In monatlichen „Underdog Literature“-Listen bloggte ich je 15/20 wenig bekannte Titel, die ich beim Stöbern im Netz entdeckt habe. Alle Ausgaben von „Underdog Literature“:
Serien, die ich liebe? „Six Feet Under“, „Willkommen im Leben“, „Mad Men“, „Neon Genesis Evangelion“, „Wild Palms“
Serien, die ich mochte? „Girls“, „Ugly Betty“, „One Tree Hill“, Lars von Triers „Geister“, „Tell me you love me“, „Buffy“, „Veronica Mars“, „Babylon 5“, „Star Trek: Deep Space Nine“. Auch „Lost“, „Twin Peaks“, „Weeds“, „Akte X“, „24“, „Desperate Housewifes“ haben mich für ein paar Staffeln/Jahre überzeugt.
Seit ca. 2007 lese ich die täglichen US-Links von TV Tattle, Norman Weiss: Ich habe keine Zeit, jede Woche „Game of Thrones“, „Community“, „The Walking Dead“ zu sehen – doch ich liebe Artikel, Interviews, Essays, Kulturjournalismus über US-TV.
Aktuell werden 409 US-Serien produziert: für die großen Networks (ABC, NBC, CBS, Fox… und The CW), für Kabel-, Nischen- und Bezahlsender und für Anbieter wie Netflix, Hulu, Amazon, Yahoo.
Ich versuche, den Überblick zu behalten. Im Ernst.
Auch, wenn viele Beobachter sagen: Die Zahl der Serien wächst. Doch die Zahl der talentierten Autor*innen wächst nicht im selben Tempo mit. Deshalb gibt es sehr viele recht gute, aber kaum großartige Serien. Und weil Kritik heute leichter und schneller geäußert ist (auch privat, in Facebook-Diskussionen im erweiterten Freundeskreis), bin ich mir selbst bei Serien, die einen sehr guten Eindruck machen, leider immer weniger sicher, ob das…
a) …noch ein Mainstream-Publikum erreicht (WISSEN Leute auf der Straße, was „Homeland“ ist, „House of Cards“? Oder ist jede Serie mit schlechteren Einschaltquoten als „Tatort“ und „Sturm der Liebe“ heute wieder Kult/Underground/Subkultur?)
b) …WIRKLICH gut ist: Selbst bei Serien mit sehr guten Wertungen und Kritiken gibt es immer die fünf, sechs Menschen um mich herum, die sagen „Fargo? Jessica Jones? Die neuen South-Park-Folgen? Nein: Ich habe selten etwas Schlechteres gesehen!“ Ich habe Mühe, mich auf eine Serie einzulassen – denn sobald ich etwas vormerke, sagen drei Leute „DAS nicht. Spar es dir!“
Trotzdem – für die Weihnachtspause und fürs neue Jahr:
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33 (recht) neue Serien, die mich interessieren…
…sortiert von „anspruchsvoll (und sperrig?)“… bis „seicht, aber sympathisch“.
2 Prozent aller Menschen sind plötzlich verschwunden – von einer Sekunde auf die nächste. „The Leftovers“ war ein recht dümmlicher satirischer Roman von Tom Perrotta. Die Serie ist stiller, dunkler, langsamer, komplexer: Eine oft ungelenke, manchmal richtungslose Familien- und Provinzgeschichte über Verluste und Kleinstadt-Communities außer Kontrolle.
Ich sah den Pilotfilm, musste – im Guten wie im Schlechten – an „Mangolia“ denken („Yeah! Melancholisch!“, „Bäh: biblisch-prätenziös!“) und freue mich, dass Staffel 2 noch einmal etwas Ambitioniertes, Seltsameres versucht. Kaum jemand schaut die Serie gern. Doch die, die noch dabei sind, LIEBEN es. Furchtbare Quoten. Glückliche Kritiker. Endet nach Staffel 3.
Eine ehemalige Superheldin eröffnet eine Detektei in New York… und trifft auf einen alten Gegner, der allen Menschen seinen Willen aufzwingen kann: Noir-Thriller um Gewalt, Kontrolle und Missbrauch, aus dem Marvel-Universum.
Ich las die Comics 2013 (Empfehlung!) und hätte gern fürs Feuilleton über die Serie berichtet, brachte aber keinen Artikel unter. Ich weiß noch nicht, ob ich „Jessica Jones“ noch sehen soll – privat, ohne Schreibauftrag. Aber Krysten Ritter ist großartig, keine Marvel-Produktion sprach mich mehr/stärker an, und alle, die mich und die Serie kennen, sagen „Kuck! Unbedingt. Du wirst es lieben!“
Ein Hacker mit psychischen Problemen bekämpft einen Konzern. Oder eine anonyme Hacker-Gruppe…? Oder doch: sich selbst… und seine Hirngespinste?
Langweiliger Trailer, uninteressante Figuren – und Kritiker, deren Schwärmen mir keine Lust macht; denn ich habe Angst, dass mir die IT- und Datenschutz-Themen entweder zu hoch sind (technisch) oder zu flach/niedrig (ethisch, kulturwissenschaftlich). Der Hauptdarsteller ist für den Golden Globe nominiert. Doch bislang denke ich noch: Uff. Pflicht/Hausaufgabe/graue Jungs-Serie, die nur graue Langweiler-Männer mögen?
Zwei russische Agenten und ihre Kinder leben unerkannt als amerikanische Vorstadt-Familie in Washington, D.C.: Die Serie spielt in den 80ern, hat viele Fans – doch genau so viele wütende Nitpicker, die immer wieder schimpfen „Die Agenten-Einsätze sind unrealistisch!“ und „Die Perücken lenken ab!“. Ich glaube, es ist eine Serie über Zuammenhalt, Kompromisse, kulturelle Identität. Nicht über Action und Perücken. Aber: Ich sah den Cliffhanger von Staffel 2 und dachte selbst: „Hm. Fadenscheinig/unrealistisch.“
tolle Atmosphäre, gute Darsteller*innen… aber wackliges Drehbuch? So sehr es mich anzieht – ich glaube, als Fan kann man sich über diese Serie und ihre kleinen Versäumnisse furchtbar aufregen, immer wieder.
Geschiedene Frau und ihr dreister Bruder ziehen wieder zusammen – und suchen neue Partner, Dates und Sex-Optionen. Standard-Prämisse und Standard-Figuren, doch Stil/Tonfall passen für mich hier besser als bei den anderen aktuellen Dating-Serien (z.B. dem viel gelobten „You’re the Worst“, Amazons „Catastrophe“ oder „Togetherness“).
Ich mag keine süßlichen „Der treue Roboter will endlich ein echter Junge werden“-Plots. Das hier wirkt kälter, soziologischer, kritischer – doch vielleicht zu langsam, didaktisch und selbstverliebt: Wie leben Menschen mit Robotern; modernen Dienern, Sklaven, Gegnern? Remake einer schwedischen Serie, die viele Freunde von mir begeisterte.
2015 las ich den Comic „Alex + Ada“: steif, aber klug. „Ex Machina“ habe ich noch nicht gesehen. „Descender“ war mir zu seicht; „A.I.“ eine Katastrophe.
Zwei andere „Mad Men“-artige Serien über Wirtschaft, Büros, Zeitgeist und Sexismus, „Silicon Valley“ und „The Good Girls Revolt“, scheinen mir zu platt. Hier will ein Garagen-Unternehmen mit IBM konkurrieren – mit allen Mitteln. Wirkt psychologisch, bitter, bissig, unbequem.
GraphTV: 1×08 und 1×09. Staffel 2: nicht besser als Staffel 1.
Die Serie, die Barack Obama gerade schaut: ein drogensüchtiger Chirurg in einem New Yorker Krankenhaus Anfang des 20. Jahrhunderts. Ich kann mit Arzt-Pathos und super-männlichen, dreckig-blutigen Historien-Serien wie „Boardwalk Empire“ nicht viel anfangen. Doch ich mag, wie filmisch, bildgewaltig hier gearbeitet wird: Sind die Figuren so interessant wie die hübsch gefilmten, schaurigen Oberflächen?
Eine Fremde wirft sich vor den Zug – und Sarah Manning, die ihr seltsam ähnlich sieht, übernimmt ihre Identität. Ein Thriller über Klone, Ethik, Privilegien und Schwestern-/Mutterschaft, gefilmt in Toronto. Grandiose Kritiken, grandiose Hauptdarstellerin. Alle sind begeistert. (Auch z.B. meine Mutter.)
GraphTV: gute Cliffhanger; die erste Hälfte von Staffel 3 scheint recht fade.
Eine 40jährige gibt sich als 26jährige aus, um für einen Verlag zu arbeiten. Freundin S. sagt: Die Frauenfreundschaften sind toll – und die Debatten um Print- und Online-Kultur, Social Media. Mir ist der bonbonbunte Look sympathisch, die Hauptfiguren auch. Vielleicht schaue ich das mal durch und schreibe dann über Verlage und die Angst vor der Zukunft. „Younger“ ist keine große Kunst – aber für mich überzeugender als z.B. „The New Girl“ oder „Chasing Life“.
2015: 8 Episoden in einer (vollen) Staffel, dann abgesetzt
„Black Swan“ als Serie? Düsteres New Yorker Ballett-Drama, blutiger – aber auch deutlich prätenziöser, selbstverliebter – als „Bunheads“. Viel Körperlichkeit, Ekel, Nacktszenen, Magersucht usw.
Herz und Verstand: ein Pizzabäcker, seine Frau und drei Kinder, in Brooklyn. Eine altmodische Familien-Zeichentrick-Sitcom, die mich an die ersten „Simpsons“-Staffeln erinnert. Die Trailer wirken oft krass und „Family Guy“-haft, doch die Serie selbst LIEBT ihre Figuren und erzählt sehr behutsam, weitherzig, intelligent. Wenn ich mich aufmuntern will, breit grinsen… streame ich das hier.
Ein paar Freund*innen finden es simpel, langweilig, fade. Tatsächlich ist es nicht besonders ambitioniert. Aber… hach! ❤
Anthologie-Serie (alle Episoden stehen für sich allein), bisher 7 Episoden seit 2011; 12 weitere in Planung
britische Satire über Technik, Kontrollwahn und die Gefahren, die Regierungen, Konzerne, Gadgets im Alltag oft sehr reicher, scheinbar sicherer Menschen aufwerfen: wechselnde SciFi-Szenarien, moralische Fragen, böse Überraschungen, „Denkt mal gut drüber nach!“…
Gut, dass es das gibt. Schade, dass es nicht klüger, stiller, weniger Frank-Schirrmacher-rig von Technik und Menschen erzählt.
GraphTV: 1×03 ist bisher der Favorit. Ich sah die Folge, aber dachte (ähnlich wie bei „her“): Das kann Achtklässlern im Ethik-Unterricht Diskussionsanreize geben. Große Erzählkunst ist es nicht. Didaktisch, bieder, seicht – auf eine besserwisserische, unsympathische Art.
Als ich in Kanada lebte, merkte ich, wie selbstgerecht, hurrapatriotisch das Commonwealth bis heute dem ersten und zweiten Weltkrieg gedenkt: Veteranen-Kitsch und Mohnblumen-Anstecker machen mir Angst; stoßen mich ab. Trotzdem gefällt mir der Look dieser britischen Serie über einfache Frauen auf dem Land, die sich fragen, was sie gegen deutsche Bombardements tun können – auch und vor allem im Vergleich mit biederen US-„Frauen im Weltkrieg“-Serien wie „Manhattan“.
Jugend-Thriller über ein – trotziges, energisches, aber völlig überdrehtes – Mädchen, dem Polizisten sagen, dass die Frau, bei der sie aufwuchs, nicht ihre Mutter ist… sondern ihre Entführerin. Carter wird an ihre biologische Familie übergeben… und hat große Startschwierigkeiten mit ihrer neuen/alten Mutter: einer misstrauischen, traumatisierten Ermittlerin.
Ich sah die ersten drei Folgen und habe es GELIEBT. Es ist viel zu schnell erzählt – die Ereignisse überstürzen sich. Die Figuren sind stilisiert/krass amerikanisch und, vielleicht am Schlimmsten: 15- und 16jährige organisieren hier ständig mühelos rauschende Parties, Flashmobs, Autos. Ich wünschte, es wäre etwas ruhiger, mehr wie „Willkommen im Leben“. Trotzdem bin ich fürs Erste… hingerissen!
Während der ersten zwei, drei Episoden von „Mad Men“ hatte ich Angst, dass wir als Zuschauer dort immer nur auf Dinge gestoßen werden sollen, die heute tabu sind, doch in den 60er Jahren nicht hinterfragt wurden: eine Revue/Endlosschleife aus rauchenden Schwangeren, rassistischen alten Herren, Sekretärinnen-Mäuschen. Tatsächlich ist „Mad Men“ subtiler, komplexer. Bei „Masters of Sex“ bin ich unsicher: Tolle Ausstattung, super-talentierte Darsteller, blendend inszeniert… aber ich weiß nicht, ob wir bei dieser 60er-Jahre-Sexualwissenschaftler-Dramedy nicht vor allem eingeladen werden, überheblich zu lachen – über die dummen Menschen von früher. Falls ja… ist das für mich zu wenig.
8 Episoden von 2015; noch unklar, ob es eine zweite Staffel gibt. Die Quoten in den USA waren solide, die Quoten in Deutschland, auf dem „Alarm für Cobra 11“-Sendeplatz von RTL, trotz viel Werbung eine große Enttäuschung. Unsympathisch meckriger Artikel zur Quote, DWDL.de
ein junger DDR-Agent in der BRD, 1983. Toller Trailer, tolle Schauspieler, schönes Szenario und sehr gute Kritiken. Skeptisch macht mich ein Artikel auf Fortsetzung.tv:
„Gut und Böse sind hier relativ eindeutig verteilt. Epische Charakterdramen wie in „Weissensee“, der anderen großen Serie über die jüngere deutsche Geschichte, wird man in der Erzählung von Anna und Jörg Winger vergeblich suchen. Stattdessen bietet sie professionell inszenierte Actionsequenzen, einen ständig von äußeren Geschehnissen getriebenen Protagonisten und vor allem in den Nebenrollen überzeugende Darsteller.“ (Marcus Kirzynowski)
der „Rashomon“-Effekt: eine Geschichte, erzählt erst aus 2, später aus 4 widersprüchlichen Perspektiven: Ein Paar macht Urlaub in den Hamptons… bis eine Affäre (und ein Mord?) alles verändern. Ich liebe solche Szenarien, ich liebe Joshua Jackson, ich bin begeistert von den euphorischen Kritiken – aber bisher war es mir dann doch zu Juli Zeh, zu Martin Suter, zu „Tatort“, zu „Lasst uns was Gediegen-Schönes machen, das Paare 50+ nach ‚The Good Wife‘ sehen können, Sonntag abends“.
Acht Menschen in acht Städten (u.a. Berlin), deren Bewusstsein verknüpft ist: Gender-, Klassen-, Identitäts- und Kultur-Fragen, manchmal bieder-mystisch-öde wie in „Heroes“, produziert von den Wachowskis („Matrix“, „Cloud Atlas“) und (yeah!) J. Michael Straczynski („Babylon 5“). Kein Hit, kein Kritiker-Liebling… aber eine Handvoll Menschen sind SEHR begeistert. Das wird mir entweder sehr nahe gehen – oder mich (wie die meisten Leute) abstoßen, langweilen.
bisher eine Staffel, 2015. Da kommt bestimmt mehr!
Comedian Aziz Ansari („Parks & Recreation“) spielt einen jungen Mann in New York: Single- und Stadtneurotikerserie mit sehr guten Kritiken. Der Trailer wirkt sehr konventionell und saturiert. Nicht so bieder-aber-schrullig wie „The Mindy Project“, aber auch nicht so giftig wie „Girls“ oder „Louie“. Schwerenöter und Dating-Pannen, sympathisch… aber eben: konventionell, trotz Person of Color in der Hauptrolle.
Drei Weltraum-Heldinnen mit Kristall-Superkräften… und Steven, ein kleiner, behäbiger, herzig-idealistischer, nicht-sehr-kluger Junge, dessen verstorbene Alien-Mutter ihm ihre Kräfte vererbte: ein Serie für Jungs – aber voller starker Frauenfiguren, mit interessanten Familienmodellen, viel Herz, Humor und tollem Design.
Miyazaki, 8-bit-Optik, Scott Pilgrim, „Adventure Time“, magischer Gaming-Realismus… und ein wunderbarer Ohrwurm-Titelsong. Die einzelnen Episoden sind oft etwas langsam und durchschaubar (für Erwachsene)… doch ich bin überrascht und begeistert, was für eine komplexe Kosmologie hier aufgebaut wird – und, wie Fragen um Identität, Verlust und Verantwortung behandelt werden.
abgebrannter und kaputter Ermittler (Stellan Skarsgard) hat Visionen: Ich mochte „Awake“ (NBC, 2012) – und hoffe auf eine melancholisch-gemütvoll-intelligente Serie über Machtlosigkeit, Älterwerden, Idealismus und Verlust.
Ich weiß nicht: Jill Soloway hat für „Six Feet Under“ geschrieben – aber die ersten Szenen aus „Transparent“ erinnerten mich in ihrer bräsig-bieder-selbstgerechten Satire eher an die öde „Wir trinken Wein, rollen die Augen und sind crazy kalifornisch“-Trottel aus „Brothers & Sisters“. Mir wird ständig gesagt: „Schau es an! Wirklich! Du wirst es lieben“…
…doch ich sehe bisher nur reiche, platt beschriebene Woody-Allen-Figuren. [Ich mochte „Enlightened“, ich hasste „Looking“ – ich habe Mühe mit „warmherzigen“ Satiren, weil oft beides scheitert: die Satire und die Warmherzigkeit.]
Seit 97 Jahren ist die Erde verseucht und verlassen. Als auf einer Raumstation der Platz knapp wird, werden 100 jugendliche Straftäter zurück in die verstrahlte Wildnis geschickt – und finden Mutanten, Bunker, „Herr der Fliegen“-Survival-Konflikte.
Wie in jeder CW-Serie sind die Hauptdarsteller*innen absurd schlank, hübsch, sexualisiert. Mir selbst macht der Trailer zur dritten Staffel keinen Spaß – das sieht aus wie ein postapokalyptisches Billig-„Game of Thrones“ über neofeudale Schrott-Ritter und „Mad Max“-Girls. Aber: Eine Menge erwachsener SciFi-Fans sind immer glücklicher/überzeugter, die bisexuelle Hauptfigur wird immer wieder gelobt… und lange Artikel erklären: Das hier ist moralisch so komplex, dreckig, klug – ein würdiger Nachfolger von „Battlestar Galactica“.
Gescheiterte junge Frau der Generation Praktikum wird zum Zombie – und merkt: Wenn sie Gehirn isst, erlebt sie Flashbacks aus dem Leben des Verstorbenen. Also hilft sie Polizei und Pathologen beim Aufklären von Morden.
billiger Look, Schema-F-Dramaturgie, erwartbare Witze. Trotzdem sind viele Menschen Fans – denn Produzent Rob Thomas hat ab 2003 mit „Veronica Mars“ schon einmal eine der galligsten, klügsten, unbequemsten jungen Frauenfiguren im US-TV *grandios* erzählt. Robert Buckley mag ich aus „One Tree Hill“, und die Mischung „hübsche, zynische Quatschköpfe machen Polizeiarbeit gegen übersinnliche Gegner“ funktioniert auch bei „The Flash“ sehr gut.
Mars, Erde und Industrie im Astroiden-Gürtel hinter dem Mars tragen verschiedene Wirtschafts- und Ideologie-Konflikte aus: Politiker und Detektive, Gewerkschaftler und Gangster… ein politisches SciFi-Gesellschaftsdrama im Stil von „Caprica“. Ich habe wenig Vertrauen in den Sender – SyFy. Doch die ersten Kritiken sind sehr, sehr gut. Empfehlung auf Slate.com.
noch kein GraphTV-Eintrag. IMDb: vom Pilotfilm zu Folge 4 wird es stetig besser.
Trash mit Joan Collins und Elizabeth Hurley… als Königin von England: Schon in „One Tree Hill“ hat Mark Schwahn mit „Hamlet“- und „Romeo und Julia“-Motiven gespielt. „The Royals“ ist eine Low-Budget-Soap mit vielen bitchy Frauen, schwülstigen Jungs und komplizierten Intrigen. Hinter dem Gezicke stand bei „One Tree Hill“ ein konservatives, aber SEHR respektvolles, oft feministisches Menschenbild. Wer witzig-starke, comichafte Frauen in völlig überdrehten Konflikten sehen will: Ich glaube, das hier hat Schwung, Tempo, absurde Cliffhanger.
Freunde sind schockiert, dass ich diese – bunte, simple, oft kitschige/tussi-hafte – Serie mit ihrem… Spice-Girl-Feminismus mag. Aber: Ich mochte mit 12 „Lois & Clark“, mit 14 „Sailor Moon“, und ich freue mich SO, dass Kinder 2015 diese charmante, selbstbewusste, energische Superheldin sehen können, auf einem großen US-Sender, Woche für Woche. Ich hoffe, dass „Supergirl“ noch Tiefgang aufnimmt, und ich verstehe Freund M., wenn er stöhnt „Starke Frau? Ally McBeal spielt jetzt einfach Ling!“…
…doch mich stört, dass „The Flash“ als angenehme Kindskopf-Serie akzeptiert wird, aber „Supergirl“ als peinlich reaktionärer Tussi-Fehltritt gilt. Ich hoffe, die Serie wird besser. Doch SCHLECHT ist sie nicht. Nicht für Zwölf- bis Vierzehnjährige.
[Trotzdem schade, dass Greg Berlantis Serien *nie* besonders queer sind: Ich finde seine Arbeiten enttäuschend bieder, gestrig, angepasst – für einen schwulen Produzenten.]
Hinter den Kulissen einer Reality-Soap im Stil von „The Bachelor“ versuchen eine zynische ältere Produzentin und ihre jüngere, angespannte Kollegin, möglichst viel Drama, Skandale, Konflikte zu schüren.
Sehr arrivierte TV-Kritiker wie Willa Paskin LIEBEN die Serie. Ich sah nur den Pilotfilm, fand alles bisher recht fade, hölzern, konventionell. Vielleicht muss man „The Bachelor“ hasslieben, um hier mitzufiebern. Reichtum, Fassaden und Frauen in komplexen Lifestyle-, Job-, Ideologie-Konflikten… für mich bleibt „Ugly Betty“ der große Favorit.
Medium (und Faulpelz/Slacker) in New York versucht, Geistern zu helfen und Geld mit Hinterbliebenen zu verdienen. Klingt furchtbar – aber im Trailer dachte ich immer wieder: „Yeah! Wenn, dann so!“ Das hier traut sich mehr als die beiden anderen, etwas anspruchsvolleren Geister-/Jenseits-/Helfer-der-Verstorbenen-Serien hier auf der Liste, „iZombie“ und „River“.
noch nicht auf GraphTV. Bestbewerteste Episode: 2×13.
Fünf Jahre vor „Star Wars: A New Hope“ (1977) formen ein Jedi, zwei Jugendliche, ein Droide und zwei Schmuggler/Militärs eine Widerstandzelle gegen das Imperium. Geschrieben für ca. 8jährige Jungs und in jeder Hinsicht simpler als die Filme – aber im selben Tonfall und mit sympathischen Figuren.
Die Vorgänger-Kinderserie „The Clone Wars“ war mir zu steif und billig inszeniert. „Rebels“ ist etwas flüssiger/besser. Trotzdem wirkt es oft low-budget, zu simpel und unbeholfen. „Rebels“ ist gut genug, um mein Interesse zu wecken. Aber zu halbgar, um mir nach drei Episoden noch Lust auf eine vierte zu machen. Die Romane zur Serie sind überraschend gut (und politisch).
Ein Mann – allein auf der Welt? Eine sehr teure und verhältnismäßig langsame, subtile, anspruchsvolle Sitcom über furchtbare Menschen. Sehr gute Kritiken, aber bisher kein richtiger Hit/Erfolg. Überraschende Besetzungsliste.
Als Film wäre mir das zu platt geschrieben/inszeniert/gespielt. Ich bin gespannt, ob das an Tiefe gewinnt, weil so viel Zeit für Charakterentwicklung bleibt. Im schlimmsten Fall wird es ein… gruseliges „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“-Szenario.
Kleingangster stiehlt die Identität eines schwulen Pfarrers – und wird Seelsorger in einer Kleinstadt.
Das Konzept klingt billig – doch den Trailer fand ich charmanter als ältere Provinz-Serien wie „Men in Trees“ oder „Ausgerechnet Alaska“. Ich mag, dass Michael Rosenbaum ganz anders spielt/agiert als in „Smallville“.
frühes 20. Jahrhundert – mein Lieblings-Dramatiker:
russisches Bürgertum: neurotisch, tragisch, verpeilt
Verwicklungen – bissig, aber sehr warmherzig.
Reiche Menschen stehen sich selbst im Weg.
Kirschgarten, Möwe, Onkel Wanja, 3 Schwestern, Ivanov: viele Theaterklassiker sind eitel, überdreht, gehässig zu den Figuren. Tschechow ist Humanist: kaputte, lächerliche, SUPERliebenswerte Rollen. Groß!
vergriffen – aber in toller dt. Übersetzung von 1959:
Eine einfache britische Familie macht Urlaub.
Spießer, Hausfrau, 2 fast erwachsene Kinder,
2 Wochen Ferien in einer billigen Pension am Meer.
Stiller Klassiker von 1931; liebe- und respektvoller Blick aufs Reihenhaus- und Kleingarten-Milieu, kein Spott, keine Satire. Spröde Alltagsmenschen und ihre oft verzweifelten Versuche, glücklich zu sein.
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3 sehr verschiedene Romane. Trilogie über Krieg:
Zwillingsbrüder bei einer bettelarmen Großmutter.
Stoische, verbissene Kinder. Osteuropa? Zweiter Weltkrieg?
Band 1: schlichtes, dunkles Dorfmärchen, Parabel. Ein Erzähl-Experiment: beginnt als ultrabrutale, nihilistische Kindergeschichte über Entsagung und Besatzung – und wird in Buch 2 und 3 immer postmoderner, melancholisch-klüger, ambitionierter.
Abrechnung mit der DDR – und schlechtem Journalismus:
Reporterin reist nach Bitterfeld; und ist schockiert.
Dreck, Fabriken, Vertuschung: Wie berichten?
Marons Debüt: komplex, autobiografisch, relevant.
Ein „Unrechtstaat“ zeigt sich im großen Horror – und in den täglichen Widersprüchen, Ängsten, Machtstrukturen. Marons Roman bleibt Alltag: leise, klein – und dennoch: unerträglich beklemmend.
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verschroben, humorvoll, klug, überraschend:
sehr „Gilmore Girls“ (hey, Chick-Lit-Fans!)
sehr „Infinite Jest“ (hey, Schnösel & Nerds!)
Unterhaltung – auf hohem Niveau, leicht lesbar.
Die brillante Frau eines Microsoft-Managers bringt ihre hochbegabte Tochter in Gefahr, als sie wichtige Mutti-Jobs nach Indien outsourct, an eine Assistentin. Schenkt das hier… ALLEN! Wild, smart, toll.
Nur selten Graphic Novels gelesen? Idealer Einstieg:
Simple Tuschezeichnungen, klarer Plot,
aber packend und relevant.
Auch toll als Schullektüre oder fürs alte FAZ-Publikum.
Samia Jusuf Omar vertrat 2008 Somalia als 100-Meter-Sprinterin in Peking. Sie wird Letzte – doch will danach von Afrika nach Europa, illegal, übers Meer. Portrait/Biografie über Flucht & Chancengleichheit.
Vierköpfige Wiener Familie im Tsunami 2004:
Josef Haslinger, Leiter der Schreibschule Leipzig,
erlebt im Thailand-Urlaub die Flutkatastrophe
und hält alle Details fest, nüchtern, packend.
Distanzierte, recht ignorante reiche Feriengäste… plötzlich ausgeliefert, überfordert, traumatisiert. Sachlich-schlicht, aber nah und sehr persönlich zeigt H., was diese Tage aus Ort & Leuten machten.
Miriam Toews‘ Vater beging Selbstmord.
Toews schreibt süßliche, nicht-sehr-kluge Schmöker:
Mainstream-Humor, „verrückte“ Mennoniten,
Oft brav-kanadisch-abgeschmackt und bieder.
Hier aber, in der Erinnerung an ihren gläubigen, manisch-depressiven Vater, gelingt die Balance: Gefühl und Witz, Existenzielles und Dorf-Schrullen. Die Autorin macht mir kaum Respekt. Das Buch sehr.
jüdisch-deutsche Ex-DDR-Autorin, bis heute toll:
Honigmann schreibt meist autobiografisch,
manchmal zu vorsichtig, bürgerlich, verhuscht,
doch hier: nah, packend, selbstkritisch.
