und der User-Score zwischen einem und fünf Sternen.
Knapp eine Woche überlegte ich: Was habe ich bisher gelesen? Will ich meine Lektüren mit Sternen bewerten? Ich legte ein Profil – und damit: eine öffentliche „Bibliothek“ – an, ich verschlagwortete Bücher als „Deutsch, modern“, „Deutsch, Klassiker“, „international modern“, „international Klassiker“, „Genre oder Sachbuch“, „Graphic Novel“ und fand ca. 2000 Lektüren, an die ich mich erinnern konnte, in der Datenbank: meine Lese-Biografie, öffentlich im Netz.
Ich bin froh, dass ich das 2008 tat: mit 25. Viele Details hätte ich mittlerweile vergessen.
- Entscheidet, wer eure Buchsammlung sehen sollte. Alle? Nur Goodreads-Freund*innen?
- Entscheidet, ob ihr knapp zeigen wollt, was ihr aktuell lest… oder eure komplette Lesebiografie einpflegt.
- Entscheidet, wie ihr Bücher auf ein oder mehrere virtuelle „Regale“ sortiert: „abgebrochen“? „will ich lesen“? „Lieblingsbuch“? etc.
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ein Problem: Vieles fand ich mit 8, 12, 15 umwerfend. Soll das gleichberechtigt neben aktuellen Büchern stehen? Vergebe ich 5 Sterne, weil das GUT war? Oder nur, weil es mich damals glücklich machte?
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09. Meinung – auf eine Zahl von 1 bis 5 reduziert:
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Freund*innen sind oft verwirrt und müde, wenn ich sie bitte, komplexe Meinungen zu einem Buch auf eine Skala von 1 bis 5 zu reduzieren. Doch das ist Übungssache – und macht oft Spaß. Meine Vermutung: Wer online über Bücher ins Gespräch kommen will, sucht im Jahr 2017 gar keine Leseplattformen mehr – sondern kennt fast alle. Je nach Interesse, Zeit, Stimmung, Zielgruppe, Charakter kann ich…
- Blogs führen (und meine Rezensionen auf Amazon, Goodreads, Lovelybooks etc. kopieren).
- Lektüren für Instagram fotografieren, Hashtags vergeben, in Hashtags wie „Essay“ Neues entdecken.
- Amazon-Wunschzettel anlegen.
- auf Plattformen wie Literaturschock, Lovelybooks in „Leserunden“ gemeinsam mit Fans & Autoren über ein Buch diskutieren.
- auf Facebook, Twitter, Tumblr Diskussionen eröffnen, mit Freunden oder Fremden.
Bücher auf einer 5-Sterne-Skala zu werten… das ersetzt keine Literaturkritik oder Dialog. Doch es hilft, sich Vorlieben bewusst zu machen. Lese ich zu viele 3-/2-Sterne-Titel in Folge, denke ich z.B. schnell, Lesen per se mache mir gerade keinen Spaß mehr. Goodreads macht die eigenen Gewohnheiten, Ansprüche, Mechanismen sichtbar(er).
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ein Problem: Goodreads will helfen, indem jedem Stern eine Phrase zugeschrieben wird. „I did not like it“ (1), „It was okay“ (2), „I liked it“ (3), „I really liked it“ (4), „It was amazing“ (5 Sterne). Meine eigene Skala: „unfähig oder böse: Ich wünschte, niemand läse dieses Buch“ (1), „misslungen: Ich rate ab“ (2), „nicht misslungen – doch mit größeren Problemen/Schwächen“ (3), „gern gelesen, viele Stärken“ (4), „umwerfend, besonders, aufregend!“ (5 Sterne).
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08. der User-Score: 401 Abstufungen
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Fünf Sterne? Das klingt undifferenziert. Doch zu jedem Buch wird der Durchschnittswert öffentlich gezeigt, bis zur zweiten Kommastelle. Nur die schlechtesten oder umstrittensten Bücher haben einen Score unter 3.00 („Feuchtgebiete“: 2.80, „Deutschland schafft sich ab“: 3.35), und nur Bücher mit besonders euphorischen Fans (z.B. Kinder und Jugendliche) kommen über 4.5 („Harry Potter“, Band 1: 4.44).
Lovelybooks, der deutschsprachige Konkurrent zu Goodreads, zeigt den Score nur als Grafik: Fast jedes Buch hat rund 4 Sterne. Damit ist die Plattform für mich nutzlos – denn ich brauche die genaue Zahl. Und etwas Erfahrung, wie ich sie lesen/verstehen kann:
- Romane: ab 3.75 lesenswert; ab 4.00 auffällig beliebt
- Superheldencomics: ab 3.75 lesenswert; ab 4.00 auffällig beliebt
- Fantasy und Science Fiction: erst ab 4.00 einen Blick wert, oft seltsame Hypes
- Jugendbücher: ab 3.90 einen Blick wert; ab 4.20 oft krasser Mainstream/Romance.
- Theaterstücke, Essays, Kurzgeschichtensammlungen: ab 3.90 einen Blick wert
Schullektüren werden schlechter bewertet – weil viele sie unfreiwillig lesen, und sich darüber ärgern. Bildbände haben hohe Wertungen: Weil viele Geld ausgeben? Stolz sind? Sich den Kauf schön reden? Je schwerer, trockener, anspruchsvoller, desto höher der Score: Vielleicht sind die meisten Leser*innen stolz, sich durch ein Buch gekämpft zu haben. Wichtig: Je größer das Fandom, die Nische, je leidenschaftlicher die Subkultur – desto größer die Hype-Gefahr; Bücher von/für Mormonen sowie Liebes-Groschenromane und Erotik haben oft unkritisch hohe Wertungen. Bücher aus den Niederlanden werden dagegen meist absurd schlecht bewertet: Das niederländische Heimatpublikum fühlt sich von ihren Literat*innen genervter als wir Deutschen von unseren.
ein Problem: Der „Ikea“-Effekt zeigt: Wer viel Arbeit investiert, ist stolzer als jemand, der es leichter hat. Vielleicht werden deshalb zähe, mühsame, trockene Bücher oft höher bewertet. Je mehr man denken, mitarbeiten, die Zähne zusammenbeißen muss, desto höher oft der Score. Eine gute Nachricht, eigentlich: Ein breites Publikum bereut die meisten „schwierigen“ Lektüren nicht. Im Gegenteil!
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07. Anlesen, bald lesen, für später merken:
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Bücher können als „gelesen“, „lese ich gerade“, „will ich lesen“ markiert werden. Meine Routine, seit Jahren: Sobald jemand ein Buch erwähnt oder empfiehlt, öffne ich Goodreads, markiere es. Gibt es eine deutsche oder englische Leseprobe, lese ich rein. Ich entscheide, ob ich das Buch interessant finde, selbst lesen würde. Um dieses Anlesen und Bald-Lesen zu organisieren, habe ich einen Zweit-Account:
- Bei 6.600 Büchern suche ich eine Leseprobe, warte auf die Übersetzung oder die Buchpremiere.
- 13.000 Bücher wurden von mir angelesen
- 2.7000 Bücher von mir als „angelesen und gemocht“ markiert: Ich lege sie auf meine Amazon-/Medimops-/Rebuy-Wunschzettel, blogge über sie, habe sie oft billig gebraucht gekauft und noch ungelesen im Regal stehen.
- Hier, im Zweit-Account, nutze ich präzisere Verschlagwortungen und sortiere auf mehr Regale: „zweiter Weltkrieg“, „Bücher mit Illustrationen“, „Bücher für Neun- bis Vierzehnjährige“, „in Deutschland erschienen, doch gerade nicht im Buchhandel erhältlich“ etc.
- Sucht jemand Bücher für Teenager, die von Essen handeln, internationale Comics, die in Japan spielen etc., kann ich in zehn Minuten erste Listen erstellen.
- Ich bin oft stundenlang in Bibliotheken, Buchhandlungen, Antiquariaten oder vor Regalen von Freund*innen. Ich blättere durch Bücher und markiere, was mich packt/interessiert – und was mich kalt lässt.
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ein Problem: Um schnell zu sehen, welchen Eindruck solche angelesen Bücher auf mich machten, gebe ich den vielversprechenden 4 Sterne, den abstoßenden 2, und allem, das ich nicht unbedingt lesen will, 3. Weil alle Sterne öffentlich sind, beeinflusse ich damit Scores – ohne, das Buch zu Ende gelesen zu haben. Verboten ist das nicht. Doch besonders bei aktuellen deutschen Titeln, die noch kaum bewertet wurden, gebe ich manchmal keine Wertung ab: Statt – anonym, und ohne, komplett gelesen zu haben – durch eine 2-Sterne-Wertung Menschen Lust aufs Buch zu nehmen.
ein größeres Problem: Bei Amazon-Kritiken werden Rezensionen von Menschen, die das Produkt nachweislich bestellten, bevorzugt. Bei Goodreads aber kann man durch Kampagnen und anonyme Sockpuppet-Accounts Scores leicht ändern. Deshalb nehme ich Scores erst ab ca. 30, 40 Einzelwertungen ernst. Viele deutschsprachige Titel aus kleinen Verlagen haben aber nur sechs, sieben Stimmen: Ihre Scores werden nie repräsentativ.