Eine junge Berliner Dramaturgin arbeitet an einem Provinztheater, verheddert sich in einer Affäre und im DDR-Apparat. Brief-, Künstler-, Liebesroman, authentisch, traurig, intelligent!
Asylrecht, Flucht, Ausgrenzung, Behörden-Irrsinn:
Erpenbeck erzählt so kunstlos-sachlich,
meist klingt dieser Roman nur nach Report/Bericht.
Ein etwas steifes, didaktisches Buch.
Aber: NIE habe ich schneller mehr gelernt über Geflüchtete in Deutschland. Im Ruhestand will ein Professor spontan helfen. Sein ignoranter, naiver Blick kommt schnell ins Wanken. Must-Read 2015!
New York 1945, Bürohengste wie aus „Mad Men“:
Mit seiner neuen Brille wirkt Spießer Newman plötzlich „irgendwie jüdisch“.
Er verliert Ansehen, Job, Respekt aller Nachbarn.
Ein Kleingeist und Rassist als Opfer von Rassismus: Das könnte Satire, platte Parabel bleiben. Doch es wird sehr schnell überraschend komplex, rasant, psychologisch, hässlich. Packend und aktuell!
Horror, Abenteuer, Herz: meine Lieblings-Comicreihe
6 Bände lang zeigt Joe Hill, Stephen Kings Sohn,
drei Geschwister in einem Spukhaus
voller magischer Schlüssel:
„The Shining“ trifft „Harry Potter“ trifft „Maniac Mansion“: Intelligenter, raffinierter, warmherziger Grusel mit tollen Zeichnungen, Figuren, Twists: 800+ Seiten wie aus einem Guss. Moderner Klassiker!
Survival-Thriller – oder feministische Sinnsuche?
Eine Biowaffe. Eine unsichtbare Barriere.
Und eine Frau, allein in den Bergen:
Als einzige Überlebende, isoliert auf Alm und Hütte.
Ich stellte mir diesen Klassiker viel softer, blumiger vor: Natur, Katze, Menopause. Eine österreichische Robinsonade. Doch „Die Wand“ ist so beklemmend, hart wie McCarthys „Straße“. Atemberaubend!
sperrig, dunkel, brutal, bitter, schwer:
Liane Dirks erzählt die Lebensgeschichte
ihres monströsen Vaters.
Ein Koch aus Hamburg, der sie missbrauchte.
Schnöselige Drogisten in den 1930ern. Ein junger Koch in Russland, später dann auf Schiffen in der ganzen Welt. Grandios literarische Zeitgeschichte – und Psychogramm dreier Generationen. Hart.
nur online lesbar, als Fan-Übersetzung auf Englisch:
Japan, Ende der 60er, Provinz:
Eine Jazzband. Ein neuer Schüler (Streber).
Und zwei Kindheitsfreunde: Raufbold und Mädchen.
Den Film sah ich nie. Die Romanvorlage? Großartig!
Nach der High School muss Gilbert bleiben:
Der Vater ist tot, ein Bruder behindert,
die Mutter depressiv.
Keine Komödie. Aber auch kein Pathos, Selbstmitleid: Geschwister, gestrandet in der Provinz, wütend, ratlos, hungrig, lebendig. Gute Übersetzung – aber gerade vergriffen. Fantastisch… empathisch!
Bosnische Frauen im Krieg… und danach:
Ein schlichtes, kluges, alptraumhaftes Buch
über die Psychologie des Krieges
und sexuelle Gewalt.
Die ersten und die letzten 10 Seiten: Klischee und Kitsch. Dazwischen aber: Ein Text, der mich seit Monaten nicht loslässt. Einfache Sprache, brillante Gedanken. Pogrome, Lager, Asyl. Kontrollverlust.
Reportage von 1965: erster großer „True Crime“-Text
Zwei junge Männer überfallen eine Farm in Kansas
und ermorden die komplette Familie.
Capote recherchiert, interviewt, rekonstruiert.
Vielleicht ist vieles hier gebogen, dramatisiert – doch erstmal lese ich, atemlos: Kein schauerlicher Real-Life-Krimi. Sondern Milieus, Figuren, ein Land, toll erfasst. Ein Buch, das nachwirkt. Große Kunst!
Trisomie 21 aus Sicht eines Vaters:
Autobiografische Graphic Novel aus Frankreich,
persönlich, nah, sympathisch, schlicht.
Gute Einführung in Comics – und Behinderung.
Ich finde besser, wenn Behinderte sprechen – statt immer nur Eltern ÜBER sie. Und: Viele Comics sind komplexer, literarischer. Aber: Alles hier ist so herzig, einladend, einfach – als Einstieg erstmal toll.
dt.: „100 Jahre Freiheit ohne Gleichberechtigung“
James Baldwins politisches Manifest von 1963.
Leidenschaftlich, kurz, komplex. Bis heute relevant.
Schwarze in Amerika: Scham & Unterwerfung.
Wäre das ein Online-Text 2015 – er ginge sofort viral: Aufstiegschancen und Polizeitgewalt, Angst und Bildung, Identity Politics und Akitivsmus: die heute noch großen Themen, klug & klar verhandelt.
Sieht aus wie ein billiger Scherz…?
„Peanuts“: Grundschule. „Archie“: High School.
Der harmlos-biedere Cartoon-Klassiker seit 1941
…als blutiger Zombie- und Survival-Horror?
Die braven US-Kinderfiguren neu erzählt – viel literarischer, psychologischer… und auf der Flucht vor Zombies. Erst dachte ich: Pubertäre Parodie? Aber: Nein! Spektakulär atmosphärisch. Gruselig klug.
Ich arbeite oft zwei, drei Tage lang an den Buch-, Film-, Comic-Kritiken für Zeitungen. Ich schreibe langsam, formuliere genau. „Star Wars: Episode VII – Das Erwachen der Macht“ sah ich mir vorhin in der Mitternachts-Premiere an, recht spontan. Bevor ich schlafe, sammle ich 100 schnelle Gedanken, Kritikpunkte, Einwürfe und Ideen. Kein großer Text. Sondern Aspekte, die ich festhalten und über die ich ins Gespräch kommen will, falls jemand fragt: „Und? Hat es dir gefallen?“
Mir hat der Film sehr gefallen.
Ich bin überrascht, wie viel Spaß ich hatte – und wie zufrieden mich das machte.
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01_Sehen oder nicht? Sehen!
02_In einem Satz: Mitreißend, liebevoll, zeitgemäß – ein schneller, übersichtlicher, einsteigerfreundlicher Abenteuerfilm mit tollen Darstellern, aber eher fadem, verflachten Kosmos.
03_Das größte Problem: Es geht um nichts (Größeres, thematisch). Dem Universum wird nichts Neues hinzugefügt – nur alte Rollen, Stationen, Konflikte neu verteilt und durchgespielt. Vieles wirkt unlogisch, lustlos zurecht gebogen, aufgegossen: Noch nie hat mich diese Erzählwelt weniger überzeugt.
04_Vorher die alten Teile sehen? Nicht nötig. Fast alles, was passiert, erklärt sich im Lauf und Kontext des Films. Aber: Es macht sicher Spaß, vorbereitend noch einmal Episode IV zu sehen – weil vieles aus diesem ersten Teil von 1977 im neuen Film gesteigert, gespiegelt, zitiert wird.
05_Ein Film für Kinder? Nein. Aber mit 11, 12 hätte ich mich in Hauptfigur Rey verliebt, alle Konflikte sehr tragisch und tiefgehend empfunden, den Film GELIEBT. Erwachsener als Episode I oder IV. Einige düstere Momente. Aber nicht übertrieben dunkel oder brutal.
06_Nichts, das ich gerade sah, habe ich durch Episode I, II oder III besser verstanden. Die Prequel-Trilogie scheint mir nicht explizit ausgeklammert oder totgeschwiegen – aber fürs Verständnis von Episode VII recht egal. Jemand sagt kurz „Sith“. Doch das ist die einzige Stelle im Film, an der ich dachte: „Okay. Die Autoren haben über Episode I bis III nachgedacht, beim Schreiben.“
07_Ich fand auch keine Shout-Outs und Zitate zu „Star Wars: Rebels“, „Star Wars: The Clone Wars“ oder den Expanded-Universe-Comics und -Romanen [sehr viel gelesen, für Deutschlandradio Kultur. Empfehlungen hier im Link]. An einer Stelle im Film sind einige Flaggen zu sehen, deren Symbole Fans wiedererkennen können. Aber es hat keinen Einfluss auf die Handlung.
09_4 von 5 Sternen. Klare Empfehlung. Ab ca. 20 Minuten nach Beginn dachte ich sehr lange sogar: 5 Sterne.
10_Warum keine 5 Sterne? Weil Episode VII nichts Größeres erzählt über das Menschsein oder die Star-Wars-Welt, kein besonderes, eigenes Thema sucht, keine sehr pointierte oder interessante Aussage, nichts Persönliches. Look, Inszenierung, Darsteller? Alles mit starker, überzeugender Handschrift. Drehbuch? Souverän – aber nichts Besonderes. Kein Film, der das Jahr 2015 definiert. Oder irgendwas verändert..
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ab hier: Spoiler. Details aus der Handlung.
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11_War Wehleidigkeit schon immer die erste, größte (…einzig überhaupt erkennbare?) Charaktereigenschaft von Chewbacca?
12_Warum klopfte sich Kylo Ren im letzten Kampf im Wald immer wieder nervös an die Flanke/Seite? [Edit: Weil Chewbacca ihn dort angeschossen/getroffen hat, sagen Freunde.]
13_Zitiert Reys erste Szene den Anfang von „Nausicaä aus dem Tal der Winde“? Großartiger Film – und die selbe Stimmung. Junge Frau, allein beim Sammeln und Entdecken. Mir tat leid, dass Rey mühsam auf einem Stück Blech die Düne herabrutschen musste… während Nausicaä auf ihrem Lenkdrachen nach Hause fliegt.
14_Die andere Zeichentrick-Szene, an die ich denken musste: In der vielleicht spannendsten/besten Episode von „Avatar: Herr der Elemente“ brechen die Helden in einen riesigen Bohrer ein, der eine Festungsmauer zerstören soll… und wollen die Riesen-Maschine an ihren Schwachpunkten sabotieren. Stimmung und Taktik im Episode VII-Finale (Sprengladungen an taktisch klugen Stellen, bevor der Starkiller aufgeladen ist und feuern kann) waren die selben – nur war die „Avatar“-Episode dramatischer. (Schade!)
15_Von hinten (!) sieht Reys Kostüm aus wie die Vorderseite der Roben, die Luke, Obi-Wan und Qui-Gon trugen.
16_Nach einer Weile merkt man, dass Rey – wie viele bisher wichtige Frauen in ‚Star Wars‘ – eine recht exzentrische Frisur trägt: drei Haarknoten, den Hinterkopf hinab. Ich brauchte mehr als eine Stunde, um zu merken, wie viel Mühe in ihrem Kostüm/Charakterdesign steckt.
17_Das ist der „Star Wars“-Film mit den bisher dreckigsten Schiffen, Bars, Gebrauchsgegenständen. Sogar Kylo Rens Maske ist ungepflegt/beschädigt.
18_Die Farben und Farbstimmungen sind naturalistischer als in Episode I bis III – aber ich bin überrascht, WIE stilisiert die jeweiligen Wüsten-, Wald-, Schnee-Planeten trotzdem bleiben: Ich glaube, man könnte die Stimmung des kompletten Films nachzeichnen, indem man einfach 10 mal zwei dominante Farben/Farbkombis sammelt. Besonders die hellblauen und lila-roten Lichter im Starkiller, passend zum roten und zum blauen Lichtschwert später im Wald. An vielen Stellen war mir das farblich zu stimmig/künstlich/durchgestylt.
19_Ich musste lachen, als ich auf IMDb las: „In summer 2013, it was revealed both Carrie Fisher and Mark Hamill had begun a vigorous regimen of diet, exercise and stunt training to prepare for their roles of Leia and Luke.“ An KEINER Stelle tun die beiden irgend etwas, für das man ein Stunt-Training bräuchte.
20_Mich freut, wie wichtig Han Solo den ganzen Film über bleibt: Als ich hörte, dass Harrison Ford wenig Lust auf die Rolle hatte, rechnete ich mit drei, vier nostalgisch-knappen Szenen. Auch sein „Chewie: We’re home“ im Trailer kam mir müde vor. Tatsächlich ist Han unbedingt eine Hauptfigur – nach Rey und Finn, vor Kylo Ren und dem (viel zu präsenten) BB-8.
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21_Fast jedes Marvel-“Star Wars“-Comic, das ich seit Sommer las, begann mit einer Zusammenfassung im „Opening Crawl“-Stil. Und beinahe jedes Mal waren die ersten Worte nach „A long, long time ago“ wie in Episode IV „It is a period of“ [„renewed hope“/“fear“/“chances“ usw.] Alle sieben Filme beginnen mit unterschiedlichen ersten Sätzen – doch im Nachhinein überrascht mich, dass sich Episode VII dauernd an Episode IV orientiert… aber nicht mit „It is a period of“ beginnt… während die Comics, die oft nur zeitlich, aber nicht inhaltlich besonders nah an Episode IV liegen, den Satz beinahe JEDES Mal zitieren/aufgreifen.
22_Raumschiffe und Fahrzeuge, die mir gefielen: Reys primitiver Schwebe-Traktor. Das mechanische Nashorn-Gefährt des Java-ähnlichen Wesens, das BB-8 zerlegen wollte. Die toll klaustrophobischen, schön ausgeleuchteten Schleusen, Gänge, Crawlspaces in u.a. Hans neuem Frachter. Auch Sternzerstörer-Innendesign gefällt mir fast immer – besonders über mehrere Etagen/Ebenen hinweg.
23_Der neue Sternzerstörer kam mir ungelenk, vollgestopft und wie eine sehr kipp-gefährdete, überladene Torte vor. Die Starkiller-Base war (von außen und als Idee) drittklassig, langweilig, banal. Zu Tie-Fightern, X-Wings usw. habe ich kein besonderes Verhältnis. Die neuen Stormtrooper-Helme erinnern mich an Donald Ducks Schnabel. Die „Flametrooper“, neuen „Snowtrooper“ usw. schienen nur im Film, um weiteres Merchandise zu verkaufen.
24_In der Eröffnungsszene sind im Dunkeln Hühner oder sehr kleines Zuchtvieh zu sehen, zwischen den Hütten auf Jakku. Doch als die Stormtrooper angreifen, tauchen sie nicht mehr auf: Tiere/Creatures fielen mir sonst an keiner Stelle positiv auf (der Geier war besonders lustlos; auch das Tier, das zusammen mit Finn trinkt, wirkte unfertig).
25_Es gibt zwei Stellen, an denen wir viel zu schnell zu viele neue Aliens/Kreaturen sehen: Die Holo-Schachfiguren im Millennium Falcon (reale Wesen oder sowas wie bei uns Orks, Trolle usw.?) und die Besucher von Maz Kanatas Bar. Ich habe mich daran gewöhnt, dass in „Star Wars“ sehr naturalistische Aliens neben Muppets im B-Movie-Look stehen – und habe mit diesen B-Movie-Designs keine Probleme. Doch ich glaube, es ist keine Lösung, alle Trash-Figuren auf einem Haufen kurz zu zeigen – sonst aber alles immer realistischer/konventioneller zu gestalten. Den Wesen auf Han Solos Frachter z.B. hätte mehr Trash-Charme gut getan: Man stelle sich die selbe Szene z.B. mit Piranha-Tribbles vor.
26_User auf Reddit, über Kylo Rens Meister – Snoke: „That name though. Seriously? It sounds less like The Evil Overlord and more like the guy in the back alley, with a shank and a bad London accent.“ Mir sah die Figur zu Gollum- und Voldemort-haft aus. Schade, dass Sith-Sein anscheinend weiterhin bedeutet: so theatral-hässlich-kindergartenhaft-böse wie möglich aussehen zu wollen. Sind nur hässlichen Personen böse? Erkennt man das Böse immer schon am Kleidungsstil?
27_Ist Snoke tatsächlich so groß? Was, wenn er schlumpfgroß wäre – und mit dem Holo-Auftritt nur kompensiert?
28_Captain Phasma hatte eine furchtbare deutsche Synchronstimme. Keine nennenswerte Rolle. Und Fans fragen sich, ob sie tatsächlich von den Helden in die Müllpresse geworfen wurde (wie unmenschlich: Ich hoffe nicht). Da muss in Teil 8 und 9 noch mehr kommen. Mir missfällt, wie schnell schon in Teil I bis III Figuren wie Dooku, Grievous und Maul verheizt wurden. Gebt diesen Figuren Raum und Tiefe!
29_albern/schlechte Regie: Als Finn zurück in den Truppentransporter steigt und Captain Phasma – die er beim Einsteigen nicht hätte übersehen können – erst sieht, als die Kamera zu ihr schwenkt. Auf TVTropes heißt das „Behind the Black“.
30_Alle Verhör-Szenen langweilten mich. Ich frage mich, ob das erzählerisch zu verbraucht ist – oder einfach besser inszeniert/geschrieben sein müsste: Kylo und Poe, Kylo und Rey. Im Oktober erst sah ich das Finale der ersten „Star Wars: Rebels“-Staffel: Kanan wird verhört, im selben Stil. Immer die selben Bilder, Floskeln, Drohgebärden.
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31_Ich musste an vielen Stellen lachen oder mich freuen (am meisten, als Rey im Wald steht, zum ersten Mal, und sich über das viele Grün freut). Leider war ich an keiner Stelle besonders traurig, beklommen. Der meiste Humor kommt von Fin. Das freut mich: Eine Figur, die Held sein darf… doch trotzdem immer wieder trottelig, überfordert, vorschnell.
32_In der ersten Hälfte fragte ich mich, ob „Fin nimmt/wählt den falschen Gegenstand“ ein Leitmotiv wird. Aber in der zweiten Hälfte griff er dann nur noch einmal daneben – als er mit Bomben hantierte, bei Beladen der Schiffe. Ich bin gespannt, ob Episode VIII und IX noch einmal solche Finn-nimmt-das-Falsche-Momente zeigen.
33_Ich kann noch immer keinen ganzen Satz über Admiral Ackbars Charakter/Gemüt/Wesen sagen.
34_Die junge Frau mit der Prinzessin-Leia-Frisur, die während einer Besprechung schräg neben Leia stand… ist Carrie Fishers Tochter,Billie Lourd? Google, google… ja.
35_Ich bin froh, dass aus „Kylo ist Ben, Sohn von Han und Leia“ keine große Enthüllung im Finale gemacht wurde. Schade aber, dass Han und Leia nur ein Kind zu haben scheinen: Im alten Expanded Universe hatten sie Zwillinge – einen Sith-Sohn und eine Jedi-Tochter; später noch einen weiteren Jedi-Sohn, Anakin. Das Verhältnis zwischen Han, Leia und Kylo hat mich an Promi-Eltern erinnert, deren Kinder alle Möglichkeiten haben… und die ihre Eltern irgendwann hassen.
36_Insgesamt war Kylo weinerlich, abstoßend, nervig – doch das ist in Ordnung: Anakin war in Episode II und III genauso schlimm (Sith-Risikopersönlichkeiten). Mir machen solche unkontrollierten, selbstmitleidigen Jammer-Jungs viel mehr Angst als sortierte, gefasste, kontrollierte Staatsmänner und Machtmenschen. (Zwei andere Beispiele für „grotesk mächtig, grotesk verzogen“: Superboy Prime im DC-Universum bis 2011 und vielleicht der junge Lex Luthor in „Batman vs. Superman“)
37_Trotzdem stört mich, dass Adam Driver als Kylo genauso unbeholfen, aggro, spackig durchs Bild stapft wie in „Girls“. Dort nennt ihn Freund M. nur „der Affenjunge mit dem Affengesicht“. Ich stelle mir ein Kind von Han und Leia hübscher vor. Und, wichtiger: souveräner.
38_Es gab im ganzen Film keine Alien-Babes, Metallbikinis, Sklavinnen usw. Bei der Frau mit schwarzem Pony und Augen-Make-Up, die bei Maz Kanata mit einem dicken Alien auf einem Sofa loungte, dachte ich: „Na ja. Das ist die ‚Star Wars‘-Version einer typischen deutschen/Berliner Clubberin.“ Überall waren Frauen: als Pilotinnen, Soldatinnen, Händlerinnen – keine war bloßes Eye Candy. Ich mochte auch, dass bei First Order und im Widerstand in jeder Szene viele nicht-weiße Komparsen und Kleinstrollen im Bild waren.
39_Der Film hat mich in jeder Minute blendend unterhalten – aber, wie gesagt: in keiner besonders bewegt oder zum Denken gebracht. Auch, weil die Figuren nur sehr unmittelbare Probleme hatten: Sie müssen irgendwo hin reisen, in Sicherheit kommen usw. Nur an sehr wenigen Stellen hat v.a. Finn die Möglichkeit, größere Entscheidungen über seinen Platz und seine Rolle zu treffen. Besonders in Episode I bis III mussten die Figuren mehr nachdenken, entscheiden. Alles war politischer, offener, unwägbarer – die nächsten Schritte waren oft nicht klar. Episode VII handelt fast gar nicht von Weltanschauungen und der Suche nach dem eigenen Platz. Mir fehlt das sehr.
40_BB-8 als, wörtlich, “der Droide, nach dem wir suchen“? Hm. Verkrampftes, unbeholfenes Zitat.
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41_Die Flucht vor Han Solos wild kugelnden Tentakel-Tieren („Ratare“? „Rathgars“?) kam mir vor wie eine lustlose Indiana-Jones-Hommage.
42_Als vorher zwei Gangster-Gruppen Solos Frachter entern (wie eigentlich – ohne, bemerkt zu werden?), fiel mir auf, wie viele Figuren zwischen 20 und 35 viel Macht oder Verantwortung tragen. Das ist kein Vorwurf an die Autoren (Jugendwahn), sondern beschäftigt mich in-universe: Was wurde aus der Generation von Luke etc.? Im echten Leben dominieren die Baby Boomer. Bei „Star Wars“ sind die Älteren aus dem Spiel, politisch? All die Held*innen, die vor 30 Jahren das Imperium besiegten?
43_Eine Fan-Theorie zu Snoke, via Reddit: Was, wenn er nicht via Hologramm spricht – sondern aus einem Holocron? Die Aufzeichnung einer toten, vergessenen Sith-Persönlichkeit? Eine Art A.I.? Fände ich zeitgemäßer, komplexer, interessanter.
44_Die Hitler-Rede auf dem Appellplatz, der Stormtrooper-Nazi-Gruß etc. waren mir zu dick aufgetragen – vor allem, weil Episode IV 1977 Leni Riefenstahl zitierte – bei der Siegesfeier der Rebellen, nicht bei Ansprachen des Imperiums. Ich verstehe, dass Nazi-Ikonografie und Star Wars mittlerweile zusammen gehören… aber glaube, da kann man intelligentere, kompliziertere Bilder schaffen als „die Bösen sind böse wie Nazis!“
45_Poe klopfte vor allem beim Fliegen furchtbar altbackene, markige Sprüche. Die Dogfights und der Heroismus der Piloten erinnerten mich (wie fast immer bei X-Wing-Szenen) an den zweiten Weltkrieg, die Hangars der Rebellen wurden für Episode VII in England gefilmt, die Mode-Zitate bei den Flieger-Uniformen habe ich nicht erkannt… doch ich frage mich, ob Stil, Basis, Habitus, Kleidung, Werte der Rebellen dieses Mal besonders/noch stärker als sonst von der Royal Air Force inspiriert waren?
46_Mich macht müde, wie oft diese flapsig-tapfer-wackeren Pilot*innen ständig übers Flugfeld RANNTEN. In allen Außen-Szenen mit Leia hüpften hübsche, junge, mutige Menschen beherzt im Hintergrund herum wie… heroische Hündchen. Die Rebellen in z.B. Rogue One kommen mir viel müder, leiser und traumatisierter vor. Zwar liegen 40 Jahre zwischen diesen Rebellen-Gruppen. Doch Leias Leute scheinen mir, so oder so, viel zu munter.
47_Was wurde aus Maz Kanata? Ihre Statue stürzte. Sie selbst wurde vergessen, im restlichen Drehbuch?
48_Ich mag JJ Abrams nicht besonders – fand aber im Film keinen Moment, an dem sich seine Ticks und Handschrift so stark zeigten, dass ich dachte: „Abrams-Hasser halten diesen Film nicht aus!“ Das abramshafteste schien mir Reys Frisur/Haltung/Attitüde: Ich musste den ganzen Film über an Kate aus „Lost“/Evangeline Lilly denken. Im Guten!
49_Dialog auf Reddit: „I felt it was super predictable. How many times can they keep doing a bigger and better battle station?“ – „Yes but it’s powered by the SUN this time!“ – „It was nice to see the First Order going green and not relying on fossil fuels or nuclear power for their planet destroying weapons.“
50_Ich mag alle Elternfiguren aus Episode I bis VI – Lars und Beru, Anakins Mutter, Leias Adoptiveltern – doch hasse, wie schnell sie abserviert/getötet werden. Dass Rey und Finn ohne Eltern aufwachsen, heißt: Episode VII bringt keine harmlosen älteren Randfiguren um, dem Plot zuliebe. Gut! Doch es heißt auch: Rey und Finn sind zwischen 20 und 30 – haben keine Bildung, keine Social Skills, keine Erfahrung im Umgang mit Menschen. Dass sich Rey sofort Han an den Hals wirft, als Vaterfigur, macht Sinn. Dass Finn so kompetent und ohne größere Kulturschocks als Deserteur leben kann, überzeugt mich nicht. Beide sollten VIEL mehr Schwierigkeiten haben. Auch miteinander.
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51_In fünf Jahren öffne ich Jedipedia. Suche nach dem (auffälligen) Fingerring, den Leia trägt. Und finde drei bis fünf Romane und Fußnoten über seine Bedeutung und Geschichte: Das „Expanded Universe“ wird jetzt mit all diesen Figuren, Orten, neuen Details gefüttert. Ich bin gespannt, wie die Autor*innen und Redakteur*innen all solche Nebensächlichkeiten, Requisiten, Details in eigenen Geschichten weiter ausgestalten.
52_In Episode IV erwähnt Han Solo den „Kessel Run“ – ohne lange Erklärung. Auch in Episode VII wird immer wieder Vergangenes erwähnt, ohne Kontext und Details: Wer waren die vielen Zwischenbesitzer des Millennium Falcon? Woher kennen sich Maz und Han? Wer sind die „Ritter von Ren“? C-3POs roter Arm. Lukes Padawan. Reys Visionen. Vieles wird wohl in Episode VIII und IX enthüllt: wichtige Backstory. Der Rest aber ist Futter fürs Extended Universe.
53_Kylos grober schwarzer Stoff (und die idiotische Maske – ohne besondere Funktionalität, oder?). Fins Jacke und Unterwäsche. Hans Weste. Reys Leinen. Lukes Kapuze. Ich mag, wie nah die Kamera den Figuren kam. Wie körperlich, stofflich, verschwitzt, handfest gekämpft, gereist, geflüchtet wird, dieses Mal. Immer wieder forderten mich Szenen auf: „Stell dir vor, DAS ist dein Körper. Stell dir vor, DAS ist deine Kleidung.“
54_Die Lichtschwert-Kämpfe waren okay – aber keine besonderes Highlight. Ich mochte, dass Rey bei ihrer ersten Begegnung mit Kylo im Wald durch einen Hohlweg flüchtet und dann knapp zwei Meter nach oben steigt. Und bei ihrer zweiten Begegnung – anderer Planet, aber wieder Wald, ähnlicher Hohlweg – dieselben Schritte macht, bereits viel mutiger und souveräner.
55_Dass sich am Ende des Duells der Boden auftut, die Landschaft zum Jump’n’Run-Level wird, erinnerte mich ans ärgerlich schlechte, ärgerlich hanebüchene Duell zwischen Obi-Wan und Anakin in Episode III. Immer stürzt gleich ALLES ein, und alle retten sich in ALLERletzter Sekunde. Trash.
56_Episode I bis III macht auf einem kleinen Bildschirm wenig Spaß – weil die Kamera oft riesige CGI-Landschaften filmt. Gewusel, in denen ich die Helden aus dem Blick verliere. Episode VII ist sehr übersichtlich, aufgeräumt. Drei, vier Action-Szenen nahmen uns sekundenweise die Orientierung (Angriff der Stormtrooper aufs Dorf zu Beginn, Flucht des Millennium Falcon durch den Sternzerstörer, Poes Flug-Szenen), doch insgesamt kann man sich großartig in den jeweiligen Sets orientieren.
57_Weil die Kamera den Figuren viel näher kommt, entsteht Intimität.
58_Das heißt auch: Episode VII funktioniert auf kleinen Bildschirmen, beim Streamen usw. Kein Film, den man im Kino sehen muss – weil er sonst nicht wirkt. Es gibt viel zu bestaunen. Gute Tonmischung. Schöne Details. Aber Episoden I bis III auf einem Smartphone? Horror. Episode VII? Machbar!
59_Jar-Jar-Aufreger? Kinderkram? Albernheiten? Ich mochte „Wall-E“ nicht – und ärgere mich, dass BB-8 so viele Gefühle, Kitsch-Momente usw. zugestanden werden. Rührselige Roboter… das funktioniert für mich so gut wie… schmollende Laptos oder exzentrische Geldautomaten. Toll, dass Episode VII ohne Kinder auskommt. Aber müssen die Droiden behütet, bestaunt, bespaßt, bewundert werden? BB-8 als pfiffiges, doch etwas dummes Kind?
60_Kein Boba Fett. Schade. Keine Hutts. Gut! Mit beiden (und Lando) rechne ich in späteren Filmen. Irritierend an Episode VII: Jemand, der ohne Ton zuschaut oder noch keine anderen „Star Wars“-Episoden kennt, denkt sicher, Stormtrooper seien die wichtigste visuelle Konstante: Sie sind ÜBERALL. Die Kamera liebt sie, dieses Mal. Ich weiß nicht, woher diese Begeisterung/Faszination für gesichtslose und nicht-sehr-schlaue Soldaten kommt.
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61_Die Chemie zwischen Daisy Ridley und John Boyega? Immens! Ich glaube, wegen Boyega.
62_Die Chemie zwischen Jasoon Isaacs (Poe Dameron) und John Boyega? Auch immens. Huch. Ich glaube, Boyega schafft das mit jedem Szenen-Partner… außer Chewbacca. Ein schwuler Bekannter twitterte vor der Premiere, dass er Poe und Finn gern als Paar sähe. Ich dachte: „Wie albern. Unbedingt Figuren shippen – ohne, dass man ihr Verhältnis, ihre Geschichte, Hintergründe kennt?“ Jetzt, wo ich Finn und Poe zusammen sah, bin ich sicher: Das wird eine große Nummer beiFanfiction-Autor*innen. Wegen Boyegas Charme. Und, weil Poe bisher einen munter-asexuellen Royal-Air-Force-Boy spielt. Bis mindestens zur Premiere von Episode VIII sind alle vier jungen Hauptfiguren – Kylo, Rey, Finn, Poe – überraschend leicht als queer/nicht-heterosexuell lesbar, denkbar, vorstellbar.
…Edit, 19. Dezember: Der Hashtag für Poe/Finn ist #stormpilot
63_“Das, wonach es dir verlangt, liegt nicht hinter dir, sondern vor dir“. Einer der wenigen „spirituellen“ Sätze in Episode VII: Maz Kanata ist dieses Mal die einzige Figur, die mit den Helden länger über Jedi-Wissen sprechen kann. Rey sehnt sich nach ihrer Familie. Maz sagt: Du hast sie nicht verloren – du findest sie erst noch.
64_Wurde dieses Mal nur in Tunesien und Europa gefilmt? Eine irische Insel, Island oder Skandinavien, ein paar mitteleuropäische Wälder – zum ersten Mal können deutsche Kinder sagen: „Ich gehe in den Wald und spiele ‚Star Wars‘.“ Statt Endor/Ewoks dieses Mal: sehr europäische Bäume, Landschaften.
65_Städte, Metropolen, hektische Planeten spielen keine Rolle: Wir bleiben in der Provinz, im Abseits, in der Wildnis oder im Versteck – dabei aber, falls ich das richtig verstand: trotzdem eher im Zentrum der Galaxis, selten im Outer Rim. Coruscant wird nicht erwähnt.
66_In der Hyperraum springen, noch in der Atmosphäre eines Planeten? Das geht?! Das wurde noch nie gezeigt. Schnell hin und her reisen, in (deutsche Synchro:) „Lichtgeschwindigkeit“? So leicht?! Dass der Millenium Falcon zu Beginn von Episode VII flugtüchtig und vollgetankt ist, störte mich. Dass alle Parteien ohne Mühe und lange Wartezeit von Planet zu Planet hopsen – fast, als würden Schiffe gebeamt – lässt die Erzählwelt klein erscheinen. Mit drei, vier Sätzen hätte das Drehbuch helfen können. Noch nie fühlte sich Raumfahrt in „Star Wars“ so banal, prosaisch, einfach an. Und Planeten so eng. Erstmal irgendwo gelandet, scheint alles notfalls sogar zu Fuß erreichbar.
67_Die Nebenfigur, die mich am meisten störte: Snap Wexley, der dickliche X-Wing-Pilot mit Vollbart, der GENAU SO aussieht, wie sich Lucasfilm wohl jahrzehntelang die Zielgruppe vorstellte. Gemütliche, bärige Kind-Männer. Der stereotype „Star Wars“-Fan. Erst später verstand ich: Das ist Abrams‘ Kumpel Greg Grunberg – den ich aus u.a. „Felicity“ und „Lost“ (und „Heroes“) hätte erkennen können.
68_Statt Tatooine (Drehort Tunesien): Jakku (Drehort Tunesien). Statt Obi-Wan: Han Solo. Statt dem Todesstern: die Starkiller-Base. Statt der Cantina: Maz Kanatas Bar. Statt den Dschungel-Tempeln auf Yavin IV: Maz Kanatas Wald-Tempel. Statt R2s wichtigem Hologramm: BB-8s wichtiges Hologramm. Statt der Zerstörung des Todessterns via Achillesverse: Zerstörung der Starkiller-Base via Achillesverse. Und, vielleicht am lächerlichsten: In Episode IV wird Alderaan zerstört. In Episode VII 5 (!) Planeten eines Systems. Und trotzdem wirkt es lapidarer, weniger bedeutend. Overkill.
69_Ich bin nicht sicher, warum der First Order über den Angriff auf die 5 Welten spricht, als sei damit „die Republik“ vernichtet. Sitzt die Republik auf diesen fünf Welten? Haben Luke, Leia, Han diese Republik aufgebaut? Wie stehen „Widerstand“ und „Republik“ zueinander? Und: Warum ist Hans Tod eine größere Tragödie für die munteren Widerständler als das Ende von 5 (!) Welten, mit u.a. der einzigen Metropole, die man in Episode VII sah?
70_In Episode III war ich enttäuscht, weil die dramatischste und wichtigste Szene – Palpatine gibt Order 66, die Klone töten die Jedi – nur eine schnelle Montage bleibt. In Episode VII nehme ich den Starkiller nicht ernst genug – weil die 5 Welten so nebensächlich scheinen, ihre Vernichtung opernhafter Kitsch.
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71_Einer der besten (aber sehr selbstverliebt-langen) Storytelling-Essays zeigt die Ring-Dramaturgie der beiden „Star Wars“-Trilogien: Episode I bezieht sich nicht nur auf Episode IV, sondern noch viel mehr – Überraschung! – auf Episode VI. Mit Episode VII beginnt ein andere, langweiligere Struktur: Gibt es fortan „Regeln“ wie „Im ersten Teil jeder Trilogie spielt ein Wüstenplanet eine große Rolle“ oder „Ein Mentor wird getötet: die älteste Hauptfigur überlebt Teil 1 einer Trilogie auf keinen Fall“? Mir kam vieles in Episode VII zu Schema F vor: Als müsste es passieren, weil es in Episode VI und Episode I passierte.
72_Gab es einen „Han shot first“-Moment? Mir ist nichts aufgefallen.
73_Der Untertitel, „Das Erwachen der Macht“, lässt Episode VII bedeutender klingen, als sie sich anfühlt: ein wichtiger Wendepunkt für die ganze Galaxis? Bisher scheint einfach nur Rey zu merken, dass sie die Macht spüren kann („force-sensitive“ ist). Aber nun gut: In „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ kamen auch nicht sehr viele Jedi zurück.
74_Warum nicht „Die Macht erwacht“? Bäm.
75_Rey als Lukes Tochter? Eine Möglichkeit – aber nicht besonders wichtig oder spannend: Ich mag keine Fantasy-Welten, in der alle begabten Figuren aus derselben Familie stammen. Schöner, falls Rey Plebs und nur zufällig sehr machtbegabt/force-sensitive wäre.
76_Schön, wie viele Szenen im Film spannend werden, weil Figuren über etwas SPRECHEN, das nicht gezeigt wird. Ich mochte Reys Vision bei Maz Kanata – aber freute mich, dass die Gedanken-Duelle zwischen Rey und Kylo, das Gespräch zwischen Han und Kylo, Leias Erinnerungen etc. ohne Rückblenden, Montagen auskamen: Ein paar der eindrücklichsten und wichtigsten Ereignisse hat Episode VII nur in Sprache/Worten gezeigt. [Macht „Star Wars“ aber oft so.]
77_Ich sah keinen besonderen Disney-Einfluss. Ich sah auch überhaupt keinen Willen, einen neuen Stil, Tonfall für Blockbuster zu finden: Seit „Fluch der Karibik“ sind viele große Franchises flapsig, überdreht. Umgekehrt gibt es viele überraschend dunkle, blutige, raue Jungs-Franchises. Episode VII wollte „Star Wars“ im Jahr 2015 sein – nicht: den Blockbuster neu erfinden. Ich mag das – aber bin unsicher, ob Episode VII ein einflussreicher, maßgeblicher Film sein kann. Wagnisse, Experimente, eine neue Ästhethik fehlen hier.
78_Ich hatte eine Kinokarte für die Original-Verson, aber ging in den falschen Saal. Ich mochte die Syncho (während des Film fragte ich mich: Heißt es in Deutschland schon immer „Widerstand“ statt „Rebellen“? Sind „Widerstand“ und „Rebellen“ verschieden? Ja. Mehr hier.). Score/Musik waren gut, doch an keiner Stelle besonders. Das 3D unaufdringlich, souverän. Adam Driver hätte ich lieber im Original gehört, und bei Figuren wie Poe und den First-Order-Schnöseln fragte ich mich, ob sie mit britischem Akzent sprechen.
79_Trailer vor Filmbeginn: Tarantinos „Hateful Eight“, „Independence Day 2“ (furchtbares 3D) und ein sehr kurzer „Batman vs. Superman“-Trailer. Der schlimme „Star Trek: Beyond“-Trailer fehlte.
80_Werbung: keine „Star Wars“-Produkte, keine Disney-Artikel, keine Videospiele oder typische Jungs-Dinge… sondern vermutlich das, was gerade in jedem Berliner Kino vor jedem Film läuft: ein Image-Clip für BILD, Krankenkassenwerbung für die BKK (auch Homöopathie), Lays Chips, Pepsi Max, Spotifys Best-of-2015-Seite. Eine sympathische BVG-Kampagne, „Hauptstadtpoesie“. Ein beschissenreaktionärer Spreequell-Spot, „Volle Pulle Leben“. „Star Wars“-spezifisch nur eine Reisekampagne für Tunesien, #truetunisia.
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81_Im Netz wird „The First Order“ manchmal als TFO abgekürzt. „The Force Awakens“ auch. Entscheidet euch!
82_Viele (männliche?) Reddit-User sind verärgert, wie kompetent und wichtig Rey ist – auch im Vergleich zu Finn: Das Kinoplakat zeigt eine junge Frau (Rey) mit Kampfstab. Daneben, deutlich kleiner, Finn mit Lichtschwert. Ein Jedi? Nein: Die Größenverhältnisse von Rey, Finn und BB-8 entsprechen zwar ihrem tatsächlichen Raum im Film. Doch Finn ist so überfordert mit dem Lichtschwert… es wäre stimmiger/sinnvoller, Rey mit Schwert zu zeigen. Zwar nahm ich Finn durchgängig als Sympathieträger wahr. Doch Kinoplakat und Trailer haben mich nicht darauf vorbereitet, wie sehr Rey diesen Film dominiert.
83_Ein Ekel-Userkommentar auf ZEIT Online wünscht sich bei Rey, Finn und Poe die selbe Rollenverteilung wie bei Leia, Luke und Han in Episode IV. „Die Prinzessin, der Ritter und der Cowboy“. Stimmt: so simpel sah ich das noch nie! Gute Zusammenfassung von Episode IV.
84_Zu Episode VII passt es nicht: Rey und Finn sind sich sehr ähnlich – überforderte, idealistische Waisenkinder. Poe ist der 40er-Jahre-Galan, -Spion, -Kriegsheld, Jack-of-all-Trades; Han übernimmt Obi-Wans Rolle. Prinzessinnen, Damsels in Distress, Frauen, die vor allem als Love Interest funktionieren, kommen nicht mehr vor.
85_ Dass Rey so mächtig ist, störte mich nicht – denn sie selbst war davon am überraschtesten. Mir gefiel, wie überrumpelt-aber-vorsichtig sie versuchte, ihre Kräfte auszuloten. Ohne, sofort ausgiebig mit Han, Finn, Maz zu sprechen.
86_Eine Fan-Theorie: „Rey was born without a father, just like Anakin.“ Das hatte ich vergessen – und ich bin froh darum. Bitte nicht wieder dieser Messias-Mist.
87_Das letzte „Star Wars“-Musikstück, das Eindruck auf mich machte, stammt aus Episode I: Duel of the Fates. In Episode VII gab es keine Komposition von John Williams, die so prägnant war.
88_Reddit-Kommentar zur Flucht von Finn und Poe: „In their escape from the First Order, Finn unthinkingly kills more people than were even present at the village massacre. I get that the first order are the baddies but these are people he’s been living with his entire life.“ Stimmt. Ich bin kein Fan von Helden, die ihre Gegner töten. Kann aber damit leben, dass alle Star-Wars-Helden das tun: Das war schon immer so, seit 1977.
89_Die erste Trilogie hatte viele Samurai- und ZEN-Momente. Die zweite Trilogie Amidalas Kostüme. In Episode VII sah/fand ich nichts, das mich an Japan erinnerte.
90_Gerade ergoogelt/gefunden: die Berlin-Mitte-Frau aus Maz Kanatas Bar heißt Bazine Netal – und ist Kopfgeldjägerin.
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91_Meine 10 Lieblingssätze aus der – ingesamt: sehr guten – Spekulation/Zusammenfassung von „Making Star Wars“ (Link): „Poe Dameron places [Luke’s] lightsaber inside BB-8 and orders him to flee [on Jakku]“, „Finn feels ill. He takes off his helmet, and vomits“, „Rey tries to help by releasing the ship’s cargo (which appears to be livestock, potentially giant space pigs)“, „Maz Kanata is a pirate at a secret location on Yavin IV“, „VISION: There is what looks to be a Jedi Academy, and the dead bodies of padawans are on the ground. Luke Skywalker shows up, too late“, „Rey may learn that she is the lost daughter of Han Solo“, „The Resistance Base, which seems to be on the other side of Yavin IV“, „Queen Leia’s own superweapon, the Sledgehammer, is destroyed. It falls into the atmosphere of the planet and breaks apart.“
92_Ich musste lange googeln, um Foto und Name der Guavian Enforcers (Link) zu finden. Fans lieben bereits Boba Fett und die Imperial Guard. Ich bin recht sicher: Diese neuen roten Kostüme/Helme/Krieger sind im Film, damit sie Cosplayer und Rüstungs-Nerds begeistern.
93_Episode IV bis VI zeigt einen asymmetrischen Krieg: Rebellen gegen totalitäre Besatzer. Episode I bis III zeigt, wie eine Republik zerbricht – mit vielen, überraschend komplexen Parallelen zu Weimar, Reichstagsbrand und dem Ermächtigungsgesetz der Nazis. Ich war mir vor Episode VII sicher: Dieses Mal wird es um Gesellschaften gehen, die eine Besatzung hinter sich haben, mit Parallelen zu Afghanistan, Pakistan, mit Terrorzellen und religiösen Splittergruppen… eine New Republic in der Rolle Amerikas, und der First Order als IS? Episode VII ist nicht besonders militaristisch. Aber auch nicht besonders Post-Terror. Zu meiner Überraschung kein „Hier sieht man, was heutzutage mit der Welt nicht stimmt“-Film.
94_Episode VII ist der unpolitischste, naivste „Star Wars“-Teil: Ich weiß nicht, wer hier regiert, entscheidet, kämpft. Wie diese Machtstrukturen entstanden – und was Zivilisten von ihnen halten.
95_Bei aller Sympathie für Han und Leia: Was haben sie in 30 Jahren aufgebaut? Ist Leia Diplomatin? Wofür steht die New Republic/Resistance? Wie konnte SO wenig anders, besser werden in 30 Jahren? Womit habt ihr euer Leben verbracht? Der Opening Crawl hilft nicht: „With the support of the REPUBLIC, General Leia Organa leads a brave RESISTANCE.“ Was heißt das?
96_Reddit-User Demoa, unzufrieden: „I had a bit of an issue with having the Millenium Falcon randomly be on Jakku stationned right next to where they need an escape but I thought „the movie has been so good so far let’s just roll with it“. But then Han Solo shows up in the most random way possible to pick them up and then the movie completely fell apart for me. The whole Maz Kanata thing was a trainwreck too. „Hi I’m a pirate, I’m also 1000 years old, I also talk like a Jedi, but I have no powers, and by the way I have this awesome lightsaber that I got somehow.“
97_Facebook-Freund Lars Weisbrod, unzufrieden: „Wollte den neuen Star Wars sehen, aber irgendwie haben sie im Kino die Filme vertauscht und noch mal „A New Hope“ gezeigt.“
98_Oft hat ein „Star Wars“-Showdown mehrere Stränge: Episode I hatte vier, mit zu verschiedenen Stimmungen. Der Showdown von Episode VII bleibt durchgängig bei Finn-Han-Rey, springt immer nur sekundenweise zu Poe und den anderen X-Wing-Piloten. Ein großer Unterschied, dramaturgisch. Einfacher. Übersichtlicher.
99_Die grafischen Szenenwechsel, Überblendungen der ersten Trilogie machten mir keinen Spaß. In Episode I bis III wurde das weiter aufgewärmt. In Episode III zählte ich nur drei solcher Momente. Gut!
100_Ich sah Episode VII in Berlin: Kulturbrauerei im Prenzlauer Berg, Mitternachtspremiere, 3D/Deutsch. Fast alle waren 25 bis 40. Viele Zweiergruppen, Freundeskreise, immer mit Männern: Ich sah keine einzige Frau allein – und keine Frauen-/Freundinnengruppe. Knapp die Hälfte des Kinos war besetzt.
Trotzdem habe ich Probleme mit Büchern, die Menschen beim literarischen Schreiben helfen sollen:
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Creative Writing wird oft von Menschen unterrichtet, die zum therapeutischem Schreiben ermuntern: „Lass es raus! Schreib dir den Kummer von der Seele! Denk nicht an Regeln, Leser, Qualität, deinen inneren Zensor: Hauptsache, DIR geht es besser. Jedes Schreiben ist wertvoll – wenn es DIR hilft.“ . Hanns-Josef Ortheil, Leiter der Hildesheimer Schreibschule, sagt oft, Mitte der 90er Jahre fiel es schwer, einen universitären Studiengang zu etablieren – weil besonders in Deutschland statt Creative Writing vor allem therapeutische Schreiben gelehrt wurde: Selbsthilfe statt Poetik. .
Ich liebe Liane Dirks‘ Roman „Vier Arten, meinen Vater zu beerdigen“. Doch der Titel ihres Schreibratgebers, „Sich ins Leben schreiben – der Weg zur Selbstentfaltung“ stößt mich ab: Ich schreibe für Leser. Für mich ist Schreiben Kommunikation. Nicht: Arbeit an mir selbst. Meine Texte sollen Menschen erreichen. Nicht: mich selbst heilen, trösten, entfalten. .
Drei softe, herzige Bücher, die zum therapeutischen Schreiben ermuntern und die ich las, halbwegs mochte – doch die mit mir, meiner täglichen Arbeit und meinem Anspruch als Autor wenig zu tun haben: . Brenda Ueland: „If you want to write. A Book about Art, Independence and Spirit“ (1983)
Natalie Goldberg:„Writing down the Bones. Freeing the Writer within“ (1986) Sheila Bender:„A Year in the Life: Journaling for Self-Discovery“ (2000, mit 17 gelesen)
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Schreibwerkstätten und Seminare in meinem Studium fragten meist – wie ihre amerikanischen Vorbilder: Seminare, Gruppenkurse und Workshops an US-Unis in z.B. Iowa, „Was will der Text? Was ist sein Potenzial, seine Stoßrichtung, seine Form, sein Anspruch? Funktioniert er – als das, was er sein will?“ . Den guten, richtigen Text, die 25 großen Regeln… oder Verbote? Das ist zu eng, zu formelhaft gedacht: Zu viele populäre US-Autor*innen suchen eine Erfolgsformel. „Ein guter Krimi muss…“, „Am Anfang jeder Short Story soll…“ Für Genre-Texte funktioniert das meist, als Grundgerüst. Doch literarisches Schreiben setzt sich über solche Regeln oft hinweg: Gute Texte „funktionieren“, obwohl sie ganz anders erzählen, als ihr Publikum anfangs erwartet. .
Ich blättere gerne durch die großen US-Ratgeber, die viele Regeln und Verbote aufstellen. Doch sie sind 20 Jahre alt, von Männern geschrieben, die damals schon über 40 waren… und alles klingt staubig. Ich habe keinen Nerv für diese „Der Krimi-Opa hebt den Zeigefinger“-Nische: .
Sol Stein:„On Writing“ (1995) Robert McKee:„Story“ (1997) .
…aufs Drehbuch-Standardwerk „Save the Cat“ (Blake Snyder, 2005) habe ich Lust. Kritik daran hier: Slate.com [Update, 2017: gelesen! Angeberisch, aber klug.]
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Mit vielen deutschen Krimis, Filmen, Serien, mit „Cobra 11“, Sebastian Fitzek, der „Wanderhure“ kann ich nichts anfangen: Deutsche Unterhaltung fixiert sich oft besonders stark auf feste Strickmuster, starre Regeln, Zielgruppen – niemand soll irritiert oder überfordert werden. .
Ich mag Uschtrin.de (wobei: das Handbuch kostet über 50 Euro? Im Ernst?), las aber noch nie eine Ausgabe der deutschen Creative-Writing-Zeitschrift „Federwelt“… weil ich immer Angst habe, dass dort die selben Menschen, die „Soko Wismar“ und Kerstin Gier mögen, literarisches Schreiben erklären. Oft kommen mir Diskussionen in deutschen Autor*innenforen NOCH starrer und bizarr-verschulter vor als die (sehr schlechten) US-Gruppen. .
Immer wieder stellen Facebook-Hobbyschreiber und Self-Publisher Fragen wie „Ist ein Prolog erlaubt?“, und deutsche Blogs und Kommentatoren antworten „Lieber nicht! Prologe sind schlecht!“ [Der Link ist okay. Die vielen Deutschen aber, die solche Links lesen und fragen „Was ist denn jetzt die Regel? Wer nennt mir das genaue Erfolgsrezept?“ machen mich irre.] . „Du willst deine Schreibe verbessern? 10 Gebote für einen spannenden Text.“ .
Menschen, die „Schreibe“ schreiben? .
Solche Schreibe spricht mich null an.
Die ersten Kapitel habe ich als Diplomarbeit eingereicht, zusammen mit einer Poetik, in der ich meine Arbeitsschritte, Absichten, Vorbilder und Lernerfolge erkläre. Ich habe die Texte auch gebloggt, hier (Link).
Schreibratgeber lese ich phasenweise, alle paar Jahre: Um aufzutanken, mich begeistern zu lassen, Neues zu lernen fürs Schreiben und meinen Unterricht… oder, um über schlechte Texte, Ratschläge zu schimpfen.
Als Kritiker lese ich täglich Literaturkritik, Kulturjournalismus, Interviews mit Autor*innen – aber fürs eigene Erzählen sind oft besonders der TV-Journalismus und die Episoden-Kritiken wichtig, die ich beim Kaffeetrinken lese, auf tvinsider.com (Link) und bei Alan Sepinwall.
Erzähltechniken, Kniffe, Klischees, Probleme und viele Beispiele finde ich auf TVTropes.org – meiner Lieblings-Website, die ich u.a. 2009 bei ZEIT Online erklärt und empfohlen habe. Wer schreibt oder mit Figuren arbeitet, Charaktere entwickelt: Schaut euch dort um!
128 Seiten, 1992. Der erste Schreibratgeber, den ich las, mit 17, 2001: kurze, oft etwas alberne Kapitel über typische Anfängerfehler und Erzähl-Probleme. Unterhaltsam, einleuchtend, oft zu naheliegend – aber eine Lektüre, die ich nie bereute. Wäre Bickham noch am Leben, er würde heute wohl Spaß-Listen für Buzzfeed schreiben. Sein Buch „Scene and Structure“ (1993, mit Jack Heffron) habe ich letzte Woche entdeckt und angelesen. Ich werde das kaufen.
160 Seiten, 2011. Ein absurd kurzes Anfänger- und Geschenkbuch, das Menschen Mut machen will, überall nach Inspiration zu suchen. Alles auf den Kopf zu stellen. Neu zu denken, zu remixen. Die Seiten – weißer Text auf schwarzem Grund – haben oft (recht konventionelle, müde) Diagramme und Banderolen… als hätte ein Starbucks-Mitarbeiter harmlose Weisheiten auf die Tafel gemalt. Das Buch selbst könnte bei Starbucks an der Kasse liegen. Als Mitbringsel. Sympathisch. Aber nur ein Anfang.
200 Seiten, 1987. Grundlagen und Anfänger-Regeln, besonders für Krimi- und Genre-Autor*innen interessant. Ich las das Buch im Studium, 2006 – und wurde gut unterhalten. Nicht sehr tiefgehend oder anspruchsvoll. Aber eine Alternative zu McKee und Stein. Macht Mut. Macht Spaß. Nur glaube ich nicht, dass Menschen, die von Freys Hinweisen noch beeindruckt oder überrascht sind, schon für einen Roman bereit sein wären. Jeder aber, der sich tatsächlich schon Romane zutrauen kann, liest hier kaum Neues.
287 Seiten, 2008. Schwungvoll, knapp, präzise, unterhaltsam: ein Drehbuch-Ratgeber, der hilfreich war, als ich meinen Roman plottete. Das Buch, das ich Hildesheim-Freund*innen – also Menschen, die bereits drei, vier Jahre Schreiberfahrung haben – am ehesten schenken würde. Keine Offenbarung. Aber der stimmigste Ratgeber, den ich kenne.
272 Seiten, 2006. Eine Offenbarung! McCloud schrieb/zeichnete 1993 einen recht akademischen, steifen Comic über Comics als Kunstform, „Comics richtig lesen“. Das war in Ordnung – aber sehr apologetisch: Comic-Nichtleser wurden an die Kunstform herangeführt, langsam und recht spröde. „Making Comics“ ist eine Fortsetzung – und ein Ratgeber, der die Praxis der Erzählens in Text und Bildern erklärt. Auch, wenn man nur schreibt (statt zu zeichnen): ein herrliches, super-aufschlussreiches Buch mit vielen sehr tiefgründigen Wahrnehmungs- und Poetik-Modellen. In keinem anderen Titel lernte ich mehr für mein eigenes Schreiben/Erzählen.
144 Seiten, 2002. 204 Seiten, 1927. 224 Seiten, 1984. Drei ältere, gesetzte Autoren sprechen über das literarische Erzählen: Gardner ist noch am ehesten Ratgeber, Forster eher Uni-Dozent… doch alle drei Titel las ich mit Freude und Gewinn. Eine Fülle von Beobachtungen, Haltungen, literarischen Urteilen, Anekdoten und Verknüpfungen – alles sehr klassisch und bildungsbürgerlich. Aber mit viel Esprit. Kluge Männer reden rum. (Im selben Stil, aber schlechter, weil selbstverliebter: James Woods recht konventionelle Essay-Sammlung „How Fiction works“. Unterhaltsam – aber als Ratgeber überhaupt nicht geeignet.)
288 Seiten, 2008. In fast allen Uni-Seminaren, die ich bei Hanns-Josef Ortheil hatte, riet er zur kleinen Form: Anfänger sollen notieren. Genau hinschauen. Spazieren gehen. Riechen. Schmecken. Lauschen. Nach fünf Jahren las ich dieses – handfeste, praktische, selbstbewusste – Buch über die Arbeit an Romanen… und dachte „Ja! Auf DIESEM Niveau will ich lernen! Mehr davon.“ Ein Makro-Blick, der mir mehr entspricht und aus dem ich viel mehr lerne und begreife. Hier geht es ums Große – plausibel und überzeugend.