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06. „Lesezwillinge“, Vertrauenspersonen:
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Unter jedem Goodreads-Profil: die Option „Compare Books“. Eine Extra-Seite zeigt alle Titel, die man gemeinsam hat – und stellt die Wertungen gegeneinander. Eine Funktion, die ich auch gern bei Kritiker*innen hätte, die im Feuilleton rezensieren; denn sie lässt überraschend tief blicken: Ich werte Haruki Murakami und viele feministische Memoirs überdurchschnittlich hoch. Meine 3 Sterne für „Tschick“ und „Der Fänger im Roggen“ fallen aus dem Rahmen. Viele Deutsche geben Christian Kracht und Bret Easton Ellis einen Stern – oder fünf.
- Die Rezensionen unter jedem Buch sind nach Beliebtheit sortiert: Unter den ersten fünf sind oft schon ein, zwei interessante Stimmen.
- Ich sehe oft nach, wer meine Lieblings- oder Hass-Bücher ähnlich euphorisch oder negativ wertete wie ich.
- Öffne ich die Profile, klicke ich auf „Compare Books“ und sehe nach, ob ich die Wertungen plausibel/hilfreich finde.
- Lovelybooks wurde als Bestseller- und Unterhaltungs-Plattform vermarktet. Goodreads lockt auch Expert*innen, Akademiker*innen, Nerds: Ich folge Menschen, die z.B. italienische Hochliteratur lieben, Rrriot Girls oder Mangas mit Schwulen und Lesben.
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ein Problem: In David Lodges „Changing Places“ gibt ein Literaturprofessor auf einer Party zu, nie „Hamlet“ gelesen zu haben – mit Folgen für seine Karriere. Ich fragte einen Germanisten-Freund, ob er zu Goodreads will. Er zierte sich lange: „Zeige ich, welche Bücher ich las, dann zeige ich damit auch, welche Bücher ich NICHT las. Ein peinlicher Offenbarungseid!“ Jeder sieht, dass ich „Krieg und Frieden“ nie las, „Die Blechtrommel“ abbrach, nichts von Heinrich Böll kenne.
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05. Rankings und Listen.
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Spotify kennt meinen Musikgeschmack gut genug, um mir zweimal pro Woche („Mix der Woche“, „Release Radar“) je 30 Songs vorzuschlagen – von denen viele gut passen. Auch Netflix hat eine beliebte „Recommendation Engine“. Die Empfehlungen bei Goodreads sind flau: Sobald ich deutsche Bücher bewerte, greift das System auf deutsche Bücher zurück – von denen die meisten in den USA erschienen. Weil dort noch immer Bücher über den zweiten Weltkrieg gefragt sind, heißt das: Statt Gegenwartsliteratur empfiehlt mir Goodreads – seit die persönlichen Empfehlungen eingeführt wurden (2011) – fast NUR Holocaust-Memoirs.
Unpersönlich dagegen – doch spezifisch und hilfreich: „Listopia“. Der Bereich, in dem jede*r öffentliche Listen erstellen und Titel auf bestehenden Listen nach oben voten oder neu einfügen kann.
- Jugendbücher, erschienen 2017, mit nicht-weißen Hauptfiguren
- Liebesromane, in denen Plantagen und Obstanbau vorkommen
- Bücher mit Bananen auf dem Cover
- die beliebtesten Klassiker-Neuveröffentlichungen aus dem britischen Persephone-Verlag
Wer promoviert, an einem längeren Text arbeitet oder eine Nische erforschen will: Erstellt eine Liste – und schaut, ob sie wächst!
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ein Problem: Auf den ersten Blick wirkt Goodreads zu US-fixiert. Es hilft, Listen auf Deutsch anzulegen – sonst werden sie bald von englischsprachigen Vorschlägen, Favoriten dominiert.
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04. In Deutschland: lieber Lovelybooks?