237 Seiten, 1994: Blubbernd-persönliches Gute-Laune-Buch („Memoir“ wäre zu viel gesagt) einer älteren Autorin. Ins Deutsche übersetzt, aber vergriffen. Ich mag den Plauderton, den Optimismus und die Lebensweisheiten – doch kann nicht behaupten, viel gelernt zu haben. Ein amüsantes Zwischendurch-Buch einer sympathischen, aber nicht besonders geistreichen lustigen Tante. Ich würde mit Lamott in den Urlaub fahren. Einen Workshop würde ich nicht besuchen.
200 Seiten, 2010. Roentgen ist ein beliebter deutscher Ratgeber-Autor. Ich mag, dass er präzise und hart urteilt – und weniger oberlehrerhaft formuliert als viele andere deutsche Schreib-Coaches. Der Exposé-Ratgeber ist anschaulich, sympathisch, aber sehr kurz und nicht besonders verkopft oder literarisch. Ein Exposé für „Zimmer voller Freunde“, mit dem ich zufrieden bin, habe ich immer noch nicht – stattdessen verlinke ich meist ein Exposé in Fotos/Bildern (Link).
20 Bände mit je 208 Seiten, 2009 bis 2013. Ein Manga über zwei Teenager, die hauptberuflich und möglichst erfolgreich Mangas für junge Männer schreiben und zeichnen wollen. Der erste Band wirkt hölzern, fadenscheinig – und als Erzählung hat „Bakuman“ Probleme: flache Frauenfiguren, endlose Dialoge, wenig psychologischer Tiefgang.
Die meiste Zeit sprechen Zeichner, Autoren, Redakteure, Konkurrenten und Kritiker über Für und Wider verschiedener Arbeits- und Erzählmethoden. Alles wird diskutiert – klug, kleinteilig, überraschend mitreißend. Eine Buchreihe, die ich am liebsten in der Hildesheimer Institutsbibliothek sähe (im Ernst) und die über alle Aspekte des Schreibens (vor allem für Genre-Autor*innen) immer neue Fragen, Aspekte erklärt, abwägt, diskutiert, veranschaulicht.
Wirklich: Die beste Geschichte über Techniken und Hürden beim Schreiben, die ich kenne. 4000 Seiten Erzählen-übers-Erzählen. Empfehlung!
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Die Hildesheim-Dozentin, von der ich am meisten praktische Schreib-Impulse mitnahm und die mir am wachsten, mitreißendsten, lohnendsten schien, heißt Corinna Antelmann. Sie lebt in Linz, schreibt Romane (nur angelesen: noch keine Empfehlung), Essays und macht Drehbuch- und Storytelling-Beratungen. 2008 erklärte sie in einem Blockseminar die Grundlagen der Drehbuch-Dramaturgie: Dreiaktstruktur, Wants und Needs, Wendepunkte, Themes.
Auch Roland Koch, einen unaufgeregten, sehr respektvollen Schriftsteller, kann ich als Dozent empfehlen.
Hanns-Josef Ortheil hat 2015 ein neues autobiografisches Buch veröffentlicht über die Schreibübungen, die er im Grundschulalter unter Anleitung seines Vaters machte, um aus der Sprachlosigkeit zu kommen: „Der Stift und das Papier: Roman einer Passion“ (384 Seiten, Luchterhand 2015).
Wieder geht es ums genaue Hinsehen, Lauschen, Notieren, Üben. Ich las die ersten 50 Seiten, kann den Titel zwar generell empfehlen – aber bin im eigenen Roman mit ganz anderen Fragen, Techniken beschäftigt. Flanieren. Fingerübungen. Naturbeobachtungen: Das ist kein kein Modus, in dem ich gehe, lese, denke. So lange so ruhig hinsehen müssen, auf Gegenstände, Oberflächen, Landschaften, Tiere: Mich macht das erst ungeduldig. Dann wütend.
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Seit Oktober habe ich 150 Schreibratgeber angelesen, sortiert und vorgemerkt.
sachlich, breites Themenfeld, nicht zu euphorisch-amerikanisch: schöne erste Orientierung
„You need tools, not rules. 50 tools that will help any writer become more fluent and effective and more than 200 examples from literature and journalism. For students, aspiring novelists, and writers of memos, e-mails, PowerPoint presentations, and love letters.“ [Klappentext, gekürzt]
sympathische Young-Adult-Autorin will Menschen Mut machen – könnte zu bieder/harmlos sein.
Update, 2017: wirklich eher für Kinder und Hobby-Autor*innen. Pädagogisch, einladend, liebenswert… doch für mich zu soft, lieb, „alles ist erlaubt!“
„With humor, honesty, and wisdom, Gail Carson Levine shows you that you, too, can get terrific ideas for stories, invent great beginnings and endings, write sparkling dialogue, develop memorable characters. Writing exercises that will set your imagination on fire.“ [Klappentext, gekürzt]
Standardwerk, das US-Grammatik und allererste Grundlagen erklärt – muss ich unbedingt endlich lesen!
„The most widely read and employed English style manual, used by individual writers as well as high school and college students of writing. It has conveyed the principles of English style to millions of readers. If you have any young friends who aspire to become writers, the second greatest favor you can do them is to present them with copies of „The Elements of Style.“ The first greatest, of course, is to shoot them now, while they’re happy. – Dorothy Parker“ [Klappentext, gekürzt]
originelle (manchmal aber: alberne, selbstverliebte) Aufgaben und Writing Prompts.
„Open the book, select an exercise, and give it a try. More than 200 intriguing writing exercises designed to help you think, write, and revise like never before.“ [Klappentext, gekürzt]
viele Warnungen, viele Ermutigungen: sympathische… Ansprache einer Lektorin.
„Categorizing writers within personality types–the natural (who appears to do it effortlessly); the wicked child (with an axe to grind); the flasher (who loves to dazzle)–veteran editor and publishing insider Betsy Lerner helps readers to better understand their relationship to writing. Lerner understands the anxieties and concerns of writers who are just getting started.“ [Klappentext, gekürzt]
Update, 2017: Sieht ramschig aus – aber ist sehr präzise, anschaulich, sympathisch.
der beste Schreibratgeber, den ich kenne.
„A complete guide to writing and selling your novel. Aim high. Discover what every reader desperately wants from a story; home in on a marketable category; learn the self-management methods of professional writers. Create believable, unpredictable characters; build a strong plot with all six layers of complexity of a modern novel. Write a query letter, a synopsis, and a proposal; pitch your work to agents and editors without fear.“ [Klappentext, gekürzt]
Lyrik: komplexes, aber spannendes und verständliches Register über Techniken und Traditionen.
„A compilation of forms, devices, groups, movements, isms, aesthetics, rhetorical terms, and folklore: Hirsch has delved deeply into the poetic traditions of the world, returning with an inclusive, international compendium. From the bards of ancient Greece to the revolutionaries of Latin America, from small formal elements to large mysteries.“ [Klappentext, gekürzt]
vielleicht zu anekdotisch, kuschelig: ein Mutmach-Buch für Autor*innen, denen die Puste ausgeht.
Update, 2017: munter, aber eher Plauder-Essay als Ratgeber. Wenig Substanz.
„I have to talk myself into bravery with every sentence, sometimes every syllable. – Cynthia Ozick. Anxiety is felt by writers at every level and can be harnessed to produce honest and disciplined work. Including comments of Pat Conroy, Amy Tan, Rita Dove, Isabel Allende, and others on how they transcended their own anxieties.“ [Klappentext, gekürzt]
Literaturwissenschaften: Welche Schwierigkeiten hatten berühmte Autor*innen? Welche Rahmenbedingungen fördern – oder ersticken – literarisches Arbeiten?
„Silences single-handedly revolutionized the literary canon. Olsen broke open the study of literature and discovered a lost continent—the writing of women and working-class people. From the excavated testimony of authors’ letters and diaries we learn the many ways the creative spirit, especially in those disadvantaged by gender, class and race, can be silenced. Olsen recounts the torments of Melville, the crushing weight of criticism on Thomas Hardy, the shame that brought Willa Cather to a dead halt, and struggles of Virginia Woolf.“ [Klappentext, gekürzt]
Tipp aus dem Autorenwelt-Forum: Eine sympathische Mutter (und, zwischenzeitlich: Sozialhilfeempfängerin) hat Probleme mit Verlagen… aber kriegt die Kurve. Einfach – aber spannend.
„Welche Erfahrungen macht eine, die losschreibt, um Schriftstellerin zu werden – mit viel Naivität und großer Leidenschaft. Rückschläge waren vorprogrammiert. Carla Berning berichtet von ihren Erfahrungen auf dem Weg zur Veröffentlichung. Ein Ratgeber, charmant und locker – ohne Ernsthaftigkeit vermissen zu lassen.“ [Klappentext, gekürzt]
„Terézia Moras Frankfurter Poetik-Vorlesungen: Als Autorin fühlt sich Mora von jeher in eine Welt von Störungen und Irritationen ausgesetzt, der sie sich erwehren muss, die aber auch zu Antriebskräften ihres Schreibens werden. Indem sie dem existentiellen Ursprung, Bedingungen und Grundlagen ihres Schreibens nachgeht, ist ihr neues Buch auch ein Nachdenken über die autobiographischen Hintergründe ihrer Entwicklung als Autorin.“ [(schlechter, viel zu kitschig-umständlich-verquaster) Klappentext, gekürzt]
„The techniques of the Gotham Writers‘ Workshop: Fundamental elements of fiction craft – character, plot, point of view, etc. – explained clearly and completely. Key concepts illustrated with passages from great works of fiction. Exercises. You will be a writer.“ [schlimmer Klappentext, gekürzt]
Ich bin ein großer Fan von Outlines und Struktur – aber skeptisch, weil das Buch nur 180 Seiten lang ist.
„Writers often look upon outlines with fear and trembling. But when properly understood, the outline is one of the most powerful weapons in a writer’s arsenal. This book will: Guide you in brainstorming plot ideas. Show you how to structure your scenes. Prevent dead-end ideas. Plus: important tips on plot, structure, and character.“ [Klappentext, gekürzt]
Regelpoetik… Bestseller-Formel… „foolproof blueprint“… dann lass mal hören: Ich bin gespannt!
Update, 2017: kompetent, aber zu verplaudert. Ich wünschte, es wäre dichter, präziser, kühler.
„This is the ultimate guide for you to write page-turners that sell! When it comes to writing bestsellers, it’s all about the plot. Trouble is, plot is where most writers fall down. With this book, you’ll learn how to create stories that build suspense, reveal character, and engage readers–one scene at a time. A plotting system that’s as innovative as it is easy to implement. A foolproof blueprint to devise a successful storyline for any genre.“ [Klappentext, gekürzt]
2002 las ich „Freistil“ von Dagmar Benke: ein trockenes, recht flaches Buch über Filme mit ungewöhnlichen Plot-Strukturen. Steven James behandelt das selbe Thema – besser, hoffentlich.
„All too often, following the „rules“ of writing can constrict rather than inspire you. You can shed those rules – about three-act structure, rising action, outlining, and more – to craft your most powerful, emotional, and gripping stories. When you focus on what lies at the heart of story – tension, desire, crisis, escalation, struggle, discovery – rather than plot templates and formulas, you’ll begin to break out of the box.“ [Klappentext, gekürzt]
ein Hollywood-Hype-Titel mit sehr guten Kritiken: Ich bin neugierig.
„Acclaimed by successful screenwriters and authors, Invisible Ink is a helpful guide to the essential elements of the best storytelling. When people think of a screenplay, they usually think about dialogue-the „visible ink“. But a successful screenplay needs Invisible Ink as well, the craft below the surface of words. You will learn techniques for building a compelling story around a theme.“ [Klappentext, gekürzt]
„How have the great works of cinema history used the principles of myth to create stories which are dramatic, entertaining, and psychologically true? Hitchcock to Lucas, Spielberg and Tarantino have used mythic structure to create powerful stories. The book also offers step-by-step guidelines designed to help readers to incorporate effective plot structure and characterization in their own writing. This edition has been updated to include analysis of „Titanic“, „The Lion King“, „Pulp Fiction“ and „The Full Monty“.“ [Klappentext, gekürzt]
Über Plot wird viel geredet – über einzelne Szenen nicht. Der Titel auf dieser Liste, den ich am dringendsten lesen will:
„This book teaches you how to write strong, layered, and engaging scenes–the secret to memorable, page-turning plots. It’s filled with practical tools for building layers and nuance into your scenes, employing the right scene types at the right junctures, and developing a profound understanding of how plot and scene intertwine. Inside you’ll learn: How scenes are comprised of three key layers: action, emotion, and theme. How to recognize each layer and weave them seamlessly into a scene.How to develop an intricate relationship between the action and emotion in every scene. How thematic imagery embedded in scenes increases a story’s tension and contributes to the story’s meaning. Using contemporary examples from a variety of genres, „Writing Deep Scenes“ provides an effective method for plotting at the scene level. Use these techniques and enrich your fiction and memoirs with page-turning suspense and pathos, and explore new depths in every story you write.“ [toller Klappentext, kaum gekürzt]
„Emotional impact shouldn’t be dropped into your novel as an afterthought or forced upon your story with a pair of pliers and an iron grip. It should be carefully sewn into the fabric of the story. You’ll learn how to layer emotional moments and create a tapestry filled with conflict, pathos, and genuine feeling. Your ultimate goal is to make readers smile, weep, rage, and laugh right along with your characters.“ [Klappentext, gekürzt]
Standardwerk/modernere Alternative zu Robert McKee und Sol Stein.
Update, 2017: Fachkundiges Buch – das ich nach 70 abbrach. Denn Maass benutzt SEHR abgedroschene, dümmliche, ideenlose Textbeispiele, und hält sich seitenlang mit ihnen auf. Als würde ein sehr, sehr langweiliger Mensch Szenen aus „Dr. Stefan Frank – der Arzt, dem die Frauen vertrauen“ analysieren und immer wieder rufen: „Schaut! Ist DAS nicht clever?“ Uff.
„Supercharge your story with originality and spark! Successful literary agent and author Donald Maass shows you techniques for capturing a special time and place, creating characters whose lives matter, nailing multiple-impact plot turns, making the supernatural real, infusing issues into fiction, and more. Story-enriching exercises at the end of every chapter to show you how to apply the practical tools just covered to your own work.“ [Klappentext, gekürzt]
sympathisch praktischer Ratgeber für zwei konkrete Zielgruppen
„The YA and MG book markets are healthier and more robust than ever, and that means the competition is fiercer, too. Literary agent Mary Kole teaches you how to tailor your manuscript’s tone, length, and content to your readership, avoid common mistakes and cliches that are prevalent in YA and MG fiction and develop themes and ideas in your novel that will strike emotional chords.“ [Klappentext, gekürzt]
Wieder ein Buch, bei dem ich denke „Stünde da ‚500 Seiten‘, ich hätte mehr Lust“. All diese Themen – auf 233 Seiten?
„Based on their popular workshops, Mary Buckham and Dianna Love Snell have created a novel-writing system that anyone can follow. Easy-to-understand templates that guide the new writer through building a novel and show more experienced writers how to deepen a plot and take a first draft to the next level. Inspiring authors shall struggle no more with the help of this step-by-step guide!“ [Klappentext, gekürzt]
Seit ca. 2000 weiß ich, dass es dieses Buch gibt. Statt es zu kaufen, habe ich immer wieder lange Interviews mit Freunden und Autoren geführt. Es wird Zeit, dass ich endlich reinkucke:
„Humorvoll, klug, verschmitzt, ironisch, keiner Pointe und Anekdote abhold, so präsentierte sich Alfred Hitchcock in den ausführlichen Interviews, die François Truffaut mit ihm führte und in denen er 500 Fragen beantwortete. Entstanden ist daraus das vielleicht aufschlussreichste Filmbuch überhaupt, eine Hommage an Hitchcock und an das Filmemachen.“ [Klappentext, ungekürzt]
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2005 und 2006, im Rahmen des Studiums, habe ich als Tutor das „Kulturtagebuch“-Projekt geleitet: 14 Studierende schrieben über ihr erstes Semester in Hildesheim.
Stefan Mesch schreibt über Literatur und Comics, u.a. bei ZEIT Online, Deutschlandradio Kultur, der Freitag und im Berliner Tagesspiegel. Mehr hier: Link
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20. Rasputin (USA)
Autor: Alexander Grecian, Zeichner: Riley Rossmo
Image Comics, Oktober 2014 bis November 2015.
10 Hefte in zwei Sammelbänden, abgeschlossen.
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Phil Gelatts „Petrograd“ erzählte 2011 das Mordkomplott gegen Rasputin – als melancholischen Agententhriller. Die monatliche „Rasputin“-Serie von Alex Grecian ist ähnlich atmosphärisch, politisch, blutig-existenziell.
Der Mönch und Wunderheiler, charismatisch und monströs, allein zwischen Zar und Klerus. Volk und Armee. Spionen und Revolution. Detailverliebt. Komplex. Viele Zeit-, Erzählebenen und Wendepunkte, toll inszeniert.
Ich bin nicht sicher, ob die Reihe zu früh endete: Nach fünf Heften verlässt Rasputin – unsterblich, aber gescheitert – den Palast, zusammen mit den Zarenkindern Alexei und Anastasia. Was als historisch-biografische Comic-Spielerei begann, wird zum Jahrhundert-Panorama:
Macht, Mord, Magie vom JFK-Attentat bis in die Gegenwart. Oft langsam. Manchmal träge. Und nach 10 Heften: plötzlich vorbei. Schade!
Ein Fantasy-Psychogramm: eigensinnig, gemütvoll, klug menschlich, überraschend.
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19. Alex + Ada (USA)
Autor: Jonathan Luna, Zeichnerin: Sarah Vaughn
Image Comics, November 2013 bis Juni 2015.
15 Hefte in drei Sammelbänden, abgeschlossen.
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2013, in Spike Jonzes Kinofilm „her“, verliebt sich Theodore – einsamer Hasenfuß und Angestellter – in seine digitale Assistentin, das Betriebssystem Samantha. Ein Trottel, eklig fixiert auf eine körperlose künstliche Intelligenz. Die Satire macht Spaß, bleibt aber sehr didaktisch. Ein Film wie zwei Stunden Ethik-Unterricht für Dreizehnjährige.
Auch „Alex + Ada“ zeigt einen recht unsympathischen Single: Alex’ reiche, verwitwete Großmutter hat Spaß am Leben, seit sie sich einen gehorsamen Sex-Androiden ins Haus holte. Also schenkt sie Alex ein eigenes Modell, Ada. Via illegalem Jailbreak wird aus dem Apparat eine (recht bieder-flache) Persönlichkeit: Pinocchio mit Indie-Fransenpony.
Als Liebesgeschichte: gruseliger Stuss. Als Diskussion um Menschlichkeit und Technik: sympathisch, aber zu einfach, seicht. Als creepy Psychogramm eines Verlierers, der seine Projektionsfläche missbraucht: faszinierend! Die klinisch-faden Zeichnungen passen zu den kalten Figuren. Ist das ein kluger, gut gemachter Comic? Ich zweifle.
Doch er wirft tolle Fragen auf, zu Autonomie, Narzissmus, Konsum, Sehnsucht – und Maschinen, die uns „erkennen“.
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18. Dich hatte ich mir anders vorgestellt… (Frankreich)
Autor und Zeichner: Fabien Toulmé
Deutsch bei Avant, Oktober 2015. Original: Frankreich 2014. Graphic Novel, 248 Seiten, abgeschlossen.
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Ich liebe Guy Delisles saloppe, autobiografische Graphic Novels: Seit 2000 erzählt er vom Reisen, Älterwerden und seinen Problemen und Versäumnissen als Vater. Fabien Toulmé reiste selbst zehn Jahre um die Welt, heiratete eine Brasilianerin, zog zurück nach Frankreich – und hadert: Denn eine Tochter ist gesund. Die andere hat das Down-Syndrom.
„Dich hatte ich mir anders vorgestellt“ ist der egozentrische, naive, selbstmitleidige und träge Bericht eines Mannes, der wenig über Behinderung weiß: ehrlich und verletzlich – aber an vielen Stellen unbeholfen bis dumm. Im selben Stil schrieb Nobelpreisträger Kenzaburo Oe 1964 in „Eine persönliche Erfahrung“ über Wut, Enttäuschung, Ekel und Hilflosigkeit als Vater eines geistig behinderten Sohnes.
Ich mag, wie angreifbar sich diese Bücher machen, wie unsympathisch und überfordert Toulmé erzählt. Ein Comic für Menschen, die noch kaum etwas über Behinderungen wissen. Die aller-allerersten Schritte – und Fehltritte.
Nicht clever. Nicht „empowernd“. Aber: schlicht, ehrlich, überfordert, lesenswert.
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17. Silk (USA)
Autor: Robbie Thompson, Zeichnerin: Stacey Lee
Marvel Comics, seit Februar 2015 (aktuell kurze Pause).
7+ Hefte / bisher ein Sammelband, wird fortgesetzt.
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Die selbe radioaktive Spinne, die vor 13 Jahren Peter Parker biss, infizierte auch Cindy Moon – eine Grundschülerin. Um sie vor Angriffen des Spider-Man-Gegners Morlun zu schützen, wächst Cindy allein in einem Bunker auf. 2014, im „Spider-Man“-Crossover „Spider-Verse“, wird sie entdeckt, befreit… und versucht, ihr altes Leben aufzunehmen:
Eine forsche junge Frau in New York – Praktikantin beim Daily Bugle und mutige, unerfahren-enthusiastische Nachwuchs-Heldin. Kein „Supergirl“-, kein „Batgirl“-, kein „Teen Titans“-, „Young Avengers“- oder „Spider-Gwen“-Comic aus den letzten Jahren ist so einladend, schlicht, einsteigerfreundlich, sympathisch. Fans der „Supergirl“-Serie? Fans von Batgirl Stephanie Brown? Unbedingt anlesen!
Geradlinig, emotional, selbstbewusst: eine Young-Adult-Heldin fürs breite Publikum.
[„Spider-Verse“ habe ich nicht gelesen. Aber der Crossover-Band „Spider-Woman: Spider-Verse“ ist eine tolle, schwungvolle Einführung ins aktuelle Ensemble rund um Peter Parker und andere Spinnen-Figuren: Ich las „Silk“, weil ich Cindy in „Spider-Woman“ sehr mochte.]
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16. She-Hulk (USA)
Autor: Charles Soule, Zeichner: Javier Pulido
Marvel Comics, Februar 2014 bis Februar 2015.
12 Hefte / zwei Sammelbände, abgeschlossen.
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Marvel-Superhelden sind oft vor allem für ihre Abenteuer im Team berühmt: Nur wenige Avengers, fast keiner der X-Men hat eine eigene monatliche Solo-Comicreihe. 2012 erzählte ein schmissiger, eleganter „Hawkeye“-Comic, wie die beiden Bogenschützen Clint Barton und Kate Bishop leben, wenn sie nicht gerade mit den Avengers die Welt retten. Die Reihe wurde zum Überraschungshit – und seitdem gibt es immer wieder neue, oft schrullige Solo-Experimente.
She-Hulk Jennifer Waters ist zu laut, zu forsch, zu grün, zu wild – und fliegt aus ihrer Großkanzlei. Sie eröffnet ein eigenes Büro, trifft in verschiedenen Verhandlungen und Kämpfen auf Daredevil, Captain America, Ant-Man und Doctor Doom. Autor Charles Soule hat selbst als Rechtsanwalt gearbeitet. Eine selbstbewusste, humorvolle, recht erwachsene Serie, nach 12 Heften eingestellt.
Leichte, smarte Unterhaltung – abseits vom Einheitsbrei.
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15. Ms. Marvel (USA)
Autorin: G. Willow Wilson, Zeichner: Adrian Alphona
Marvel Comics, seit Februar 2014. Deutsch bei Panini.
19+ Hefte und einige Gastauftritte / drei Sammelbände, wird fortgesetzt.
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Believe the Hype! Den ersten Band „Ms. Marvel“ würde ich am liebsten jedem Menschen von 10 bis 15 schenken – oder… bis 45. Ein All-Ages-Comic, charmant, atmosphärisch, optimistisch und rasant wie „Harry Potter“.
Band 2 hatte hanebüchene Konflikte und viel (leeres, dummes) Gerede über die angeblichen Besonderheiten der Generation Y. Und mit Band 3 tauchen immer kompliziertere Marvel-Crossover und -Bezüge auf. Auch der Zeichner wechselt ärgerlich oft: Vielleicht verheddert sich die Reihe gerade.
Vorerst aber: Unbedingt lesen! Kamala Khan, Teenager, Online-Nerd und Muslima, lebt in New Jersey. Ihre Eltern sind aus Pakistan eingewandert und haben Angst, dass sie verwestlicht. Als sie bemerkt, dass sie ihren Körper verformen, schrumpfen, verwandeln kann, hilft sie in Schule und Nachbarschaft. Ein humorvoller Comic, bunter und kindlicher als viele andere Marvel-Titel – geschrieben von einer muslimischen Autorin.
Ein zeitgemäßer, sympathischer Bestseller – aber manchmal zu drollig, harmlos.
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14. Twin Spica (Japan)
Autor und Zeichner: Kou Yaginuma
Media Factory, 2001 bis 2009.
90+ monatliche Kapitel, gesammelt in 16 Sammelbänden, abgeschlossen.
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Wieder ein „Harry Potter“-Vergleich: Drei Mädchen und zwei Jungs auf einer gefährlichen Elite-Akademie. Talent und Potenzial, tragische Vorgeschichten. Geheimnisse. Verluste:
Asumis Mutter starb 2010 – als die Lion, das erste Space-Shuttle Japans, auf ihre Heimatstadt stürzte. Trotzdem will Asumi Astronautin werden – unterstützt von ihrem depressiven Vater, und dem Geist eines verglühten Lion-Astronauten.
„Twin Spica“ wirkt simpel und süßlich. Die extrem kleine, kindliche Asumi sieht aus wie Heidi, jede Figur hat ein rührseliges Trauma, kurz dachte ich: für Zehnjährige, höchstens – oder Fans vom „kleinen Prinz“.
Doch Leitmotive, Bildsprache, Psychologie und Stimmungen werden so geschickt verwebt… mit jedem Band (ich kenne sechs von 16) wird diese zarte Coming-of-Age-Geschichte trauriger, ernster, klüger, subtiler.
Mut zum Melodrama: das Kitschig-Schönste, das ich seit Jahren las. Hach!
Kieron Gillen nervt: Sein „Young Avengers“-Comic hatte pro Heft 15 selbstverliebte Ideen – aber wenig Lust auf Plot und Timing. Seine Musik- und Jugendkultur-Comicreihen „The Wicked + the Divine“ und „Phonogram“ baden in Geplapper, Posen. Eitlem Gewäsch. Auch im offiziellen „Darth Vader“-Comic will Gillen zeigen, wie crazy originell er immer noch ein, zwei, fünf draufsetzt – auf die verbrauchtesten Ideen:
Darth Vader verbündet sich mit einer sexy Weltraum-Archäologin? Die durch Weltraum-Tempel springt wie Indiana Jones? Ihm helfen zwei Killer-Droiden im selben Look wie R2-D2 und C-3PO? Die ständig Menschen töten wollen, beim Foltern und via Flammenwerfer?
Der größte Marvel-“Star Wars“-Comic macht keinen Spaß. Auch viele Spin-Offs haben Schwierigkeiten [Link: Tipps von mir]. Die beiden besten aktuellen Reihen sind – Überraschung – „Kanan: The Last Padawan“ und Gillens „Darth Vader“. Weil Gillen eine recht einfache Geschichte erzählt. Weiterhin gerne parodiert, zitiert, postmodern spielt. Doch weniger überschnappt als sonst:
„Star Wars“ als Korsett, Gerüst, Hundeleine für einen talentierten, aber überdrehten Autor. Dunkler Humor und viel Suspense zwischen Episode IV und V.
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12. Der Traum von Olympia (Deutschland)
Autor und Zeichner: Reinhard Kleist. Carlsen Comics, Januar 2015. Schon 2014 seitenweise in der FAZ erschienen.
Graphic Novel, 152 Seiten, abgeschlossen.
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Bei den Olympischen Spielen 2008 lief Samia Yusuf Omar im 200-Meter-Sprint für Somalia: Sie brauchte fast zehn Sekunden länger als die anderen Läuferinnen – doch wurde vom Publikum wie eine Siegerin beklatscht [Video].
Reinhard Kleist schreibt und zeichnet einfache Schwarzweiß-Comics, meist historisch-biografisch. Für die FAZ recherchierte er Omars Geschichte: Ihr Leben in Somalia und Äthopien, ihr Training und der Druck, den islamistische Machthaber auf Frauen im Sport ausüben. Beim Versuch, illegal nach Europa zu fliehen, ertrank Omar Mitte 2012, mit 21 Jahren.
Kleists Comic ist so simpel, linear, verständlich – perfekt als Schullektüre und für Menschen, die Scheu vor Comics haben oder von Bildsprache überfordert sind. Ich hoffe, Kleist – der beliebteste und bekannteste deutsche Graphic-Novel-Künstler – kann mehr und hat noch andere Ambitionen.
Doch besonders 2015, fürs Massenpublikum, kann ich mir kein sinnvolleres Buch vorstellen.
Autor: Steve Niles, Zeichner: Damien Worm
IDW Comics, seit Oktober 2014. 12+ Hefte in 2+ Sammelbänden, wird fortgesetzt.
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Der pseudo-schwarze Humor der „Addams Family“ langweilt mich. Was Tim Burton „unkonventionell“ nennt, ödet mich an. Gothic Horror, Emo-Kitsch, die dunkle Romantik, die meisten Schauer-Comics? Nicht mein Fall. Wozu also eine Humor-/Action-Reihe über eine morbide Familie aus Hexen, Dämonenjägern, Monstern in einer klischeehaften Villa?
„The October Faction“ handelt von schlechten Kompromissen, falschen Entscheidungen, von der Schuld und dem Selbstekel, den selbst die patentesten, integersten Eltern auf sich laden im Lauf der Jahre. Sympathisch verkorkste Teenager, eine brutal-pragmatische Mutter und ein Vater, so doppelbödig/abgründig, dass Leser sagen: „Das ist der beste John-Constantine-Comic seit Jahren.“
Ich bin überrascht, wieviel Herz, Hirn, Schwung und emotionale Tiefe sich eine so eitle und stilisierte Reihe bewahrt: Für Fans von „Supernatural“ und guten Seifenopern.
Keine große Kunst – aber mehr Substanz, als die klamaukigen Zeichnungen vermuten lassen.
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10. Southern Bastards (USA)
Autor: Jason Aaron, Zeichner: Jason Latour
Image Comics, seit April 2014.
14+ Hefte in mindestens 3 Sammelbänden (ich kenne 2), wird fortgesetzt.
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Als Comic hat „Southern Bastards“ große Schwächen. Im ersten Sammelband geht alles schief. In Band 2 ruht die Handlung. Als Literatur dagegen ist die dunkle, drückende Serie über ein Provinznest in Alabama, dessen korrupter alter Football-Coach alle Fäden und Schicksale in der Hand hält, ein Muss.
Jason Aaron, selbst in den Südstaaten geboren, erzählt keine schnelle Geschichte – sondern baut Räume, Atmosphären, fängt ein Milieu in toller Sprache, Jargon, kantigen Dialogen; zeigt Machtverhältnisse und Abhängigkeiten in einer rassistischen, schreiend armen Kulisse, die ich sonst nur aus Cormac-McCarthy– und Daniel-Woodrell-Thrillern kenne… und auf deren Buchrückseite dann immer steht „mit alttestamentarischer Wucht!“
Dick aufgetragen? Nein: klug stilisiert.
Ein Krimi-Western-Hinterwäldler-Korruptions-Noir-Kleinstadtpsychogramm, zynisch, brutal, aber mit sehr genauem Blick, viel Sprachgefühl und, wichtig: Liebe zu den Figuren.
Kein Spannungsbogen. Unsympathische Welt. Aber grandios geschrieben und inszeniert!
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9. Copperhead (USA)
Autor: Jay Faerber, Zeichner: Scott Godlewski
Image Comics, seit September 2014.
10+ Hefte in 2+ Sammelbänden, wird fortgesetzt.
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Eine mürrische alleinerziehende Mutter wird Sherriff – in Copperhead, einem gefährlichen Außenposten. Ein Comic wie eine billige 90er-Jahre-Serie: schnelle Fälle und simple Figuren wie in „Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft“, platte Aliens und Interspezies-Konflikte wie in „Earth 2“, alles im Wildwest-Weltraum-Look von„Marshall Bravestarr“ (1987).
Sherriff Clara Bronson droht, knallt, flucht und flirtet im Saloon. Ihr kleiner Sohn läuft heimlich in die Wüste – und freundet sich mit Ishmael an, einem Killer-Androiden. Die Ureinwohner des Planeten sind Insektenmonster. Und Budroxifinicus, der gutmütige, riesige Hilfssherriff, gehört einer Alien-Rasse an, die erst kürzlich mit der Menschheit Krieg führte.
Viele US-Comics wollen zu viel in zu kurzer Zeit. „Copperhead“ ist sechs Nummern seichter, flacher, geradliniger als Konkurrenz-Reihen wie „Saga“. Aber dafür eben auch: zugänglicher, mitreißender, plausibler. Ein stimmiger, nostalgischer Mainstream-Comic:
Wer vor 20 Jahren simple Serien mochte, wird die schlichten Sammelbände lieben.
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8. Harrow County (USA)
Autor: Cullen Bunn, Zeichner: Tyler Crook
Dark Horse Comics, seit Mai 2015.
8+ Hefte in 2+ Sammelbänden (ich kenne den ersten), wird fortgesetzt.
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Mir sind in Comics tolle Plots, Dialoge, Sprache wichtiger als kunst- und ausdrucksvolle Bilder. Trotzdem machen mich „Narration Boxes“ müde – die Vierecke, in denen schlechte Künstler einen allwissenden Erzähler alles sagen lassen, was sie über Bild und Dialog nicht transportieren können. Je mehr Text in Narration Boxes, desto schlechter ist meist der Comic.
„Harrow County“ habe ich lange übersehen: ein nichtssagendes Cover, zu kindliche Zeichnungen, als dass ich Grusel, Angst empfunden hätte – und der dritte beliebte Hexen-Comic, nachdem mich schon Terry Moores amateurhaftes „Rachel Rising“ und Scott Snyders selbstverliebt-wirres „Wytches“ nicht überzeugten.
Tatsächlich ist „Harrow County“ ein Glücksfall. Wegen der blendend geschriebenen Narration Boxes! Den Zeichnungen, die zur kindlichen, viel zu naiven Hauptfigur passen. Und, weil hier ein klassischer, packender Hexe-gegen-Kleinstadt-Kampf erzählt wird in den 30er Jahren. Mit der – überraschten, nichtsahnenden – Hexe als Heldin.
Einfacher, simmungsvoller Grusel für Leser*innen ab 12. Letzte Woche wurde überdie Verfilmung berichtet.
Autor: Warren Ellis, Zeichner: Declan Shalvey und Jordie Bellaire
Image Comics, Mai bis September 2015.
5 Hefte in einem Sammelband, pausiert gerade. Mindestens 5 weitere Hefte ab 13. Januar 2016.
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Auf den Comic-Bestenlisten vieler Männer, die sich für besonders „hart“ und „alternativ“ halten, stehen seit Jahrzehnten drei Namen: Garth Ennis, Mark Millar undWarren Ellis.
Von Ennis kenne ich nur eine zarte Superman-Geschichte aus „Hitman“. Von Millar das fast disneyhaft süße, nostalgische „Starlight“. Ellis mag ich seit seiner kindisch-wüsten Marvel-Parodie „Nextwave“. Aktuell schreibt er auch „Trees“, einen ambitioniert politischen, aber noch arg verzettelten Comic über die Frage, was aus Krieg, Macht, Ego wird, sobald die Menschheit sicher sein könnte, dass es fortschrittlichere Aliens gibt.
Dass in „Injection“ viel geschossen und gestorben, geflucht, gesoffen und geblutet wird, gehört wahrscheinlich zur Marke „Warren Ellis“. Noch mehr aber geht es ums Altern und Beten, Wandern und Meditieren, Hoffen und Resignieren. Fünf Wissenschaftler haben die Welt verändert, mit einer geheimen „Injektion“. Jetzt, Jahre später, zahlt die Welt den Preis – und ein Dana-Scully-Lookalike über 50 humpelt und flucht durch eine mystische Regierungsverschwörung.
Tolle Figuren, verquaste Esoterik: Bisher überzeugen mich Stil, Atmosphäre, Psychologie. Könnte aber schlimmer Märchen- und Pagan-Kitsch sein.
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6. The Fade Out (USA)
Autor: Ed Brubaker, Zeichner: Sean Phillips
Image Comics, seit August 2014.
11+ Hefte in 2+ Sammelbänden, ist auf 15 Hefte/3 Sammelbände angelegt.
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Charlie Parish ist Drehbuchautor – heimlich: Er macht den Job, für den sein Alkoholikerkumpel Gil bezahlt wird. Bei einer Party stirbt Hauptdarstellerin Valeria Summers. Charlie verliebt sich in Maya Silver – den jungen Star, der sie ersetzen soll. Während viele Szenen neu gedreht, das Drehbuch ständig ausgebessert wird, versucht er, sich an die Mordnacht zu erinnern.
Ich liebe Ed Brubaker seit „Gotham Central“. Seit 15 Jahren erzählt er immer wieder gefeierte historische Noir-Dramen um Detektive und Killer. „Fatale“ brach ich schnell ab: Was als Krimi begann, wurde zu schnell von trashigen Lovecraft-Tentakelnerwürgt.
„The Fade Out“ bleibt den klassischen Farben, Motiven, Tricks des Krimi-Genres treu: Hollywood 1948. Kaputte Stars, Auf-, Absteiger. Bittere Geheimnisse. Verrat und Sünde. Ein glänzend recherchierter, toll gezeichneter Comic zweier Profis.
Nicht bahnbrechend, ambitioniert – aber stimmig, fesselnd, smart, detailverliebt… und wunderbar traurig.
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5. Jupiter’s Legacy / Jupiter’s Circle (USA, britischer Autor)
Autor: Mark Millar, Zeichner: Frank Quietly
Image Comics, seit April 2013.
Zweimal fünf Hefte (jeweils 1 Sammelband) sind geplant, die ersten 5 erschienen bis Anfang 2015. Danach, April bis September 2015, folgten 6 Hefte der Prequel-Serie „Jupiter’s Circle“. Hefte 6 bis 10 sind in Arbeit, haben aber noch kein Veröffentlichungsdatum.
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Wer selten Superheldencomics liest, stolpert bald über ein Gedankenspiel: Was, wenn Superman böse wäre? Oder ihn ein anderer Held, militanter und despotischer, töten und ersetzen könnte?
Superman-Fans – wie mir – stellt sich die Frage selten. Weil seit „Death & Return of Superman“ und „Kingdom Come“ vor über 20 Jahren fast jedes Jahr zwei, drei neue Was-wäre-wenn-Geschichten dazu dazu erscheinen: Die meisten bleiben seichte, pubertäre Dystopien – ohne politischen Biss, Erkenntniswert, Dramatik.
„Jupiter’s Legacy“ handelt von einer Gruppe Abenteurer, die 1932 auf einer verlassenen Insel Superkräfte erhielten. Seitdem behüten und gängeln sie die Menschheit. Als ihre Kinder – viele mit eigenen Kräften – rebellieren und die besonnenen Alten beseitigen, entsteht ein Polizei- und Überwachungsstaat.
Millars Geschichte ist simpel – aber wendungsreich, warmherzig, mit viel Liebe zu Figuren, die sich schnell und überraschend entwickeln. Der größte Gewinn aber sind die Zeichnungen von Frank Quitely: hübsch-hässlich-knittrig-simpel-detailverliebtes Gekrakel. Eine Welt, die an allen Rändern ausfranst, Falten wirft. Auch die Rückblenden in die 50er und 60er Jahre in der Ableger-Serie „Jupiter’s Circle“ machen Spaß.
Verbrauchtes Konzept, fesselnde Umsetzung: der schönste Mainstream-Superhelden-Schwanengesang des Jahres.
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4. Saga (USA)
Autor: Brian K. Vaughan, Zeichnerin: Fiona Staples
Image Comics, seit März 2012. Deutsch bei Cross Cult.
31+ Hefte in 6+ Sammelbänden, wird fortgesetzt, idealerweise noch mehrere Jahre.
Doch er ist nicht so klug, wie er selbst denkt. Und deshalb sind seine politischen, kritischen, verbissen originellen Comic-Reihen oft nur halb so clever, rebellisch, überraschend, wie sie zu sein glauben (aktuell: der selbstverliebte, recht trashige USA-gegen-Kanada-Kriegscomic „We stand on Guard“).
„Saga“ stieß mich anfangs ab – weil es sich las, als glaube Vaughan wieder, ALLEN alles beweisen zu müssen: eine Space Opera voller Verfolgungsjagden, Verräter, Explosionen. Ein Liebespaar wie aus „Romeo und Julia“, gerade Eltern geworden. Raumschiffe aus Holz, die in Wäldern wachsen. Roboter-Monarchien. Robbenwesen, Spinnenwesen, Geister-Babysitter und ein Zyklop, der Kitschromane schreibt und aussieht wie Ernest Hemingway. Uff.
Unter dem verbissen originellen (aber toll gezeichneten!) postmodernen Mash-Up-Plunder geht es um Krieg und Elternschaft – und Weisheiten über den Kosmos und das Leben, die auch aus einer „Brigitte“-Kolumne stammen könnten.
Dass ich „Saga“ trotz dieser Ticks und Eitelkeiten nach über drei Jahren Mitfiebern und Lesen liebe, bemerkte ich vor drei Monaten: Ich las den offiziellen „Star Wars“-Comic. Und dachte: Was für eine fade, bemühte, abgeschmackte „Saga“-Kopie. [Im Ernst: Link!]
„Saga“ kann Space Opera im 21. Jahrhundert besser.
(…sage ich keine Woche vor der „Star Wars 7“-Premiere. Mal sehen, wer danach führt!)
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3. Sakamichi no Apollon (Japan)
Autorin und Zeichnerin: Yuki Kodama
Shogakukan, 2007 bis 2012, keine deutsche Version.
50 monatliche Kapitel, gesammelt in 10 Sammelbänden (der letzte Band: Epilog), abgeschlossen.
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Im August las ich die ersten Seiten von über 150 Mangas – und merkte: Oft brauchen sie viel länger, um Stimmung und Ton zu treffen. Die Eröffnung bleibt meist unbeholfen. Überfrachtet.
Bei „Kids on the Slope“ (englischer Titel der Anime-Adaption) war ich nicht sicher, ob ich in einer schwulen Romanze stecke, einer Pennäler-Komödie im Retro-Look oder mitten im Kampf zweier ungleicher Schüler – ein verzärtelter Nerd, ein bettelarmer Raufbold – um das selbe Mädchen. Alle (männlichen) Figuren spielen in einer Jazzband. Doch Jazz-Exkurse bleiben nebensächlich.
Nein. „Sakamichi no Apollon“ (nur als Fan-Übersetzung online lesbar) ist die Geschichte einer (lebenslangen?) Freundschaft. Die späten 60er Jahre in der japanischen Provinz. Enge Rollenbilder. Armut. Der Mut, von etwas zu träumen. Zu jemandem zu stehen – behutsam inszeniert im simplen Retro-Zeichenstil.
Ein langsames, zärtliches, schlichtes Coming-of-Age – oft witzig und zum Heulen schön. Ohne große Abgründe, Effekte, Pomp.
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2. Lazarus (USA)
Autor: Greg Rucka, Zeichner: Michael Lark
Image Comics, seit Juli 2013.
21+ Hefte in 4+ Sammelbänden (ich kenne drei), wird fortgesetzt.
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Greg Rucka ist mein Lieblings-Comicautor – und „Lazarus“ hat, als vielleicht erste Rucka-Reihe, das Potenzial zum Mainstream-Erfolg. Eine TV-Serie ist in Planung:
Im späten 21. Jahrhundert wird die Welt von familiengeführten Konzernen beherrscht: neofeudale Clans, die ein paar Menschen als Leibeigene benutzen und versorgen (Kategorie „Serv“), den Rest aber in Reservaten und als Kleinbauern sterben lassen (Kategorie „Waste“).
Konflikte zwischen Familien werden in ritualisierten Kämpfen ausgetragen: Jeder Clan hat einen „Lazarus“, ein optimiertes (künstliches?) Wesen, das trainiert wurde, um Duelle auszutragen, Gegner einzuschüchtern und diplomatisch zu verhandeln. Die junge Forever ist Tochter und Lazarus des amerikanischen Carlyle-Clans. Während die Familie von allen Seiten attackiert wird, hinterfragt sie ihre Rolle als Waffe.
Rucka und Lark waren schon in „Gotham Central“ großartig. Eine leidenschaftliche, psychologisch stimmige Dystopie mit unvergesslichen Figuren. Harten Entscheidungen. Endlosen Dilemma. Dilemmas? Dilemmata?
Erwachsener als „Hunger Games“. Packender als „The Walking Dead“.
Die ersten 200 Seiten sind hart: Ein misogyner, phlegmatischer, recht dumpfer Manga-Assistent steckt im Alltag fest – und redet unsympathischen Stuss. Die nächsten 200 Seiten, Band 2, sind wirr: Passanten beißen sich gegenseitig, Zombies überrennen Tokio, alles bricht zusammen. Noch in Band 3 war mir nicht klar, ob ich einen Zombie-Thriller lese, über eine Zombie-Komödie und -Parodie lachen soll oder nur die Fehler einer verpeilten, passiven, selbstmitleidigen Hauptfigur zählen: eine Art „Girls“ oder „Louie“, ein Woody-Allen-Film… mit Zombies?
„I am a Hero“ ist langsam. Oft hässlich, unsympathisch, grotesk. Alle Figuren sind überfordert und distanziert. Nichts gelingt. Man schwimmt bis zu 800 Seiten am Stück mit neurotischen, fremden Menschen in stillen, bedrohlichen, verwirrenden Szenen – in denen jederzeit alles eskalieren kann.
Fotorealistisch gezeichnet. An vielen Stellen zum Schreien spannend. Ein toller Blick auf Alltagskultur, Moral, Ethos, Sexismus, Twenty- und Thirtysomething-Defekte, Versagensängste in Japan. Ein Freund las die ersten Bände und sagte „Ich sehe da nichts als Trash.“
Ich sehe: eine unerträgliche Figur in einer unerträglichen Geschichte – die mich begeistert, überfordert, angeekelt und beglückt hat wie keine andere Erzählung seit Jahren. Vergleichbar vielleicht mit „Geister“ von Lars von Trier. Aber eben: schleppend, langsam, viel richtungsloser.
Ich bin in Band 16. Ein Ende/Finale ist langsam absehbar (noch zwei, drei Jahre?).
Wenn es auf diesem Niveau endet, ist es ein Meisterwerk.
Eine erste Auswahl der literarischen Neuerscheinungen, die ich bis Ende des Jahres u.a. für ZEIT Online und Deutschlandradio Kultur (an-)lesen, sichten, sortieren will.
Hier meine Auswahl für 2016.Ergänzungen sind willkommen: Besonders die Vorschauen/Programme kleinerer Verlage 2016 habe ich noch nicht durchgearbeitet.
2015 hat Freundin W. die wichtigsten auf Deutsch erscheinenden Bücher 2015 in einem Ranking bei Goodreads aufgelistet: Link. Die Liste für 2016 ist hier.
. Ich habe “Herzmilch” und “Aberland”, zwei sehr gut besprochene Romane Gertraud Klemms über unzufriedene Frauen/Mütter, angelesen… und mir ein drittes Buch von ihr (erscheint im Februar 2016) im Blog vorgemerkt (Link). Kremayr & Scherlau schickte mir ungefragt ein Leseexemplar. Vielleicht das Beste, was mir die Post 2015 zustellte:
In “Mütter auf Papier” (2010) schrieb Klemm über den boshaften, herablassenden, sexistischen, gehässigen Quatsch, den sich eine Frau mit Mutterwunsch anhören muss, die immer wieder Kinder in der Schwangerschaft verliert. Eine autobiografische Textcollage: Kurzprosa, Fragmente, viel Wut, Intimität, kluger Furor. “Muttergehäuse” ist die überarbeitete Version dieses “Mütter auf Papier”-Berichts – ein kurzes, luzid formuliertes, wunderbar konkretes Buch über Frustrationen, schlechte Freunde, Angst, Druck… und Auswege.
Ich bin jetzt Klemm-Fan: feministisch, literarisch, spitz, ehrlich, reflektiert.
Ich habe den Titel Ende Februar bei Deutschlandradio Kultur empfohlen [Audio und Text]: „Kurz vor Kriegsende feierte Gräfin Margit von Batthyány-Thyssen im Burgenland ein Fest mit der örtlichen Waffen-SS. In derselben Nacht wurden 180 jüdische Zwangsarbeiter erschossen. „Und was hat das mit mir zu tun?“ fragt Sacha Batthyany, Schweizer Journalist und Enkel von Margits Schwester, in einem 250 Seiten langen, sehr persönlichen Report:
Er reist ins Burgenland, nach Südamerika und Russland, zitiert ausgiebig aus Tagebüchern, befragt Verwandte, beginnt eine Psychoanalyse. Erschoss Tante Margit, verstorben 1989, jüdische Zwangsarbeiter? Oder teilte sie bloß die Gewehre aus? Fallen solche Abstufungen ins Gewicht? Für wen: für die Nachkommen und ihre Familien? Für die Opfer? Für uns alle?“
„Jedes Mal, wenn der Alltag katastrophal entgleist, wird Satoru ein paar Minuten in die Vergangenheit versetzt: Die Szene wiederholt sich dann so oft, bis er das jeweilige Unglück verhindern kann. In seiner Kindheit wurden Klassenkameraden ermordet, und alle bemühten sich, den Kidnapper zu vergessen. Plötzlich ist Satoru zurück im Jahr 1988, elf Jahre alt. Er will die Kinder retten. Mit allen Mitteln. Ein Thriller, täuschend simpel gezeichnet, mit wunderbar komplizierten, schlagfertigen, witzigen Figuren und existenziellen Fragen: Rätseln, Fiebern, Lachen, Indizien suchen… keine Seite dieser Bände vergeht, ohne dass Herz und Hirn auf fünf verschiedene Arten gefordert sind.“ [mehr aktuelle Manga-Empfehlungen hier, Link]
Eine – sehr ruhige – Komödie über eine Gruppe britischer Banker und ihre schnippische Chefin, die während einem Teambuilding-Workshop in einem schottischen Herrenhaus eingeschneit werden. Draußen läuft ein Pfau umher, der auf alles pickt, das blau-metallisch glänzt. Eine Satire – aber nicht grell, laut, überdreht. Ein Zwischendurch-Buch – aber ohne Kitsch. Die Figuren sind nicht allzu tief – doch ich nehme Bogdan das britische Setting ab (gute Arbeit!). Es gibt viele Passagen, die mir zu erklärend oder redudant sind: ein Middlebrow-Unterhaltungsroman, der an keiner Stelle weh tut und der vielleicht 20 Seiten kürzer sein könnte.
Aber: Das hier hat so viel Geist, Schmiss, Charme, eine so entspannte, angenehme Grundhaltung… Ich war für fünf, sechs Stunden gern mit diesen Leuten auf diesem Landsitz. Leicht – aber klug, und gut. Empfehlung!
politischer, aber persönlicher Essay über Rassismus, Polizeigewalt, schwarze Identity Politics in den USA
ich habe das Original angelesen und fand es schwülstig und schleppend (besonders im Vergleich zum 60 Jahre alten Essay von James Baldwin, „The Fire Next Time“…
…aber die Kritiken sind überragend, und ich bin gespannt, ob die deutsche Übersetzung für mich besser funktioniert.
Stewart O’Nan ist mein US-Lieblingsschriftsteller (Gegenwart). Empfehlungen: „Die Chance“, „Das Glück der anderen“, „Abschied von Chautauqua“, „Der Zirkusbrand“
23jährige traumatisierte Afrikanerin auf einer griechischen Insel: Sie braucht lange, um sich einer Griechin anzuvertrauen und von den Umständen ihrer Flucht und ihres Lebens zu erzählen.
ich mochte Maksiks (autobiografisches, umstrittenes, recht simples) Debüt sehr, „You deserve nothing“/“Seinodernichtsein“, fand aber bei „Die Gestrandete“ Sprache/Stil zu simpel, um dem Thema gerecht zu werden. Ich lese nochmal länger und gründlicher, bald.
Unterhaltungsroman: Erfolgreiche Pianistin will sich umbringen – und ihre überforderte, chaotische Schwester versucht, ihr beizustehen.
Ich mag Miriam Toews‘ (einfachen, launigen) Coming-of-Age-Roman „A complicated Kindness“, und ich liebe „Swing Low“, ein Buch über den Selbstmord ihres Vaters. Alle Romane aber sind oft zu drollig, kitschig, zu „Little Miss Sunshine“, nicht HALB so verrückt und unkonventionell, wie Toews glaubt.
Kanada, 2015: DeWitt schrieb eine überspannte, eitle, gewollt schrullige Western-Parodie, „The Sisters Brothers“, die mich nicht überzeugte.
Der neue Roman ist ähnlich grell und verspielt, aber handelt von einem einfachen Dorfjungen, der als Kammerdiener in eine Verschwörung auf einem Schloss verwickelt wird.
Wenn die Übersetzung gut ist (Ü: Jörn Ingwersen), kann das toll werden.
Sarah Kuttner:„180 Grad Meer“, Familienroman: junge Sängerin reist nach England, um ihren sterbenden Vater zu pflegen. (S. Fischer, 272 Seiten, 31. Dezember 2015.)
Dietmar Dath:„Leider bin ich tot“: „Ein deutscher Filmregisseur flieht vor einer anstrengenden Liebe. Seine Schwester wird vom Staat verdächtigt, als radikale Islamistin einen Anschlag zu planen. Sein bester Freund aus Kindertagen kämpft als Pfarrer mit dem Teufel. Und eine Frau, die alle drei kennt, aber mehr ist als ein Mensch, öffnet die Tür zum Schlimmsten, was Menschen sich vorstellen können.“ (Suhrkamp, 463 Seiten, 10. Januar 2016)
Markus Flohr:„Alte Sachen“, Enkelin von Nazis (?) lernt in Berlin einen jungen israelischen Änderungsschneider kennen, dessen Familie enteignet wurde. (Rowohlt, 370 Seiten, 22. Januar 2016.)
Norbert Gstrein:„In der freien Welt“, ein amerikanischer Jude wird in San Francisco erstochen. Hugo, ein Freund aus Österreich, reist nach Kalifornien und Israel, um die Hintergründe zu erfahren. (Hanser, 496 Seiten, 1. Februar 2016)
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Gertraud Klemm: „Muttergehäuse“, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen, will eine Frau ein Kind aus Afrika adoptieren. (Kremayr & Scheriau, 160 Seiten, 1. Februar 2016.)
Michael Köhlmeier:„Das Mädchen mit dem Fingerhut“, kurzes und, fürchte ich, kitschig-märchenhaftes Buch über Waisenkinder „ohne Herkunft“, allein in einer europäischen Stadt. (Hanser, 144 Seiten, 1. Februar 2016.)
Katharina Winkler:„Blauschmuck“, „Statt Jeans trägt Filiz jetzt Burka“ und wird von ihrem kurdischen Mann misshandelt, „beruht zur Gänze auf wahren Begebenheiten“. Hm. (Suhrkamp, 196 Seiten, 8. Februar 2016.)
Isabel Bogdan:„Der Pfau“, britisch-absurde Satire über Banker, die bei einem Teambuilding-Weekend auf dem Landsitz eines exzentrischen Schotten festsitzen. (Kiepenheuer & Witsch, 256 Seiten, 18. Februar 2016.)
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Karen Duve:„Macht“, Hamburg im Jahr 2030: Ein alter Mann hat seine Frau, Ex-Umweltministerin, im Keller angekettet. Doch die alles unterdrückenden Staatsfeministinnen sind ihm auf der Spur. Klingt wie eine zu dick aufgetragene, dumme Satire fürs „Unterwerfung“s-Publikum. (Galiani, 416 Seiten, 18. Februar 2016.)
Shida Bazyar:„Nachts ist es leise in Teheran“, Eine iranische Familie flieht nach Deutschland: Roman aus den Jahren 1979, 1989, 1999 und 2009. Shida Bazyar hat in Hildesheim studiert – aber wir haben uns nie gesprochen oder gesehen. (Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 18. Februar 2016.)
Dirk Brauns:„Wir müssen dann fort sein“, literarischer Thriller über einen deutschen Journalisten in Minsk/Weißrussland. (Galiani, 336 Seiten, 18. Februar 2016.)
Johanna Adorján: „Geteiltes Vergnügen“, Frau trifft geheimnisvolles… Arschloch? “ Spielt er ein Spiel? Ist seine Unverbindlichkeit eine Art, Macht über sie zu erlangen? Oder bietet er ihr eine Liebe, die freier ist und ehrlicher?“ (Hanser, 208 Seiten, 22. Februar 2016.)