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Vorgestern las ich die Verlags-Programmvorschauen für Herbst 2017: Immer wieder wurde versprochen, dass der Verlag Geld an Lovelybooks zahlt, um als dort Werbung für den neuen (meist: Unterhaltungs- oder Liebesroman) Verlosungen und -Leserunden einzurichten. Als PR-Plattform scheint Lovelybooks immer wichtiger zu werden. Auf Goodreads dagegen pflegen Verlage oft nicht einmal das deutsche Cover, den deutschen Klappentext ein (…bis Fans/deutsche User*innen das übernehmen).
Goodreads wird „deutscher“/“deutschsprachiger“, indem man…
- Menschen folgt, die deutschsprachig lesen.
- bei „Reviews“ auf „Reviews for this Edition“ klickt: oft erscheinen doch noch Dutzende deutschsprachiger Rezensionen.
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ein Problem: Der US-Markt sowie US-Klassiker werden durch viele, recht diverse US-Leser*innen in aller Vielfalt abgebildet – auch die Hochliteratur und akademische Diskurse. Ich finde dauernd rezensierende US-Bibiothekar*innen, Pädagog*innen. Mit etwas Mühe kann ich (immerhin) auch nach philippinischen, rumänischen, portugiesischen Bestsellern suchen. Doch die Vielfalt deutscher Verlage zeigt sich leider immer noch eher, indem man erst eine Stunde im „Perlentaucher“/Feuilleton liest, dann eine Stunde im Bahnhofsbuchhandel blättert.
„I already know how people like me, people who read books professionally and with a particular set of aesthetic values, respond to a text. I go to reader reviews to see how the other half reads“ …begründet Literaturkritikerin Laura Miller – recht klassistisch / von oben herab – warum sie sich freut, dass Laienkritik, Fan-Meinungen und die Stimmen der Menschen, die meist nur zum Vergnügen lesen, durch Plattformen wie Goodreads sichtbarer werden.
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03. …und meine Daten?
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2013 wurde Goodreads von Amazon gekauft.
Auf Goodreads selbst änderte sich nichts: Ein Button namens Get a Copy leitet mich (schon seit zehn Jahren) an einen Online-Bookstore meiner Wahl; ich selbst stellte dort „Amazon.de“ ein – nicht, um die Bücher dort zu kaufen, sondern, weil sich dann mit ein, zwei Klicks gleich eine Online-Leseprobe öffnet.
Die Übernahme ist problematisch, weil…
- Amazon auf Goodreads noch schneller sehen kann, welche Bücher einen Hype/Sog entwickeln – besonders auch bei Fans und gebildeteren Käufer*innen.
- Buch-Scores leicht zu manipulieren sind.
- Bücher via Newsletter, Anzeigen etc. auf der Seite beworben (oder unsichtbarer gemacht) werden können.
- Kindle-Daten dem Konzern zeigen, WIE wir lesen, wo wir abbrechen und pausieren…
- …und Goodreads-Daten jetzt zusätzlich genau zeigen, was wir lesen WOLLEN.
Als User sind Goodreads und Amazon für mich nicht vergleichbar: Auf Goodreads kann ich Bücher markieren, sortieren, sichtbar machen oder wegklicken, in einer Optionen-Fülle, die mir Online-Stores oder Datenbanken nie gaben. Mir kommt das vor, als könne ich mit Leuchtstiften, Stickern, Handwagen etc. durch eine Buchhandlung laufen – und alles wegwerfen, umsortieren, anstreichen, nach meinen Vorstellungen stapeln. Die Amazon-Website gibt mir kaum Optionen, mich als Leser zu organisieren: Hier geht es um Angebote, Überflutung, Werbung, Kaufanreize. Goodreads dagegen ist – bislang – weiterhin ein Ort, an dem ICH entscheiden kann, was ich mir speichere und sichtbar halte.
Trotzdem glaube ich, dass Amazon durch die Goodreads-Daten noch aggressiver planen kann. (Gut, immerhin: Dass die meisten dieser Daten auf Goodreads offen sind und ich selbst – z.B. als Journalist – von außen ebenfalls viele Schlüsse aus all den Scores und Rankings etc. ziehen kann: Die Seite hat mir VIEL mehr gegeben und gezeigt, als ich bisher, durch meine Daten, dort „einzahlte“.)
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02. Abseitiges, Serien, Direktvergleiche:
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„Was macht gute Literatur aus?“, „Was macht Buch X besser als Y?“, das sind Irrsinns-Fragen: Sie müssen immer neu gestellt, verhandelt werden – und Goodreads hat auf sie keine besonders klugen oder neuen Antworten. Eine Frage aber, die die Plattform HERVORRAGEND beantwortet: „Welche Bücher lasen Menschen gern – und: lieber als andere?“
Ich bin besonders oft bei Goodreads, wenn ich mich nicht über EIN konkretes Buch informieren oder austauschen will – sondern frage:
- Ich will EIN Buch von John Irving lesen. Welches? (Goodreads: „Owen Meany“ ist klarer Favorit, „The Fourth Hand“ hat den schlechtesten Score.)
- Ich suche einen besonders guten, aktuellen „Star Wars“-Roman. (Goodreads: „Lost Stars“. Auch mein Favorit!)
- Ich habe Lust auf Thomas Lehr – oder Thomas Hettche? (Goodreads: bei beiden kam nur jeweils EIN Buch gut an, „Frühling“ und „Pfaueninsel“)
- Ich überlege: Soll ich die Comic-Reihe „Fables“ beginnen? (Goodreads: ja – aber nach Band 13 wird es deutlich schlechter)
Ich liebe die Website GraphTV: Sie zeigt, wie IMDB-User*innen alle Episoden von Serien bewerten – und liefert damit klare Tendenzen: Welche Serien laufen sich tot? Wo lohnt sich erst die zweite Staffel? Was wird besser und besser? [Beispiele: „The Americans“, „Friends“, „Game of Thrones“, „The Walking Dead“).
Goodreads ist kein Werkzeug, das mir objektiv zeigen kann: Die folgenden Bücher sind gut.
Doch Goodreads kann mir überraschend präzise Tendenzen, Entwicklungen, Abstufungen zeigen.
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ein Problem, das ich oft fürchte, aber nicht besätigen kann: „Unbequeme“ Bücher, Zumutungen, Herausforderungen, Irritationen, Kurswechsel, Experimente – werden sie auf Goodreads abgestraft? Werden nur Wohlfühl-Titel hoch bewertet oder Autor*innen gelobt, die keine Wagnisse eingehen, nur eine feste Formel bedienen? Nein. Die Scores zeigen: Auch das aller-breiteste Publikum ist VIEL kritischer, experimentierfreudiger meist.
schade aber: Wer Band 1 einer Serie, Reihe nicht mag, steigt aus. Wer Band 17 liest, liebt die Reihe meist. Deshalb haben Reihen oft immer höhere Wertungen – vielleicht auch solche, die den Hype nicht verdienen?
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01. nie wieder die Angst: „Nichts macht mir Spaß!“
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Wenn ich krank bin, müde, deprimiert, frage ich nicht mehr: Was soll ich lesen, sehen, hören? Die vielen Watch- und to-Read-Lists helfen mir, Titel präsent zu halten, auf die ich mich freue. Ich öffne Goodreads in Antiquariaten, Bibliotheken, als Wunschzettel, Merk- und Einkaufsliste. Ich war nie suizidal – doch ein Blick auf die Listen macht mir wie NICHTS ANDERES klar, wie viel ich noch nicht kenne… und unbedingt kennen will. Kultur, auf die ich mich freue. Geschichten, Figuren, Stimmen, für die ich mir Zeit nehmen will.
Mein Leben fühlt sich weiter, offener an – seit ich solche Listen pflege. #Vorfreude!
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ein Problem: Für mich ist das Routine:
- Bücher im Gespräch mit Freund*innen, im Feuilleton oder in Buchläden entdecken.
- Sie auf Goodreads finden, Kritiken und den Score nachlesen.
- Die Leseprobe anlesen.
- …und DANN entscheiden: Will ich das kaufen und komplett lesen?
Viele Freund*innen brauchen das nicht: Sie lassen sich Bücher leihen oder schenken, kaufen nach Cover und Gefühl, sparen sich langes Überlegen. Ich bin Literaturkritiker: Mir ist wichtig, dass ich in alle bekannteren Bücher wenigstens kurze Blicke warf, mir einen ersten Überblick verschaffte, nicht zu viel Zeit mit Dutzendware verbringe. Doch ich verstehe alle, die sagen: „Eine Datenbank pflegen – über die eigenen Lese-Absichten? Wozu?“
Ich verbringe gut vier Tage im Monat, Bücher zu finden, zu sortieren, anzulesen, Redakteur*innen vorzuschlagen, in Listen zu bloggen.
Ich verbringe oft weniger als vier Tage im Monat damit, Bücher zu lesen.
Für mich passt diese Balance meist. Passt sie für euch? Dann: Goodreads, gern.
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