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Reinhard Jirgl: „Oben das Feuer, unten der Berg“, Stasi-Agenten stellen eine Frau kalt, lange nach der Wende: 2012. (Hanser, 288 Seiten, 22. Februar 2016.)
Antje Rávic Strubel:„In den Wäldern des menschlichen Herzens. Episodenroman“, überall auf der Welt treffen sich verschiedene Reisende, Paare, Backpacker (viele davon queer/LGBT?) und starten verschiedene Freundschaften und Beziehungen. Große Lieblingsautorin, große Vorfreude! (S. Fischer, 272 Seiten, 25. Februar 2016.)
Peter Stamm:„Weit über das Land“, Familienvater steht vom Tisch auf und geht. Für immer? (S. Fischer, 224 Seiten, 25. Februar 2016.)
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Antonia Baum:„Tony Soprano stirbt nicht“, Memoir/Bericht über Sterblichkeit. Der Klappentext spricht mich sehr an: ‚In Antonia Baums letzten Roman dreht sich alles um drei Kinder, die ständig um das Leben ihres risikoverliebten Vaters fürchten. Nur wenige Wochen vor Erscheinen des Buchs verunglückte ihr Vater schwer. Wie es sich anfühlt, wenn aus Fiktion plötzlich Realität wird, und was in einem vorgeht, wenn plötzlich alles stillsteht, die Welt aber weitermacht, davon erzählt Antonia Baum hier.‘ (Hoffmann und Campe, 144 Seiten, 27. Februar 2016.)
Nellja Veremej:„Nach dem Sturm“, klingt wie „Verhängnis“: Vater Ivo verliebt sich in die Freundin seines Sohnes; Sohn hat dramatischen Autounfall. (Jung und Jung, 214 Seiten, 26. Februar 2016.)
Thea Dorn:„Die Unglückseligen“, Faust trifft Bioethik: Molekularbiologin, die Zellen unsterblich machen will, lernt einen Mann kennen, der behauptet, er sei der Physiker Johann Wilhelm Ritter, geboren 1776. (Knaus, 540 Seiten, 29. Februar 2016.)
Pierre Jarawan: „Am Ende bleiben die Zedern“. Samir, in Deutschland geboren, reist in den Libanon, um seinen verschwundenen Vater zu finden. (Berlin Verlag, 448 Seiten, 1. März 2016.)
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Kristina Schilke:„Elefanten treffen. Erzählungen“, skurrile verknüpfte Geschichten aus Waldesreuth, einem niederbayerischen Kurort. (Piper, 224 Seiten, 1. März 2016.)
Birgit Vanderbeke: „Ich freue mich, dass ich geboren bin“, gestrandet in der BRD/Westdeutschland (60er Jahre) findet ein unglückliches Mädchen (aus der DDR?) eine imaginäre Freundin: sich selbst, als Erwachsene. (Piper, 224 Seiten, 1. März 2016.)
Anna Katharina Hahn: „Das Kleid meiner Mutter“, junge Spanierin ohne Perspektive merkt, dass alle Menschen sie für ihre plötzlich verstorbene Mutter halten – sobald sie eines ihrer Kleider trägt. (Suhrkamp, 312 Seiten, 7. März 2016.)
Anna Mitgutsch:„Die Annäherung“, sterbender Mann verliebt sich in seine junge ukrainische Pflegerin. (Luchterhand, 300 Seiten, 8. März 2016.)
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Benjamin von Stuckrad-Barre:„Panikherz“, Ist BvSB schon wieder abgestürzt… und erzählt – schon wieder – vom Zurückfinden, von Udo Lindenberg, vom großen Comeback? Ist das immer der selbe Zusammenbruch? Oder passiert ihm einfach alle fünf Jahre alles wieder von vorne? (Kiepenheuer & Witsch, 504 Seiten, 10. März 2016.)
Senthuran Varatharajah:„Vor der Zunahme der Zeichen“, Berliner Doktorand und Marburger Kunstgeschichte-Studentin, beide als Kind nach Deutschland geflohen, chatten sieben Tage lang auf Facebook – Roman, kein Journalismus-Projekt. (S. Fischer, 256 Seiten, 10. März 2016.)
Thomas von Steinaecker:„Die Verteidigung des Paradieses“, Survival-Horror in Deutschland: Heinz schreibt die Geschichte der letzten Menschen. (S. Fischer, 416 Seiten, 10. März 2016.)
Michael Schneider:„Ein zweites Leben“, verwitweter und plötzlich arbeitsloser Professor verliebt sich in eine Tanztherapeutin. Könnte schlimm bieder, altmännerhaft, martinmosebachesk sein. Unsympathischer Klappentext. (Kiepenheuer & Witsch, 600 Seiten, 10. März 2016.)
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Nils-Momme Stockmann:„Der Fuchs“, magischer Realismus/Science Fiction… oder doch nur etwas wie „Heavenly Creatures“? Provinzjunge stellt sich Zeitreisende vor. Später wird sein norddeutsches Dorf, Thule, von einer Flut ausgelöscht. (Rowohlt, 640 Seiten, 11. März 2016.)
Stephan Reich:„Wenn’s brennt“, sechs Wochen noch, dann muss Erik eine Ausbildung bei der Post machen, Finn nach Hamburg ziehen: Die beiden Freunde in der Provinz… denken über Selbstmord nach? (dva, 240 Seiten, 14. März 2016.)
Ronja von Rönne: „Wir kommen“, „Eine polyamouröse Clique, eine Schildkröte und ein schweigendes Kind fliehen aus der Stadt in ein Haus an der Küste. Denn jemand ist gestorben. […] Sex und Gewalt reichen bald nicht mehr aus, um sich lebendig zu fühlen. Anna, Leonie, Karl und Luke beschließen, mit polemischem Ingrimm, die Grausamkeiten zuzuspitzen. Sie veranstalten ein Fest.“ Hm. (Aufbau, 208 Seiten, 14. März 2016.)
Charles Lewinsky: „Andersen“, Mann, der mehrmals wiedergeboren wird, will irrwitzige Pläne bereits als junges Kind umsetzen (…oder, ich habe den Klappentext falsch verstanden. Nagel & Kimche, 400 Seiten, 14. März 2016.)
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Maxim Biller: „Biografie“, keine Biografie. Der Klappentext klingt ekelhaft selbstverliebt/großsprecherisch. „Maxim Biller hat den jüdischsten, amerikanischsten, komischsten Roman der deutschen Gegenwart geschrieben. Dies ist die verrückte Geschichte von Soli und Noah, beste Freunde und fast Brüder seit ihrer Bar-Mizwa in der Hamburger Synagoge im Jahr 1976, verbunden durch ihre Herkunft, ihren Humor und ihre bizarren sexuellen Fantasien – und gemeinsam verstrickt in eine groteske Erpressungs- und Entführungsstory globalen Ausmaßes.“ (Kiepenheuer & Witsch, 896 Seiten, 8. April 2016.)
Hans-Ulrich Treichel: „Tagesanbruch“, Nachkriegsdeutschland: Als ihr erwachsener Sohn stirbt, findet eine Mutter zu sich selbst. (Suhrkamp, 120 Seiten, 8. Mai 2016.)
Saša Stanišić: „Fallensteller“, Roman über „Streit und Krieg, Trug und Betrug, Ganoven und Liebende, Geflüchtete und Gealterte, Unternehmensberater und Hirten im Hochgebirge.“ (Luchterhand, 288 Seiten, 9. Mai 2016.)
Tilman Rammstedt: „Morgen mehr“, Mann, gestrandet im Jahr 1972, wünscht sich, dass seine Zukunft endlich kommt und will zusammen mit anderen Ungeduldigen, eine Weltzeituhr vor-stellen. (Hanser, 160 Seiten, 9. Mai 2016… mehr zu Konzept und Entstehungsgeschichte hier)
André Kubiczek: „Skizze eines Sommers“, 1985 in Potsdam: Halbwaise und drei Freunde in den Sommerferien, sturmfrei. (Rowohlt Berlin, 256 Seiten, 21. Mai 2016.)
vielversprechende Übersetzungen – neu auf Deutsch:
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Alexander Ilitschewski, „Der Perser“ („Pers“): Russischer Geologe, in die USA ausgewandert, trifft auf einer Dienstreise in den Irak einen persischen Vogelzüchter. (Suhrkamp, 750 Seiten, 10. Januar 2016. Russland 2009.)
Dzevad Karahasan,„Der Trost des Nachthimmels“: Historienroman [mit Krimi-Elementen, wie „Der Name der Rose“?] über den Untergang des Seldschuken-Reiches. (Suhrkamp, 724 Seiten, 8. Februar 2016. Bosnischer Autor.)
Chico Buarque,„Mein deutscher Bruder“ („O Irmao Alemao“): autobiografisches Buch eines brasilianischen Schriftstellers und Samba-Sängers, der nach Deutschland reist, um seinen Halbbruder, Sänger in der DDR, kennen zu lernen. (S. Fischer, 256 Seiten, 25. Februar 2016. Brasilien 2013, Goodreads: 3.69 von 5)
Natalka Sniadanko,„Frau Müller hat nicht die Absicht, mehr zu bezahlen“: Zwei Frauen und ein Roadtrip von Lemberg – „Berlin der Ostukraine“ – nach Athen: Sie stranden in Berlin. Schäbiges Cover. (Haymon, 352 Seiten, 26. Februar 2016. Ukrainische Autorin.)
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Filip David,„Das Haus des Erinnerns und des Vergessens“: Filip David ist österreichischer Botschafter in Serbien. Sein Roman erzählt von einem magischen Haus in New York, das einem alten Mann, der als Kind im zweiten Weltkrieg die Identität eines deutschen Jungen annahm, das Leben seiner Eltern zeigt. (Wieser Verlag, 150 Seiten, 1. März 2016. Serbien 2014. Goodreads: 3.91 von 5)
Lars Mytting,„Die Birken wissen’s noch“ / „Svom med den som drukner“: Ein Junge wächst in Norwegen auf, bei seinem Großvater, und hört immer wieder, dass dessen Bruder als „Meistertischler“ nach Paris ging und starb. Nach dem Tod des Großvaters bricht er auf, um die Wahrheit zu erfahren. (Insel, 600 Seiten, 7. März 2016. Norwegen 2014. Goodreads: 4.06 von 5)
Szczepan Twardoch,„Drach“: Eine schlesische Familie, ein Jahrhundert, zwei Soldat Josef im ersten Weltkrieg und sein Urenkel, Architekt Nikodem, im modernen Polen. (Rowohlt, 400 Seiten, 11. März 2016. Polen 2014. Goodreads: 4.16 von 5)
Sarit Yishai-Levi,„Die Schönheitskönigin von Jerusalem“: Kitsch-Cover, Kitsch-Klappentext. „Während das Delikatessengeschäft Rafael Ermoza & Söhne im Jerusalemer Machane-Jehuda-Markt floriert, scheint auf den Frauen der Familie ein Fluch zu lasten, der ihnen das Glück in der Liebe verwehrt und sie verbittern lässt. Meisterlich verwebt Sarit Yishai-Levi das Schicksal vierer Generationen der sephardischen Familie mit den bewegtesten Jahrzehnten israelischer Geschichte.“ Hm. (Aufbau, 576 Seiten, 14. März 2016. Israel 2013. Goodreads: 4.12 von 5)
Jon Fosse,„Trilogie“ / „Trilogien“: Junges Paar – die Frau ist schwanger – sucht eine Herberge, dringt in ein Haus ein… und begeht einen Mord? Drei verknüpfte Erzählungen. (Rowohlt, 192 Seiten, 21. Mai 2016. Norwegen 2014. Goodreads: 3.78 von 5)
Bis Weihnachten wollte ich 24 Bücher empfehlen – Romane, Sach- und Jugendbücher, Comics. Fast alles auf Deutsch erhältlich, oft auch in billigen Second-Hand-Ausgaben.
Beim Auflisten meiner Favoriten merkte ich: Ich habe fast 40 Bücher in der Vorauswahl.
Deshalb begann mein Buchtipp-„Adventskalender“ auf Twitter schon im November.
Und deshalb sind schon heute elf erste Titel zusammen, die ich hier bloggen kann. Alle weiteren dann bis Weihnachten auf meinem Twitter-Account, @smeschmesch, einmal pro Tag, meist zwischen 10 und 12 Uhr vormittags.
überraschend hart, klar, kantig:
Eine Kindheit unter den Nazis in Wien.
Erwachsenwerden im KZ.
Ein neues Leben in Amerika.
Klügers Erinnerungen sind wütender, kraftvoller, privater und komplexer als alle Holocaust-Berichte, die ich sonst kenne. Ein Jahrhundertbuch: sperrig, störrisch, unvergesslich.
Dorf, Kindheit, 60er Jahre:
Ein sanfter, kluger, stiller Roman.
Nostalgisch, etwas altmodisch, entspannt.
Literatur über einfache Familien.
Thomas Bernhard? Nein – wärmer, melancholischer. Gediegen. Ein zugänglicher, konventioneller und liebenswerter Text über das Rheinland und die alte BRD. Ein Buch für Väter, Großväter.
meine Entdeckung 2015:
Schullektüre/Sci-Fi-Klassiker in den USA.
Warmherzig, überrraschend komplex.
Statt simpler Antworten: toll kluge Fragen!
Ein geistig behinderter Mann lässt sich operieren – und wird klüger, aber kritischer, zerquälter, härter, arroganter. Ich kannte den Plot. Das literarische Niveau aber hat mich überrascht. Unbedingt lesen!
für ‚Hunger Games‘-Fans:
Politischer, dystopischer Comic, bisher 4 Bände.
Tolle Heldin/Hauptfigur, toll alptraumhafte Welt.
Mein Lieblings-Comicautor: Greg Rucka!
Konzerne statt Regierungen: Für ihre „Familie“ muss eine junge, gehorsame Frau Gegner töten, Duelle gewinnen, politisch verhandeln. Kalter Look – aber warmherzig, psychologisch, packend.
vergessener Künstlerroman von 1934:
Die Lebensgeschichte Rembrandts.
Altmodische Sprache, aber moderner Blick.
Literarische Biografie auf hohem Niveau.
Der deutsche Autor/Kunsthistoriker Tornius erzählt Rembrandts Leben nach – eindringlich, bildstark, mit viel Politik- und Geistesgeschichte, Lokalkolorit. Nur antiquarisch erhältlich. Ein Kleinod!
schwarze, kluge Satire über RAF & BRD:
Autor: Amerikaner (merkt man nicht).
Stil: Christian Kracht, Leif Randt, Frank Witzel.
Verlag: Suhrkamp – aber vergriffen.
Zwei Brüder (Künstler vs. Lokalpolitiker) in den eitlen, satten, biederen 70er Jahren – und eine Terrorgruppe in der Provinz: Absurd, wie gut dieser US-Autor deutsche Neurosen packt & überspitzt.
Best Age im Rentnerparadies der 80er: Florida!
Großer Gesellschaftsroman/Klassiker.
So chauvi, bräsig, geschwätzig wie Held „Rabbit“.
Band 4 – aber keine Vorkenntnisse nötig.
Reicher, egozentrischer Autohändler im Ruhestand, zusammen mit der Familie: Rabbit mit 50+, 1989 – das ist wie reiche deutsche Golfer, 2015. Viel Herz, viel Biss, viel Wut, viel Pathos. Großer Wurf!
junger, simpler, packender deutscher Roman, 2005.
Sohn hilft Mutter mit tödlicher Krankheit:
ALS (…siehe: Ice Bucket Challenge)
Nüchtern, kurz, traurig, leicht zu lesen.
Ein schlichtes Buch über einen erwachsenen Sohn, seine sterbende Mutter und eine letzte Reise nach Marseille: Björn Kerns andere Romane sind 08/15. Diesen verschenke ich seit fast 10 Jahren. Groß!
12 Monate in 12 Städten:
Reiseführer, Memoir, Wohlfühlbuch.
Mit 500.000 €, gewonnen bei Günther Jauch,
bricht Hamburger Journalistin auf.
Zwei, drei Kapitel lang dachte ich: „Aufgesetzt. Selbstverwirklichungs-Kitsch für ältere Damen.“ Doch Winnemuth ist so hungrig, ehrlich, neugierig, direkt… ein Buch übers Losleben, klug & profund!
Jugendbuch… und große Literatur:
Fünf junge Paare, Freunde. Fünf Perspektiven.
Alltag, Abgründe.
Tod und Glück.
Leicht lesbar, aber mit Anspruch, Tiefgang, Stil. Levithan zeigt ein Wochenende in der US-Provinz: Fünf Wendepunkte im Leben schwuler, queerer, transsexueller Schüler. Optimistisch & relevant!
für 10-, 12-, 14jährige, vielleicht auch Schullektüre:
entspanntes, kitschfreies Jugendbuch
über eine 11jährige, so stark gelähmt,
dass sie sich kaum verständigen kann.
Ich-Erzählerin Melody ist schwerstbehindert und erzählt aus ihrem Alltag: eine überforderte, aber liebevolle Familie, gehetzte Lehrer, Therapeuten. Statt Selbstmitleid: Esprit, Charme, Witz und Mut.
Im Mai 2013 probierte ich weißes Duplo. Empfahl es kurz auf Facebook… und erlebte meinen seltsamsten Social-Media-Moment: 2 Likes, 5 Kommentare – erst schien mein Beitrag unwichtig.
Doch jedes Mal, wenn ich seitdem weißes Duplo erwähne, sagt JEDER „Stefan? Klar! Das hast du doch schon auf Facebook gepostet! Ich habe es dann gekauft und selbst probiert.“
Mein einflussreichster Text?
Der Moment, in dem ich die meisten Menschen erreichte?
Ich fürchte, es war dieses „weißes Duplo ist lecker“-Posting vor zwei Jahren.
Felicitas Pommerening, Stefan Mesch auf der ‚Leizpig küsst Berlin‘-Lesung im Raum B, Berlin – Foto: Sophie Sumburane
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Am 28. und 29. November 2015 setzt das Kulturfestival Orbanism: Falling in Love 2015 Zeichen für eine offene Kultur. Organisiert von Christiane Frohmann und Leander Wattig lesen, diskutieren, performen, sprechen, feiern Künstler*innen, Autor*innen, Kulturschaffende und Interessierte an über 20 Orten in Berlin.
Zur Festivaleröffnung, am 27. November, habe ich bei Christiane Frohmanns „Katersalon“-Reihe im Kater Blau über Sehnsuchts-Figuren, Traumfrauen und -Männer, Projektionsflächen und Pornografie bei Tumblr gesprochen. Ich mache eine Druckversion des Vortrags fertig – für den Blog von Edel & Electric, im Dezember.
…und habe, passend zum „Orbanism“-Konzept, in diesem Text etwas Anderes, Neues probiert.
(Auflösung/Erklärung/Kontext weiter unten.)
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wie von selbst
von Stefan Mesch, 2015
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1:
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„Ich glaube nicht, dass wir noch Freunde sein können.“
Sie schwiegen eine Weile. Fin setzte sich neben sie. Auf Augenhöhe.
Auf der Bühne lud der Galerist jetzt ein, durch die Ausstellung zu gehen. Wieder wurde geklatscht. Langsam lösten sich Menschen vom Podium, verteilten sich im Raum.
„Wenn du jemanden brauchst, kann ich zu dir kommen. Ich will nicht, dass du das allein durchmachst.“
Wollte er ihr bei ihrem Liebeskummer beistehen? Liebeskummer über ihn?
„Tut mir leid, dass ich weg bin. Ich wollte anrufen, aber wusste nicht, was ich sagen soll.“
Durch die offene Tür konnte sie Menschen sehen; versuchte, das als beruhigend zu empfinden. Sie wusste nicht, ob sie traurig sein sollte. Fin fasste sich an die Stirn, legte die Hand in den Nacken.
„Ich muss kurz weg.“
In wenigen Minuten würde sich die Tür auch für nicht geladene Gäste öffnen.
„Ich habe da zu viel reingesteckt, Fin – da hängen auch andere dran. Wir machen das jetzt! Danach können wir reden.“
Er räusperte sich. Lief zum Galeristen am Sektausschank, beugte sich herunter. Sagte ein paar Worte.
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2:
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„Warum habt ihr euch getrennt?“
Leila sah zu Marie. Sprach von ihrer eigenen Kindheit, Jugend, von ihren Plänen und Träumen, die sich auch nicht erfüllt hatten. Sie fand, das sei normal. Marie war nicht sicher, was sie traurig machte. Ihre Vergangenheit? Erinnerungen? Das, was aus ihr geworden war?
„Alles okay?“ Leila legte den Arm um ihre Schulter. Marie konnte nichts sagen.
„Als meine Schwester draußen stand und gehänselt wurde, war ich drinnen in der Kirche und habe meiner damals besten Freundin selbstgemachten Schmuck gezeigt. Wir haben überlegt, mit welcher Kette ich wohl besser aussähe. Ich hätte draußen sein, mich vor meine Schwester stellen sollen.“
Draußen wies nichts mehr darauf in, dass vor einer Woche noch Schnee gelegen hatte.
„Du hast eine Affäre mit einem verheirateten Mann. Ein Jahr lang. Du machst alles nach Bauchgefühl!“
„Im Urlaub hast du gesagt, das sei toll an mir. Du hast gesagt, ich soll nicht so anspruchsvoll sein.“
„Du willst mir nicht erklären, dass du meinetwegen mit dem zusammen bist?“
Sie lief zum Sessel; stellte sich dahinter – als bräuchte sie ein Bollwerk.
Marie stand allein neben dem Esstisch.
Kurz danach fiel die Wohnungstür ins Schloss. Fin kam ins Zimmer. „Kann ich mit dir reden?“
„Du hast keine Ahnung, auf was für Dinge sich Frauen einlassen, aus Blindheit. Ahnungslosigkeit. Verliebtheit. Ich finde, wir leben in einer Zeit, in der man sich immer neu erfinden kann.“
Marie musste an die Mädchen denken, die zu Schulzeiten verkündet hatten, bestimmt eine Drei geschrieben zu haben. Nur um dann eine Eins zu bekommen und überrascht zu tun.
Er hatte ein blaues Hemd übergezogen. Sie hatte vor Monaten gesagt, wie gut er darin aussah. Jetzt konnte sie keine Haltung finden. Sie traten auseinander.
„Ich geh mal…“, sagte sie. Er nickte. Sie lief an ihm vorbei.
„Ich habe mir vorgenommen, ehrlich zu sein.“
„Ehrlichkeit ist das ungeliebte Stiefkind der Wahrheit. Verschwiegenheit mag sie lieber. Das lässt sie besser aussehen.“
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3:
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Ann stand an der Arbeitsplatte, schlug ein Ei auf. „Das ist die Essigreduktion. Für die Soße.“
„Machst du ein Chutney?“
„Nein. Sauce bernaise“. Sie ließ den Inhalt von einer Hälfte der gebrochenen Schale in die andere rutschen. Etwas musste schiefgegangen sein. Marie wollte irgendwie die Situation verändern.
„Es ist alles ein bisschen viel im Moment. Beim Tennis kann man nicht nachdenken. Hat Salzmann immer gesagt, beim Training. Uns interessiert nur der Ball, der jetzt kommt. Kein Gestern und kein Morgen. Ich habe so viel nachgedacht. Am liebsten würde ich Tennis spielen gehen.“
„Was ist mit Fin?“
Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Starrte auf den Boden. Farbige Orientierungsstreifen liefen auf ihm entlang: Gelb in die Chirurgie, Rot in die Kinderklinik, Blau irgendwo anders hin. Sie hatte sich geduscht, die Zähne geputzt, Haare geföhnt, sich angezogen. Sie hatte gegrüßt, sich gesetzt, ihren PC hochgefahren und Kaffee geholt, sie hatte Mails gelesen, gelöscht, beantwortet und archiviert. Jetzt ging sie an ihr Fach, holte ihre Post. Wichtige Infos rechts, Werbung direkt in den Müll. Wie eine Maschine.
„Du siehst fertig aus. Warum humpelst du?“
„Ich bin umgeknickt. In eine Pfütze getreten.“
Sie wollte sich nicht hinsetzen. Woher nahm sie den Optimismus, dass alles gut enden würde?
Fins Wohnung war nur um die Ecke von hier. Sie wollte nicht nach Hause. Sie wollte zu ihm.
Neben dem Regal hingen Masken an der Wand. Wo andere den Fernseher hätten, hing ein Kruzifix. Vor sich sah sie ein hohes Regal mit Klassikern und Sachbüchern. Der Spiegel. Die FAZ. Draußen fing es an zu regnen.
„Das wird den Schnee wegspülen.“
„War doch eh nur Matsch hier in der Stadt.“
Sie humpelte in den Flur. Zum Glück wohnte er im Erdgeschoss.
Sie saß in der U5 stadtauswärts. Handläufe. Sichelförmige Sitzreihen aus hellem Holz. Man konnte sich vorstellen, ganz woanders zu sein. Morgen nach der Sitzung würde Martina fragen, ob sie mit nach Berlin kommen würde. Sie hatte keine Ahnung, was sie antworten sollte.
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4:
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Fin nahm einen Stein vom Boden. Seine Daunenjacke machte unglaublichen Lärm. Er hatte sie überrascht.
Und er sah plötzlich anders aus. Alles, was er sich für die Zukunft überlegt hatte, war vom Tisch. Sie knöpfte den Stehkragen zu. Igendwann würde er seinen Ärger überwinden. Ihr helfen, aufzustehen. Und dann?
Sie lief ihm hinterher, blieb aber kurz vor der Tür stehen.
„Es tut mir leid“, sagte er. Merkte gleichzeitig, dass das nicht stimmte.
„Du möchtest nur das Kind. Du willst ja nicht mit mir zusammen sein.“
Fin guckte in den Raum.
„Ich habe nachgedacht.“ Hinter ihm lagen Blaupausen – der Grundriss. Daneben der Kaufvertrag und alle Gutachten, die er hatte kriegen können. Er hatte einen Tapeziertisch aufgestellt. Sie lief herum, sammelte ihre Sachen.
Vorsichtig drückte sie gegen die gläserne Tür. Sie war offen und gab sofort nach.
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5:
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Wenn sie mit dem Kopf woanders war, las sie zwar Text, aber nahm nichts auf. Sie hatte über die Haarmasse im Abfluss, über Milch und Einkäufe, volle Mülleimer, Pfandflaschen nachgedacht – und plötzlich stöhnte er laut und hilflos, hörte auf, sich zu bewegen.
Sie warf einen Seufzer in den Raum, um nicht unbeteiligt zu wirken.
Nach den Feuerwerken hatte Leila sich verabschiedet. Sie war enttäuscht vom Abend. Seit einer halben Stunde wurden die Böller draußen lauter.
„Ich war ein halbes Jahr in Quito“, sagte Lukas.
„Ecuador?“, fragte sie, als wisse sie das nicht.
„Um Leuten beim Umgang mit Kleinkrediten zu helfen.“
Sie spielte das Mädchen. Lukas hatte gesagt, er würde auf der ersten Party zu ihr und Leila stoßen. Er hielt Wort. Seit drei Stunden hielt er Wort.
„Hier ist gerade so viel in der Schwebe. Und wenn ich gehe, ist das alles weg.“ Sie malte mit der Fußspitze einen Halbkreis.
„Du… bleibst also.“
Sie steckte die Hände in die Taschen. Sie würde bleiben. Wohl wegen ihm. Oder nicht? Eine Weile liefen sie stumm weiter, vorbei an Einfamilienhäusern.
Wie von selbst bogen sie nach links.
„Das können auch Autisten: für jede soziale Interaktion den passenden Satz lernen und ihn dann runterrattern. Ich biete dir eine Hyposensibilisierung. Wie diese Spritzen bei Heuschnupfen. Bis du immun wirst – und deine Allergie verlierst.“
Auf der Straße war nichts los. Er klatschte in die Hände, als gäbe es jetzt Holz zu hacken.
Schon war Van Morrison weg, stattdessen sangen Tegan und Sara Where does the Good go – ohne den nervigen Teil in der Mitte. Dann kam Creed ohne Gitarrensolo. Maroon 5 ohne Rap-Einlage. Beethovens Neunte ohne die ersten siebenundfünfzig Minuten. Der Übergang klang gut. Finn hatte sich Mühe gegeben.
Auf dem Stick ist Musik. Ein Soundtrack für dein Leben. Lieder, von denen du gesagt hast, sie wären perfekt, wenn nicht der Refrain, wenn nicht das Ende… aus jedem Lied habe ich das, was du schlecht findest, rausgeschnitten. Ich wünschte, ich könnte das mit deinem Leben machen.
Marie zog das Post-it ab. Noch bevor sie den Absender sah, erkannte sie die Handschrift. Sie setzte sich auf den Boden, direkt im Flur.
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6:
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Lukas trug ein weißes Hemd und einen Pullunder, dazu eine Anzughose, Herrenschuhe. Wieder kam er ihr erwachsen vor und sie sich klein. Sie trafen sich im Rischart am Marienplatz.
Was wäre die Alternative? Jetzt nur noch Baby, Baby? Kein Partner mehr – bis das Kind aus dem Haus war?
„Wie geht es dir?“
Sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie machte den Mund auf und wieder zu.
Die Wohnung lag still vor ihr. Ihr wurde sofort heiß in Winterjacke, Schal und Mütze. Der Wind pfiff über den Bahnsteig. Im Zug schloss sie die Augen. Im Winter war es noch schwieriger, hier auszusteigen. Das Gleis, die Berge in der Ferne. Zu wissen: Hier fängt das an. Verena war nach Osnabrück gefahren, Leila nach Köln, Fin in die Berge.
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7:
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„Wenn du magst, kann ich dir meine Kytta-Salbe geben“, sagte Ann. „Ist so was Pflanzliches, wie Arnika.“ Die Jungs, die mit Fin am Kamin saßen, blickten hoch. Ann lächelte zu Finn. Sie war schon mehrfach allein für ihren Mund gebucht worden – für Lippenstiftwerbung, Zahncreme, Call-Center-Fotos.
Unter den Carvern knirschte es. Das war die schwierigste Piste des Gebiets, und heute, mit den Wolken vor der Sonne, konnte man die Beschaffenheit des Schnees besonders schlecht erkennen.
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8:
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„Ich will nicht mit Fin zusammen sein. Er hat nichts von dem, was ich in einem Partner suche.“ Verena roch nach Kirsch-Pulmoll, Schurwolle, Allergikerseife. In der Kaffeeküche hing ein Adventskalender.
Sie erstellte Listen, kurze Texte; jedes Szenario.
Wie würden sie das Finanzielle klären? Welchen Nachnamen würde das Kind tragen? Würden sie alle Entscheidungen zusammen treffen? Momentaufnahmen. Ausgebreitete Arme, ein zahnloses Lachen… und jemand im Hintergund. Undefiniert, wie ein Schatten.
„Du solltest den Job annehmen. Du denkst darüber nach, die Sache mit dem Baby zu machen? Statt Berlin?“
Sie war nie gut darin gewesen, jemanden abzuschütteln. Sie holte ihr Handy raus, rief Fin an. Er ging nicht dran.
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9:
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„Fin, ich bin’s“. Eine Frauenstimme. Fin fuhr sich über den Nacken. Vor drei Tagen war er beim Friseur gewesen. Eine normale Herrenfrisur. Da gibt’s jetzt nicht mehr viel zu variieren. Er zog an seinem Pullover, fand keine Position, in der er sich wohlfühlte.
„Man sollte sich überlegen, ob man ein Kind bekommt. Weil das Kind dann da ist. Es wird alles ändern. Für immer. Wenn andere Dinge auf der Strecke bleiben – und das werden sie – muss die Freude am Kind groß genug sein, um zurechtzukommen.“
Schwangere im Supermarkt, Schwangere im Bus. Babys im Kinderwagen, im Tragetuch, auf Schultern, Armen. Fin wurde das Gefühl nicht los, etwas Falsches gesagt zu haben.
„Kein klassisches Familienmodell. Ich finde das nicht schlimm.“
„Aber keine intakte Familie.“
„Wie wirst du es finden, jahrelang aus dem Leben auszutreten? Aus dem Beruf, aus allem?“
„Wir wären kein Paar, wir wären nur Eltern.“
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Rund um die Holzhütte lagen Pfandflaschen und Werkzeuge. Klaus‘ Parzelle lag am Ende der Anlage und wirkte vergleichsweise unordentlich. Die Sauberkeit der Wege, die Fahnenstangen, Mülltonnen, Hinweisschilder.
„Ich lege jetzt das Handy weg und lösche dich aus meinen Kontakten“, schrieb sie.
Der Bruch, die Einsamkeit. Kein Kampf.
Keine Notwendigkeit, sich klar zu ihr zu stellen.
Vielleicht würden sie sogar noch miteinander schlafen. Er hat keine Versprechungen gemacht. Was kann sie sagen? Welches Recht hat sie, wütend zu sein?
Sie straffte die Schultern. Bekomm halt keine Kinder mit irgendeinem Deppen.
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11:
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„Du glaubst, dass er seine Frau nicht verlassen wird.“
„Nie.“
„Und es nie wollte.“
„Genau.“
Sie las den Text viermal. Dann legte sie das Handy weg. Verena hatte ein Foto ihrer Arbeit im Kinderdorf gepostet. Leila fragte, ob sie auf eine Party wolle. Zwischen den Platanen rannten Kinder hin und her. Versuchten, sich gegenseitig zu fangen. Sie drehte das Autoradio an. Wie viele Tassen Kaffee kann man jemandem bringen?
Vor zwei Jahren war Fin von einem Jeep erfasst worden. Sein rechtes Bein musste mehrfach operiert werden. Er redete nicht viel darüber. Marie faltete die Karten zusammen.
„In meinem Alter sind nur noch Loser allein. Single ist man vor und nach dreißig, nicht mittendrin.“
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12:
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Fin blieb direkt hinter der Tür, Hände in den Hosentaschen, das Gewicht auf beide Beine verteilt. Seit sie ihn kannte, imitierte er Vorbilder, folgte irgendwelchen Vorgaben. Vielleicht sollte sie nach Hause gehen.
„Es war die richigite Entscheidung.“
„Wenn du das sagst.“
„Das sage ich. Wir treffen uns nicht mehr.“
Mit dreizehn ging sie ständig auf Demos, protestierte gegen die Kompetenzerweiterung der Bundeswehr, klebte sich WWF-Sticker auf den Ranzen und wäre bestimmt auch auf den nächsten Kraftwerk-Schornstein geklettert, hätte es in der Umgebung Anlass gegeben.
Sie schrieb für die Schülerzeitung, war Klassen-, später Schulsprecherin, organisierte Projektwochen.
„Jetzt habe ich was zum Drübernachdenken.“
Fin war überrascht, dass sie nicht emotionaler war.
„Ally McBeal ist immer unglücklich. Nein – unzufrieden. Am Ende haben sie das so gedreht, dass sie einfach aufhört, ihr Glück in einer Zweierbeziehung zu suchen. Stattdessen hat sie eine Tochter und sagt, die Leere, die sie immer gefühlt hat, ist jetzt weg. Also braucht sie keinen Mann mehr. Fernsehen halt.“
Fin biss sich auf die Lippe. „Du sagst, du willst Familie. Du sagst, du suchst einen Familienmensch, der nichts über dich und eure Kinder stellen wird. Aber du magst Männer, die intellektuell sind, beruflich erfolgreich, engagiert und interessant.“
„Na und?“
„Möchtest du ein Bier?“
„Hast du noch von deinem Ammoniak?“
Er lachte. „Armagnac. Sofort.“
Sie wollte irgendwohin, wo es ihr besser gehen würde.
Kälte hätte ihr jetzt gut getan, vielleicht sogar Regen, der hätte jetzt gepasst.
Aber nein. Es war natürlich warm.
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Tatsächlich ist mein Text, „wie von selbst“, keine Erzählung.
Sondern ein Cut-Up: ein Schwerpunkt des Orbanism-Festivals / das Thema der „Leipzig küsst Berlin“-#fil15-Lesung war: Remix und Remix-Kultur, und schon seit Wochen haben Künstler*innen auf der Orbanism-Website Texte, Bilder, Filme, Audiodateien zur Verfügung gestellt, aus denen – im Rahmen des Festivals – neue Inhalte entstehen konnten.
„Marie und Fin sind beste Freunde. Schon seit der Grundschule. Bei Fin kann Marie sich ausheulen, wenn mal wieder einer ihrer Beziehungsversuche missglückt ist. Und bei Marie kann Fin er selbst sein, und muss sich nicht für seinen Freiheitsdrang rechtfertigen. Sie könnten sich nie ineinander verlieben, und das macht die Freundschaft so perfekt. Doch eines Tages macht Fin einen unglaublichen Vorschlag: Er möchte ein Kind haben, ohne sein Single-Leben aufzugeben. Und das am liebsten mit Marie. Sie fällt aus allen Wolken. Eine absurde Idee! Oder könnte das ungewöhnliche Modell vielleicht doch funktionieren?“
Lesungsfoto: Sophie Sumburane, Buchcover: Berlin Verlag
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Ich habe den Roman rückwärts gelesen – Seite für Seite, als ebook…
…mir Lieblingssätze markiert…
…und diese Sätze dann – ohne, ihre Reihenfolge zu ändern oder Worte hinzuzufügen…
…zu einer neuen Geschichte montiert:
Die Münchner Journalistin Marie, 32, hat im Roman eine Affäre mit einem verheirateten Mann, trennt sich auf Seite 1, fährt mit ihrem besten Freund Fin in den Urlaub und überlegt sehr lange, was sie von Fins Vorschlag halten soll, ein Kind zu zeugen und gemeinsam aufzuziehen – als Freundes-Duo, nicht als romantisches Paar. Marie flirtet mit Lukas, Fin trifft ein Model namens Ann-Kathrin, der Roman erzählt eine Annäherung, folgt den Gedanken einer ledigen, nicht-schwangeren Frau.
Mein Remix-Text erzählt eine Trennung und die Ängste einer Schwangeren.
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Kurzgeschichten leben oft von Lücken, Ellipsen. Möglichst vielsagenden… Auslassungen.
Aber lädt sich jeder Halbsatz mit Bedeutung auf? Reichen kurze, widersprüchliche Szenen, Schlaglichter, Fragmente – und aus direkter, erzählender Prosa wird „suggestive“, verrätselte Literatur?
Aber ich weiß auch, nach fünf Jahren „Kreatives Schreiben“ in Hildesheim: Vage Kurzsätze kann JEDER aneinander reihen. „wie von selbst“ klingt wie… fünftes Semester Schreibschule. Ein „suggestiver“ Text? Ein Windbeutel!
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Felicitas Pommerening, geb. 1982, lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem kleinen Sohn in Mainz. Nach dem Studium hat sie jährlich den Job und den Wohnort gewechselt, bis sie keine Lust mehr dazu hatte. 2011 hat sie ihre medienwissenschaftliche Doktorarbeit abgeschlossen.
Zur „Raum B“-Lesung war sie Überraschungsgast:
Nach meinem Remix-Text las sie selbst aus „Freunde fürs Lieben“… und antwortete/erzählte mir und dem Publikum viel über die Arbeit am Roman, ihre Ziele als Autorin und das eigene Schreiben.
Ich habe mich irrsinnig gefreut, mit ihr zu sprechen.
Und ich habe es sehr genossen, zwei Tage lang durch ihren Roman zu streifen, mit ihren Worten, ihrer Sprache zu arbeiten.
Ich lese jede Woche durch neue Bücher aus den USA, Kanada und Großbritannien und sammle meine Favoriten auf „bald lesen!“-Listen. Die Neuerscheinungen 2015 – in Deutschland und international – habe ich in immer neuen Vorauswahl-Listen gebloggt:
Heute: Mainstream-Titel, die noch nicht auf Deutsch erhältlich sind. „Frauenliteratur“ (historical romances), Fantasy und Science Fiction, Unterhaltungsromane.
schon der Klappentext hat Rechtschreibfehler – aber die Kritiken sind euphorisch, und die Figurensprache macht mir Spaß.
288 Seiten, September 2015
„The greatest Starfleet captain’s life (2233–2371) in his own words. From his birth on the U.S.S. Kelvin, his youth on Tarsus IV, his time in the Starfleet Academy, his meteoric rise through the ranks of Starfleet and his illustrious career at the helm of the Enterprise, Kirk’s singular voice rings throughout the text. Excerpts from his personal correspondence, captain’s logs and more give Kirk’s personal narrative further depth.“ [Klappentext, gekürzt]
„A poignant novel that explores the creation of Artificial Intelligence: from the Atlantic Ocean in the seventeenth century to a correctional institute in Texas in the near future, told from the perspectives of five very different characters, Speak considers what it means to be less than fully alive. A young Puritan woman travels to the New World with her unwanted new husband. Alan Turing, the renowned mathematician and code breaker, writes letters to his best friend’s mother. A Jewish refugee and professor of computer science struggles to reconnect with his increasingly detached wife. An isolated and traumatized young girl exchanges messages with an intelligent software program. A former Silicon Valley Wunderkind is imprisoned for creating illegal lifelike dolls. All five characters share the need to express themselves while simultaneously wondering if they will ever be heard, or understood.“ [Klappentext, gekürzt]
viel Pathos, viel Gut-gegen-Böse-Kitsch… aber stilistisch überzeugt mich dieser Bestseller erstmal:
388 Seiten, Juni 2015
„Neil Gaiman meets Joe Hill in this original, terrifying, darkly funny contemporary fantasy. Carolyn was a normal American herself, once. That was a long time ago, of course—before she and a dozen other children found themselves being raised by a man they learned to call Father. Father could call light from darkness. Sometimes he raised the dead. Now, Father is missing.“ [Klappentext, gekürzt]
herzige kanadische Literatur, vielleicht zu schnarchig/bieder
384 Seiten, April 2015
„Family, nature, home: Moving from city to country, summer to winter, wellbeing to illness, the novel charts the deepening bond between mother and son even as the family comes apart. Set in the mid-1990s, when Quebec is on the verge of leaving Canada, this captivating novel is an unconventional coming of age story.“ [Klappentext, gekürzt]
beginnt wie ein Frauen-Historienschinken – aber ist kantiger, kritischer, packender.
384 Seiten, Juli 2015
„A lush, lyrical story of a young woman and her passion for the early sounds of tango. February 1913: seventeen-year-old Leda leaves her Italian village for a new home, and a new husband, in Argentina. Arriving in Buenos Aires, she discovers that he has been killed, but she remains: living in a tenement, without friends or family. Tango, born from lower-class immigrant voices, is now the illicit, scandalous dance of brothels and cabarets. Leda eventually acts on a long-held desire to master the violin, knowing that she can never play in public as a woman. She cuts off her hair, binds her breasts, and becomes “Dante,” a young man who joins a troupe of tango musicians.“ [Klappentext, gekürzt]
neue Steampunk-Fantasy-Reihe mit sympathischem Ich-Erzähler
440 Seiten, Mai 2015
„My name is Jax. I am a clakker: a mechanical man, powered by alchemy. Armies of my kind have conquered the world. I am a faithful servant. I am the ultimate fighting machine. I am a slave. But I shall be free.“ [Klappentext, gekürzt]
„On her sixteenth birthday, Isobel makes the choice to work for the devil in his territory west of the Mississippi. His land is a wild west that needs a human touch. Izzy is raised to be his left hand and travel the circuitous road through the territory.“ [Klappentext, gekürzt]
ein Fantasy-Routinier mit einem politischen, intelligenten Kriegsroman
658 Seiten, Februar 2015
„A standalone, action-packed pseudo-Napoleonic historical fantasy adventure: Denland and Lascanne have been allies for generations, but now the Denlanders have assassinated their king, overthrown the monarchy and marched on their northern neighbour. At the border, the war rages; Lascanne’s brave redcoats against the revolutionaries of Denland. Every household must give up one woman to the army and Emily has no choice but to join the ranks of young women marching to the front. As the war worsens, and Emily begins to have doubts about the justice of Lascanne’s cause, she finds herself in a position where her choices will make or destroy both her own future and that of her nation.“ [Klappentext, gekürzt]
Hoffman ist mir oft zu bieder und naiv-historisch – aber hier überzeugt sie mich:
384 Seiten, August 2015
„A forbidden love story set on the tropical island of St. Thomas about the extraordinary woman who gave birth to painter Camille Pissarro; the Father of Impressionism. Idyllic St. Thomas in the early 1800s: Rachel dreams of life in faraway Paris. Rachel’s mother, a pillar of their small refugee community of Jews who escaped the Inquisition, has never forgiven her daughter for being a difficult girl who refuses to live by the rules. Rachel’s life is not her own. She is married off to a widower with three children to save her father’s business. When her husband dies suddenly and his handsome, much younger nephew, Fréderick, arrives from France to settle the estate, Rachel seizes her own life story.“ [Klappentext, gekürzt]
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10: LUCY KNISLEY, „Displacement“
ein simples, autobiografisches Graphic Novel über eine traurige Kreuzfahrt mit greisen Großeltern. Stil, Tonfall und die Balance zwischen großen Themen und absurden Anekdoten sagen mir sehr zu.
161 Seiten, Januar 2015
„In her graphic memoirs, cartoonist Lucy Knisley paints a warts-and-all portrait of contemporary, twentysomething womanhood: Knisley volunteers to watch over her ailing grandparents on a cruise. In a book that is part graphic memoir, part travelogue, and part family history, Knisley not only tries to connect with her grandparents, but to reconcile their younger and older selves. She is aided in her quest by her grandfather s WWII memoir.“ [Klappentext, gekürzt]
Haruf verstarb 2014. Ich mochte „Plainsong“, finde diese Farmer- und Midwest-Romane insgesamt aber zu betulich, harmlos und naiv.
192 Seiten, Mai 2015.
„In advanced age, a man and a woman come together to wrestle with the events of their lives. Holt, Colorado: Addie Moore pays an unexpected visit to a neighbor, Louis Waters. Her husband died years ago, as did his wife, and in such a small town they naturally have known of each other for decades.“ [Klappentext, gekürzt]
„As they prepare for college, Jason and his older brother reluctantly work together to investigate their father’s suicide. The brothers also travel landscapes of guilt, betrayal, and secrets as they try to figure out what destroyed their family.“ [Klappentext, gekürzt]
Moody wird seit Jahrzehnten immer schlechter. Hier überzeugt mich das Konzept – ähnlich den Callboy-Reviews aus Denis Coopers „The Sluts“.
199 Seiten, November 2015
„Reginald Edward Morse is one of the top reviewers on RateYourLodging.com, where his many reviews reveal more than just details of hotels around the globe–they tell his life story.“ [Klappentext, gekürzt]
Schwuler Historienkitsch? Ich glaube, das Buch ist besser als sein Cover.
352 Seiten, März 2015
„In the golden 1900s, Harry Cane, a shy gentleman, marries Winnie, eldest daughter of the fatherless Wells clan, who are not quite as respectable as they would appear. When a chance encounter awakens scandalous desires, Harry is forced to forsake the land for a harsh new life as a homesteader on the newly colonized Canadian prairies. There, in a place called Winter, he will come to find a deep love within an alternative family.“ [Klappentext, gekürzt]
S.M. Hulses Bestseller „Black River“ gab ich nach 100 Seiten auf: ein Buch über die Spätfolgen von Verbrechen, elegisch-amerikanisch-seicht wie viele neue Clint-Eastwood-Filme. Shreve erzählt einen ähnlichen Stoff im ähnlichen Stil. Besser?
160 Seiten, Februar 2015
„After fifty years of guilt over his brother’s brutal murder in Civil Rights era Mississippi, Warren Williams dedicates himself to bringing Graden’s killers to justice. A phoned-in tip after a television appearance leads Warren to a remote town in northern Ontario, where he meets Earl Olsen, the only murderer still at large, who turns out to be very different than what Warren had expected.“ [Klappentext, gekürzt]
komplexer Familienroman über eine Welt (Kubaner in Miami), die mir fremd ist.
400 Seiten, August 2015
„When Lizet, the daughter of Cuban immigrants, secretly applies and is accepted to an ultra-elite college, her parents are furious at her decision to leave Miami. But the privileged world of the campus feels utterly foreign, as does her new awareness of herself as a minority. Struggling both socially and academically, she returns to Miami for a surprise Thanksgiving visit, only to be overshadowed by the arrival of Ariel Hernandez, a young boy whose mother died fleeing with him from Cuba on a raft. The ensuing immigration battle puts Miami in a glaring spotlight, captivating the nation.“ [Klappentext, gekürzt]
das könnte ein Mainstream-Historien-Bestseller werden: simpel, aber plastisch und interessant.
256 Seiten, September 2015
„1855. Blackface minstrelsy is the most popular form of entertainment in a nation about to be torn apart by the battle over slavery. Henry Sims, a fugitive slave and a brilliant musician, has escaped to Philadelphia, where he lives by his wits and earns money performing on the street. He is befriended by James Douglass—leader of the Virginia Harmonists. But black performers are not allowed to appear onstage, even in Philadelphia. Together the two concoct a dangerous masquerade to protect Henry’s identity.“ [Klappentext, gekürzt]
Gentrifizierungs-Satire aus dem Kleinverlag eines Bekannten. Vielleicht zu simpel/dick aufgetragen?
264 Seiten, September 2015
„Charles and Sarah are a typical New York creative class couple — he’s in finance, she works at a hipster small press. But when they decide to take the logical next step and buy a condo in one of the glass-and-steel skyscrapers now dotting the waterfront of Williamsburg, their lives start to fall apart almost the moment after they sign their mortgage. A touching ode to the a–holes ruining Brooklyn, this literary debut of „the Millennial John Updike“ is a funny yet wistful dramedy about young urban life during the Great Recession.“ [Klappentext, gekürzt]
„Every addict has that one special vice that can tip them from relatively functional to completely unhinged. For Chuck, it’s a new drug that doesn’t even have a name yet. But when chunks of time begin to disappear and rearrange themselves , he wonders if this really is just another life-ruining drug or if it’s something straight out of a Philip K. Dick universe.“ [Klappentext, gekürzt]
magischer Realismus: Ich bin gespannt, ob mich dieser Deutsche als authentisch *deutsche* Figur überzeugt.
345 Seiten, September 2014
„[German] Heinrich Schlögel sets out on a two-week hike into the isolated interior of Baffin Island, Canada. His journey quickly becomes surreal. When he returns, he discovers that thirty years have passed.“ [Klappentext, gekürzt]
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Um 20 Bücher zu finden, lese ich über 150 empfohlene/gefeierte/preisgekrönte Bücher an. Ich bin gespannt, welche dieser Bücher den Sprung in deutsche Verlage/Buchhandlungen schaffen.
Kitsch? Magischer Realismus? Psychische Krankheit? Stilistisch, literarisch macht das Spaß:
323 Seiten, Januar 2015
„Miss Hayes has a new theory. She thinks my condition’s caused by some traumatic incident from my past I keep deep-rooted in my mind. As soon as I come clean I’ll flood out all these tears and it’ll all be ok and I won’t be scared of Them anymore. The truth is I can’t think of any single traumatic childhood incident to tell her. I mean, there are plenty of bad memories – Herb’s death, or the time I bit the hole in my tongue, or Finners Island, out on the boat with Sarah – but none of these are what caused the phobia. I’ve always had it. It’s Them. I’m just scared of Them. It’s that simple.“ [Klappentext, gekürzt]
‚Black Lives Matter‘, Polizeigewalt, Psychologie. Ich bin gespannt!
316 Seiten, September 2015
„A bag of chips. That’s all sixteen-year-old Rashad is looking for at the corner bodega. What he finds instead is a fist-happy cop, Paul Galuzzi, who mistakes Rashad for a shoplifter. But there were witnesses: Quinn Collins—a varsity basketball player and Rashad’s classmate who has been raised by Paul since his own father died in Afghanistan—and a video camera. Soon the beating is all over the news and Paul is getting threatened with accusations of prejudice and racial brutality. Quinn refuses to believe that the man who has basically been his savior could possibly be guilty. But then Rashad is absent. And absent again. And again. And the basketball team—half of whom are Rashad’s best friends—start to take sides. As does the school. And the town. Simmering tensions threaten to explode as Rashad and Quinn are forced to face decisions and consequences they had never considered before.“ [Klappentext, gekürzt]
schräge Wohlfühl-Literatur einer eher biederen Autorin.
256 Seiten, Juli 2015
„Iris’s father Ernest is at the end of his life. Her mother has declared war. She means to get her hands on Ernest’s priceless art collection. But Ernest has other ideas. There are things he wants Iris to know. Things he can tell her and things that must wait till he’s gone.“ [Klappentext, gekürzt]
Ein „Middle Grade“-Roman für Leser*innen zwischen 10 und 14. Nicht so kitschig/seicht, wie das Cover befürchten lässt.
308 Seiten, Juni 2015
„Liam doesn’t remember what Grandma was like before she became ill with dementia. He only knows the witch-like old woman who snaps and snarls and eats her birthday cards. Escaping the house one evening, Liam discovers an old stone gargoyle in a rundown church. The gargoyle is alive. It moves unseen in the night, acting out Liam’s stories. And stories can be dangerous things… What if the gargoyle is the only thing that can save Liam’s family?“ [Klappentext, gekürzt]
„When Evan’s father dies, Evan finds a hand-bound yellow book on his desk: the diary of a Japanese soldier stranded on a small Pacific island in WWII. Why was his father reading it? Who was the American soldier also stranded there? This engrossing mystery novel is a suspenseful, at times terrifying read.“ [Klappentext, gekürzt]
einfacher, geradliniger Jihad- und Abenteuerroman – vielleicht zu simpel?
240 Seiten, Juni 2015
„Kadija is the music-loving daughter of a guardian of the sacred manuscripts of the ancient city of Timbuktu, Mali. Ali is a former shepherd boy, trained as a warrior for Allah. Tonight, the Islamist rebels are coming for Timbuktu. They will install a harsh regime of law. Television, football, radios, even music, will be banned. Kadija refuses to let go of her former life. And something in her defiance draws Ali to her. Which path will he choose?“ [Klappentext, minimal gekürzt]
„It’s been a long time since Lara’s felt this bad, this depressed, this ugly. She’s worked really hard to become pretty and happy – and make new friends after what happened in middle school. Bree used to be best friends with overweight, depressed Lara, but constantly listening to Lara’s issues got to be too much. Secretly, Bree’s glad Christian called Lara out. Lara’s not nearly as amazing as people think. But no one realized just how far Christian’s harsh Facebook comments would push Lara. Not even Bree. As online life collides with real life, things spiral out of control, and not just for Lara. Because when the truth starts to come together, the backlash is even more devastating than anyone could have ever imagined.“ [Klappentext, gekürzt]
stilsicher und charmant, aber selbstverliebt und vielleicht zu langsam/träge.
352 Seiten, August 2015
„Welcome to Brighton in 1988 and the University of Sussex, where kids sport Mohawks as conversation drifts from structuralism to Thatcher to the bloody Labour Students. Meet David Heller, an American who’s left the States to escape his own family still mourning the death of a daughter ten years later. To extend his stay, David has taken a job nursing Hans Bromwell. The son of a former MP, and playboy in his day, Hans was left paralyzed by a mysterious accident. When David moves into the Bromwell house, his life becomes quickly entwined with those of Hans, his alcoholic sister Elizabeth, and her beautiful fatherless daughter, as they navigate their new role as fallen aristocracy.“ [Klappentext, gekürzt]
„The first time Philip Digby shows up on Zoe Webster’s doorstep, he’s rude and he treats her like a book he’s already read and knows the ending to. But before she knows it, Zoe’s allowed Digby to drag her into a series of hilarious, dangerous, and only vaguely legal schemes all related to the kidnapping of a local teenage girl. A kidnapping that might be connected to the tragic disappearance of his little sister eight years ago. A contemporary debut with razor-sharp dialogue, ridiculously funny action, and a dynamic duo you won’t soon forget.“ [Klappentext, gekürzt]
„Aron and a handful of boys and girls risk their lives by scuttling around the Warsaw ghetto to smuggle and trade contraband through the quarantine walls in hopes of keeping their fathers, mothers, brothers, and sisters alive, hunted all the while by blackmailers and by Jewish, Polish, and German police, not to mention the Gestapo. Jim Shepard has masterfully made this child’s-eye view of the darkest history mesmerizing, sometimes comic despite all odds. Anyone who hears Aron’s voice will remember it forever.“ [Klappentext, gekürzt]
eins der beliebtesten Bücher des Jahres. ich bin auf Seite 50: kompetent, aber bisher sehr brav und langsam runter-erzählt.
320 Seiten, Mai 2015
„Zagreb, summer of 1991. Ten-year-old Ana Jurić is a carefree tomboy who runs the streets of Croatia’s capital with her best friend, Luka. But as civil war breaks out, soccer games and school lessons are supplanted by sniper fire and air raid drills. When tragedy suddenly strikes, Ana is lost to a world of guerilla warfare and child soldiers; a daring escape plan to America becomes her only chance for survival. Ten years later Ana is a college student in New York. She’s been hiding her past from her boyfriend, her friends, and most especially herself. Haunted by the events that forever changed her family, she returns alone to Croatia, where she must rediscover the place that was once her home and search for the ghosts of those she’s lost.“ [Klappentext, minimal gekürzt]
Auch hier bin ich auf Seite 50 – und weiß nicht, ob ich fertig lesen soll: sympathische Ich-Erzählerin – aber bisher sehr erwartbar/bekannt.
272 pages, January 2015
„The vivid story of two teenage cousins, raised as sisters, who survive the devastating 2010 earthquake in Haiti. After losing the woman who raised them, Magdalie and Nadine must fend for themselves in the aftermath of the quake. The girls are inseparable until Nadine, whose father lives in Miami, sends for her but not Magdalie. As she leaves, Nadine makes a promise she cannot keep: to bring Magdalie to Miami, too.“ [Klappentext, gekürzt]
Neal Shusterman ist Pathos-König. Das hier ist eigensinnig – aber SEHR dick aufgetragen.
320 Seiten, April 2015
„Caden Bosch is on a ship that’s headed for the deepest point on Earth: Challenger Deep, the southern part of the Marianas Trench. Caden Bosch is a brilliant high school student. Caden Bosch is designated the ship’s artist. Caden Bosch pretends to join the school track team but spends his days walking for miles, absorbed by the thoughts in his head. Caden Bosch is split between his allegiance to the captain and the allure of mutiny. Caden Bosch is torn. A captivating and powerful novel“ [„…about mental illness?“ Klapptentext, gekürzt]
ein Gegenentwurf zu „The Fault in our Stars“ und „Red Band Society“?
336 Seiten, Mai 2015
„Two teens with a deadly disease fall in love on the brink of a cure. At seventeen, overachieving Lane finds himself at Latham House, a sanatorium for teens suffering from an incurable strain of tuberculosis. Part hospital and part boarding school, Latham is a place of endless rules and confusing rituals. There, Lane encounters a girl he knew years ago. Instead of the shy loner he remembers, Sadie has transformed. At Latham, she is sarcastic, fearless, and utterly compelling. Her friends, a group of eccentric troublemakers, fascinate Lane, who has never stepped out of bounds. But as Lane and Sadie begin to fall in love and their group begins to fall sicker, their insular world threatens to come crashing down.“ [Klappentext, gekürzt]
überraschend sympathisches Selbsthilfe- und Advice-Buch für junge Frauen. Ich mag den Tonfall – und hatte im Sommer Spaß mit einem ähnlichen Buch für queere Jugendliche, „This Book is Gay“
„We are living in the age of the image – the perfect image. Young women are under pressure to project a persona of perfection. True Face shows how to resist the pressure from the ‚perfection police‘ and take off the masks. In chapters dealing with body image, bullying, social media, love, sex and more, Siobhan Curham encourages young women and girls to be honest, dream big, and create lives that are happy and fulfilling. Perfect for ages 13+ – and for the Girls fan in her 20s/30s too!“ [Klappentext, gekürzt]
„Verschleppt ins Morgenland“? So müde mich dieser Klischee-Blick auf die islamische Welt macht – hier funktioniert es stilistisch, psychologisch.
277 Seiten, März 2015
„Naila’s conservative immigrant parents have always said the same thing: She may choose what to study, how to wear her hair, and what to be when she grows up—but they will choose her husband. Until then, dating—even friendship with a boy—is forbidden. When Naila breaks their rule by falling in love with Saif, her parents are livid. Convinced she has forgotten who she truly is, they travel to Pakistan to visit relatives and explore their roots. But Naila’s vacation turns into a nightmare when she learns that plans have changed—her parents have found her a husband and they want her to marry him, now!“ [Klappentext, gekürzt]
sympathisch alltäglicher, harmloser WG-Roman ohne viel Romance-Kitsch.
324 Seiten, September 2015
„Six ‚friends‘, one flat, big dreams… what could go wrong? When 18-year-old Anna leaves school and moves to Liverpool, she feels like her life is finally beginning. But Anna’s job quickly falls through… and it’s not long before Anna starts using her blog to talk about her experiences, from the hilarious to the ridiculous to the little-bit-scary. But when Anna spills a bigger secret than she can handle, suddenly the consequences are all too real. She’ll have to prove she has the mettle to make it in the big city, or risk losing everything she thinks she wants.“ [Klappentext, gekürzt]
Vietnam durch die Augen einer vietnamesischstämmigen jungen Amerikanerin. Einfach, aber klug.
272 Seiten, Februar 2015
„Mai, a California girl born and raised, has to travel to Vietnam with her grandmother, who is going back to find out what really happened to her husband during the Vietnam War. Mai’s parents think this trip will be a great opportunity for Mai to learn more about her culture. But to Mai, those are their roots, not her own. Vietnam is hot, smelly, and the last place she wants to be. To survive her trip, Mai must find a balance between her two completely different worlds.“ [Klappentext, gekürzt]
im schlimmsten Fall ist das eine billige „Dark Romance“ – doch bisher überzeugt mich die Hauptfigur: Wut, Sarkasmus, Dringlichkeit!
339 Seiten, August 2014
„After she accuses the town golden boy of rape, everyone turns against Grace. They call her a slut and a liar. But…Ian doesn’t. He’s funny and kind with secrets of his own. But how do you trust the best friend of the boy who raped you?A gut-wrenching, powerful love story told from alternating points of view.“ [Klappentext, gekürzt]
putzige Middle-Grade-Novel über eine junge kochverrückte Sechstklässlerin: Fortsetzung erscheint 2016.
288 Seiten, Juli 2014
„Meet Gladys Gatsby: New York’s toughest restaurant critic. (Just don’t tell anyone that she’s in sixth grade.) Gladys has been cooking gourmet dishes since the age of seven, only her fast-food-loving parents have no idea! Now she’s eleven, and after a crème brûlée accident (just a small fire), Gladys is cut off from the kitchen (and her allowance). She’s devastated but soon finds just the right opportunity to pay her parents back when she’s mistakenly contacted to write a restaurant review for one of the largest newspapers in the world. But in order to meet her deadline and keep her dream job, Gladys must cook her way into the heart of her sixth-grade archenemy and sneak into New York City—all while keeping her identity a secret! Easy as pie, right?“ [Klappentext, minimal gekürzt]
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…und eine Thriller-Reihe aus Deutschland, von der ich lange wusste, aber die ich mir – wegen der kindischen, nichtssagenden Cover und den altbackenen Figurennamen – viel seichter und harmloser vorgestellt hatte:
das klingt SO bieder und nach „deutsches Jugendbuch“… aber Feth schreibt so plastisch und plausibel, dass ich sobald wie möglich weiterlesen will.
529 Seiten, August 2015
„Merle ist Tierschützerin. Ein Hund, den sie einst vermittelt hatte, starb wenige Wochen später auf grausame Weise. Der neue Besitzer wurde angeklagt und aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nun kreuzen sich ihre Wege erneut und Merle kommt einem weit gefährlicheren Geheimnis auf die Spur…“ [Klappentext, gekürzt]
„Im Jahr 2005 begann Slahi, seine Geschichte aufzuschreiben: Er berichtet von seinen Entführungen durch die Geheimdienste, den Folterungen und den Begegnungen mit seinen Peinigern, aber auch mit Menschen, die sich ihm zuwandten. Der erste Bericht eines Guantanamo-Gefangenen, dessen offizielle Freigabe durch jahrelange juristische Anstrengungen erzwungen wurde.“ [Klappentext, gekürzt]
kein Kitsch: Astrid Lindgrens Tagebücher aus dem zweiten Weltkrieg
576 Seiten, September 2015
„Astrid Lindgrens Geschichten handeln von Mut, Hoffnung, Liebe und Widerstand. Lange bevor die Bücher entstanden, schrieb sie ihre Gedanken über das dunkelste Kapitel des 20. Jahrhunderts nieder: den Zweiten Weltkrieg. In ihren Tagebüchern schildert sie, wie Europa von Faschismus, Rassismus und Gewalt vergiftet wird. Nachdenklich und betroffen, aber auch mit dem so unverwechselbaren Tonfall stellt Astrid Lindgren in ihren Tagebüchern wichtige Fragen, die heute wieder von erschreckender Aktualität sind. Daneben erzählt sie von ihrem Familienleben und den ersten Schreibversuchen: 1944 schenkt sie ihrer Tochter das Manuskript von „Pippi Langstrumpf“ zum Geburtstag.“
„Your cell phone provider tracks your location. Your online patterns reveal if you’re unemployed, sick, or pregnant. Google knows what you’re thinking because it saves your private searches. The powers that surveil us do more than simply store this information. Corporations use surveillance to manipulate not only the news articles and advertisements we each see, but also the prices we’re offered. Governments use surveillance to discriminate, censor, chill free speech, and put people in danger worldwide. And both sides share this information with each other or, even worse, lose it to cybercriminals in huge data breaches.
The result is a mass surveillance society of our own making. But have we given up more than we’ve gained? In Data and Goliath, security expert Bruce Schneier shows us what we can do to shake up surveillance-based business models, while also providing tips for you to protect your privacy every day. You’ll never look at your phone, your computer, your credit cards, or even your car in the same way again.“ [Klappentext, gekürzt]
vier Ideen aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die das 20. Jahrhundert bestimmten: interessantes geistesgeschichtliches und politisches Panorama.
497 Seiten, Mai 2015
„This panoramic book tells the story of how revolutionary ideas from the Enlightenment about freedom, equality, evolution, and democracy have reverberated through modern history and shaped the world as we know it today. A testament to the enduring power of ideas, The Shape of the New offers unforgettable portraits of Adam Smith, Thomas Jefferson, Alexander Hamilton, Charles Darwin, and Karl Marx—heirs of the Enlightenment who embodied its highest ideals about progress—and shows how their thoughts, over time and in the hands of their followers and opponents, transformed the very nature of our beliefs, institutions, economies, and politics. Yet these ideas also hold contradictions. They have been used in the service of brutal systems such as slavery and colonialism, been appropriated and twisted by monsters like Stalin and Hitler, and provoked reactions against the Enlightenment’s legacy by Islamic Salafists and the Christian Religious Right. The Shape of the New argues that it is impossible to understand the ideological and political conflicts of our own time without familiarizing ourselves with the history and internal tensions of these world-changing ideas. With passion and conviction, it exhorts us to recognize the central importance of these ideas as historical forces and pillars of the Western humanistic tradition.“ [Klappentext, leicht gekürzt]
„A hilarious coming-of-age memoir from comedian and storyteller David Crabb tells a universally resonant story about growing up gay and Goth in San Antonio, Texas. What saved him was finding a group of outlandish friends who reveled in being outsiders. David found himself enmeshed with misfits: wearing black, cutting class, staying out all night, drinking, tripping, chain-smoking, idolizing The Smiths, Pet Shop Boys, and Joy Division.“ [Klappentext, gekürzt]
die Kritiken sind durchwachsen – doch das Konzept klingt SO gut: jede Sorte Pizza, die es in Manhattan gibt, einmal probieren, binnen zwei Jahren!
224 Seiten, August 2015
„Over the course of two years, a twenty-something punk rocker eats a cheese slice from every pizzeria in New York City, gets sober, falls in love, and starts a blog that captures headlines around the world. Since its arrival on US shores in 1905, pizza has risen from an obscure ethnic food to an iconic symbol of American culture. In August 2009, Colin Hagendorf set out to review every regular slice of pizza in Manhattan.“ [Klappentext, gekürzt]
„Nazi! Mit diesem Ruf stürmt Beate Klarsfeld am 7. November 1968 auf dem Bundesparteitag der CDU den Vorstandstisch und ohrfeigt den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. Kiesinger war 1933 in die NSDAP eingetreten und hatte während des Zweiten Weltkriegs in der Rundfunkpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes gearbeitet. Die Ohrfeige ist der Startschuss für die Lebensaufgabe von Beate Klarsfeld und ihrem Mann Serge: als passionierte Nazijäger verfolgen die Klarsfelds die Schreibtischtäter und die Schlächter des Holocaust – in Deutschland, wo sie straffrei leben, im Nahen Osten und in Südamerika, wohin viele geflohen sind. Sie entreißen ihre Opfer dem Vergessen, veröffentlichen ihre Bilder und Namen. Die Erinnerungen des Paares sind Zeugnis ihres lebenslangen Kampfes für die Rechte der Opfer und zugleich bewegendes Dokument einer großen Liebe.“ [Klappentext, ungekürzt]
Pädagogin erklärt, was überfürsorgliche Eltern anrichten: mich hat die – sehr kulturwissenschaftliche, klug-essayistische – Einleitung überzeugt.
368 Seiten, Juni 2015
„A provocative manifesto that exposes the harms of helicopter parenting: Lythcott-Haims offers practical alternative strategies that underline the importance of allowing children to make their own mistakes and develop the resilience, resourcefulness, and inner determination necessary for success.“ [Klappentext, gekürzt]
klingt nach kitschiger Selbstbeweihräucherung – aber stilistisch/literarisch klappt das ganz gut:
447 Seiten, Juli 2015
„A deeply rendered self-portrait of a lifelong surfer: Raised in California and Hawaii, Finnegan started surfing as a child. For years, he wandered through the South Pacific, Australia, Asia, Africa. He went on to become a distinguished writer and war reporter. Barbarian Days is an old-school adventure story, an intellectual autobiography, a social history, a literary road movie.“ [Klappentext, gekürzt]
Doppelbiografie über die „Frankenstein“-Autorin und ihre Mutter
672 Seiten, April 2015
„Romantic Outlaws is the first book to tell the story of the passionate and pioneering lives of Mary Wollstonecraft – English feminist and author of the landmark book, The Vindication of the Rights of Women – and her novelist daughter Mary Shelley, author of Frankenstein.
Although mother and daughter, these two brilliant women never knew one another – Wollstonecraft died of an infection in 1797 at the age of thirty-eight, a week after giving birth. Nevertheless their lives were so closely intertwined, their choices, dreams and tragedies so eerily similar, it seems impossible to consider one without the other. Both women became famous writers; fell in love with brilliant but impossible men; and were single mothers who had children out of wedlock; both lived in exile; fought for their position in society; and thought deeply about how we should live. And both women broke almost every rigid convention there was to break: Wollstonecraft chased pirates in Scandinavia. Shelley faced down bandits in Naples. Wollstonecraft sailed to Paris to witness the Revolution. Shelley eloped in a fishing boat with a married man. Not only did Wollstonecraft declare the rights of women, her work ignited Romanticism.“ [Klappentext, gekürzt]
eine Kulturgeschichte Deutschlands, erklärt an mehreren Gegenständen/Objekten.
640 Seiten, Original November 2014, deutsch im September 2015 bei C.H. Beck
„Deutschlands Grenzen waren oft in Bewegung, und die längste Zeit der letzten 500 Jahre bestand es aus einem bunten Mosaik von politischen Gebilden. Doch es gibt auch Erinnerungen, die allen Deutschen gemeinsam sind: Neil MacGregors Reise durch die deutsche Geschichte beginnt mit dem Brandenburger Tor und endet mit Gerhard Richter. Unterwegs begegnen wir Gutenbergs Buchdruck, Porzellan aus Dresden, deutschem Bier und deutscher Wurst, Goethe, Schneewittchen und Mutter Courage, der Krone Karls des Großen, einem Tauchanzug made in Ostdeutschland und dem Tor von Buchenwald. Wie es Neil MacGregor gelingt, all diese Objekte zum Sprechen zu bringen und sie von deutscher Geschichte erzählen zu lassen, ist intelligent, bravourös und unterhaltsam.“ [Klappentext, gekürzt]
Essays von einem der wichtigsten Historiker/NS-Experten
496 Seiten, Februar 2015
„The acclaimed author of the Third Reich trilogy reveals the shifting perspectives on Nazism’s rise to political power, its economic intricacies, and extension into postwar Germany. Evans considers how the Third Reich is increasingly viewed in a broader international context, as part of the age of imperialism and explores the complex relationship between memory and history.“ [Klappentext, gekürzt]
„Ravensbrück, the largest female-only concentration camp, where more than 100,000 women consisting of more than twenty nationalities were imprisoned just fifty miles north of Berlin. Ninety percent of Ravensbrück’s prisoners were not Jewish. Rather, they were political prisoners, Resistance fighters, lesbians, prostitutes. In a perverse twist, most of the guards were women themselves.“ [Klappentext, gekürzt]
das System der Konzentrationslager, auf 880 Seiten erklärt
880 Seiten, April 2015
„In a landmark work of history: Nikolaus Wachsmann offers an integrated account of the Nazi concentration camps from their inception in 1933 through their demise in 1945. There has been no history of the camp system that tells the full story of its broad development and the everyday experiences of its inhabitants, both perpetrators and victims, and all those living in what Primo Levi called „the gray zone.“ [Klappentext, gekürzt]
Memoir über eine Frau, die aus Nordkorea flüchten konnte. Aktuell gibt es drei große US-Titel von Nordkoreaner*innen. Dieser hier funktioniert auch stilistisch.
„Yeonmi Park träumte nicht von der Freiheit, als sie im Alter von erst 13 Jahren aus Nordkorea floh. Sie wusste nicht einmal, was Freiheit ist. Alles, was sie wusste war, dass sie um ihr Leben lief, dass sie und ihre Familie sterben würde, wenn sie bliebe – vor Hunger, an einer Krankheit oder gar durch Exekution. In ihrem Buch erzählt Yeonmi Park von ihrem Kampf ums Überleben in einem der dunkelsten und repressivsten Regime unserer Zeit; sie erzählt von ihrer grauenhaften Odyssee durch die chinesische Unterwelt, bevölkert von Schmugglern und Menschenhändlern, bis nach Südkorea; und sie erzählt von ihrem erstaunlichen Weg zur führenden Menschenrechts-Aktivistin mit noch nicht einmal 21 Jahren.“ [Klappentext, gekürzt]
„Das Schiff, dessen Untergang den Ersten Weltkrieg entschied. Am 7. Mai 2015 ist es 100 Jahre her, dass das amerikanische Passagierschiff Lusitania während des Ersten Weltkriegs von einem deutschen U-Boot angegriffen wurde und 1200 Menschen ihr Leben verloren.“ [Klappentext, gekürzt]
fünf Portraits von Überlebenden des Atombombenabwurfs auf Nagasaki, 1946
416 Seiten, Juli 2015
„74,000 people died within the first five months, and another 75,000 were injured. Published on the seventieth anniversary of the bombing, Nagasaki takes readers from the morning of the bombing to the city today, telling the first-hand experiences of five survivors, all of whom were teenagers at the time of the devastation. Susan Southard has spent years interviewing hibakusha (“bomb-affected people”) and researching the physical, emotional, and social challenges of post-atomic life. She weaves together dramatic eyewitness accounts with searing analysis of the policies of censorship and denial that colored much of what was reported about the bombing both in the United States and Japan.“ [Klappentext, gekürzt]
Kate Harding erklärt „Rape Culture“, sachlich, packend, sympatisch.
272 Seiten, Dezember 2014
„Dominique Strauss-Kahn’s arrest. The alleged rape crew of Steubenville, Ohio. Sexual violence has been so prominent in recent years that the feminist term “rape culture” has finally entered the mainstream. But what, exactly, is it? Asking for It makes the case that twenty-first century America supports rapists more effectively than victims.“ [Klappentext, gekürzt]
„Race. The greatest social divide in American life, a half-century ago and today. During that time, the U.S. has seen the most dramatic demographic and cultural shifts in its history, what can be called the colorization of America. But the same nation that elected its first Black president on a wave of hope is still plunged into endless culture wars. After eras framed by words like „multicultural“ and „post-racial,“ do we see each other any more clearly?“ [Klappentext, gekürzt]
Einwanderung in die USA: Anekdoten und Geschichten, vielleicht zu geschwätzig.
416 Seiten, September 2015
„In the fifty years since the 1965 Immigration and Nationality Act, the foreign-born population of the United States has tripled. Significantly, these immigrants are not coming from Europe, as was the case before 1965, but from all corners of the globe. A Nation of Nations follows the lives of a few immigrants to Fairfax County, Virginia over recent decades as they gradually “Americanize.” Hailing from Korea, Bolivia, and Libya, these families have stories that illustrate common immigrant themes: friction between minorities, economic competition and entrepreneurship, and racial and cultural stereotyping.“ [Klappentext, gekürzt]
Michael J. Seidlinger | Greg Hrbek | Kenneth Oppel | Sara Taylor | James Rice | Silvia Moreno-Garcia | Kristine Bilkau | Brian Morton | Ann Packer | Matt Fraction & Chip Zdarsky | Julie Mayhew | Sabine Rennefanz | Christoph Peters | Etgar Keret | Aziz Ansari | Tyler Oakley | Erik Brandt-Höge | Warren Ellis | Angela Flournoy | Boris Razon | Hilary T. Smith
am schlimmsten sind für mich historische Romane in Deutschland – denn fast ALLE sind im selben Pergament-Look und mit der selben roten Schrift.
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ein US-Trend 2015: erotische „New Adult“- und „Dark Romance“-Romane über das Sexleben von College-Studentinnen mit finsteren Hipster-, Bart-, Tattoo- und Anzug-Models auf dem Cover:
Am 16. November (Montag) spreche ich bei Deutschlandradio Kultur ab kurz nach 10 Uhr über die aktuell erfolgreichste Comicreihe der Welt: „Attack on Titan“.
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„Attack on Titan“ ist ein monatlich erscheinender japanischer Horror-/Fantasy-/Action-Manga für Jugendliche. Pro Monat erscheinen ca. 40 Seiten in einem Magazin; alle ca. 5 Monate erscheint ein Sammelband mit 4 bis 5 Kapiteln, seit 2009. Diese bisher 18 Sammelbände sind ein Bestseller in Japan, den USA und Deutschland. Die Reihe soll ca. 2017 enden.
2013 erschien eine Anime-Serie, die Band 1 bis 8 adaptiert, seit Oktober 2015 läuft eine zweite Staffel. Diese TV-Adaption ist handwerklich besser als der Manga, aber in erster Linie ist „Attack on Titan“ weiterhin ein Print-Erfolg. Im Sommer 2015 kam eine Realverfilmung in die Kinos – mit schlechten Kritiken/wenig Resonanz.
Ein 3-Minuten-Trailer zur TV-Version, der Figuren, Stimmung und Militarismus gut einfängt:
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6 Thesen, Eigenarten:
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„Attack on Titan“…
…ist amateurhaft: Hajime Isayama, geboren 1986, ist Zeichner und Autor. 2009 war er erst 22. Mangas sind oft SEHR virtuos gezeichnet. „Titan“ ist der zeichnerisch schlechteste, den ich kenne: Perspektive, Hintergründe, Charakterdesign… alles wirkt lieblos und anfängerig. Das ist toll, weil: Der Manga wirklich durch die Geschichte zum Erfolg wurde. Nicht durch Schauwerte oder Oberflächen. [Die TV-Version ist deutlich hochwertiger.]
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…ist „deutsch“: Der Manga spielt in der Zukunft oder auf einer parallelen Erde. Seit 107 Jahren verschanzt sich die Menschheit irgendwo in Zentral- oder Osteuropa hinter drei riesigen Mauern/Festungskreisen. Die ärmsten Menschen leben in den äußeren Gebieten, die Oberschicht im sicheren Zentrum. Es gibt keinen Strom und keine Motoren, die Architektur erinnert an deutsche Fachwerkstädte wie Nördlingen, im reichen Zentrum an die Gründerzeit in z.B. Berlin.
Die Figuren heißen „Eren Jäger“, „Annie Leonhardt“, „Christa Lenz“ oder, alberner, „Flegel Reeves“, „König Fritz“ usw., der japanische TV-Titelsong beginnt mit den deutschen Worten „Seid ihr das Essen? Wir sind die Jäger!“
Im März, auf der letzten Leipziger Buchmesse, sah ich MASSENWEISE Cosplayer/Fans in Uniformen. Die „Titans“-Welt ist preußisch/altdeutsch, germanophil, Soldatin Makisa Ackermann ist halb-Asiatin und damit vielleicht der letzte nicht-weiße Mensch. Denn hinter den Mauern warten Riesen/Titanen: 3 bis 50 Meter hohe Wesen, die Menschen verschlingen/fressen und nur durch einen Schwerthieb durch den Nacken getötet werden können.
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…ist Shonen: Es gibt vier Sorten Manga: Josei für erwachsene Frauen, Seinen für Männer, Shojo für Mädchen und Shonen – für Jungs. Wie fast alle in Deutschland erfolgreichen Manga ist „Attack on Titan“ ein Shonen-Titel. Action, kaum interessanten Frauen, ein junger, ungestümer Held mit besonderen Fähigkeiten, von dessen Leistung das Schicksal der ganzen Welt abhängt. „Attack on Titan“ ist konventionell – aber eben ein zeitgemäßer, spannender, süffiger Einstieg ins Genre „Shonen“ oder ins Medium „Comics“. Und: die Reihe ist zynischer, blutiger, weniger idealistisch als bisherige Shonen-Erfolge („Dragonball“, „One Piece“). Ein Junge geht zum Militär, um Riesen zu zerstören – um jeden Preis.
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…ist eine Zombie-Geschichte ohne die Frage nach Werten: Die Titans sind wie Zombies – nur (sehr japanisch) groß wie Godzilla/Kaiju-Monster. In vielen Zombiegeschichten ist die Regierung passé, Figuren müssen sich als Gruppe organisieren und entscheiden, an welchen Werten sie festhalten. Bei „Attack on Titan“ dagegen gibt es ein Militär, dem man sich unterordnet: Gehorsam, Uniformen, Militarismus, Wir-gegen-die-Rhetorik. Der Comic ist halb „Harry Potter“ (zwei Jungs, ein Mädchen machen eine gefährliche Ausbildung), halb Militär-Werbung. Der sympathische „Titan“-General Pixis ist dem Kaiserlichen General Akiyama nachempfunden – der Invasionskriege gegen China und Korea führte. Auch deshalb wird „Attack on Titan“ in Korea und China boykottiert, der Autor erhielt Morddrohungen.
…ist ein ontologisches Rätsel: Ähnlich wie Mystery-Serien wie „Lost“ funktioniert „Titan“ auf zwei Ebenen. Abenteuer, Überlebenskampf, Verfolgungsjagden auf Pferden und durch Wälder… und, größer: die Frage, wie diese Welt funktioniert. Woher kommen die Titanen? Was liegt jenseits der Mauer? Spielt die Handlung ca. im Jahr 4000, nach einem riesigen Krieg – oder in einer Märchenversion des späten 19. Jahrhunderts? Immer neue Rätsel und Geheimnisse sind wichtiger als Figurenpsychologie oder Logik, und wie bei vielen ontologischen Rätseln kann man vor Ende nicht sicher sagen, ob die Geschichte „gut“ ist oder nicht. Bisher wird sie in 18 Bänden immer hanebüchener, aber auch immer packend-geheimnisvoller.
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…ist reaktionär: als die Titanen die äußerste Mauer durchbrechen, verliert die Menschheit ein Drittel ihres Landes. Alle flüchten sich hinter Mauer 2 – doch weil das Essen knapp wird, sperrt der König die Unterschicht (20 Prozent der Menschheit) aus und lässt sie von Titanen fressen. Sozialdarwinismus, sehr viel Gerede über „wertlose“ Menschen oder die „Verschwendung“, Schwachen zu helfen… „Attack on Titan“ erzählt eine zynische Geschichte und zeigt eine mitleidslose, fremdbestimmte Welt, die Teenager anspricht. Die Adligen sind dekadent, der Staat machthungrig, die Priester böse, Zivilisten dumm und nutzlos. Nur das Militär kann uns retten.
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„Jeder ist ein Sklave einer Sache oder Idee.“
„Es gibt keine guten und schlechten Menschen: Wer unbequem ist, wird ’schlecht‘ genannt“
„Wenn die Ressourcen knapp werden, muss sich jede Minderheit der Mehrheit anpassen.“
Nur, weil Soldaten sich opfern, „können die gewöhnlichen Menschen immer weiter leben, ohne etwas zu schaffen, bis sie irgendwann sterben.“
Zäune. Mauern. Opfer: „Attack on Titan“ zeigt eine grausame, existenziell beklemmende Welt – drastisch, ohne Empathie für Schwächere, jugendlich-pathetisch, wütend… und rechts. faschistoid?
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Manga-Empfehlungen:
mein aktueller Lieblings-Manga ist „I am a Hero“
mein TV-Favorit: „Neon Genesis Evangelion“
mein Lieblings-Animefilm: „Nausicäa“
als Schüler mochte ich „Die Königin der 1000 Jahre“, „Lady Oscar“, „Sailor Moon“, „Wish“ (Clamp) und „Dragonball“ (nur die Mangas, nicht die Serie).
seitdem las und mochte ich u.a. „Yotsuba“, „Bakuman“, „Honey & Clover“, „Twin Spica“, „Sakamichi no Apollon“, „With the Light“ und, mit gewissen Abstrichen, „Young Bride’s Story“, „Homunculus“, „Pluto“, „Planetes“ und „Ooku: the Inner Chambers“.